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VERBUCHT!: Tausche Buchhaltung gegen Freiheit
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eBook255 Seiten3 Stunden

VERBUCHT!: Tausche Buchhaltung gegen Freiheit

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Über dieses E-Book

Witzig, dennoch tiefgründig erlaubt dieses Buch einen Einblick in die heutige, oft sehr verrückte Arbeitswelt, mit weltfremden Vorgesetzen, autistischen Kollegen sowie mobbenden Bürovermietern.
Topsi, Buchhalterin und Bankerin wider Willen, ist seit dreißig Jahren in diversen Abteilungen verschiedenster Bankhäuser in Luxemburg und Deutschland tätig. Chronisch gelangweilt in ihren Jobs, jedoch stets für kunterbunte Ideen und kreative Pläne offen, sucht sie nach einer sinnstiftenden Beschäftigung. Nach der letzten Kündigung im Zuge der Bankenkrise, dieses Mal seitens des Arbeitgebers durch Schließung des Standorts, versucht sie eine befriedigende Beschäftigung zu finden. Trotz ihrer außerordentlichen Bemühungen, findet sie sich in einem heruntergekommenen Büro als Buchhalterin wieder, kämpft mit ihren beiden Kollegen gegen den Chef und die mobbenden Vermieter. Nie ihren Humor verlierend, beschreibt sie selbstironisch die Höhen und Tiefen ihres Daseins.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum30. Apr. 2017
ISBN9783742789600
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    Buchvorschau

    VERBUCHT! - Topsi Torhaus

    Dieses Buch

    Topsi, die nie Bankerin geschweige denn Buchhalterin sein wollte, wird durch die Bankenkrise aus der glanzvollen Bankenwelt geschleudert. Keineswegs hadert sie mit ihrem Schicksal. Nein, endlich ergibt sich die Chance, eine sinnvolle Beschäftigung auszuüben. Allerdings landet Topsi auf ihrer Suche vorerst in einem katastrophalen Arbeitsverhältnis. Dabei verliert sie fast ihren Verstand, aber nicht ihren Humor. Die sinnvolle Beschäftigung findet sie am Ende nicht, aber eine akzeptable Anstellung bei einer Treuhandgesellschaft. Dieses Buch erlaubt einen Einblick in die heutige, oft sehr verrückte Arbeitswelt, mit weltfremden Vorgesetzen, autistischen Kollegen sowie mobbenden Office-Vermietern.

    Die Autorin

    Die Autorin Topsi Torhaus wurde 1968 geboren und lebt gewöhnlich mit ihrem Mann im Großraum Saar-Lor-Lux. Derzeit befindet sie sich allerdings in Vietnam im chaotischen Hanoi, um neue geistreiche Schreib-Ideen zu gewinnen.

    Prolog

    Für alle, die ihren Humor nicht verloren haben.

    Für alle, die über sich selbst lachen können.

    Für alle, die ihren ungeliebten Job nicht loswerden, aber dennoch darüber lachen können.

    Für alle, die sich in einer irrsinnigen und inhaltslosen Arbeit befinden und Ausschau nach einer sinnstiftenden Beschäftigung halten…

    … die Suche wird nie enden.

    Hoffnungsschimmer

    Das Navigationsgerät eingeschaltet, zur Sicherheit die Wegbeschreibung noch ausgedruckt, mache ich mich auf den Weg zu meinem Bewerbungsgespräch. Man weiß ja nie bei den technischen Geräten, die genau immer dann ausfallen, sollte man sie einmal benötigen. Viele Einladungen hatte ich bisher ja noch nicht, trotz der massenhaften Schreiben, die ich bereits verschickt hatte. Nicht, dass es Massenware gewesen wäre. Für manche Bewerbungen habe ich Tage benötigt, bis sie mir gefielen. Leider war das Gefallen dann wohl nur auf einer Seite gewesen, nämlich auf meiner.

    »Ab vierzig wird es schwierig eine Arbeit zu finden«, sagte eine Bekannte zu mir. Ich denke, das stimmt so nicht. Ich formuliere das eher so: »Ab fünfundvierzig ist es hoffnungslos noch eine Festanstellung zu erhalten.«

    Es ist wahrscheinlicher einen einfühlsamen, netten, unterhaltsamen, humorvollen, fürsorglichen, reichen Mann zu finden, der noch nicht geschieden oder andere Schäden aufzuweisen hat, als eine feste Arbeitsstelle. Dass ich in meinem hohen Alter von 45 Jahren, so kurz vor dem Ende des Arbeitslebens - es sind zwar noch 22 Monate, sorry, nein 22 Jahre bis zum offiziellen Rentenantritt, Tendenz steigend - noch einige Prüfungen sehr erfolgreich bestanden habe, Marathonschwimmen während der Sommermonate absolvierte, mich drei Monate in Kambodscha ehrenamtlich aufgehalten habe, sämtliche Malerarbeiten im und am Haus inklusive der Außenfassade ohne Gerüst selbst erledigte, scheint irgendwie niemanden zu beeindrucken.

    An manchen Tagen hätte ich am liebsten, statt meiner drei Seiten Lebenslauf, nur den folgenden Satz an meine potentiellen Arbeitgeber verschickt: »Ich gehe auch gerne jetzt schon in Rente, wenn Sie keinen Menschen mehr über vierzig anzustellen gedenken – das ist kein Problem für mich! Dann habe ich Zeit den »Ironman« auf Hawaii zu gewinnen, um auf dem Rückweg kurz den Mount Everest zu besteigen – selbstverständlich ohne Atemmaske. Danach würde ich, bevor ich nach Hause schwimme, eine Anlaufstelle für ehemalige Taliban in Marjah gründen.«

    Auf dieses »Bewerbungsschreiben« würde ich sicher einige Antworten erhalten, von der CIA oder dem KGB, aber keine adäquate Anstellung. Nein, nicht um mich für den Geheimdienst zu werben. Eher, um meine islamistische Verbindung zu checken, da ich das Wort »Taliban« erwähnte. Alternativ würden wohl auch Sanitäter mit einer netten weißen Jacke vorbeikommen. Diese Jacke wird nicht vorne zugezogen, sondern hinten und ist nicht der neue Trend oder Mode Gag von H&N. Abtransport in die Nervenheilanstalt, bevor ich Unheil anrichten oder gar einen unbefristeten Arbeitsvertrag unterschreiben könnte.

    Aus diesen Gründen habe ich dann doch von einer derartigen Bewerbung Abstand genommen, zumindest bisher. Leider weiß ich noch nicht, zu welchen Taten ich in Kürze bereit bin. Trotzdem überlege ich ernsthaft, dass eine derartige Vermarktung als Werbestrategie vielleicht doch eine Überlegung wert sein könnte, sollte das bevorstehende Gespräch wieder nicht den gewünschten Ausgang haben.

    Man soll sich ja in eine sogenannte USP bringen – »unique selling preposition«. Mit dieser Bewerbung, die mir da gerade eingefallen ist, wäre das geschafft, sofern der Personalchef oder die Personalchefin einen Funken Humor hat. Zugegebenermaßen ist das bei Buchhaltern eher unwahrscheinlich. Denn leider ist die Eigenschaft Humor weder in der Finanzbranche, geschweige denn in Buchhaltungskreisen salonfähig. Gelacht wird, wenn überhaupt im Keller, alternativ in der Toilette, wo es keiner sieht. Vorher wird allerdings die Gretchenfrage gestellt: »Sollen wir lachen oder haben wir schon gelacht?« Das nennt man dann einen Buchungssatz. »Soll an Haben« ... oder habe ich tatsächlich falsche Informationen in all den Jahren als Buchhalterin als richtig interpretiert?

    Meinen früheren Kreditkunden bei der Sparbank, habe ich ihren nie enden wollenden, nach jeder Umschuldung wieder auftretenden Soll-Saldo auf dem laufenden Konto folgendermaßen erklärt: »Das ›S‹ am Ende der Zahl heißt ›Soll‹ – und bedeutet eigentlich ›Haben‹ – denn eigentlich sollten Sie ›Guthaben‹ haben, haben aber einen ›Soll‹-Saldo.« Das war damals, als die Arbeit noch sinnvoll war und annähernd Spaß machte. Leider haben die wenigsten Kunden das verstanden. Heute wundere ich mich nicht mehr darüber, denn wenn sie es verstanden hätten, wäre ihr Saldo im Haben und nicht im Soll gewesen. Alles klar? Wenn nicht, ist das auch kein Weltuntergang. Aber all das war einmal.

    Ich schüttele die angenehmen Gedanken der Vergangenheit ab und konzentriere mich auf das bevorstehende Gespräch mit Herrn Dr. Dahlmanns. Herr Dr. Dahlmanns nennt sich Finanzvorstand der »Scrooge Digital Download Sàrl«. Ein Unternehmen, welches zu einem der größten Elektrohandelskonzerne weltweit gehört: Scrooge. Zwar kümmert sich diese Tochter »Scrooge Digital Download Sàrl« lediglich um die wenigen Downloadgeschäfte des Konzerns und beschäftigt dementsprechend nur eine Handvoll Leute. Diese »Handvoll« bezieht sich auf die Hand eines Arbeiters im Sägewerk nach einem Unfall – denn wir sind insgesamt nur vier Mitarbeiter inklusive des Finanzvorstandes.

    »Super, wenn das klappen würde«, dachte ich nach dem langen, leider auch langatmigen Telefonat mit meinem eventuellen neuen Arbeitgeber. Die Arbeit wäre zwar so überhaupt nicht das, was ich nach der Finanzwelt zu machen gedachte – nämlich einer sinnstiftenden und nicht nur an kapitalistischen Werten ausgerichtete Arbeit - aber zumindest würde ich in einer supermodernen, hypertechnischen Umgebung arbeiten dürfen. Vorausgesetzt, »Mann« entscheidet sich für mich.

    Ich sollte in der besagten Firma in der Buchhaltung arbeiten, als einzige Mitarbeiterin und damit auch allein verantwortliche Person. Hatte ich nicht schon lange genug in dem Haifischbecken der Finanzwelt gelitten? Nein, der liebe Gott hat zurzeit keine gütige Phase. Ich hatte schon diverse Kommunikationsversuche mit ihm gestartet, die leider irgendwie einseitig geblieben sind. »Lieber Gott, leider kann ich auch nichts dafür, dass Vorstände der Subprimekrisenbank weder Ahnung noch Einsicht hatten, vielleicht auch nie haben werden. Mich trifft hier keine Schuld – außer, dass meine einzigen jemals erworbenen Aktien von dieser Bank stammten.

    Hierfür habe ich aber schon eine Wertberichtigung in voller Höhe bilden müssen – in einfachen Worten: Geld ist weg – hat wohl ein anderer, der schlauer war als ich. (Abschreibungen auf Finanzanlagen an Aktienbestand oder so, kann auch umgekehrt sein – so genau nehme ich das nicht.) Habe Erbarmen mit mir, schicke mich nicht wieder in die Hölle der Buchhaltung zurück.«

    Die »Buchhaltung«, auch vornehm ausgedrückt als das »Bilanz- und Rechnungswesen« ... Alleine das Wort fast lautlos in meinem Kopf vor mich hin gesprochen bewirkt, dass ich unverzüglich eine LKW-Ladung Prozac¹ benötige. Mein Großhirn bekommt innerhalb einer Nanosekunde vermeldet: »Augen und Ohren an Großhirn: Laaaaangeweile ... Großhirn an Mund und Muskeln: Gähnen, Tiefschlaf vorbereiten«. Auch würde ein mir angehängtes EEG unverzüglich alptraumartige Flashbacks bei Nennung dieses Wortes in meinem Hirn verzeichnen.

    Da ich aber von meinem früheren Chef des Öfteren zu hören bekam: »Das Leben ist kein Wunschkonzert«, verlange ich auch keinen spektakulären Auftritt der Weather Girls wie einst vor der Finanzkrise zu irgendeiner Party der Subprimekrisenbank. Nee, Udo Jürgens tut es vorübergehend dann auch – aber bitte dann nur mit Sahne.

    Die Sahne oder die Sahnehäubchen werden hier aber die neuesten technischen Geräte sein, die der Handelskonzern täglich massenhaft an den Mann und die Frau bringt. Nun, ich zwinge mich, das Ganze positiver zu sehen. Ein erster Vorteil des Gelingens dieses Bewerbungsgespräches wäre, dass ich ein wenig Alltagstrott nach dem nicht endenden Bewerbungsmarathon gut gebrauchen könnte. Auch würde ja meine Freistellungsphase im Dezember auslaufen und mir dann die Arbeitslosigkeit drohen. Außerdem wäre ein supertolles Büro mein neuer Arbeitsplatz - mit dem allerneuesten technischen Schnickschnack ein kleines Trostpflaster dafür, dass ich wieder in der Buchhaltung landen würde.

    Dabei hatte ich mir vor zwei Jahren geschworen, als ich die Subprimekrisenbank verlassen musste, nie wieder irgendwelche Buchungen durchzuführen oder gar eine Mehrwertsteuererklärung ausfüllen zu müssen.

    Es kommt eben im Leben manchmal anders, als man denkt. Oft wird man über einige Umwege, die sich anfühlen wie ein reiner Irrgarten, zum Ziel geleitet. Vielleicht sind diese Umwege so lang, dass man in der Zwischenzeit verstorben ist, was unter Umständen auch von Vorteil sein kann.

    Mein Gefühl ist, dass die letzte Variante mein Schicksal sein wird. »Vor dem eigentlichen Ziel ist Topsi Torhaus leider mit Abgabe der Mehrwertsteuererklärung verstorben.«

    Aber dann würde ich immerhin mit technischen Neuheiten in der Buchhaltung arbeiten und sterben.

    Ich beame mich zurück in die Gegenwart und konzentriere mich auf den Verkehr. Ich fahre entsprechend den Anweisungen des Navigationsgerätes.

    Eigentlich kenne ich mich ja im Großherzogtum Luxemburg einigermaßen aus, aber in diesem Ort, der Moderdange heißt, bin ich noch nie gewesen. Der Uhrzeiger bewegt sich schon auf fünf Uhr am Nachmittag und im Dezember heißt das, es graut und auch mir graut es. Zum Glück ist kein Schnee in Sicht, auch wenn der Himmel irgendwie danach aussieht.

    »Wenn Sie aus der Stadt kommen, ist vor dem Einkaufszentrum Cactus das Office Center, das Full Service Office Center, kennen Sie ja bestimmt?«, instruierte mich der liebe Herr Dr. Dahlmanns am Telefon.

    Meine Stimmbänder wollten spontan die Antwort: »Was? Nie davon gehört!« produzieren, aber mein Großhirn war schneller. »Ja klar, kenne ich – kennt doch jeder, aber in Luxembourg ist mir der genaue Standort gerade nicht greifbar.« Puh, den ersten großen Fettnapf habe ich übersprungen.

    So sollte ich eigentlich, den Beschreibungen des Herrn Dr. Dahlmanns folgend, am Zielort angekommen sein. Jetzt frage ich mich nur: »Wo um Himmels willen ist denn dieses weltbekannte Office Center?«

    »Sie haben ihr Ziel erreicht«, spricht die nette Frau aus dem Navigationsgerät. Komisch, er sprach doch von einem weltbekannten Office Center, direkt neben dem Einkaufszentrum mit dem Namen Full Service Office Center. Ich hatte mir in meinen Gedanken einen modernen, weißen Bau mit viel Glas oder alternativ einen kompletten Glasbau vorgestellt.

    Diese Konstruktionen sind heutzutage sehr gefragt. Wenn es auch etwas schwierig ist, in einem solchen Brutkasten im Sommer erträgliche Temperaturen aufrechtzuerhalten. Selbst bei der Subprimekrisenbank, die nicht gänzlich aus Glas bestanden hat, war die Kleiderfrage im Sommer eine heikle Angelegenheit. An einem Tag waren es 18 Grad Celsius und eine Daunenjacke wäre angebracht gewesen, am nächsten Tag hatte man in der Schaltzentrale die Wettervorhersage nicht richtig gedeutet, und auf einen Schlag glaubte man sich im tropischen Dschungel wiederzufinden.

    Auf diese Weise entstand locker eine Temperaturschwankung im Innenraum von 20 Grad. Nach diesen Temperaturschwankungstagen waren unerklärlicherweise sehr viele Mitarbeiter an Erkältungen erkrankt, was die Geschäftsführung gar nicht verstehen konnte. Da aber leider die Schaltzentrale und somit der Temperaturregler in der deutschen Hauptzentrale Hassdorf gelegen war, blieb die Anzahl der temperaturschwankungsbedingten Erkältungskrankheiten das Geheimnis der Luxemburger Niederlassung. Aber man sollte nicht undankbar sein, die Schaltzentrale hätte auch in der Wüste Gobi oder alternativ in Sibirien liegen können! Und dann hätten die Schwankungen von Tag und Nacht inklusive der Zeitzonen ganz anders ausgesehen.

    Zurück zu den Office Gebäuden in meinen Traumvorstellungen. Bei diesen mir vorschwebenden Gebäuden waren die Glasfronten trotz winterlicher Verhältnisse vollkommen sauber. Man schritt ehrfürchtig durch eine große Empfangshalle aus Chrom, Carrera Marmor zierte den Boden und erlesene Zeitungen standen an der Empfangsinsel für die Besucher bereit. Ein Blumenarrangement in schillernden Farben, als wäre es für eine Hochzeit eines Scheichs in Dubai bestellt, machte das Bild perfekt.

    Die Büros waren ausgestattet im Sinne der Feng Shui Philosophie: groß, sauber und offen, mit Glasschreibtischen und ergonomisch geformten, schwarzen, edlen Lederbürostühlen. Feine Teppichböden, supermoderne Bildschirme und ein Blick ins Grüne, alternativ auf einen Pool, rundeten meine Vorstellungen ab. So wie die Office-Neubauten eben alle heutzutage aussehen und in welchen ein Unternehmen der Kategorie Scrooge Inc. normalerweise residieren würde, sollte man annehmen.

    Ein Hupen hinter mir katapultiert mich in die triste Gegenwart. »Mist«, denke ich. Ich stehe irgendwie auf der Abfahrt ins Einkaufszentrum. Weit und breit ist kein Glasbau zu sehen, kein sauberer Glasbau, nicht mal ein schmutziger. Also versuche ich irgendwo links abzubiegen, oder war es nochmal rechts? Sicherheitshalber schiele ich auf meinen schlauen Zettel: Links ist die richtige Richtung!

    »Ach, da ist ja auch der Cactus, dann bin ich doch tendenziell richtig«, sage ich mir. Also biege ich links ab, auch wenn die Stimme aus dem Navigationsgerät eine andere Meinung vertritt. Ich bin erstaunt, dass ich nun auf dem Parkplatz des Einkaufszentrums stehe. Sicherlich habe ich in meinen Gedanken einen vorigen Befehl der Dame aus dem Navi verpasst.

    Das kommt davon, wenn man von tollen Gebäuden und Glasfassaden träumt. Es ist zwar fast dunkel, aber dennoch wäre mir ein großer Bürokomplex aufgefallen, oder bin ich neuerdings nachtblind?

    Das käme bei meinem Greisenalter hin. Zum Glück bin ich rechtzeitig weggefahren. So habe ich genügend Zeit zu suchen. Aber nach der Beschreibung von Herrn Dahlmanns muss sich das Büro ja in unmittelbarer Nähe befinden. Wäre ja gelacht, wenn ich das nicht finden würde. Also parke ich auf dem offiziellen Parkplatz des Einkaufszentrums und gehe in die von Herrn Dahlmanns beschriebene Richtung.

    Auf meiner Rechten sehe ich ein ziemlich verfallenes Haus, Nummer 158. Nein, das passt nicht. Es sollte direkt daneben stehen, also die Hausnummer 156. Ich gehe ein Stück weiter, die Nummer 156 kommt, aber ich sehe nur ein Küchenstudio. Ich glaube mich zu erinnern.

    »Das Bürocenter ist direkt vor dem Cactus, es ist ein Küchenstudio unten im Gebäude.« Sehr gut, dann bin ich ja richtig. Zügig nähere ich mich dem Küchenstudio, aber kein »Office Center« ist zu sehen. Ich lasse meine Blicke etwas nach oben schweifen, ... ah, hier steht etwas von Service Office. Das muss es dann ja sein, aber wo verdammt ist denn der Eingang zu dem Center? Zum Glück bin ich früh genug da, um nicht verspätet zu meinem Termin zu erscheinen.

    Mit meinen Unterlagen im Arm mache ich mich zum vermeintlichen Eingang. »Mist, nun fängt es auch noch an zu regnen«, schimpfe ich laut vor mich hin, und ich habe selbstverständlich keinen Schirm mitgenommen. Ich renne also zu dem »Eingang« - Verschlossen!

    Klar, sieht ja auch nicht gerade aus wie der Empfang eines Office, eigentlich eher wie der Eingang eines Ladens für Bastelbedarf in früheren Zeiten.

    Ich gehe also um das Haus herum, nun bin ich richtig, denn nebenan sollte das Küchenstudio sein. Langsam gehe ich im Dunkeln nach hinten zum Haupteingang. Vorne oder hinten angekommen - je nach Perspektive nicht ganz eindeutig, sehe ich nur eine winzige, fast baufällige Treppe, die ich hinaufgehe und dabei die Luft anhalte, um weniger zu wiegen. Denn so wie diese Treppe hier aussieht, könnte sie, selbst unter einem Fliegengewicht wie ich es bin, zusammenbrechen.

    »Hier kann also unmöglich ein Office Center beherbergt sein«, muss ich mir schließlich eingestehen. Also schleiche ich die Treppe im Dunkeln wieder zurück, dem lieben Gott dankend, dass mich erstens die Treppe noch einmal ausgehalten und zweitens, niemand mich meiner Bewerbungsunterlagen beraubt hat.

    Ratlos renne ich den dunklen Weg zurück. Ich komme am vielbesagten Küchenstudio vorbei. Eigentlich sieht es geschlossen aus. Trotzdem versuche ich die Klinke runterzudrücken und siehe da, die Tür lässt sich mit einem Glöckchenklang öffnen: »Klingklong«. Ich gehe vorsichtig rein – kein Angestellter oder Kunde in Sicht, so scheint es. Egal, bevor ich mir die Blöße gebe und bei Herrn Dr. Dahlmanns anrufen muss, um zu erklären, ich würde das Office nicht finden, frage ich lieber hier noch einmal nach. Ich warte einen Moment, ehe ich mich enttäuscht wieder der Ausgangstür zuwende, da erscheint von hinten ein Mann. Ich drehe mich um.

    »Wissen Sie, wo ich das Full Service Office Center finde?« Der Mann schaut mich etwas überrascht an.

    »Natürlich, das ist doch direkt nebenan.« Verdutzt antworte ich ihm: »Ja, aber ich war doch dort, da ist aber keine Klingel«. »Ich gehe mal mit Ihnen«, sagte der nette Mann, sicherlich denkend, dass »die Alte« zu blöd ist, um die Klingel zu finden.

    »Hier draußen müsste, hm, ja hier ist wirklich keine Klingel. Dann müsste sie im Vorraum sein. Leider ist ja niemand mehr da. Ich meine, sie sind normal nur bis siebzehn Uhr anwesend.«

    »Prima«, denke ich, bedanke mich artig und stehe in jeder Hinsicht im Regen. Nun bin ich komplett durchweicht, die Unterlagen auch. »Super Sache«, denke ich mit Hinsicht auf den Eindruck, den ich vor Herrn Dr. Dahlmanns machen werde.

    Um nicht doch wirklich zu spät zum Vorstellungsgespräch zu kommen, was ja bekanntermaßen so ein Fauxpas ist, dass man eigentlich gleich wieder nach Hause gehen kann, greife ich zu meinem Mobiltelefon. Glücklicherweise habe ich mir die Nummer gespeichert und wähle sie, wohl wissend, dass die Roaming Gebühren horrend sein werden, aber eine Telefonzelle werde ich in der kurzen Zeit wohl keine mehr finden. »Gibt es denn so etwas heute überhaupt noch?«, denke ich gerade, als jemand abhebt.

    »Scrooge Digital Download«, meldet sich die eigentlich sehr sympathische Stimme von Herrn Dahlmanns.

    »Guten Abend, Topsi Torhaus, wir sollten heute ein Gespräch führen. Ich stehe vor dem Full Service Office Center und kann aber leider Ihre Klingel nicht finden.«

    »Ach ja, es ist ja schon nach fünf Uhr, ab fünf ist die Zwischentür oft geschlossen«, höre ich als Antwort. »Die Dickies werden auch immer fauler«, vernehme ich dann fast unhörbar.

    »Oh, ich meine die Office Betreiber, das Ehepaar Dick ist wohl schon im wohlverdienten Feierabend.«

    Ich bin erleichtert: »Ach so, ich dachte schon, ich finde Ihre Klingel nur nicht.«

    Mein Gesprächspartner erwidert nur knapp: »Ich komme an die Tür.« Nun, diese Hürde wäre dann schon einmal geschafft, auch wenn ich damit noch nicht eingestellt bin. Es wird sicher andere Einstellungskriterien geben, die überprüft werden. Zumindest entkomme ich hier meinem Schicksal, vor der Tür im Regen ganz aufzuweichen und Schwimmhäute zu bekommen. Doch bevor ich meine Gedanken an Vorzüge von Schwimmhäuten weiterspinnen kann, kommt ein großer Mann eine Treppe runter, meine Erlösung vom Regen.

    »Ups, der ist aber jünger als meine Wenigkeit«, denke ich. Jetzt bin

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