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Die Frauen von Schloss Blackhill
Die Frauen von Schloss Blackhill
Die Frauen von Schloss Blackhill
eBook498 Seiten6 Stunden

Die Frauen von Schloss Blackhill

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Über dieses E-Book

Die schottischen Highlands in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts: England versucht seine Macht durchzusetzen, während die Clans davon träumen unter Prinz Charles Stuart die Unabhängigkeit zurückzuerlangen. Neben der Frage, ob man sich besser für oder gegen England stellt, gibt es auch so schon uralte Reibereien zwischen den Clans, wegen Land, Vieh und Ehre.

Lucas Cremor, talentierter Wundarzt und herausragender Fechtlehrer, wird zur Ausbildung der Highlander auf Schloss Blackhill bestellt. Dort findet er nicht nur einen Haufen lausiger Soldaten und unkooperative Offiziere vor, sondern auch die Liebe seines Lebens, Lady Margaret - leider verheiratet mit dem mächtigen Schlossherrn. Während er mit der Hilfe ihrer Tochter dem Galgen nur knapp entkommt, wird seine Liebste nach Amerika deportiert.
Er findet Unterschlupf beim Erbfeind seines Clanchiefs und wechselt das Lager - fort von den Umstürzlern und hin zu denen, die es vorziehen mit den Engländern zu kooperieren und Geschäfte zu machen. Der durch die Engländer vorangetriebene Straßenbau eröffnet große Absatzgebiete im Süden, für Wolle, Fleisch und ... Whisky. Cremor steigt ins Geschäft ein und gemeinsam entdeckt man was passiert, wenn man das Wasser des Lebens längere Zeit in Eichenfässern lagert ...
Während die Liebenden immer wieder versuchen zueinanderzufinden, bahnen sich weitere familiäre Verwicklungen an, denn Margarets Tochter, ebenfalls auf der Flucht, lässt sich mit dem Erzfeind ihres Vaters ein ... schließlich kommt es zur großen Schlacht unter Prinz Charles bei Culloden, wo sich nicht nur Schotten und Engländer gegenüberstehen, sondern auch verfeindete Clans und zerrissene Familien — ein jeder hat Grund für Blutrache und Blut fließt reichlich ...

Ed Belser ist passionierter Dudelsackspieler, Whiskyhändler und Schottlandkenner. Mit großer Sachkenntnis lässt er das 18. Jahrhundert Schottlands vor gut recherchiertem Hintergrund wieder lebendig werden und setzt diesen Roman den gängigen, aber falschen Mythen über die schottischen Highlands entgegen. "Die Frauen von Schloss Blackhill" zeigen die Highlands so, wie sie damals wirklich waren: gälisch, katholisch und unzivilisiert. Neben politischer Geschichte wird auch viel über die Kunst des Dudelsackspielens und das Destillieren von feinstem Whisky erzählt.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum26. Jan. 2013
ISBN9783844246957
Die Frauen von Schloss Blackhill

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    Buchvorschau

    Die Frauen von Schloss Blackhill - Ed Belser

    Imprint

    Die Frauen von Schloss Blackhill

    Ed Belser

    published by: epubli GmbH, Berlin

    www.epubli.de

    Copyright: © 2013 Ed Belser

    ISBN 978-3-8442-4695-7

    Lektorat: Erik Kinting / www.buchlektorat.net

    Titelgestaltung: Erik Kinting

    Inhaltsverzeichnis

    Imprint

    Inhaltsverzeichnis

    Prolog

    Kapitel I: Lucas Creamore

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    Kapitel II: William und Mary

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    Kapitel III: Schloss Blackhill

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    Kapitel IV: Die Flucht

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    Kapitel V: Schloss Summerset

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    Kapitel VI: Die alte Brücke bei der Mühle

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    Kapitel VII: 1746

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    Kapitel VIII: Blair Mhor

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    Epilog

    Historische Personen

    Glossar

    Nachwort

    Prolog

    General Wade verneigte sich vor dem König. „Eure Majestät haben mich rufen lassen. Ich stehe zu Euren Diensten."

    König George I. wies auf einen Stuhl. „Nehmt Platz, General. Ich habe einen neuen Auftrag für Euch. Doch setzen wir uns zuerst über die Ausgangslage ins Bild." Der König hatte einen starken deutschen Akzent.

    Der Sekretär tunkte seine Feder in die Tinte und wartete aufmerksam.

    Als die vierte Person im Raum auf das Zeichen des Königs die Stimme erhob, erkannte Wade den Premierminister: „Die Jakobiten haben vor einigen Jahren versucht, unseren König zu stürzen. Sie werden es wieder versuchen. Das müssen wir verhindern."

    „Wir müssen auch damit rechnen, dass sie sich einmal mehr mit den Franzosen verbünden", warnte der König.

    Der Premierminister sah ihn kurz an und wandte sich wieder an Wade: „Wir haben den Süden Schottlands einigermaßen im Griff. Aber der unwegsame Norden und die westlichen Inseln sind ein Problem. Wir kommen da fast nicht hin."

    Die Feder des Sekretärs kratzte.

    „Die großen Clans sind eine Gefahr für uns, fuhr der Premierminister fort, „sie haben nach wie vor eigene Armeen. Es ist uns nicht gelungen, sie zu entwaffnen. Seine Majestät will, dass wir Garnisonen errichten und die Highlands mit Straßen und Brücken erschließen. Das wäre Ihr Auftrag, General Wade. Außerdem müssen Sie die Entwaffnung durchsetzen.

    Der König erhob sich. „Wir nennen das Friedenssicherung. General, ich ernenne Euch hiermit zum Oberkommandierenden der Armee für Nordbritannien. Viel Glück!"

    Kapitel I: Lucas Creamore

    1

    Lucas war sechs Jahre alt, als er sein erstes Messer in der Hand hielt. Es hatte einen kurzen Horngriff mit einem Riss und eine schmale Klinge. Er reinigte es im Wasser und schliff mit einem Stein den Rost ab.

    Er hatte es gefunden, als er am Bach spielte, an seinem Lieblingsplatz. Ein Stück weiter draußen, dort wo das Wasser schneller floss, ließen sich manchmal Perlmuscheln finden. Als er nach ihnen gestöbert hatte, war plötzlich der Knauf zum Vorschein gekommen. Der Fund des Messers hatte ihn glücklicher gemacht, als wenn er ein paar Muscheln entdeckt hätte.

    An der Rückseite des Hauses fand er ein Versteck für das Messer. Gregor hätte ihm den Besitz nicht erlaubt. Er hätte gesagt: „Du sollst nicht töten, also brauchst du kein Messer." Immer, wenn Lukas das Haus verließ, holte er es hervor. Es gehörte ihm, und es gehörte zu ihm.

    Gregor war der Dorfpfarrer, katholisch, wie alle hier.

    Lucas war meistens mit sich allein beschäftigt, seit seine Mutter gestorben war. Die kirchlichen Obliegenheiten nahmen Gregor völlig in Anspruch, und wenn er sich Lucas widmete, dann um ihm Lesen und Schreiben beizubringen und ihn zum Gebet anzuhalten. Es kam selten vor, dass Lucas ihn begleiten durfte. Vielleicht gerade mal zum Hafen, wenn ein Schiff einen Toten zurückbrachte.

    Kaum waren sie am Meer, wies Gregor mit der Hand in die Ferne und erklärte: „Dort drüben liegt Frankreich. Dort lebt unser rechtmäßiger König. Wir wollen für ihn beten, dass er den Weg zurück nach Schottland findet."

    Doch Lucas interessierte sich mehr für die Körper der Toten, und wenn er sich nicht beobachtet fühlte, berührte er sie mit spitzem Finger.

    Meistens war Lucas allein, und er war nicht einmal unglücklich darüber. Wenn er sich sehr einsam fühlte, dachte er an seine Mutter und an ihre warmen, fast schwarzen Augen. Dann kamen ihm meistens die Tränen, die seine eigenen Augen noch dunkler erscheinen ließen. Seine Mutter hatte ihn stets nur Crea Amore gerufen, und für ihn war das sein wirklicher Name. Doch Gregor nannte ihn Lucas.

    Lucas hatte sich sein eigenes Reich aufgebaut. Der Bach, an dem er das Messer gefunden hatte, führte in einiger Entfernung vom Pfarrhaus hinunter zum Fluss und dann zum Meer, doch Lucas’ Welt lag oben im Tal, wo sich der Bach durch Eiben und Birken wand und in ein Waldgebiet führte. Wenn er dort ankam, waren seine Füße weißsauber, denn dort war das Wasser klar; weiter unten, in der moorigen Ebene, färbte der Torf die Bäche und seine Füße braun. Oben, über allem, in einer kleinen Lichtung, hatte sich Lucas in einem gespaltenen hohlen Baumstamm mit einigen kleinen Holzstücken ein Gestell gezimmert.

    Nach dem Tod seiner Mutter war eine andere Köchin in den Haushalt gekommen, und sie war es gewesen, die ihm jenen Anstoß gegeben hatte, ohne es zu ahnen. Es waren die Reste eines gebratenen Huhnes gewesen, die sie ihm mitgegeben hatte. Lucas hatte sie unterwegs verzehrt, die Knochen sorgfältig abgenagt und achtlos weggeworfen. Später kam er an der gleichen Stelle wieder vorbei und fand einige der Knochen sauber und weiß wieder, andere waren von Käfern und Maden besiedelt. Er hockte sich hin und beobachtete die Tierchen bei ihrem Werk. Lange hatte er die Knochen von allen Seiten betrachtet und befühlt, wunderte sich über die vielfältigen Formen und fragte sich nach ihrem Sinn und ihrer Funktion. Doch die fehlenden Teile gaben ihm keinen Aufschluss darüber.

    Das führte dazu, dass er sich eine kleine Schaufel besorgte, im Wald eine Grube anlegte und die Käfer und Maden mitsamt den Knochenstücken hineinwarf. Als Nächstes fand er eine tote Maus. Auch sie legte er in die Grube und deckte diese mit Ästen zu. Von Zeit zu Zeit schaute er nach ihr, und als er nur noch das saubere Skelett vorfand, bewahrte er das erste Stück seiner Sammlung sorgfältig auf.

    Wochen später — Lukas hatte inzwischen das Gestell gezimmert — stand er davor und betrachtete seine Schätze. Zuoberst lag das Skelett der Maus, daneben das von zwei Vögeln, darunter das von einem Hasen und zuunterst dasjenige eines Dachses. Für heute hatte er sich vorgenommen, die Armknochen der Tiere zu untersuchen und zu vergleichen. Als er die Knochen für die gleiche Funktion erkannte hatte, tastete er seine eigenen Glieder ab und staunte über die vielen Gemeinsamkeiten. Doch er konnte nicht sehen, was die einzelnen Knochen zusammenhielt und ihnen ihre Spannkraft gab. Mit den Fingern ertastete er seine Muskeln und Sehnen und folgte ihnen bis zu ihrer Befestigung an den Knochen.

    Die Köchin vermisste inzwischen das eine oder andere kleine Messer. Lucas hatte eines davon zum Dorfschmied gebracht und ihn gebeten, die Klinge zu verkürzen und zu schärfen. Es diente ihm bei seinen weiteren Untersuchungen, die er am toten Körper einer Krähe vornahm. Ihre Eingeweide hatte er entfernt und einzelne Muskeln sorgfältig freigelegt. Nach und nach eröffnete sich ihm das Zusammenwirken von Knochen, Muskeln und Sehnen. Schritt um Schritt und Schnitt um Schnitt wagte er sich an größere Tiere. Mit der Zeit konnte er auch die Innereien auseinanderhalten. Herzen, Lebern, Mägen, Gedärm, Nieren und Blasen konnte er inzwischen erkennen, doch ihr Zusammenspiel blieb ihm noch vorenthalten. Als er selbst größer wurde, erstreckte sich sein Interesse mehr und mehr auf größere Tiere. Der Dorffleischer wohnte nicht weit vom Pfarrhaus entfernt, und Lucas fiel bald auf, dass Schafe und Kühe dort hineingetrieben wurden, aber nicht mehr herauskamen. Und als er heimlich durch das Fenster beobachtete, wie der Metzger einem Schaf die Kehle durchschnitt und das Blut pulsierend herausströmte, glaubte er, auch das Leben begriffen zu haben.

    Abends im Bett drückte er sich die Schlagadern am Handgelenk zu, bis es schmerzte, und genoss die Erleichterung, wenn er wieder losließ. Nun hatte er eine Vorstellung vom Gerüst, vom Skelett der Lebewesen, von ihren Muskeln und Sehnen, spürte ihren Blutkreislauf. Als er dem Fleischer zusehen konnte, wie er das Schaf öffnete und die Eingeweide herausquollen, war für ihn auch klar, wo das Essen hinging und wo es den Körper wieder verließ.

    „Ich wünsche mir ein Pferd", hatte Lucas zu Gregor gesagt.

    Dieser meinte nur: „Wozu brauchst du ein Pferd? Der Schöpfer hat dir Füße gegeben."

    Mit der Zeit verbrachte Lukas die meisten Stunden, in denen Gregor mit den Kirchendiensten beschäftigt war, beim Fleischer. Gregor durfte es nicht wissen und dem Fleischer war es recht, denn so hatte er eine Hilfskraft, die ihn nichts kostete.

    2

    Eines Tages stand plötzlich ein Bauer vor der Tür des Metzgers. „Wo ist der Fleischer?"

    Lucas sah, dass der Bauer ein grobes Holzgestell hinter sich herzog, auf dem ein Schaf festgebunden war.

    „Ich bin allein, erwiderte Lucas, „was willst du?

    „Das dumme Tier hat sich ein Bein verletzt, es kann nicht mehr gehen. Ich will es euch verkaufen."

    Lucas schaute sich das Schaf an. Sofort fiel ihm auf, dass es hochträchtig war. „Ich habe kein Geld. Der Fleischer kommt morgen wieder."

    Das Tier war fast leblos. Lucas befühlte die dicken Adern am Hals und spürte noch ein leichtes Pulsieren. Das eine Vorderbein war gebrochen, Splitterknochen stießen aus der arg geschwollenen und eitrigen Wunde hervor, die voller Fliegen war.

    „Es wird es nicht mehr lange machen. Lucas sah dem Bauern in die Augen. „Ich gebe dir die Hälfte des Fleisches, der Rest ist für das Schlachten.

    Der Bauer fixierte ihn mit zusammengekniffenen Brauen und holte mit der Hand aus, aber brach die Bewegung sofort ab, als er das Messer sah, das wie zufällig in die Hand von Lucas gelangt war.

    „Du kannst dein Schaf auch wieder nach Hause schleppen, wenn du willst."

    Der Bauer schaute ihn böse an, presste seine Faust in die Hand, dann schlug er sich auf die Handfläche und nickte.

    „Hilf mir, es hineinzutragen!", sagte Lucas.

    Gemeinsam luden sie das Schaf ab und schleiften es ins Haus.

    „Komm in zwei Stunden wieder!"

    Kaum war der Bauer weg, befestigte Lucas ein Seil um die Hinterbeine des fast regungslosen Tieres, zog es über der Schlachtbank hoch und stellte einen hölzernen Eimer unter dessen Kopf. Dann schnitt er die Halsschlagader auf und achtete sorgsam darauf, dass alles Blut seinen Weg in den Eimer fand. Das dauerte, und er wartete ungeduldig, bis der Blutstrom versiegt war. Nun führte er sein scharfes Messer mit einem langen Schnitt quer über die dünne Haut des Tierleibes, tief genug, um mit seinen Händen den Weg in die Öffnung und zum ungeborenen Lamm zu finden. Er wühlte im Bauchraum herum, fand es, zog es heraus, nabelte es ab und legte es in einen Korb. Es hob den Kopf und begann zu zappeln.

    Er legte ein Tuch über den Korb und band es fest, sodass das Lämmchen nicht herausfallen konnte. Dann trug er es hinter das Haus, wo sich in einem Gehege andere Schafe aufhielten. Er sonderte eines ab, das kürzlich abgelammt hatte, und band es fest. Dann stellte er den Korb auf den Boden, öffnete das Tuch und ließ das Neugeborene auf den Boden gleiten. Das Mutterschaf zog am Strick, es zeigte kein Interesse. Lucas massierte das kleine Tier, strich ihm über Maul und Nase, dann umfasste er mit seinen Händen Maul und Nase des Muttertiers. Diesen Vorgang wiederholte er einige Male. Zurück im Haus, machte er sich an das Zerlegen des toten Schafes.

    Später sah er nach dem neugeborenen Lämmchen. Es war sauber abgeleckt und stakste schon recht sicher herum. Seine neu ernannte Schafsmutter ließ es an ihre Zitzen.

    Den Fleischanteil für den Bauern legte er auf dessen Holzkarren und wartete, bis er wieder auftauchte. Als er ihn laut schimpfend näherkommen hörte, zog er es vor, ihm auszuweichen. Er hörte noch, wie er ihn verfluchte und ihn als Halsabschneider bezeichnete, bevor er mit seinem Gestell abzog.

    Die andere Hälfte und das Lamm verkaufte Lucas am anderen Tag dem Fleischer zu einem guten Preis. Für das Geld erstand er sich ein Pferd, kein edles zwar, eigentlich eine alte Mähre, die zum Schlachten vorgesehen war, aber es ermöglichte ihm, sich rascher zwischen seinen Verstecken im Wald und dem Schlachthaus zu bewegen. Das gutmütige Tier hatte sich schnell an ihn gewöhnt, und bald konnte er es auch recht gut reiten. Der Fleischer erlaubte ihm, das Pferd bei ihm unterzustellen. Gregor gegenüber verheimlichte er seine neueste Errungenschaft.

    3

    Mittlerweile hatte Lucas sich durch den steten Umgang mit seinen Messern eine Fertigkeit angeeignet, die auch Gregor nicht entgangen war. Lucas konnte kleinere Gegenstände aus Holz oder Knochen schnitzen, kleine Nachbildungen von Vögeln oder Fröschen; er benutzte sogar beim Essen ein Messer, wo doch sonst ein Holzlöffel oder die Finger genügten. Mit der Zeit hatte er eine ganze Sammlung von verschiedenen Messern, feine und grobe, kurze und lange, jedes für einen bestimmten Zweck. Auch dafür hatte er sich geeignete Verstecke eingerichtet.

    Was Lucas im Wald mit seinen toten Tieren und beim Fleischer alles gelernt hatte, entging Gregor, oder er wollte es nicht wissen. Seine Sorge galt dem bevorstehenden Besuch des Kirchenadministrators.

    Als der Tag endlich gekommen war, hatte Gregor der Köchin aufgetragen, ein opulentes Mahl zu bereiten.

    Nachdem sie die Suppe aufgetragen und sich wieder in die Küche verzogen hatte, meinte der Kirchenadministrator: „Ihr habt eine neue Köchin, wie ich sehe."

    „Ja, ihre Vorgängerin ist leider verstorben."

    „Sie war doch Spanierin, oder?"

    „Jawohl. Lucia Creamore. Ihr erinnert Euch gut."

    „Und hatte sie nicht einen Sohn?"

    „Ja, er heißt Lucas. Ich möchte mit Euch über ihn sprechen."

    „Hat er denn keinen Vater?"

    Gregor merkte, dass er rot anlief. „Hier im Dorf weiß man nicht, wer sein Vater ist."

    Der Kirchenadministrator legte den Löffel zur Seite. „Wisst Ihr es denn?"

    Gregor schaute in den Teller. „Ja."

    Die Köchin brachte einen Topf und stellte ihn auf den Tisch. Der Kirchenadministrator schwieg, während sie die Teller füllte. Als sie wieder unter sich waren, räusperte er sich.

    „Das ist eine ernste Angelegenheit. Ihr kennt die Regeln der Kirche."

    „Ja, Hochwürden. Ich möchte ihnen gerne nachleben. Nachdem die Mutter von Lucas verstorben ist, dachte ich, es sei möglich, ihn in die Klosterschule zu geben."

    Der Kirchenadministrator wirkte abweisend. „Die Anforderungen sind hoch."

    Gregor schöpfte seinem Gast nach und füllte das Weinglas auf. „Ich habe Lucas sorgfältig unterrichtet, er kennt die Bibel, kann Lesen und Schreiben. Auch habe ich ihm das Lateinische beigebracht."

    „Holt ihn!"

    Gregor erhob sich und rief nach Lucas.

    Der Kirchenadministrator beäugte Lucas von Kopf bis Fuß. Schwarze Haare, schwarze Augen, hellbraune Haut, ging es ihm durch den Kopf — wie seine Mutter. Darum also konnte Gregor seine Vaterschaft bisher verheimlichen. Eigentlich ein hübscher Junge. Die Mutter war wirklich eine reizvolle Frau gewesen, mit ihren schwarzen Haaren und glutvollen Augen. Warum nur hatte er es mit der eigenen Köchin treiben müssen? Pfarrer kommen doch herum und können ihre Segnungen auch außerhalb des eigenen Hauses verbreiten.

    Der Kirchenadministrator schüttelte den Kopf, und Gregor folgerte daraus, dass er seinen Vorschlag ablehnte. Er sah es als eine Bestrafung für sein sündiges Verhalten. Damit kommt eine kirchliche Karriere für Lucas nicht infrage, dachte Gregor, doch die wirklichen Gedanken des Kirchenvorstehers blieben ihm verschlossen.

    Für diesen war die Irrung des Dorfpfarrers nichts Ungewöhnliches; solches pflegte man sonst füglich zu regeln. Aber er konnte sich in seinem Zuständigkeitsgebiet einfach keinen solchen Geistlichen vorstellen — einen der aussah wie Lucas. Für ihn hatten Kirchenleute und Heilige, Jesus und wahrscheinlich auch der Schöpfer selbst keine schwarzen Augen. Doch irgendeine Lösung musste man finden, um den Pfarrer auf seinem Weg zurück zur Tugend zu unterstützen.

    „Was kann er denn, Euer Sohn? Hat er Talente?", fragte er Gregor, als er Lucas wieder entlassen hatte.

    „Jawohl! Er kann mit allem, was schneidet, perfekt umgehen." Er zeigte ihm die kleinen Kunstwerke von Lucas.

    „Wunderbar. Wirklich talentiert. Und er kann Latein?"

    Gregor spürte Hoffnung und nickte heftig.

    „So lasset ihn denn Wundarzt werden. Er ist ja noch jung. Später kann er dann immer noch in den Dienst der Kirche treten. Ich gebe ihm ein Empfehlungsschreiben für die Universität Aberdeen mit."

    Gregors Problem war gelöst, zwar anders, als er es erwartet hatte, aber der Kirchenadministrator hatte einen Ausweg gefunden.

    4

    Lucas packte seine Sachen und verabschiedete sich von Gregor, der ihm außer seinem Segen nichts mit auf den Weg gab. Er machte kurz beim Fleischer halt, den er an der Schlachtbank traf.

    „Ich gehe fort. Ich habe viel von dir gelernt. Vielen Dank für alles."

    Der Fleischer reinigte seine Hände an einem Tuch. „Du wärst ein guter Metzger geworden. Hast aber mehr im Sinn, oder?"

    „Ja, ich gehe an die Universität. Ich werde Wundarzt."

    „Hat dir der Pfarrer das geraten?"

    „Nein, der Kirchenadministrator."

    Der Fleischer zögerte, bevor er sagte: „Ich kannte deine Mutter. Lucia war eine gute Frau. Du siehst aus wie sie. Weißt du, wer dein Vater ist?"

    „Wer es auch ist, er hat mich verleugnet. Er soll in der Hölle schmoren. Da nützen ihm auch seine Beziehungen nichts."

    Der Fleischer half ihm, sein Pferd aufzuzäumen. „Warte!" Er ging zurück ins Haus.

    Lucas saß bereits im Sattel, als der Fleischer zurückkam. „Hier ist dein Lohn. Er drückte ihm einige Geldstücke in die Hand und verstaute eine Wegzehrung in der Satteltasche. „Machs gut! Ihre Blicke begegneten sich.

    „Ich werde die Zeit bei dir nie vergessen." Lucas nickte ihm zu und ritt los.

    Er folgte dem Weg des Flusses. Bald hatte er die Hügel hinter sich. Er nahm sich vor, nie mehr dorthin zurückzukehren, wo er geboren worden war.

    Sein Pferd trug ihn bis an die Küste. Es hatte seinen Dienst getan. Im nächsten Ort tauschte er es zusammen mit seinen Münzen gegen ein neues ein.

    Wenig später erreicht er Aberdeen, suchte für sich und sein Pferd eine Unterkunft und schrieb sich an der Universität ein. Das Empfehlungsschreiben des Kirchenadministrators, lautend auf Lucas Creamore, machte Eindruck.

    Er vermied seinen Vornamen und nannte sich Creamore. Doch bald wurde aus dem melodiösen Namen ein einfaches Cremor, das den Leuten besser von den Lippen ging.

    Er meldete sich bei einem Fechtmeister an. Seinen ersten Säbel hatte er einem Soldaten abgekauft, und bevor er seine Lektionen besuchte, übte er im Wald für sich allein. Er hieb Äste ab, immer dickere, und stach in morsche Stämme. Hier holte er sich die Kraft. Sein Säbel war ihm bald vertraut. Er sah in ihm nichts anderes, als ein weiteres Messer in seiner Sammlung — das größte allerdings, das er aber genauso gut führen wollte, wie das kleinste. Der Fechtlehrer brachte ihm bei, seine Kraft richtig einzusetzen.

    Nach einiger Zeit focht er mit der gleichen Perfektion, die er auch beim Studieren anwandte. Neben der Chirurgie galt sein besonderes Interesse der Chemie und dort der Destillation verschiedener Essenzen. Bald hatte er ein Rezept für ein Duftwasser entdeckt, dem reiche Aromen von Rosen und Kräutern entströmten. Er nannte es Crea Amore, und es erfreute sich bei den Damen steigender Beliebtheit. Die Düfte der Kräuter kaschierten die ungewaschenen Stellen und jene der Blumen veredelten Hals und Arme.

    Cremors Wissenshunger war ungestillt und er fand in der Bibliothek der Universität stets neue Nahrung. Geradezu besessen war er jedoch vom Sezieren. Dafür standen Tierkadaver zur Verfügung, allerdings nur eine streng begrenzte Anzahl. Was er als Kind und später beim Fleischer im Umgang mit seinen Messern gelernt hatte, hob ihn weit über das Niveau der anderen Studenten, teilweise sogar über das der Professoren hinaus. Diese beschränkten sich in ihrer Tätigkeit auf die Erforschung der Anatomie und der Krankheiten des Leibes; ihr Wissen gaben sie bei Vorlesungen weiter. Chirurgisches Arbeiten war unter ihrer Würde und zudem risikoreich, und so schützten sie ihren Ruf, indem sie dieses Gebiet den Barbieren und vor allem den Chirurgen oder Wundärzten überließen, die für Aderlass, Verletzungen, Knochenbrüche, Tumore, Geschwüre und ausgerenkte Gelenke zuständig waren.

    Bald schon wurde Cremor von den Professoren beauftragt, ihre Ausführungen im Hörsaal zu begleiten. Er sezierte nun Menschenleichen vor den Augen der Studenten und tat dies in perfekter Abstimmung mit den Erklärungen des referierenden Professors. Für Cremor war dies die beste Ausbildung, denn er konnte seine handwerklichen Fähigkeiten mit dem theoretischen Wissen der Dozenten ergänzen. Ihr Kommentar und seine Handfertigkeit verbanden sich auf ideale Weise. Für die Professoren wurde er mit der Zeit unentbehrlich, da ihre Vorlesungen regen Zuspruch fanden, wenn Cremor dabei sezierte.

    Es waren theatralische Inszenierungen: Der Seziertisch in der Mitte der Bühne mit Cremor als Hauptakteur, die Leiche als Statist, der Professor als Regisseur und in den aufsteigenden Sitzreihen die Studenten als gebannte Zuschauer. Cremor machte sich rar, und damit stiegen sein Wert und sein Nutzen. Bald hatte er erreicht, was er wollte: Er wurde offiziell zum Chirurgieassistenten ernannt, und bevor er sein Studium auch nur annähernd beendet hatte, bezog er ein Gehalt.

    Seine erste Anschaffung war ein medizinischer Koffer mit allen Geräten, die ein Chirurg benötigte: Amputationssäge, verschiedene Messer, Skalpelle, Zangen, Pinzetten, Spreizer, Aderklemmen, Hämmerchen, Haken, Nadeln — alles aus feinstem Stahl mit Elfenbein- oder Silbergriffen und das Ganze in einem Lederkoffer mit Abteilungen und Fächern für jedes Instrument.

    Er hatte jetzt genügend Geld, um seine Ausrüstung zu vervollkommnen. Sattel und Satteltaschen verschlangen einen ordentlichen Batzen, doch zwei Pistolen sowie ein neuer Säbel mit Lederzeug hatten es ihm ebenfalls angetan, und natürlich benötigte er neue Stiefel, Strümpfe, Hosen, weiße Leinenhemden und ein schickes Barett.

    Inzwischen war Cremor zu einem jungen Mann herangewachsen. Er war nicht sehr groß, aber flink und behände. Seine schwarzen Haare fielen auf, seine Zähne schimmerten weiß, und seine dunklen Augen entflammten manches Mädchenherz. Bald dufteten etliche der jungen Damen intensiv nach Crea Amore.

    Auf seinem Seziertisch lag manchmal ein Opfer eines Fechtduells, dessen Leiche niemand reklamiert hatte. So fand er bald heraus, welche Verletzungen zu einem sofortigen Tod und welche zum Tod durch Verbluten führten.

    Über kurz oder lang häuften sich die Schwierigkeiten, denn seine Kommilitonen waren eifersüchtig auf ihn, angestachelt noch durch die eine oder andere enttäuschte Liebhaberin. Als ihm die erste Herausforderung zu einem Duell überbracht wurde, zog er es vor, Aberdeen Hals über Kopf zu verlassen. Er war sich inzwischen seines Könnens als Fechter bewusst geworden, und er hatte keine Lust, einen aufgebrachten jungen Mann zu erstechen. Außerdem langweilte ihn die tägliche Routine an der Universität mehr und mehr.

    Er schiffte sich samt Pferd nach Frankreich ein und bewarb sich bei der französischen Armee als Feldarzt. Sein Ernennungsschreiben von Aberdeen öffnete ihm die Türen, und er stand schon bald im Solde der Franzosen. Dank der früheren Allianzen zwischen Schottland und Frankreich galt ein gegenseitiges Bürgerrecht, und so hatte Cremor keine Probleme, in die Armee aufgenommen zu werden.

    5

    Cremor wurde der irischen Brigade zugeteilt, in der sich hauptsächlich Iren, aber auch Schotten tummelten. Er bezog eine Militärbaracke, die aus einem Behandlungsraum und einem Schlafsaal für die Kranken bestand. Er behandelte kleine Blessuren, Blasen an den Füßen der Soldaten oder Sonnenstiche, und er langweilte sich. Um seine medizinischen Fähigkeiten zu üben, hätte er sich eine herausfordernde Schlacht oder mindestens ein Scharmützel gewünscht. Aber Frankreich befand sich in einer Phase des Friedens.

    Als Feldarzt hatte er zwar keinen offiziellen Rang, galt aber als einem Hauptmann gleichgestellt, trug die rote Uniform mit gelben Einfassungen und hatte Zugang zur Offiziersmesse. Bald lernte Cremor die übrigen Offiziere kennen. Allen gemeinsam war, dass sie gegen England und für die Unabhängigkeit von Irland und Schottland eintraten, und alle waren katholisch.

    Obwohl die irische Brigade in die französische Armee eingegliedert war, zählte sie zur Exilarmee des Anwärters auf den englischen und schottischen Thron, Prinz James Francis Stuart, der sich samt Hofstaat in Rom aufhielt. Dort genoss er das Wohlwollen des Papstes, Benedict XIV.

    Die Offiziere langweilten sich ebenfalls und vertrieben sich die Zeit mit Karten- und Würfelspielen, Fechtübungen und nicht selten mit Trinkgelagen. Dabei störte sie die Kritik des Feldgeistlichen wenig, denn der hielt sich zwar vom Kartenspiel und vom Fechten fern, war aber bei den anderen Anlässen ein umso eifrigerer Teilnehmer.

    Der Kommandant tauchte nur selten auf. Pflichtsprache war Irisch, was für die gälisch sprechenden Schotten kein Problem war.

    Die Unteroffiziere erhielten abends den Tagesbefehl für den nächsten Tag, der vorwiegend exerzieren und Märsche mit den Truppen beinhaltete. Ein Tagesoffizier hatte die einzelnen Gruppen zu inspizieren und die Wachen zu kontrollieren. Meistens wurde der Verlierer des Kartenspiels dazu verdonnert, und einer der häufig verlor — und manchmal mit Absicht – war Humphredus, der jüngste Leutnant.

    Humphredus hatte eine Vorliebe für bunte und reich verzierte Uniformen. Diese kosteten ihn den Hauptteil seines Soldes, denn Humphredus war übergroß und dünn wie eine Fahnenstange, und seine Schneider labten sich an ihm. Im Drill seiner Soldaten war er unnachgiebig. Cremor fühlte sich von ihm angezogen, weil er ihm so gegensätzlich zu sich selbst erschien. Humphredus kam ihm einsam vor. Bald hatte er sich mit ihm angefreundet, nannte ihn Humph und begleitete ihn auf den Inspektionsrunden.

    Humphredus ließ sich jeweils vom Unteroffizier die Übungen zeigen, deren Hauptaugenmerk auf dem Kampf gegen die Kavallerie lag. Die Soldaten verfügten über Streitäxte mit langen Stielen, die sie entweder im Boden verankerten, um Pferde zu stoppen, oder mit denen sie zustießen, um die Reiter von den Pferden zu reißen. Auch mussten sie in Linie mit wildem Geschrei auf einen Gegner einstürmen, der so imaginär war wie die Pferde. Eine andere Gruppe wurde mit Aufstellungen zum Gefecht gedrillt. Auf das Signal eines Trommlers formierten sie sich in Linien hintereinander oder in Blöcken. Humph konnte ziemlich ungehalten werden, wenn ihm etwas nicht passte, und seine Stimme schallte dann umso lauter über das Feld, bis sie jeden erreichte und auf seinen Platz wies.

    Cremor fiel auf, dass sie wenig Zeit darauf verwendeten, den Einsatz des Säbels zu üben, von denen doch jeder Soldat einen trug: „Warum macht ihr keine Fechtübungen?"

    „Sie üben es nicht, weil auch ihre Führer es schlecht beherrschen."

    „Also, Humph, was hältst du davon, wenn wir zuerst die Leutnants ausbilden? Dir selbst würde es übrigens auch nicht schaden."

    Humph hatte nichts dagegen und den anderen Offizieren war es durchaus recht, wenn Cremor die niederen Dienstgrade schulte.

    Cremor hatte sein Ziel erreicht, er war Fechtlehrer geworden.

    Seine Schüler lernten rasch und machten große Augen, als er ihnen erklärte, wo ihre Hiebe und Stiche beim Gegner den größten Schaden anrichten konnten und warum. Auf einem Feld hatte er eine Linie von fünfzig Strohpuppen aufrichten lassen, an denen sie üben konnten. Anfangs schlugen sie einfach drauflos, doch bald lernten sie, ihre Aktionen zielgerichtet und aggressiv durchzuführen.

    Mittlerweile hatten sich seine Fähigkeiten herumgesprochen. Etliche Einheiten der Armee sandten ihre Kaderleute zu ihm, auch höhere Offiziere, und bald administrierte er eine formelle Fechtschule. Die Verbindung der Fechtkunst mit seinen Kenntnissen der menschlichen Anatomie war für alle neu. Dankbar erinnerte sich Cremor an den Fleischer in seinem Heimatdorf und seine Zeit als Assistent an der Universität Aberdeen.

    6

    Eines Tages bemerkte er, dass sich in seiner Fechtschule ein Beobachter eingefunden hatte. Seiner Uniform nach musste es sich um einen höheren Offizier handeln. Dieser wartete, bis Cremor seine Lektionen beendet hatte und die Schüler weg waren. Dann trat er auf ihn zu:

    „Haben Sie Zeit für mich? Ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr er fort: „Ich muss mit Ihnen sprechen. Kommen Sie!

    Cremor folgte ihm und fragte: „Was wollen Sie?"

    „Gehen wir ins Behandlungszimmer, da sind wir ungestört."

    Dort angekommen bot ihm Cremor einen Stuhl an und fragte nochmals, etwas höflicher: „Was kann ich für Sie tun?"

    „Setz dich doch, Cremor. Ich bin Lewis. Er wartet, bis Cremor einen Stuhl herbeigeholt hatte. „Die Frage ist eher: Was kannst du für Schottland tun? Ich werde sie dir beantworten, Cremor. Prinz James lebt in Rom im Exil, wie du weißt. Er hat sein Leben schon einmal für unsere Unabhängigkeit riskiert. Beinahe wäre es ihm gelungen, die britische Krone zu erlangen und unser König zu werden.

    Cremor nickte mit ernster Miene. „Und wer bist du, wenn ich fragen darf?"

    „Ich bin der Adjutant unseres Generals. Aber zuerst erzähl mir von dir. Wo kommst du her? Wer ist dein Vater?"

    „Mein Vater war Barbier und starb, als ich noch klein war. Nach einer Weile fügte er hinzu: „Ich erinnere mich nicht an ihn.

    Lewis, irritiert durch die dunklen Augen von Cremor: „Und deine Mutter, ist sie Schottin?"

    „Ja, sie wurde in Spanien geboren."

    Befriedigt nahm Lewis zur Kenntnis, dass auch sie katholisch gewesen war.

    Cremor berichtete auch von seiner medizinischen Ausbildung, aber Lewis schien mehr an seinem Können als Fechtmeister interessiert zu sein.

    „Wir wollen den Thron zurück! Dieses Ziel werden wir nie aufgeben! Wie du vielleicht ahnst, sind wir viele und bereiten uns an verschiedenen Orten darauf vor. Unsere Zeit wird kommen — und wenn wir warten müssen, bis der Sohn von Prinz James alt genug ist."

    „Wer ist sein Sohn?"

    „Prinz Charles Edward Stuart."

    Cremor versuchte, eine gewisse Begeisterung in seine Frage zu legen: „Was kann ich dazu beitragen?"

    „Gib mir zuerst etwas zu Trinken."

    Cremor bot ihm Wasser und Wein an. Lewis nahm beides.

    „Du hast dir einen Namen als Fechtmeister gemacht, das hat sich weit herumgesprochen. Du scheinst darin der Beste zu sein. Bestimmt kannst du mir einen Nachfolger vorschlagen, der dein Werk hier weiterführen kann."

    Sofort war für Cremor klar, dass seine Zeit hier beendet war.

    „In den Highlands gibt es viele Clans, die noch wie früher mit dem Breitschwert kämpfen. Sie schlagen einfach drauflos und schwören auf ihre meist erfolgreichen Attacken. In ihren Tälern sind sie unbesiegbar. Sie sind aber schlecht gerüstet für einen Feldzug. Mit ihrer Art zu kämpfen sind sie den Engländern nicht gewachsen, die den Säbelkampf beherrschen und Gewehre mit Bajonetten einsetzten. Und Kanonen. Lewis sah ihm direkt in die Augen. „Ich will, dass du zurück nach Schottland gehst. Ronald MacAreagh ist ein großer Patriot. Ich will, dass du ihm hilfst. Ich habe ihm von dir berichtet. Er wartet auf dich.

    Cremor hatte zwar einen Vertrag unterschrieben, der ihm keine Wahl ließ, trotzdem stellte er die Frage. „Was ist, wenn ich mich weigere?"

    Lewis lächelte. „Das würde ich dir nicht raten. Man kennt dich jetzt. Dein Ruf würde leiden."

    „Und wer bezahlt mich dafür?", fragte Cremor.

    „Du erhältst von mir das Geld für die Reise und einen Zuschuss für deine Auslagen. Dort wirst du von MacAreagh bezahlt. Lewis schien einen Moment lang in Gedanken versunken. Er schaute auf und lächelte zum ersten Mal. „Vielleicht lernst du auch seine Frau, Lady Margaret, kennen. Er verbirgt sie, so gut er kann. Kein Wunder, denn sie ist die schönste Frau, die ich je gesehen habe. Wie er die wohl hat erobern können ... und ihre Tochter Shauna steht ihr in nichts nach.

    Abends saß Cremor mit Humph zusammen. „Ich werde von hier weggehen."

    Sein Freund spielte mit einem Fläschchen, auf dem Crea Amore stand, öffnete es, roch daran, befeuchtete einen Finger und betupfte sich hinter den Ohren. „Riecht gut. Du also auch?"

    „Warum, gehst du etwa auch weg?"

    „Ja, so ist es. Lewis erwartet von mir, dass ich die Highlander für den Kampf gegen die englischen Truppen ausbilde. Weißt du, ich soll sie drillen, damit sie lernen in Formationen zu kämpfen, wie die Engländer und auch die Franzosen hier."

    „Auch bei MacAreagh?"

    „Ja, sie werden ihm Waffen liefern, Gewehre mit Bajonetten und Säbel. Lewis erklärte, die Engländer hätten viele der Waffen der Highlander beschlagnahmt."

    Cremor schmunzelte zufrieden. „Dann gehen wir also beide an den gleichen Ort. Tief in die schottischen Highlands! Oder eher hoch, meine ich, dort bei MacAreagh soll es ziemlich hügelig sein. Freust du dich?"

    Humph nickte. „Ich freue mich, dass wir zusammenbleiben."

    Cremor schenkte sich ein Glas Wein ein. „Ja, hier wird es langweilig, nicht wahr? Außerdem ist mir der Wein verleidet. Ich sehne mich nach einem Schluck Whisky."

    Humph wog seinen Kopf leicht hin

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