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eBook334 Seiten4 Stunden

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Über dieses E-Book

Dieser Text wurde in "DIE BRÜCKE - Forum für antirassistische Politik und Kultur" Nrs 161-166 veröffentlicht ("Buchmanuskript - leicht gekürzter Vorabdruck"). Auf Anraten des Chefredakteurs habe ich das Manuskript an verschiedene Verlage geschickt; bekanntlich dauert die normale Lektoratsarbeit immer monate- und oft jahrelang, vor allem bei einem "Anfänger". Nun hätte ich normalerweise noch zugewartet, aber die unaufhörlichen islamistisch-terroristischen Anschläge veranlassen mich jetzt, den Text als e-book herauszubringen. Nachstehend drei der bisher eingegangene Beurteilungen: --- "Wir verlegen nur noch Kinderbücher und denken daher, dass Ihr politisch äußerst relevanter Aufsatz bei einem anderen Verleger wesentlich besser untergebracht wäre und dort eher den Publikumserfolg bekäme, den er verdient" --- "R. Fries (...) durchleuchtet auf höchstem Niveau alle relevanten religionsphilosophischen Ansätze [...] Der Aufsatz ist für den Leser gut aufbereitet und eine ausserordentliche Bereicherung für Philosophie und Politik interessierte Laien [...] Der Text (...) dürfte vor allem Spezialisten (...) ansprechen. Eine äusserst interessante und anspruchsvolle Analyse des Nahost-Konflikts und des fundamentalistischen Terrorismus. Sehr lesenswert!" – dies von einem Verlag dem ich leider absagen musste weil dort die Neue Deutsche Rechtschreibung obligatorisch ist, und die will ich nicht weil der Text komplett verhunzt d.h. grossenteils unleserlich würde, ich habe 1 Seite in die NDR gesetzt und war entsetzt --- "Mit Vergnügen aber auch Bewunderung für die vielschichtige mit einer Fülle von Sachverhalten mit gegenseitigen Bezügen versehene Darstellung habe ich Ihren Text gelesen. Was nun die Veröffentlichung in unserem auf das katholische Schrifttum fokussierten Verlag anbelangt, so haben wir uns für eine enge Auslegung unseres Programms entschieden.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum2. März 2016
ISBN9783738060881
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    Buchvorschau

    UDDUPURTU - René Fries

    Vorwort

    The israeli-palestinian conflict remains at the heart of the growing tension between the West and the Arab world. A solution is now more urgent than ever (BBC World Radio).

    Angesichts weltweiter Emotionen mit gleichfalls weltweiten Folgen können wir uns den Luxus nicht leisten, diesen Konflikt noch sehr viel länger weiterschwelen zu lassen. Die Frage lautet also: ist es möglich, diesen Konflikt in absehbarer Zeit und ohne gröβere zusätzliche Opfer an Menschenleben beizulegen? Auch dann wenn die Hamas immer, und immer wieder querschieβt?

    Im Folgenden soll eine Antwort gesucht werden, denn es kann keinen Zweifel daran geben, dass eine Beilegung genauso weltweite und zwar positive Folgen haben würde, wie sie bisher, und bekanntlich negativ, der Konflikt selbst zeitigte. Weil eine Philosophie, die immer wissen möchte, weshalb man was tut und ob man's nicht besser lassen sollte, sich an den kleinen Konflikten labt und ungewärtig ihrer Ohnmacht vor den groβen wird (Hans Blumenberg, Ein mögliches Selbstverständnis, Reclam 9650, S. 13), und weil von menschlichen Emotionen auszugehen ist, müssen jetzt aber erst einmal gesellschaftliche, religiöse, (massen-)psychologische und philosophische Betrachtungen angestellt werden, an deren Ende festzustellen sein wird, ob und wie diese Überlegungen zu einer politischen Lösung führen können. Hier nun kommt erst einmal eine etwas eigenwillige Übersetzung: Der israelisch-palästinensische Konflikt ist eine einmalige Chance um endlich den Weltfrieden herzustellen.

    Wenn man hört dass mehr als dreiviertel aller in einer Umfrage Befragten den Islam als eine Gefahr ansehen (eigentlich zu unrecht, wie aber aus argumentationstechnischen Gründen erst im siebten Kapitel gezeigt werden kann), so heiβt dies erst und vor allem, dass so ziemlich jeder Einzelne von uns sich Gedanken darüber macht. Es heiβt aber auch – und Anschläge auf Moscheen bezw. Türkenheime belegen es – dass besagte Gedanken oftmals undifferenziert genug sind um unzulässige Schluβfolgerungen und Handlungen (22-7-2011: Oslo!) hervorzubringen; vorläufig zwar nur bei gesellschaftlichen Randgruppen, aber jene Art von Dynamik zu der man nur wehret den Anfängen! sagen kann, ist ja gerade in Europa sattsam bekannt. Es heiβt schlieβlich, dass die als Gutmenschen verschrieenen kühleren Köpfe einen schweren und immer schwereren Stand haben und haben werden – und wie aus den nachfolgenden Betrachtungen ersichtlich sein wird, muss es uns ein Hauptanliegen sein um diesen Leuten brauchbare Munition zu liefern.

    Die Gefährlichkeit der eben skizzierten Entwicklung ist spätestens seit dem Mord an Theo van Gogh überall an der Tagesordnung. Nun haben ja die islamistischen Attentate in Holland oder England mit jenen in der gesamten übrigen Welt dies gemeinsam, dass in den auf sie folgenden Bekennerschreiben immer wieder auf ein für Muslime tatsächlich zentrales Problem verwiesen wird: Den israelisch-palästinensischen Konflikt.

    Was aber nirgendwo, weder in den Medien noch in privaten Diskussionen zum Ausdruck kommt, ist dass auch nur ein Einziger die einzigartige Chance voll begriffen hätte die sich hieraus ergibt.

    I. EINBLICKE (sur les traces de Hans Blumenberg)

    1. Freude schöner Götterfunken...

    Weil man nun aber ohne allzusehr zu übertreiben Naher/Mittlerer Osten gleich Religion sagen kann [die türkische AKP und die ägyptische Moslembruderschaft und auch die Maghreb-Salafisten sind nach dem sogenannten arabischen Frühling fleissiger denn je; ebenso die ölmillionenschweren Wahhabiten], so verdient erst einmal die folgende, aus einer Internet-Diskussion geholte Notiz unsere Aufmerksamkeit: Seit dem 11. September 2001 sind wir mit einer neuen Qualität dieses aktiven apokalyptischen Terrorismus konfrontiert i. Man wird Attentäter für Geld oder aus Überzeugung, Selbstmordattentäter aber nur aus Überzeugung. Die islamistischen Terroristen fühlen sich offenbar als Märtyrer ihres Glaubens und werden von ihresgleichen hoch verehrt. Für welche Überzeugung morden sie? Seit Jahrzehnten werden die USA von fanatisierten Massen auf den Straßen des Nahen Ostens als 'der große Satan' angeklagt und die westliche Welt als die verdorbene 'Welt der Gottlosen' verdammt: Materialismus, Pornografie, Auflösung der Familie, Frauenbefreiung sind nur einige der Anklagen.

    Diese Notiz ist deshalb so interessant, weil sie in komprimiertester Form den Nutzen der im Nachhinein einzuhaltenden démarche beweist, nämlich dass die Frauen, die, wie ja schon Börne sagte, die Achse der Welt sind, eine notwendige erste Stufe der hier vorgelegten Studie darstellen.

    Es ist aber erst einmal unerläβlich, die Unsinnigkeit des eben zitierten Amalgams von Pornographie, Frauenbefreiung und anderen Faktoren nicht nur mit historischen und philosophischen, sondern vorzugsweise mit religiösen Argumenten herauszustellen; letztere auch aus dem Koran. Gleiches wird übrigens im übernächsten Kapitel der Fall sein, wo dem Jihad das Wasser vollends abzugraben sein wird mit dem Beweis, dass nicht Christen oder Westler die Gottlosen sind sondern sie selbst, die Islam-Fundamentalisten. Da macht es schon einen ganz besonderen Spaβ, mit dieser Börneschen Wortkonstruktion beginnen zu können die so sehr jener allseits berühmt-berüchtigten axis of evil gleicht, welche George W. Bush seinerzeit in das politische Vokabular der Welt eingeführt hatte.

    Noch vergnüglicher wird es wenn wir uns vergegenwärtigen, dass nicht nur Islam- sondern auch Christenfundamentalisten im Weib etwas Sündenbehaftetes und daher möglichst zu Unterdrückendes ii sehen.

    Um allerdings die Vergnüglichkeit dieser Erkenntnis so recht würdigen zu können, muss man erst einmal ziemlich weit ausholen, weiter jedenfalls als nur bis hin zu Bibel und Koran:

    Johannes von Müller, der Physiologe, hatte gesagt dass es zwei groβe Mächte gebe, um die sich alles dreht: die Ideen und die Frauen. Das sei ganz richtig, schlieβt sich Kierkegaard an, denn es hänge damit zusammen, was die Phantasie sei und was ihre Daseinsfunktion ausmache: Frauen und Ideen sind es, welche die Menschen ins Dasein locken. Das Wesen des Erotisch-Ideellen ist Verführung. Dies wäre nun eigentlich der Moment um Anaïs Nin, la grande experte in Sachen Verführung, herbeizuholen. Zunächst jedoch soll auf Clemens von Alexandrien (Stromata) verwiesen werden, bei dem sich die mythische Vermutung findet, die Philosophie sei den Griechen von einem gefallenen Engel, sozusagen als entwendetes Himmelsgut gebracht worden. Aber diese reichlich gnostisch anmutende Illegitimität ihres Ursprungs wird einigermaβen wettgemacht durch die Zulassung Gottes, von dem ja nicht angenommen werden darf, er hätte von diesem Vorgang nichts gewuβt: Damals nämlich gewährte das gestohlene Gut den Menschen einen gewissen Nutzen, obwohl der Dieb dies nicht beabsichtigt hatte, indem die Vorsehung seine Freveltat zu einem nützlichen Ende brachte. Aus dieser Quelle der gefallenen Engel die – und jetzt wird's interessant – die Geheimnisse, soweit sie zu ihrer Kenntnis gelangt waren, den Weibern ausplauderten, soll nicht nur die Lehre von der Vorsehung, sondern auch die Enthüllung der Himmelserscheinungen an die Griechen gelangt sein.

    Dieses halbmythische den Weibern Ausgeplauderte nun verbirgt einen handfesten anthropologischen Hintergrund, der in primitiverer Form auch in der Tierwelt zu beobachten ist: Was schon Darwin the female choice genannt hat, und was, bei Licht besehen, das eigentliche Startsignal der Entwicklung vom primitiven Hominiden hin zum Menschen gegeben hatte.

    Vor rund 500.000 Jahren verschwand der homo erectus und machte dem Neandertaler Platz, welcher die ersten Formen dessen zeigt was wir Menschlichkeit nennen: Gebrechliche versorgen und Tote begraben. Dies scheint nun allerdings überhaupt keine Anpassung an die Natur im eigentlichen Sinne zu sein, also muss der Selektionsvorteil allein beim Menschen liegen; bleibt die Frage, wer den dazugehörigen Druck ausübte. Die Antwort ist: es waren die Frauen.

    Die Frauen, die also jenen Männern den Vorzug gaben, bei denen sie Verantwortungs- und Mitgefühl wahrnahmen, bei denen man also damit rechnen konnte, dass sie die Belange der Anderen in Rechnung stellen würden bei etwaigen schwerwiegenden Beschlüssen. Das dauerte dann einige Hunderttausende von Jahren, da gibt's richtige Geröllhalden von Sagen, Legenden und Mythologie, aber das weiβ man ja alles und das ist hier auch nicht weiter relevant – auβer, natürlich, jener Feststellung dass die Weiber (wieder mal) an allem schuld sind. Biblisch: Eva und der Apfel. Der Sündenfall. Man muss indessen annehmen, so ein ungefährer Zeitgenosse Clemens', der oft und gern allegorisierende Origenes, dass all das Gute und Böse, das unserem Herzen eingeflüstert wird, nichts anderes bedeutet als einen Anreiz, der uns zum Guten oder Bösen veranlassen will. Ja, und: man muss bedenken, dass ein Groβteil jener patristischen Betrachtungen, Dispute und dogmatischen Zwistigkeiten ganz einfach daher rührt, dass man damals weder von Hormonen noch vom Unbewuβten, ob individuell oder kollektiv, irgend etwas wuβte (... umso mehr wuβte man von Teufeln, von Beelzebub und Satanas incubus/succubus).

    In diesem Zusammenhang nun ist es doch beachtenswert, wie unsere tabulose Zeit sich immer noch der verstaubtesten Moralbegriffe bedient wenn es um jene Gottesgeschenke geht, die unsere Fortpflanzung zu dem machen, was sie ist: die allererste und stärkste Pflanzstätte zwischenmenschlicher Beziehungen.

    Nun könnte man ganz unschuldig die Fundamentalisten aller Couleur fragen Wer aber hat denn nicht nur Engel und Teufel, sondern auch Hormone und mit ihnen Triebe und fleischliche Lüste geschaffen? Ist nicht auch unsere Haut das Kleid, das Gott selbst uns gegeben hat?

    Anaïs Nin gab dieser elementaren Einsicht ein poetisches Gesicht. Begeben wir uns mit ihr (...) hinunter in den Untergrund der Nacht, die dem ersten Mann und der ersten Frau zu Beginn der Welt so wohlgesinnt war, wo es keine Worte gab, mit denen man einander besitzen konnte, keine Serenadenmusik, keine Geschenke, mit denen man buhlen, keine Turnierkämpfe, mit denen man beeindrucken und ein Nachgeben erzwingen konnte, keine nebensächlichen Mittel, keinen Schmuck, keine Halsketten, Kronen, mit denen man überwältigen konnte, sondern nur ein einziges Ritual: ein freudiges, freudiges, freudiges, freudiges Aufspießen der Frau am sinnlichen Mast des Mannes [Die neue Empfindsamkeit, Knaur, München 1994, S. 11]. Dies hat ja nun zwar, nicht nur wegen der darin enthaltenen Geschichtlichkeit (zu Beginn...), durchaus auch gesellschaftspolitische Implikationen, denn schlieβlich sind Kriege historisch ja nichts anderes als auf die Spitze getriebene Beutezüge womit das Männchen seinem Weibchen imponieren will, wobei sich dann mit männlicher Logik die dazugehörigen Rechtfertigungsarien [gottgegebene Überlegenheit des eigenen Misthaufens bezw. des dort oben krähenden Hahns usw] entwickelten.

    Die Extrem-Ausprägung dieser gottgegebenen Überlegenheit des eigenen Misthaufens heiβt bekanntlich Rassismus und da ja die Italiener wirklich gute Opernkomponisten haben, sich also mit Arien aller Art bestens auskennen, kommt hier jetzt etwas für Feinschmecker: Poiché la consegna era quella di negare agli etiopici ogni virtù, anche la più evidente, per accreditare la tesi che essi costituivano il popolo più barbaro ed incapace, si sostenne fin dall'inizio del conflitto che se erano in grado di opporre una certa resistenza, tutto il merito era dei 'mercenari bianchi' che militavano nelle loro file. Questi misteriosi bianchi, che in réaltà non furono mai più di cento fra esperti militari, piloti e medici, diventarono migliaia per la propaganda del regime, che doveva in qualche modo giustificare la lentezza con la quale procedevano le operazioni... – Weil die Losung lautete, den Äthiopiern jegliche, auch die augenfälligste Tugend abzusprechen um die These zu akkreditieren dass sie das barbarischste und unfähigste Volk seien, so wurde seit dem Anfang des Konflikts behauptet dass, wenn sie imstande waren einen gewissen Widerstand zu leisten, der ganze Verdienst den 'weiβen Söldnern' zukam die in ihren Reihen kämpften. Diese geheimnisvollen Weiβen, deren es in Wirklichkeit nie mehr als hundert gab bei den Militärexperten, Fliegern und Krankenpflegern, wurden durch die Propaganda des Regimes zu Tausenden, was irgendwie die Langsamkeit erklären sollte mit welcher der Feldzug voranschritt (Angelo del Boca, La guerra d'Abessinia 1935-1941, Feltrinelli Editore, Milano 1965, S. 79)

    John Lukács faβt diese Einsicht in Die Geschichte geht weiter (Heyne, München 1996) in einer Fuβnote trefflich zusammen: Die Empfindungen und Loyalitäten des Nationalismus sind männlich-kategorisch, intellektuell oder zumindest mental. Das intuitive Wesen der Frauen ist nicht so kategorisch, nicht so ausschlieβlich, menschlicher und potentiell universaler, vgl. auch Maupassant : (...) denn die Frauen kennen weder Kaste noch Rasse, ihre Schönheit, ihre Grazie und ihr Charme sind ihre Herkunft und Familie. Ihre angeborene Feinfühligkeit, ihr Instinkt für Eleganz, ihre geistige Geschmeidigkeit sind ihre einzige Hierarchie, und machen die Volksmädchen den gröβten Damen gleich. [Contes du jour et de la nuit (5- La parure), Gallimard Folio, Paris 1984]. Diese tiefe Einsicht soll im folgenden analysiert werden.

    Zunächst führt sie uns zu Angelika Aliti, welche, unschwer zu erkennen, eine Emanze ist. Indes kann es als Tatsache bezeichnet werden, dass jene oben genannten Geröllhalden auch den heute als gesichert anzusehenden und von Aliti brillant behandelten historischen Fakt beinhalten, dass die früheren matriarchalischen Gesellschaften gewaltsam durch patriarchalische abgelöst wurden. Medea, Klytämnestra, Elektra kann man als symbolische Trägerinnen sehen von wichtigen Teilen jener unter besagter Geröllhalde subsumierten Ereignisse, die als mythische Legenden Eingang in die Weltliteratur gefunden haben. Dass aber sehr viel mehr als nur Sagenhaftes dahintersteckt, macht Aliti in ihrem Buch Die wilde Frau fest am Beispiel des alten Kreta.

    "Als der Archäologe Sir Arthur Evans Ende des 19. Jahrhunderts an der Nordküste der Insel Kreta bei Ausgrabungen auf die Überreste einer bedeutenden Kultur stieβ, hatte er wahrscheinlich beste Absichten, diese Kultur so verstehen zu wollen, wie sie war.

    Er war allerdings nicht fähig, andere Wirklichkeiten als die, in der er lebte, als Erfahrungsgrund heranzuziehen, und so wurde er ein Opfer seiner beschränkten Deutungsfähigkeit. Dies wäre nun nicht weiter erwähnenswert, wenn es nicht zur Folge gehabt hätte, dass Evans' Miβdeutungen bis auf den heutigen Tag Einfluβ auf unser Denken haben, der weit über den Bereich Archäologie und Geschichte hinausgeht. (...) Die Welt, in der er lebte, das ausgehende 19. Jahrhundert, betrachtete sich als Höhepunkt der abendländischen Kultur, die in Griechenland ihre Wurzeln hatte (...) Die Frauen seiner Zeit waren nicht geeignet, auch nur den geringsten Zweifel darüber aufkommen zu lassen, dass Männer laut Pythagoras das gute Prinzip, die Ordnung und das Licht repräsentierten. Hätte damals jemand den guten alten Sir Arthur damit konfrontiert, dass es Kulturen gab, die matriarchalisch organisiert waren, in denen es keine HERRschaft gab und männlich und weiblich ganz anders definiert wurden, so hätte er es – obwohl ihm Bachofens Erkenntnisse über das Matriarchat als natürliche Gesellschaftsform des Menschen hätten zugänglich sein können – schlichtweg einfach nicht geglaubt, sowenig wie er grüne Marsmännchen als Erbauer der Akropolis akzeptiert hätte. (...)

    Aber Blödsinn ist zählebig, und so bleibt Knossos ein Palast, auch wenn inzwischen alle, auch die Fachleute, wissen dass es nicht so ist. Wiewohl sie sich scheuen zuzugeben, was es ist: das Heiligtum einer von Priesterinnen regierten matriarchalischen Gesellschaft.

    (...) Wann immer der eine oder andere Archäologe sich dem Zusammenhang zwischen Matriarchat und der menschlichen Kultur nicht mehr entziehen kann, macht er sich seltsamerweise sofort auf die Suche, um Beweise für Menschenopfer und Sklavenhaltung zu finden. Das ist höchst eigenartig. Allerdings nur auf den ersten Blick. Betrachten wir diesen sonderbaren Umstand genauer, so finden wir hier die Erklärung, warum die Kontrolle der Vergangenheit die Machtsgarantie für die Zukunft ist. Denn als wäre keine Zeit vergangen, begegnen wir damit auch gleich jenen Männern, die vor 3000 Jahren von der Donau bis nach Griechenland kamen, die das blühende Kreta zerstörten und dann behaupteten, die Minoer hielten sich ein Ungeheuer namens Minotauros, das junge Mädchen und junge Burschen fräße, die alle neun Jahre von den durch die Minoer geknechteten und unterdrückten Völkern nach Kreta als Menschenopfer ausgeliefert zu werden hätten. Davon habe die Welt befreit gehört. Diese Propagandalügen scheinen noch zählebiger als Sir Arthur's Welt der Könige. Die Wirklichkeit stand offenbar ganz und gar im Gegensatz zu den Berichten der Eroberer von der Donau. Das alte Kreta war eine ausgesprochen friedliche Welt. Es gab keine Zäune und keine Wehranlagen. Es wurden aus dieser Zeit nirgendwo Waffen gefunden. Dagegen haben Musik und Tanz eine groβe Rolle im Leben der Minoer gespielt, wie sie auch ein Volk der groβen Kunstfertigkeit waren. Ihre Häuser verfügten über Kanalisation. Es finden sich keinerlei Anhaltspunkte für Sklaverei und Tieropfer, von Menschenopfern ganz zu schweigen. Ihre Kleider waren von anmutiger Eleganz. Waren aus dem minoischen Kreta finden sich in der gesamten damaligen Welt, von Ägypten bis hinauf nach Norwegen, und überall waren die Minoer als liebenswürdige und heitere Menschen bekannt und beliebt. Wenn nun eine solche Welt in ursächlichen Zusammenhang mit einer Gesellschaftsordnung gebracht wird in der die Macht in den Händen der Frauen liegt, so dürfen wir sicher sein, dass dies gröβere Folgen für unsere Welt hat als die Korrektur einiger Museumsbroschüren in Heraklion und Athen sowie eine Anzahl an akademischen Diskussionen in archäologischen Fachblättern in London, Berlin und New York." (Die wilde Frau, Knaur, München 1994, S. 155 ff)

    Dieser im eben Zitierten enthaltene Satz "warum die Kontrolle der Vergangenheit die Machtsgarantie für die Zukunft ist" nun führt uns wie selbstverständlich hin zu dem im weiteren zu behandelnden Fundamentalismus. Denn hier wird schon jetzt ein interessanter Sachverhalt deutlich sichtbar, nämlich dass im Falle der Islam-Fundamentalisten besagte Kontrolle der Vergangenheit [Mohammed darf nicht kritisiert werden, der Koran, da von ewig her unerschaffen, erst recht nicht; und Apostasie wird mit dem Tod bestraft] das Fundament für genau dasselbe Ziel und nichts anderes ist, nämlich jene Machtsgarantie für die Zukunft die momentan im Irak, im Sudan, in Syrien, Pakistan, Afghanistan, Algerien, Marokko, Indonesien, Nigeria, Tschetschenien und Palästina herbeigebombt und bei uns herbeigemordet werden soll.

    Islam-Fundamentalisten

    Gilles Kepel, Die Rache Gottes (Piper Verlag GmbH, München, 2. Aufl. Nov. 2001). Daraus: ...normalerweise werden Ereignisse oder Konzepte, mit denen man Ereignisse in fremden Kulturen gedanklich zu erfassen sucht, aus dem Studium westlicher Religionen gewonnen. In Paris oder New York führt man die Ereignisse in der islamischen Welt auf den 'muslimischen Integralismus' bezw. den 'muslim fundamentalism' zurück, ohne sich klarzumachen, dass Integralismus bezw. Fundamentalismus zwei im Katholizismus bezw. Protestantismus entstandene Kategorien sind und dass ihre metaphorische Übertragung auf andere Phänomene noch lange nicht ihre Allgemeingültigkeit beweist. Ja, ich halte diese Kategorien für grobe Vereinfachungen und Verzerrungen, die die Erkenntnis des gesamten Phänomenkomplexes nur behindern. Unsere grundlegende Unfähigkeit, die islamischen Bewegungen unserer Zeit zu verstehen, ist gröβtenteils auf diese alten theoretischen Scheuklappen zurückzuführen, die unseren Blick immer mehr einengen. Wir müssen endlich die Herausforderung annehmen, die die zeitgenössischen religiösen Bewegungen für unsere traditionellen Denkschablonen darstellen, und das ist nur möglich, wenn wir sie als globale Erscheinung begreifen.

    Vereinfachungen und Verzerrungen, tatsächlich; so z.B. sind in den daily bombings, beheadings, murders, mutilations, honor killings and sundry other savagery committed in the name of Allah (T.R. Clancy) zumindest die honor killings nicht unbedingt und immer ausschliesslich "Allah anzukreiden, sondern eher etwas Kulturspezifisches: Es geht selten ein Monat vorbei ohne dass Schlagzeilen in der Presse von dem Mord dieses oder jenes Mädchens durch Bruder oder Cousin berichten, weil sie unerlaubte Beziehungen gehabt habe. Oft genug wird der Mann mit ihr zusammen getötet worden sein, oder er wird's im Nachhinein. Es ist uns mehrmals passiert, dass wir der entsetzte Zeuge waren von Szenen wo eine ganze Delegation von Christen uns triumphierend verkündigen kam dass dieser oder jener endlich seine Schwester getötet habe die sich schlecht betrug! und also die Ehre der Familie im Blut gerettet hatte!... " [Pages d'Evangile lues en Galilée, Mgr Georges Hakim, Archevêque de Galilée, 2ème édition juillet 1958, Editions E. Vercruysse-Vanhove, Saint-André/Bruges(Brügge), S. 64].

    Dass die Frauen dabei au centre des débats stehen, überrascht nach Vorhergehendem vermutlich niemanden mehr. Auch müβte ja eigentlich jeder äffisch-angeberischer Macho den Islam-Fundamentalisten schon fast dankbar sein dass sie objektiv die Speerspitze bilden im Kampf des Patriarchats gegen die Emanzen. Aber für jedes nicht von Fundamentalismus und/oder äffischem Machismo angekränkelte Männerhirn dürfte ein gewisses, wie oben erwähnt freudiges Aufspießen fast unübersehbar die Nähe zu Freude schöner Götterfunken anzeigen, welcher umso göttlicher ist als ja Gott nicht nur den Menschen, Mann und Frau nach seinem Ebenbild geschaffen und durch Paulus die Einswerdung im Fleische als groβes Geheimnis bezeichnet hat, sondern auch im Koran, Sure 40, 65 sagt: Allah ist es, der euch geformt, und zwar schön geformt hat und solcherart die kleine Frage wozu eigentlich, wenn nicht... – (?) provoziert, die man eigentlich nur mit ... – eben! beantworten kann. Was jedoch nicht nur auf eine gottgewollte primäre Instinkthaftigkeit eines blinden Triebes verweist (oder wie immer man das zu nennen beliebt), sondern, wie die Worte groβes Geheimnis ja eigentlich schon andeuten, auf einen sowohl biologischen als auch psychologischen und jedenfalls menschlich-ganzheitlichen Sachverhalt: Wie jedermann weiβ, werden Mädchen, im Gegensatz zu Jungen, geboren mit zwei vollständig ausgestatteten Eierstöcken. Das heiβt, dass schon bei der Geburt der Mutter eines Jeden von uns die Hälfte der jeweiligen Person daselbst anwesend war, und weiter: schon bei der Geburt der jeweiligen Groβmutter war die Hälfte jener Hälfte – und so fort. Das kann sich jeder bis hin zum Urknall (Augustinus: ictus condendi) ausdenken, und zwar so farbenprächtig wie er will. Farbenprächtig meint hier ausdrücklich sämtliche beim Arboreszieren der Spezies links liegengelassenen Entwicklungs- bezw. Selektionsstufen, hin zu Teilhard's noosphère/convergence phylétique, also von Alpha nach Omega.

    Accroissement de la néguentropie und noosphère sind Erklärungsversuche (in: La place de l'homme dans la nature, éditions 10/18, Paris 1956), nicht besser und nicht schlechter als andere wissenschaftliche Hypothesen, warum sich die gesamte Schöpfung so gebärdet als sei ihr höchstes so nicht einziges Ziel die Zunahme des Geistes (la cérébralisation des êtres est le véritable index de leur vitalisation, op. cit. S. 65), sowohl quantitativ als auch qualitativ. Wo uns das Wirkliche hilflos macht, kreisen wir es mit dem Möglichen ein. Wem das wie ein Spruch der Pythia erscheinen will, möge daran denken, dass alle 'Hypothesen', als die sich wissenschaftliche 'Resultate' letztlich ausgeben müssen, den Modus der Möglichkeit haben. Das lässt nie ausser Betracht, es könnte eine von vielen die bessere von guten, doch nochmals die jederzeit durch eine bessere überbietbare sein. Immer bleibt ein Rest, der Vorsicht und Rücksicht verlangt. (Blumenberg, Lebensthemen, Reclam 9651, S. 75). Weiter: Es gebe allerdings Unaussprechliches, sagt Wittgenstein im 'Tractatus', aber dieses habe eben seine Art, nicht nicht zu sein, es 'zeigt sich, es ist das Mystische'. Es mag sein, dass man nach dem letzten Satz des 'Tractatus' über das schweigen muss, wovon man nicht sprechen kann; aber genauer heiβt das doch nur, dass man auf eine ANDERE Art von dem sprechen muss, wovon man auf eine BESTIMMTE Art nicht sprechen kann (in: Die Höhlen der Vernunft, Hervorhebungen im Original). Weiter: Dass die Subjekt-Objekt-Diastase aus der ursprünglichen Einheit des In-der-Welt-seins herauspräpariert worden sei, gilt zweifellos für alle theoretischen Situationen, in denen ohnehin an 'Präparaten' im weitesten Sinn gearbeitet wird. Doch müsste das schon ein Sachverhalt auf einem dritten Niveau sein; die Wissenschaft ist nicht die Quelle, eher selbst das Derivat der Subjekt-Objekt-Konstellation. Läβt sich die ihr vorgängige Einheit anders als aus mythischen Verschmelzungserlebnissen zur Anschauung bringen, die Basis und Rückgang aller Beschreibung sein muss? Deskriptionen müssen 'eingelöst' werden; sonst sind sie nur aus Antithesen zu Problemlasten bestehende Satzkomplexe (in: Ein mögliches Selbstverständnis, a.a.O., S. 202). Nun sind aber mythische Verschmelzungserlebnisse wohl wirklich das Allerletzte womit Wissenschaft sich beschäftigt [oder besser: beschäftigen darf]. Auch dies hat Blumenberg berücksichtigt und plädiert deshalb für die Philosophie als Inbegriff von unbeweisbaren und unwiderlegbaren Behauptungen, die unter dem Gesichtspunkt ihrer Leistungsfähigkeit ausgewählt worden sind. Sie sind dann auch nichts anderes als Hypothesen, mit dem Unterschied, dass sie keine Anweisungen für mögliche Experimente oder Observationen enthalten, sondern ausschlieβlich etwas verstehen lassen, was uns sonst als ganz und gar Unbekanntes und Unheimliches gegenüberstehen müsste.

    Philosophie ist also keine Wissenschaft, wie methodisch sie auch vorgeht oder vorzugehen vorgibt. Aber obwohl sie seit jeher mit Fleiβ den Anschein ihrer völligen Nutzlosigkeit pflegt (Ortega), hat sie schon längst [d.h. schon zu jener Zeit, als Philosophie immer auch Wissenschaft (und umgekehrt) war] auch ihren praktischen Nutzen bewiesen: "Alle Methodik will unreflektierte Wiederholbarkeit schaffen, ein wachsendes Fundament von Voraussetzungen, das zwar immer mit im Spiele ist, aber nicht immer aktualisiert werden muss. Aus dieser Antinomie zwischen Philosophie und Wissenschaft ist nicht herauszukommen: das Erkenntnisideal der Philosophie widersetzt sich der Methodisierung, die Wissenschaft als der unendliche Anspruch eines endlichen Wesens erzwingt sie. (...) Leibniz hat das ganze Problem wohl zuerst in seiner Auseinandersetzung mit Descartes aufgerollt [in 'Animadversiones in partem generalem Principorum Cartesianorum': ...nam si voluisset

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