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Das Erbe der Ax´lán: Die Bücher des Siebenkristalles – Teil 3: Trywfyn
Das Erbe der Ax´lán: Die Bücher des Siebenkristalles – Teil 3: Trywfyn
Das Erbe der Ax´lán: Die Bücher des Siebenkristalles – Teil 3: Trywfyn
eBook447 Seiten6 Stunden

Das Erbe der Ax´lán: Die Bücher des Siebenkristalles – Teil 3: Trywfyn

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Über dieses E-Book

Trywfyn, der König der Ogmari, begibt sich in die Hallen Drans, benannt nach einem legendären Vorfahren, wo er die bereits gefundenen Fragmente des Siebenkristalles sicher aufbewahren zu können glaubt. Dort eröffnet ihm das körperlose Wesen Elveran, das den Geist des Planeten darstellt, Einblicke in sein eigenes Schicksal und das seines Volkes. Währenddessen sind Meneas und seine Freunde auf dem Weg zum Sommersee. Nur mit einiger List gelingt es Tjerulfs Symbiosegeist Ughel-do´bec, dem unberechenbaren Berggeist Boogelaen ein weiteres Kristallfragment zu entreißen. In der Folge einer Auseinandersetzung mit Kriegern des Ordens von Enkhór-mûl kommt Idomanê ums Leben. Bei ihrer Rückkehr nach Elgen Damoth werden sie von der bestürzenden Nachricht überrascht, dass Trywfyn im Sterben liegt. Tjerulf ist vorerst der Einzige, der die wahre Ursache erkennt. Bei der Untersuchung des ax´lánischen Stützpunktes im "Eisernen Wächter" waren der König und seine Gefolgschaft, von der bereits einige gestorben sind, tödlichen Strahlen ausgesetzt. Trywfyn ist einer der Letzten, die dieser Krankheit erliegen. Aufgrund der engen Freundschaft zu Trywfyn wird es Meneas und seinen Freunden erlaubt, an der geheimnisumwitterten Sterbezeremonie der Ogmari teilzunehmen. Wegen des plötzlichen Todes von Idomanê sieht sich die Besatzung des osonischen Raumschiffes CRYPTOI veranlasst, das ganze Bodeneinsatzkommando auf das Raumschiff zu holen, wo es vorübergehend seine Erinnerungen zurückerhält und über die Mission auf Elveran unterrichtet wird. Kurz darauf werden Meneas und seine Freunde von einem ax´lánischen Roboter angegriffen. Durch das Wissen von Tjerulf kann dieser Angriff abgewehrt werden, aber Erest gewinnt durch einen Stromschlag einen Teil seines osonischen Gedächtnisses zurück. Um zu verhindern, dass seine verräterischen Erinnerungen dem Orden von Enkhór-mûl bekannt werden, müssen sie auf der CRYPTOI abermals gelöscht werden.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum16. Aug. 2015
ISBN9783738037159
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    Buchvorschau

    Das Erbe der Ax´lán - Hans Nordländer

    1. Drans Hallen

    Während Trywfyns Abwesenheit war der Palast weiter gründlich nach mysteriösen Tunneln untersucht worden, aber es konnten keine entdeckt werden. Das musste nicht beruhigen, war aber unter Umständen ein Zeichen dafür, das zumindest vorläufig die Angriffe auf den ogmarischen König und seine menschlichen Freunde aufgegeben worden waren. Vielleicht wusste der Orden von Enkhór-mûl auch davon, dass die Gruppe um Meneas und Tjerulf den Palast wieder verlassen hatte.

    Auch bei seiner Rückkehr vom »Eisernen Wächter« warteten keine schlechten Nachrichten auf Trywfyn und für einige Zeit konnte er sich seinen Geschäften als Edoral Ogmatuums widmen.

    Eine seiner ersten Maßnahmen war gewesen, eine größere Schar Landwachen zum »Eisernen Wächter« zu schicken, um zu verhindern, dass die Priester des Enkhór-mûl zurückkehrten und sich der brauchbaren Reste in dem zerstörten Stützpunkt bemächtigten. Trywfyn war sicher, dass Tjerulf und Meneas sie später noch würden untersuchen wollen. Und wenn er den Orden auf diese Weise ein wenig schwächen konnte, war es umso besser. Der Edoral wollte mit allen Mitteln verhindern, dass er ein weiteres Mal in seinem Land auf solche Weise Fuß fasste. Deshalb hatte er die Landwachen angewiesen, besonders nach Anzeichen außergewöhnlicher Geschäftigkeiten Ausschau zu halten, die nichts mit denen von Ogmari zu tun hatten. Allerdings war er sicher, dass sie es ihm bereits gemeldet hätten, wenn ihnen etwas in dieser Richtung aufgefallen wäre. So bestand die Hoffnung, dass der Stützpunkt im »Eisernen Wächter« der einzige in seinem Land war, den der Orden kannte. Ob die Ax´lán noch weitere hinterlassen hatten, musste Trywfyn erst noch herausfinden.

    Obwohl alles in Ordnung zu sein schien, erfüllte ihn seit seiner Rückkehr nach Elgen Damoth eine unerklärliche Ruhelosigkeit. Vielleicht, dachte er zunächst, lag es an der Reise der Menschen, eine Art Vorahnung von Schwierigkeiten, die ihnen begegneten. Sie waren am gleichen Tag von Elgen Damoth aufgebrochen wie er zu den Drachenbergen und bisher hatte er nichts von ihnen gehört. Das war zunächst nicht beunruhigend, denn sie hatten eine zwischenzeitliche Benachrichtigung nicht vorgesehen, aber das bedeutete nicht, dass bei ihnen alles gut verlaufen war. Doch die Ruhelosigkeit blieb auch noch, als sie alle wohlbehalten zurückkehrten. Daraus schloss Trywfyn, dass seine Unruhe in Wirklichkeit eine andere Ursache hatte. Und die war, wie er schließlich erkannte, seine Absicht, eine Expedition zu Drans Hallen durchzuführen, bei der feststand, dass er sie allein unternehmen musste. Dran hatte Begleiter gehabt, das wusste Trywfyn, aber der Zweck seines Unternehmens erlaubte ihm keine, denn es ging darum, die beiden Kristallfragmente zu verstecken, und das duldete keine Zeugen.

    Nachdem ihm das alles klar geworden war, verschwand die Unruhe und wich der erwartungsvollen Spannung seines Forschergeistes.

    Früh am Morgen des Tages nach der Abreise der Gruppe von Meneas und Tjerulf holte Trywfyn die beiden Kristallfragmente aus der geheimen Kammer. Für einen kurzen Moment hielt er sie zögernd in seinen Händen und schwankte in seinem Willen, sie in Drans Hallen zu bringen. Nicht, weil er plötzlich den Wunsch verspürte, sie für sich zu behalten, sondern weil er kurz daran zweifelte, ob ihr Plan wirklich so gut war, wie er glaubte. Doch dann obsiegte die ursprüngliche Absicht. Nicht nur, weil er sein Wort gegeben hatte, sondern weil über die Jahre hindurch sein Wunsch gewachsen war, diesen geheimnisvollen Ort selbst kennenzulernen.

    In diesem Augenblick wunderte sich Trywfyn, dass er noch niemals zuvor ernsthaft in Erwägung gezogen hatte, Drans Hallen einen Besuch abzustatten. Dass er vielleicht ein wenig Furcht davor hatte, wollte er sich nicht eingestehen. Was auch immer der Grund dafür war, jetzt war dieser Ausflug unausweichlich geworden. Mit seinem Vorschlag und der Zustimmung von Tjerulf und Meneas blieb ihm nichts anderes übrig, als seine langgehegte Absicht endlich in die Tat umzusetzen. Außerdem wollte er vor sich selbst sein Gesicht wahren.

    Es wäre sicher leichter gewesen, sich Drans Hallen durch das Erdreich zu nähern. Aus den Überlieferungen wusste Trywfyn ungefähr, wo sie lagen, aber Dran war auch durch den Tunnel gegangen, den er kurz zuvor entdeckt hatte, und Trywfyn reizte es, diesen Weg kennenzulernen. So wickelte er die beiden Kristallfragmente schließlich in ein Tuch und verstaute sie in einer Tasche. Dann machte er sich auf den Weg.

    Trywfyn ging nicht über den »Platz der Kristalle«. Irgendwer würde ihn sehen und sich vielleicht Gedanken machen, warum der Edoral zu dieser Stunde ausgerechnet an diesem Ort ins Erdreich versank. Möglicherweise folgte ihm jemand. Stattdessen begab er sich in das unterste Stockwerk seines Palastes. Hier befanden sich die Lagerräume, und nur selten kamen Bedienstete dorthin. Er suchte den Raum auf, von dem er wusste, dass er fast genau über dem Tunnel lag, der zu Drans Hallen führte.

    Nach kurzer Zeit in der grauen Formlosigkeit des Felsens kam er in dem Gang wieder heraus. Für kurze Zeit hüllte ihn eine undurchdringliche Dunkelheit ein und eine vollkommene Stille, aber er hatte nichts anderes erwartet. Nur das Rascheln seiner Bewegungen und der dumpfe Klang seiner Schritte waren zu hören. Wieder einmal bediente er sich seines Leuchtkristalles. Er hatte ursprünglich vorgehabt, einen der Leuchtstäbe mitzunehmen, aber aus Drans Bericht ging hervor, dass manche Abschnitte des Ganges unter Wasser lagen, und dort würde er seinen Dienst einstellen. Leuchtkristalle funktionierten immer, sofern sie von einem Ogmari in den Händen gehalten und von seinen Kräften durchdrungen wurden. Dafür hatten sie den Nachteil, dass sie keinen Gang sehr weit ausleuchteten.

    In die eine Richtung stieg der Tunnel an. Von seinem Standort konnte Trywfyn es nicht sehen, aber nicht allzu weit entfernt endete er vor einer Felswand. Genau darüber befand sich der »Platz der Kristalle«. Zur anderen Richtung hin fiel er ab und dorthin musste er gehen. Dass dieser Tunnel in Vergessenheit geraten war, lag daran, dass es bei den Ogmari ein uraltes Gesetz gab, das verbot, unter einer Stadt nach Bergschätzen zu suchen. So war nach der Gründung von Elgen Damoth kein Erdmensch mehr unmittelbar im Gebirge unter der Stadt gewesen.

    Die Luft war unangenehm, kühl, feucht und muffig. Trywfyn wunderte sich, dass es in dem Gang, der, soweit er wusste, keine Verbindung zur Erdoberfläche oder in die Höhlenwelt der Ogmari hatte, überhaupt eine ausreichend atembare Luft gab. Aber sollte sie in irgendeinem Abschnitt tatsächlich knapp werden, konnte er zur Not für einige Zeit ins anstehende Gebirge zurückkehren und in diesem Zustand von der Luft zehren, die immer in den kleinen Poren und Klüften vorhanden und meistens von ausreichender Güte war. Von dort, ahnte Trywfyn, sickerte die Luft in die Hohlräume und mithin auch in diesen Tunnel. Solange sie aus reinem Gestein kam, war alles in Ordnung, aber es gab auch Ursprünge wie Kohlenflöze, die gefährliche Gase freisetzten. Die konnte Trywfyn aber rechtzeitig erkennen.

    Es war nicht zu übersehen, dass der Tunnel einen natürlichen Ursprung hatte. Es gab keine gerade Wand, zumindest keine, die so bearbeitet worden war. Die rechte Seite fiel zwar gerade ab, sie musste aber durch eine Rutschung im Gebirge entstanden sein. Die Decke hing schräg und die linke Seite war uneben und rissig. Den Boden prägten Wölbungen und wie der gekrümmte Rücken einer Schlange führte er in die Tiefe.

    Aus manch schmalem Riss rann Wasser von den Wänden. Ohne Zweifel wurden die Wasseransammlungen, die irgendwo weiter unten auf ihn warteten, aus diesen Quellen gespeist. Die einzigen Geräusche, die Trywfyn hörte, waren die Wassertropfen und sein Atem. Er kam ihm fremdartig vor, seltsam hohl. Und er war beschlagen. Der Gang jedoch war nicht seltsamer als andere, die Trywfyn kennengelernt hatte.

    Trywfyn fühlte sich im ersten Augenblick überhaupt nicht wohl und er dachte kurz daran, wieder in die Stadt zurückzukehren. Ein Ogmari verspürte keine Platzangst, aber ausgerechnet dieser Tunnel forderte auch ihm ein ungewohntes Maß an Selbstüberwindung ab. Dann dachte er wieder an Dran und wenn sein Ahne den Mut hatte weiterzugehen, dann musste er, Trywfyn, ihn auch haben, nicht zuletzt, weil er der Edoral Ogmatuums war und der Herrscher über die Erdmenschen. Das verpflichtete zu besonderen Eigenschaften, zu denen auch ein gewisser Mut gehörte.

    Außerdem wusste Trywfyn, wohin der Tunnel führte und er hatte eine ungefähre Vorstellung über die Gefahren, die dort lauerten, im Gegensatz zu Dran. Aber sein Bericht erwähnte keine besonderen Gefahren, dafür viele Unbequemlichkeiten. Also gehörte nur wenig Mut dazu, diesem Weg zu folgen.

    Trywfyn ging los und stellte fest, dass nicht nur sein Atem merkwürdig klang. Auch seine Schritte hörten sich hohl und sonderbar dumpf an, fast so, als wären es nicht seine eigenen.

    Die Tunneldecke erwies sich als sehr unregelmäßig. An der Stelle, an der er herabgekommen war, hatte er sie nicht einmal mit erhobenen Armen erreichen können. Nur wenig später hing sie so tief, dass er auf allen Vieren durch die Engstelle kriechen musste. Dahinter ging es für einige Zeit wieder besser.

    Plötzlich blieb Trywfyn stehen und horchte. Er hatte nichts gehört und wollte sichergehen, dass es auch nichts zu hören gab. Und so war es auch, bis er ein Bein zum nächsten Schritt anhob. Unerwartet drang ein leises, gleichmäßiges Klopfen an seine Ohren. Es hörte wieder auf, fing wieder an. Es kam ihm bekannt vor, aber es dauerte eine Weile, bis er darauf kam, was es war. Ja, sicher. Das waren die Schläge von Hammer und Meißel auf Gestein. Elgen Damoth wurde nie fertig, und das Geräusch war das eines Ogmari, der gerade seine Arbeit aufgenommen hatte. Gleich darauf fielen noch zwei oder drei weitere ein. Trywfyn atmete auf. Die Nähe von anderen Ogmari war beruhigend, auch wenn sie nichts von seinem Ausflug und dem Ort, an dem er sich befand, ahnten.

    Der Kristall leuchte den Gang vor ihm auf zehn bis fünfzehn Schritte aus. Das war nicht sehr weit, aber es reichte aus, um Hindernisse rechtzeitig zu erkennen. Unbewusst begann Trywfyn ein Lied zu summen. Es war ein altes Bergmannslied. Trywfyn hatte nie in einem Bergwerk gearbeitet. Als Spross einer höheren Familie brauchte er das nicht, aber er hatte einpaar traditionsreiche Lieder gelernt. Er unterbrach sein Summen nur, wenn er sich ächzend durch weitere Engstellen quälen musste.

    So bewegte er sich einige Zeit immer tiefer in die Erdkruste Elverans hinein und allmählich gewöhnte er sich an die bedrückende Umgebung - bis er hinter sich plötzlich ein leises Schleifen hörte. Er blieb stehen und das Gefühl der Gewöhnung war wieder verschwunden, genauso wie das Geräusch.

    Trywfyn leuchtete den Gang hinauf, aber außer den feuchten, zerfurchten Felswänden war nichts zu sehen. Er ging weiter. Dieses Mal, ohne zu summen, aber mit einem geschärften Gehör.

    Für eine Weile, in der er zwei weitere Engstellen überwinden musste, blieb es still und er glaubte schon, dass er sich das Geräusch nur eingebildet hatte. Dann wiederholte sich das Schleifen, aber es war nicht lauter als beim ersten Mal. Trywfyn machte auf dem Absatz kehrt, aber das Licht seines Kristalles reichte einfach nicht weit genug, um etwas erkennen zu können. Und vielleicht gab es ja auch gar nichts zu erkennen. Vielleicht war es ein ganz gewöhnliches Geräusch, das aus dem Gebirge kam.

    Trywfyn hatte selbst schon einige merkwürdige Erfahrungen gemacht und von Bergleuten gab es unzählige Berichte über solche Erscheinungen. Sie kannten auch Ausdrücke dafür, wie »der Berg singt«, »der Berg schreit« oder »der Berg weint«. Genauso waren knirschende und knackende Geräusche nichts Außergewöhnliches. Aber ein Berg, der »schleift«, war ihm unbekannt. Trywfyns Aufmerksamkeit nahm zu, denn er wusste, dass manche Geräusche unangenehme Ereignisse ankündigten.

    Er ging weiter, und obwohl das Schleifen wieder aufgehört hatte, war Trywfyn bereit, sich jederzeit in den Felsen hinein in Sicherheit zu bringen. Vielleicht war es nur auf dieser Strecke zu hören und so beschleunigte er seinen Schritt, soweit es der an manchen Stellen rutschige Untergrund zuließ. Wieder setzte das Geräusch ein und dieses Mal schien es aufgeholt zu haben. Von einer solchen Erscheinung jedenfalls hatten Drans Erzählungen nicht gesprochen.

    In diesem Augenblick kam vor ihm das erste größere Hindernis zum Vorschein. Eine glatte Felswand versperrte den Gang vollständig. Solange keine Gefahr erkennbar war, wollte Trywfyn nicht ins Gebirge ausweichen, aber jetzt hatte er gleich zwei Gründe dafür. Anders würde er dem Gang nicht weiter folgen können und das Schleifen bewegte sich offensichtlich in seine Richtung und deutlich schneller als er.

    Allmählich wuchs in Trywfyn die Befürchtung, dass ihm irgendetwas folgte und das war zumindest unheimlich, solange er es nicht kannte. Und es konnte sich als Gefahr herausstellen, wenn er es kennengelernt hatte. Deshalb gab es nur einen Weg: durch den Felsen hindurch. Es war zweifelhaft, ob ihm die Ursache des Schleifens dann noch folgen konnte.

    Seine Untersuchung der Felswand war nur kurz. Mit einem Blick stellte er fest, dass der Gang durch die herabgebrochene Decke versperrt wurde. Er konnte sich also geradeaus halten. Trywfyn machte einen kurzen Schritt und war im Felsen verschwunden. Nur wenig später erreichte die Ursache für das schleifende Geräusch ebenfalls die Felswand.

    Trywfyn hatte sich nicht getäuscht. Als er aus dem Felsen herauskam, führte der Gang genauso weiter, wie er geendet hatte. Er machte einpaar Schritte und drehte sich um. Die Decke neigte sich steil gegen den Boden, aber das war nicht der Grund, warum er sich umsah. Er wollte sich vergewissern, dass ihm niemand folgte. Und solange er abwartend stehenblieb, tauchte weder jemand auf noch geschah etwas anderes. Unsinn, dachte er, wer sollte mir schon durch den Felsen folgen? Das Geräusch kam natürlich aus dem Berg. Trywfyn straffte sich und ging weiter. Es dauerte nicht lange, da war es wieder auf seiner Fährte.

    Nach einiger Zeit legte sich seine Anspannung und ihm fiel ein neues Lied ein. Doch es blieb ihm im Hals stecken, als ihn hinter einer Biegung eine Begegnung erwartete, die es nach dem Wissen der Ogmari gar nicht geben durfte. Und sie zeigte ihm, dass es zumindest auf seinem Weg zu Drans Hallen nicht ganz so einsam war, wie er vermutet hatte.

    Aus der Dunkelheit näherten sich ihm fünf Krieger. Der Erste hielt einen Leuchtkristall in der Hand. Zufällig geschah es an einer Stelle, die ihnen genug Platz ließ, bequem aneinander vorbeigehen zu können. Trywfyn drückte sich an die Wand. Es waren Ogmari-Krieger und zuerst kam ihm der Verdacht, dass es sich um einige seiner Landwachen handelte, die zufällig den Gang entdeckt hatten. Vielleicht gab es ja doch noch einen bis dahin unbekannten Eingang. Aber Trywfyn merkte schnell, dass es mit diesen Kriegern etwas Besonderes auf sich hatte. Im Gegensatz zu ihm blieben sie nicht stehen und zeigten auch keinerlei Überraschung, einen Volksgenossen zu treffen. Ja, es schien, als nahmen sie ihn noch nicht einmal wahr, denn sie würdigten ihn keines Blickes. Mit grimmigen Mienen und Streitäxten in ihren Händen gingen sie an ihm vorbei.

    Trywfyn war bereit, sie wegen ihres ungebührlichen Verhaltens zu rügen. Dabei störte ihn weniger, dass sie ihn nicht erkannten. Nicht alle Ogmari hatten ihren Herrscher je zu Gesicht bekommen und er hatte nichts an sich, was ihn als Edoral auswies. Aber es war unüblich bei den Erdmenschen, sich nicht wenigstens zu grüßen. Er zögerte. Ihre Erscheinung war so - gespenstisch, dass Trywfyn es nicht wagte, sie anzusprechen. Und dann wurde ihm klar, was an den drei Kriegern so ungewöhnlich war. Sie kamen nicht aus seiner Zeit.

    Erst als die Krieger schon fast an ihm vorüber und von der Dunkelheit verschluckt worden waren, bemerkte er ihren andersartigen Aufzug. Sie trugen erkennbar altertümliche Rüstungen, die bei den Ogmari schon lange nicht mehr in Gebrauch waren. Außerdem hatte er von ihnen nichts gehört, keine Schritte, kein Klirren der Kettenhemden und kein Knirschen ihres Lederzeugs. Nicht einmal ein Schnaufen ihrer Atmung war vernehmbar. Es war eine geradezu geisterhafte Begegnung.

    Und dann fiel ihm auf, was ihn an dem Leuchtkristall gestört hatte. Er leuchtete gar nicht. Trywfyn hatte ihn zwar deutlich in der Hand des Anführers gesehen, aber er war ihm ungewöhnlich blass vorgekommen. Aber erst, als die Krieger in der Dunkelheit verschwanden, ohne dass ein Lichtschein von ihnen ausging, wurde ihm klar, dass es mit dem Kristall anscheinend eine besondere Bewandtnis hatte.

    Nachdem sie endgültig aus seiner Sicht verschwunden waren, spürte Trywfyn, dass er leicht zitterte. Jetzt war er froh, dass diese Begegnung an dieser Stelle stattgefunden hatte. So kraftvoll, wie sie an ihm vorübergegangen waren, ohne ihn zu beachten, war er jetzt sicher, dass sie ihn an einer engeren Stelle des Stollens umgelaufen hätten.

    Ihr unerwartetes Auftauchen und ihr Verhalten ließ zwei Möglichkeiten vermuten, und beide hielt Trywfyn für so unwahrscheinlich, ja unglaublich, dass er sie sofort verworfen hätte, wenn er nicht selbst Zeuge dieser Begegnung geworden und mit ähnlich merkwürdigen Erscheinungen an anderen Orten vertraut gewesen wäre. Entweder waren sie Geister von längst verstorbenen Ogmari oder aber ihre Zeit hatte sich mit seiner überschnitten. Aber Geister gab es bei Ogmari nicht. Dass sie bei menschlichen Wesen vorkamen, das wusste er. Er hatte schon selbst welche gesehen. Geister von Ogmari waren aus verschiedenen Gründen undenkbar. Blieb nur die Zeit. Trywfyn schüttelte mit dem Kopf. Vielleicht hatte er einen kurzen Ausschnitt aus ihrer Geschichte erlebt, in der tatsächlich ein kleiner Trupp Krieger diesen Tunnel erforscht hatte und der nie bekannt wurde. Was immer die Ursache für diese Begegnung war, sie war auf jeden Fall eine denkwürdige Begebenheit. Dran selbst schien eine solche Begegnung nicht - Dran? Konnte es sein, dass er es war? Trywfyn schüttelte abermals mit dem Kopf. Er konnte die Frage nicht beantworten. Und er musste weiter.

    Trywfyn war tatsächlich einer früheren Wirklichkeit begegnet und er hatte sie mit seinem letzten Gedanken erfasst. Die Krieger, die ihm begegnet waren, waren Dran und seine vier Begleiter. Ihre Begegnung wurde möglich durch die Besonderheiten Elverans und dazu kam, dass ihn dieser Tunnel einem Ziel entgegenführte, in der Zeit eine andere Rolle spielte.

    Das nächste Hindernis war ein überfluteter Teil des Tunnels. Das hatte Trywfyn erwartet, denn davon hatte Dran gesprochen. Er hatte zwar gehofft, dass das Wasser in der Zwischenzeit abgelaufen war, aber es sollte ihn nicht aufhalten. Er hätte in den Felsen ausweichen können, aber er hatte sich nun einmal in den Kopf gesetzt, Drans Weg nachzugehen. Also blieb ihm nichts anderes übrig, als gründlich nass zu werden und zu hoffen, dass es das einzige Mal blieb. Trywfyn vergewisserte sich, dass alle seine Taschen geschlossen waren, dann ließ er sich ins Wasser gleiten.

    Ogmari konnten unter Wasser genauso schlecht sehen wie Menschen. Und so musste er Einzelheiten erahnen und erfühlen. Immerhin leuchtete sein Kristall unter Wasser so gut, dass er den Verlauf des Ganges erkennen konnte. Das Wasser war kalt. Eisig drang es durch Trywfyns Kleider und schnitt wie tausend feine Klingen in seine Haut. Nur mit Mühe konnte er verhindern, unwillkürlich einzuatmen. Mit kräftigen Bewegungen schob er sich vorwärts. Er war noch nie in einer Höhle getaucht und stellte fest, dass das Wasser seltsame Geräusche übertrug. Es knackte und klopfte in seinen Ohren. Das waren Geräusche, die aus dem Gebirge kamen. Andere hatten ihm davon erzählt.

    Bald, nachdem Trywfyn eingetaucht war, kam er wieder an eine Engstelle und nur mit Mühe konnte er sich hindurchzwängen. Als der Gang sich wieder weitete, musste er lächeln. Das, was er tat, konnte nur ein Ogmari. Ein Mensch hätte ihm niemals auf diesem Weg folgen können. Was immer sich am Ende dieses Tunnels befand, es war das sicherste Versteck auf Elveran. Trywfyn kam allerdings auch nicht auf den Gedanken, dass kein Mensch so verrückt gewesen wäre, diesem Tunnel zu folgen, selbst wenn er ihn durchgehend hätte begehen können.

    Plötzlich mischte sich ein anderes Geräusch unter die, die ihn umgaben und es erschreckte Trywfyn. Es war das Geräusch eines schweren Körpers, der ins Wasser fiel. Es platschte, rauschte und gurgelte. Dann ebbte es ab und verschwand. Trywfyn drehte sich um, aber im Licht seines Kristalles war kein Schatten zu erkennen, der sich auf ihn zubewegte. Vielleicht nur ein Stück Felsen, das aus dem Gebirge herausgefallen war. So etwas kam vor.

    Kurz darauf kam Trywfyn wieder an die Luft. Er prustete und atmete tief durch. Um ihn herum spiegelte sich die aufgewirbelte Oberfläche des Wassers blutrot im Schein seines Kristalles. Nur langsam beruhigte sie sich wieder. War doch gar nicht so schwer, sagte er sich zufrieden und setzte seinen Weg fort.

    Als der rötliche Schein in der Ferne verblasste, sprudelte das Wasser plötzlich und wallte wie eine große Blase auf. Ein grauer, rissiger Kopf, haarlos, mit einem breiten Mund und zwei blassen, ungewöhnlich großen Augen kam zum Vorschein. Zwei ebenso graue und rissige Hände schoben sich aus dem Wasser, krallten sich in den Felsen und zogen den unförmigen Körper heraus, bis er triefend auf zwei kurzen Beinen stand. Langsam folgte das Wesen Trywfyn, einen langen Schwanz hinter sich her ziehend, der ein bekanntes Geräusch erzeugte.

    Das Wesen hätte dem Ogmari auch ohne dessen Licht folgen können, denn seine Augen waren für die Dunkelheit unter der Erde geschaffen und sie benötigten kein sichtbares Licht. Die erste Zeit hatte es ihn sogar geblendet. Aber es gewöhnte sich bald daran und dann war es ihm sogar eine Hilfe. Noch hielt es sich in der Dunkelheit, wo der Schein des Leuchtkristalles ihn nicht erreichte, verborgen. Es war neugierig, was der Eindringling vorhatte. Wenn er den Weg weiterging, konnte er bis zur Zeitkammer kommen, vorausgesetzt, er überlebte den Wasserfall.

    Für eine Weile konnte Trywfyn ungestört weitergehen. Er stieß auf keine weiteren Hindernisse und auch unheimliche Begegnungen blieben ihm erspart. An einigen Stellen senkte sich die Decke so weit herab, dass er gebückt darunter hindurchgehen musste. Aber diese blieben die einzigen Unbequemlichkeiten, wären da nicht seine feuchten Kleider und die Kälte gewesen. Beides war unangenehm, minderten aber nicht Trywfyns Eifer, mit dem er diesen Tunnel erforschte. Das rätselhafte, schleifende Geräusch hatte er fast schon wieder vergessen.

    Unvermittelt weitete sich der Gang vor ihm und das Licht seines Kristalles strahlte ins Leere, bis es von einer undurchdringlichen Schwärze verschluckt wurde. Trywfyn blieb stehen und hielt ihn einmal in diese, einmal in jene Richtung. Kein Zweifel, er hatte die erste der Höhlen erreicht, die der Gang miteinander verband.

    Dort hatten seine Schritte nur hohl geklungen, jetzt verursachten sie ein Echo. Daraus schloss er, dass er in einer Höhle von beachtlichen Ausmaßen angekommen war. Er rief laut seinen Namen und er kam in tausendfacher Wiederholung zurück. Dazwischen erklang immer wieder ein Platschen. Wenn er diesem Echo vertraute, dann mussten irgendwo riesige Wassertropfen von der Decke herabfallen und auf dem Boden zerplatzen. Das war natürlich Täuschung, hörte sich aber gewaltig an.

    Das Klopfen der Handwerker in Elgen Damoth war schon lange hinter ihm zurückgeblieben und alles, was er jetzt hörte, kam tatsächlich aus der Nähe. Trywfyn bedauerte, keinen stärkeren Leuchtkristall mitgenommen zu haben. In seiner Vorstellung konnte er deutlich sehen, wie sich vor ihm die in endlosen Zeiten gewachsenen Stalagmiten, vom Boden aufsteigend, und Stalaktiten, von der Decke herabhängend, erstreckten. Nach den Tropfgeräuschen mussten es unzählige sein.

    Kurz darauf bestätigte sich seine Vermutung. Vor ihm traten die ersten Säulen fahl und unbeweglich aus der Finsternis, versteinerten Berggeistern gleich. Dahinter wurden es immer mehr. Trywfyn kehrte wieder um und ging zur Höhlenwand zurück. Mit seinem kleinen Licht konnte er sich leicht zwischen den Tropfsteinsäulen verlaufen. Wenn er sich recht an Drans Erzählungen erinnerte, dann gab es keine Seitenabzweigungen, weder aus den Höhlen heraus, von denen noch zwei weitere folgen sollten, noch aus dem Gang. Wenn er also wieder zu einem Ausgang kam, dann konnte es nur die Fortsetzung des Ganges sein. Also war es besser, sich an der Höhlenwand entlang zu bewegen.

    Sie glitzerte vor Feuchtigkeit im Schein des Lichtes. Ein wunderschön gewachsener Bergkristall kam in Sicht. Das erfreute Trywfyns Herz und gleichzeitig bedauerte er, dass ihn nach ihm kaum jemals ein Ogmari wieder zu Gesicht bekommen würde. Keinen Augenblick dachte er daran, dieses Schmuckstück aus der Wand zu brechen. Edelsteine ab einer bestimmten Tiefe gehörten Elveran und wurden von den Ogmari nicht mehr dem Erdreich beraubt.

    Schließlich kam er bei dem Ausgang an. Er blickte sich noch einmal um und verschwand dann in dem Tunnel.

    Die nächste Höhle erreichte er früher als er erwartete und sie musste kleiner sein, denn die Echos waren weniger beeindruckend und kamen schneller zurück. Trotzdem war sie zu groß, als dass er sie ausleuchten konnte. Die Luft war trockener und er konnte keine Tropfsteine entdecken. Auch an den Wänden fühlte er weniger Feuchtigkeit.

    Von der Tropfsteinhöhle bis dorthin hatte er einpaar hundert Meter Tiefe gewonnen und allmählich konnte er eine Veränderung feststellen. Es wurde wärmer. Je länger er durch den Tunnel gegangen war, desto mehr hatte ihn das Gefühl dafür verlassen, wie tief er sich schon in das Erdreich vorgewagt hatte. Trywfyn wusste zwar, dass es so war, aber darüber hatte er sich keine Gedanken gemacht. Nicht zuletzt deswegen, weil der Gang ständig auf- und abführte. Aber die Wärme war ein Anzeichen dafür, dass er bereits ziemlich tief gekommen war. Trywfyns Kleidung war immer noch nicht ganz getrocknet, aber es fühlte sich nicht mehr so unangenehm an.

    Den Ausgang hatte er bald erreicht, aber hier stellte sich ihm ein neues Hindernis in den Weg. Nach wenigen Schritten war der Gang verschüttet. Vermutlich hatte sich irgendwann in einem Erdbeben ein Teil der Decke gelöst und war herabgestürzt. Der Gang fiel die ersten Meter ziemlich steil ab und verschwand dann unter den Felstrümmern. Trywfyn war deshalb aber nicht beunruhigt. Er tauchte einfach wieder ins Gebirge ein - und war gleich darauf wieder da, triefend nass und nach Luft japsend.

    Dass hinter dem Hindernis wieder ein wassergefüllter Hohlraum war, konnte er nicht wissen. Der Schutt auf dieser Seite war trocken. Er musste so dicht sein, dass ihn das Wasser nicht durchdringen konnte. So war er in einem gefluteten Teil des Ganges herausgekommen, ohne seine Lunge ausreichend mit Luft gefüllt zu haben.

    Vor Schreck hatte er ohne zu überlegen den Rückzug angetreten. Tief holte Trywfyn Luft und ärgerte sich darüber, dass seine Kleidung schon wieder durchnässt war. Immerhin war das Wasser nicht mehr ganz so schaurig kalt gewesen wie weiter oben. Er räusperte sich und machte den nächsten Versuch. Die Lungen gut mit Luft gefüllt, drang er wieder in den Felsen vor. Dieses Mal war er vorbereitet auf das, was ihn erwartete - glaubte er.

    Aus einiger Entfernung starrten zwei blasse Augen auf die Stelle, wo der Ogmari verschwunden war. Das Wesen hatte ihn die ganze Zeit beobachtet. Jetzt setzte es sich auch in Bewegung und schneller als vorher.

    Trywfyn ahnte nichts von der Gefahr. Voller Zuversicht tauchte er in das Wasser, den Leuchtkristall vor sich ausgestreckt. Er konnte lange die Luft anhalten und bei seinem letzten Tauchgang war sie ihm nicht knapp geworden. Was also sollte ihm jetzt passieren? Immerhin hatte er noch die Möglichkeit, in den umliegenden Felsen auszuweichen, wenn er in Not geriet. Doch es dauerte nicht mehr lange, da musste Trywfyn auf erschreckende Weise feststellen, dass er sich verrechnet hatte.

    Bei seinem ersten Vorstoß war er sofort zurückgewichen. Mitten im Wasser aufzutauchen war ein äußerst seltener Unfall, deshalb hatte es ihn so überrascht. Dabei hatte er das Rauschen und Gurgeln überhört, das ihn umgab. Jetzt stürzte es förmlich auf ihn ein. Und als er merkte, wie er vorwärtstrieb und immer schneller wurde, konnte er nicht mehr umkehren. Doch es kam noch schlimmer. Er befand sich überhaupt nicht in der Fortsetzung des Ganges, sondern wieder in einer Höhle, die sich der vorherigen unmittelbar anschloss, nur durch eine Felswand getrennt. Eine unwiderstehliche Gewalt drückte ihn nach unten, ohne dass er den Boden erreichte. Verzweifelt hielt er seinen Kristall in der Hand, aber wo er auch hinschaute, der Schatten einer Felswand, in die hinein er sich hätte flüchten können, blieb außer Reichweite.

    Dann fing er an zu trudeln, denn um ihn herum gab es verschiedenen Strömungen. Er überschlug sich, Blasen umgaben ihn und das anfängliche Rauschen wurde zu einem beängstigenden Tosen. Kein Wunder also, dass er nach wenigen Augenblicken die Orientierung verlor. Jetzt bekam er Angst. Das erste Mal in seinem Leben spürte er Todesangst und nirgends war Rettung in Sicht. In seiner Verzweiflung verfluchte er seinen Entschluss, zu Drans Hallen aufzubrechen. Danach konnte er kaum noch einen klaren Gedanken fassen.

    Seine Luft ging ihm allmählich aus, und gnadenlos rollte und taumelte er immer weiter, ohne ein Ende des Wassers erreichen zu können. Oben und unten, rechts und links gab es nicht mehr. Ohne sich darüber im Klaren zu sein, schloss er mit seinem Leben ab. Auch so etwas hatte es für ihn noch nie gegeben und wäre er noch im Stande gewesen, zu überlegen, hätte er sich dafür geschämt. Dann schwanden ihm die Sinne.

    Kräftige Arme packten ihn, beendeten seine Bewegungen und brachten ihn aus der Gefahr. Nicht mehr weit entfernt lag das Ufer des unterirdischen Sees. Dort legte ihn sein Retter ab. Weit unter ihnen auf dem Grund schimmerte im letzten matten Rot der Leuchtkristall und würde bald erlöschen. Trywfyn hatte ihn in seinem Todeskampf verloren. Das Wesen ließ sich in die Tiefe gleiten und brachte auch ihn wieder an die Oberfläche. Dann verstaute es den Edelstein in der Tasche des Ogmari bei den anderen beiden Kristallen. Ohne sie sich anzusehen, verschloss es die Tasche wieder.

    „Er kommt wieder zu sich", hörte Trywfyn durch ein lautes Rauschen in seinen Ohren. Wie konnte er im Wasser so klar hören? Und warum konnte er unter Wasser überhaupt atmen? Zwei tiefe Atemzüge bewiesen ihm, dass er Luft bekam.

    Noch fehlte ihm die Kraft, seine Augen zu öffnen, aber die Bewegungen seines Brustkorbes und die leichten Zuckungen seiner Arme und Beine zeigten, dass noch Leben in ihm steckte. Hinter seinen Augenlidern nahm Trywfyn eine schwache Helligkeit wahr. Das musste es sein. Er war in der Halle der Ahnen angekommen. Dann war er also doch ertrunken. Eine schreckliche Erkenntnis durchfuhr ihn wie ein Blitz. Niemand, der noch lebte, würde je herausfinden, was mit ihm geschehen war. Und jene, die wussten, wohin er gegangen war, hatten keine Möglichkeit, ihn zu suchen. Doch am schlimmsten, die beiden Kristallfragmente waren endgültig und für immer verloren. Nein! Das durfte nicht sein! Mit aller Kraft, die er wieder besaß, schlug er seine Augen auf.

    Das sollten die Hallen seiner Ahnen sein? Wo waren die Ahnen denn? Er konnte niemanden sehen oder hören. Stattdessen blickte er in ein gestaltloses Grün. Das Rauschen in seinen Ohren ließ nach und er spürte die vollkommene Stille um sich herum. Aber die Stimme? Oder war es seine eigene gewesen, die festgestellt hatte, dass er noch lebte? Unsinn. Außerdem hörte sie sich ganz anders an.

    Trywfyns Augen wanderten hin und her, aber es gelang ihnen nicht, mehr Klarheit in seine Umgebung zu bringen. Er war umgeben von einem grenzenlosen, gestaltlosen Hellgrün, ohne Formen und Muster. Er konnte nicht einmal feststellen, ob es durchsichtig war oder jeden Blick auf andere Dinge, die vielleicht noch da sein mochten, verhinderte. Aber er lag auf festem Grund. Seine Hände tasteten hin und her. Es fühlte sich an wie Stein, aber es gab keinen Staub oder feines Geröll. Irgendjemand musste dort sorgfältig ausgefegt haben. Welch ein absurder Gedanke, dachte er.

    Mühsam richtete sich Trywfyn auf und stützte sich auf seine Arme. Dabei schob er seine Tasche zur Seite. Sie war wenigstens noch da. Aber seinen Leuchtkristall hatte er verloren. Vielleicht brauche ich ihn ja auch nicht mehr, tröstete er sich über den Verlust hinweg.

    Schon beim ersten Versuch, sich umzuschauen, stutzte er. Nur wenige Schritte von ihm entfernt stand in hockender Stellung eine Skulptur, eine Gestalt aus Stein. Sie war grau und rissig und musste schon seit ewigen Zeiten an dieser Stelle stehen. Offensichtlich hatte ihr Schöpfer sich nicht die Mühe gemacht, irgendwelche Kleidung anzudeuten. Der dicke, runde Kopf saß ohne Hals auf einem viel zu kleinen Körper. Die kurzen, stämmigen Beine waren angewinkelt und wurden von den Armen umschlungen. Ein

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