Vom Chinchillabären und seinen Freunden
Von Mathias Graul
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Über dieses E-Book
Sie haben alle sechs Pfoten voll zu tun in ihrem reparaturfälligen Haus, was sie aber nicht daran hindert, immer wieder Spassiges und Lehrreiches zu erleben. Gemeinsam mit ihnen stolpern wir über Wissenswertes aus den Bereichen Staatskunde, Religion, Theologie, Psychologie, Geschichte, Technik, Astronomie, Zoologie, Geographie, ja sogar Philosophie – denn kein Thema ist zu kompliziert, als dass nicht neugierige Schnauzen darin herumschnüffeln könnten.
Sie halten zusammen und bleiben unzertrennliche Freunde, egal was für dunkle Wolken und Hagelstürme ihnen das Schicksal bietet.
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Buchvorschau
Vom Chinchillabären und seinen Freunden - Mathias Graul
Der Chinchillabär wird Hausbesitzer
Vor gar nicht so langer Zeit, als schon längst kaum jemand mehr an Märchen glaubte, da wohnte einmal ein kleiner Chinchillabär in einem winzigen Dachzimmer in einer Grossstadt.
Chinchillabären sind etwa so gross wie ein kleines Männchen, daher können sie sich gut unter Menschen mischen ohne dass es jemandem auffällt. Du hast bestimmt schon einmal einen gesehen, aber weil du nicht genau hingeguckt hast, konntest du es nicht bemerken.
Aber jetzt will ich dich nicht ärgern dafür, dass du wahrscheinlich unaufmerksam gewesen bist wie die meisten Leute, stattdessen will ich dir nun die Geschichte vom Chinchillabären und seinen Freunden erzählen.
In Grossstädten – und auch in kleinen Städten – gibt es Leute, die anderen Häuser und Wohnungen verkaufen. Solche nennt man Makler. Zettelmann war so ein Makler. Er hatte schon vielen merkwürdigen und originellen Leuten Häuser und Wohnungen verkauft, aber als der Chinchillabär an einem Nachmittag im Frühling die Geschäftsräume betrat, wäre dem Zettelmann fast der Kugelschreiber aus dem Mund gefallen. So ein Kerlchen hatte er noch nie zu Gesicht bekommen.
Klein und graubraun war es, mit spitzen Ohren, langen Schnurrhaaren, einem langen weissen Bauch vorne, einem kurzen Schwänzchen hinten und buschigen Augenbrauen, wie eben Chinchillabären so aussehen. Aber das weisst du ja sicher schon.
Der Chinchillabär setzte sich still auf einen Stuhl vor Zettelmanns Schreibtisch und sah neugierig auf die vielen Zettel, die überall herumlagen. Da fielen seine verspielten, lebhabten und braunen Augen auf ein Photo. Bevor Zettelmann etwas fragen konnte, hatte sich der Chinchillabär schon das Photo geschnappt.
„Uii, so ein feines Häuschen!" sagte der Chinchillabär andächtig und leise.
„Das ist aber nur eine Gartenlaube! erklärte Zettelmann. „Man kann nicht darin wohnen, das ist nur so etwas worin man an schönen Sommernachmittagen sitzt und Kuchen isst, es gehört zu diesem Haus da, sehen Sie, es hat einen grossen Garten, und da ist eben diese Gartenlaube ein Teil davon!
belehrte Zettelmann.
Der Chinchillabär stellte sich vor, wie er mit seinen Freunden, dem Tigereichhorn und dem Blumenpferd vornehm an einem runden Tisch in der Gartenlaube sitzen würde und Kuchen anbieten würde.
„Schade, es ist so schön braun, sowohl innen und aussen, genau nach meinem Geschmack..." brummte er. Braun war nämlich seine Lieblingsfarbe, genauer gesagt, schokoladenbraun.
„Auf den Kuchen könnte ich notfalls verzichten!", fügte er noch hastig hinzu, sah aber sofort ein, dass diese Bemerkung unnotwendig gewesen war.
Da plötzlich bekam Zettelmann einen seiner guten Einfälle. Schon seit fast vierzehn Jahren hatte er vergebens versucht, ein altes Haus im Wald zu verkaufen, das niemandem gefiel, weil es innen lauter dunkelbraune Tapeten hatte. Dazu auch noch viel zu kleine Fenster und es waren auch viele Sachen daran zu reparieren. „Warten Sie, ich hätte da etwas für Sie, ja, das könnte Sie interessieren!"
Schon hatte er damit begonnen, einen Karton mit Zetteln durchzuwühlen. Schnell hatte er den Zettel mit dem Haus im Wald mit den braunen Tapeten hervorgekramt.
Der Chinchillabär machte grosse Augen, als er die Beschreibungen und Fotos sah. Das Haus war auch viel billiger als alle die anderen Häuser, die Zettelmann anbieten konnte. Aber plötzlich fiel dem Chinchillabären ein, dass er ja überhaupt kein Geld hatte und er wurde sehr traurig.
„Macht nichts!" rief Zettelmann aus. Er hatte schon die Gedanken seines Gegenübers gelesen. Das hatte er nämlich auf der Maklerschule gelernt.
„Sie können es umsonst haben, ich muss es nämlich sonst zwangsversteigern lassen, und das würde mir nur Unkosten und Ärger einbringen. Ich habe auch keine Zeit dorthin zu reisen. Es liegt nämlich weit weg von hier auf einer Insel in einem See, der wiederum auf einer Insel liegt. Eine sehr schöne Gegend."
Der Chinchillabär wurde ganz unruhig vor Aufregung und wäre fast vom Stuhl gerutscht. Zettelmann erklärte weiter:
„Diese grössere Insel heisst Brummholm. Wie Sie vielleicht gehört haben, hat sich Brummholm ja vor fünf Jahren selbstständig gemacht und eine eigene Regierung eingesetzt. Sie werden also auswandern müssen. Es soll aber kein Problem sein, dort hinzuziehen und Arbeit zu bekommen. Wenn Sie darin wohnen wollen, können wir gleich einen Vertrag machen und Sie bekommen die Schlüssel noch heute!"
Ja, so kam es, dass der Chinchillabär und seine Freunde Hausbesitzer wurden. Die lange Entfernung und isolierte Lage und das mit dem Auswandern schreckte ihn nicht ab. Er und seine Freunde hatten schon lange davon geträumt, wegkommen zu können von der Grossstadt. Sicherlich würden sie sich genau so freuen wie er selber.
Das Dachzimmer
Wenn man eine Geschichte erzählt, darf man schnell die Orte wechseln. Das machen wir jetzt auch, wir werfen nämlich einen Blick in das kleine Dachzimmer, wo der Chinchillabär damals wohnte. Noch ist der Chinchllabär ja auf dem Weg vom Makler Zettelmann, wir sind also schon vor ihm da.
Aber jetzt müssen wir ganz leise sein, denn die beiden Freunde vom Chinchillabären, die auch bei ihm wohnen, das Tigereichhorn und das Blumenpferd, halten nämlich gerade ein Mittagsschläfchen.
Das Dachzimmer ist wirklich winzig, das Blumenpferd schläft in der einzigen Schublade, die es gibt, nämlich ganz unten im Kleiderschrank. Es ist weiss und auf seinem Fell sind lauter kleine bunte Blumen.
So ein Pferd gibt es doch gar nicht, denkst du. Na dann schau genau hin, dann kannst du ja sehen, dass es keine Erfindung von mir ist. Es ist natürlich viel kleiner als gewöhnliche Pferde, sonst könnte es ja unmöglich in einer Schublade schlafen. Allerdings hängen seine langen Beine ein Stück aus der Schublade heraus.
Wie alle Blumenpferde hat es nur Hufe an den Hinterbeinen, die Vorderbeine sind wie Arme bei Menschen, mit ganz gewöhnlichen Pfoten, wie beim Tigereichhorn und beim Chinchillabären.
Das Tigereichhorn schläft ganz oben auf dem Schrank. Sein langer buschiger und orange-schwarz gestreifter Eichhörnchenschwanz hängt an der Seite des Schranks herunter. Es hat lange Ohren, die ganz oben wie kleine Pinsel aussehen. Es ist kleiner als ein Tiger und grösser als ein Eichhörnchen.
Sowohl das Blumenpferd als auch das Tigereichhorn sind etwa so gross wie der Chinchillabär. Nun liegen sie also bei ihrem Mittagsschläfchen und schnarchen um die Wette.
Wie lange sie wohl noch schlafen werden, fragen wir uns. Aber wir bekommen kaum Zeit, darüber zu spekulieren, denn nun springt plötzlich die Tür zum Zimmerchen mit einem lauten Knall auf und der Chinchillabär stürmt herein.
„Wir haben unser eigenes Haus!" ruft er und japst, denn er ist noch recht verpustet. Er war nämlich die lange Treppe bis hinauf zum fünften Stockwerk gerannt wie ein geölter Blitz.
Aber die beiden Freunde lassen sich nicht so schnell aus dem Schlaf reissen. Der Chinchillabär muss das Blumenpferd an den Ohren kitzeln und er muss vorsichtig an dem langen buschigen Schwanz vom Tigereichhorn zupfen, bis endlich Bewegung in die beiden kommt.
„Fertigmachen zur Landung!" murmelte das Tigereichhorn, denn es hatte gerade einen seiner Lieblingsträume geträumt: Den von einer Mondreise in einer selbstgebastelten Rakete.
„Noch ein bisschen Wasser für meine Hyazinthen!" flüsterte das Blumenpferd, denn es hatte gerade von schönen Blumen geträumt, die es dabei war, mit einer Giesskanne zu begiessen.
Nun rieben sie sich den Schlaf aus den Augen und sahen matt auf den wild mit den Pfoten gestikulierenden Chinchillabären.
„Wo hast du die Tasche her?" fragte das Blumenpferd und deutete mit einer seiner Pfoten auf die Brusttasche, die der Chinchillabär um den Hals hängen hatte. Es wünschte sich nämlich selbst eine Handtasche und dieser Brustbeutel sah ein bisschen aus wie eine Handtasche.
„Genau das will ich euch erklären!" japste der Chinchillabär. Er erklärte, wie ihm der Makler Zettelmann ein Haus geschenkt hatte, komplett mit Vertrag und Schlüsseln und einem Brustbeutel, damit der Chinchillabär nicht gleich alles verlieren würde.
Nun redeten alle drei wild durcheinander. Das Tigereichhorn träumte von einer Garage, wo es Mondraketen, Amphibienfahrzeuge und Fahrräder bauen und aufbewahren könnte. Das Blumenpferd träumte von einem Gewächshaus mit exotischen Orchideen. Im Licht des winzigen Dachfensterchens studierten sie die Beschreibungen zum Haus und den Vertrag, den der Chinchillabär mitbekommen hatte.
Das Tigereichhorn hatte eine kleine Sammlung Landkarten und nun rollten sie eine dieser Karten auf dem kleinen Schreibtisch aus.
Sie entdeckten die Insel Schnurholm, auf der das Haus lag und stellten fest, dass diese recht klein war. Schnurholm war umgeben von einem See, dem Kleinen Bärensee – genau wie Zettelmann erklärt hatte. Dieser Kleine Bärensee wiederrum lag ziemlich in der Mitte des nur fünf Jahre alten Inselstaates Brummholm. Dorthin gab es eine Fährverbindung von einer Stadt, die Güldenhafen hiess und dort gab es auch einen internationalen Flughafen.
Sie sahen auch, dass Güldenhafen ziemlich weit weg war, genauer gesagt, noch weiter weg als Brummholm, aber das tat ihrer Begeisterung keinen Abbruch.
„Hurra, wir können schwimmen und Boot fahren! jubelte das Blumenpferd. „Ja, und Pilze sammeln und angeln!
brummte der Chinchillabär zufrieden. „Und wir können ein Amphibienfahrzeug bauen, das Auto und Boot zugleich ist, dann brauchen wir nicht mit der Fähre reisen, sondern können selbst auf dem Wasser und