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Tod am Arkonaplatz
Tod am Arkonaplatz
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eBook323 Seiten4 Stunden

Tod am Arkonaplatz

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Über dieses E-Book

Der Kriminalroman spielt in der Gegenwart in Berlin-Prenzlauer-Berg. Am Arkonaplatz werden zwei junge Männer getötet: Jonathan Somura und Heiner Mohr. Beide lebten im gleichen Haus am Arkonaplatz, und beide waren kurz vor ihrer Ermordung Gast auf einer Party von Katrin Sommerfels, die ebenfalls dort wohnt.
Katrin Sommerfels wird vom Chefermittler verdächtigt, die Männer aus Eifersucht getötet zu haben.
Doch eine andere Frau hatte ebenfalls eine enge Beziehung zu einem der Mordopfer, die Frau des Kommissars Edgar Kunze. Obwohl ihre Ehe gescheitert ist, will er ihr helfen und tut alles, um sie aus den Ermittlungen herauszuhalten. Für Edgar Kunze ist die Exfrau des Somura, Yvonne Richter, die Hauptverdächtige.
Als seine Frau ihm gesteht, von Heiner Mohr schwanger zu sein, weiß Edgar, dass er von ihr belogen wird. Er ahnt aber lange nicht, wie nah ihm der wahre Kindsvater ist.
Edgar verliebt sich in Katrin Sommerfels. Erst als sie dem Kommissar erzählt, was wirklich in der Nacht geschah, als Heiner Mohr starb, kommt die Polizei dem Mörder beider Männer auf die Spur.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum18. Juli 2013
ISBN9783847644965
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    Buchvorschau

    Tod am Arkonaplatz - Christiane Baumann

    Kapitel 1

    „Wo ist Friedrich?", fragte Kriminalhauptkommissar Edgar Kunze Kollegen der Spurensicherung, als er das Haus Nr. 11 in der Swinemünder Straße am Arkonaplatz betrat.

    „Am Tatort. Erste Etage links, vor dem Klo", erhielt er zur Antwort. Ein Kollege reichte ihm einen Schutzanzug, Handschuhe und Mundschutz. Edgar streifte lediglich die Handschuhe über. Er lief die Treppe hoch und las auf dem Namensschild der betreffenden Wohnung: ‚Jonathan Somura’. Auch das noch, ein Ausländer, dachte er spontan.

    Sein älterer Kollege und Chef Friedrich Schult winkte Edgar zu sich. „Was für eine Scheiße, Edgar! Es ist zum Kotzen! Diese verdammten..., er stutzte, „...Vollidioten, vollendete er seinen Satz.

    „Mach keine Mördergrube aus deinem Herzen, Friedrich. Hatte wieder ein Ossi Probleme mit der Völkerverständigung?"

    Edgar sah von der Eingangstür aus das Opfer: einen nicht sehr großen, aber kräftig gebauten halbnackten Schwarzen, rücklings auf dem Fußboden, als wäre er aus dem Toilettenraum hinausgefallen: die Beine lagen noch im Bad, der Oberkörper im Flur. Unter dem Körper eine Unmenge Blut.

    Friedrich klopfte Edgar auf den rechten Oberarm. „Du bist spät dran, wir sind fast fertig. Komm mit!" Er zog ihn ein paar Schritte weiter in die Ein-Zimmer-Wohnung hinein.

    Edgar schaute über die Leiche hinweg in das winzige Bad, rechts die Toilettenschüssel, geradezu ein kleines Waschbecken wie in einer Gästetoilette.

    „Jonathan Somura, sagte Friedrich, als stellte er Edgar einen guten Bekannten vor.„Gut beieinander, der Mann.

    „Vor allem und hauptsächlich ist er schwarz, Edgar. Ich sehe die Schlagzeilen schon vor mir!", stöhnte Friedrich.

    „Denkst du an Glatzköpfe?"

    „In Ostberlin? Nie im Leben", antwortete Friedrich sarkastisch.

    Edgar fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar und strich sich lange Strähnen aus dem Gesicht. Es war nach Mitternacht, und er war müde. Beinahe überhörte er die nächste Bemerkung seines Kollegen: „Da kann man neidisch werden, was?"

    Offensichtlich spielte sein Chef auf den beachtlichen Penis des Opfers an. Jeans und Unterhose des Toten waren bis zu den Kniekehlen heruntergelassen. „Wie ist es passiert?", wollte Edgar wissen.

    „Er hat eine Wunde am Hals, sie ist merkwürdig aufgerissen. Die Tatwaffe traf ziemlich genau die Halsschlagader. Ein Gegenstand aus Metall käme in Frage, der eine gewundene Spitze hat. Eventuell war es der Kaminhaken, er ist verschwunden", gab sein Chef widerwillig Auskunft.

    „Ein Kamin in dieser Bude?", äußerte Edgar ungläubig.

    „Natürlich nicht. War nur eine Idee. Weiter…Das Opfer heißt Jonathan Somura, ist deutscher Staatsbürger, 33 Jahre alt. Seine Familie stammt aus Guinea. Der Mann ist geschieden, hat eine kleine Tochter, die bei ihrer Mutter lebt, einer Yvonne Richter. Der Somura arbeitete als Altenpfleger; hier wohnte er seit zwei Jahren, allein. Er wurde von einem Arbeitskollegen gefunden, der sich wunderte, warum Somura heute nicht zum Dienst erschien. Unser Toter soll äußerst korrekt gewesen sein. Ja, und er war Mitglied einer Amateurband, spielte manierlich Gitarre. Das haben sie ja im Urin, die Musik, den Rhythmus." Friedrichs letzte Worte klangen eher geringschätzig.

    „Hat er sich selbst ausgezogen?"

    „Keine Ahnung. Wahrscheinlich wollte er pinkeln, als ihn jemand attackierte. Ich frage mich eher, wieso wurde er im Bad umgebracht? Da drin kann man sich doch kaum bewegen. Nehmen wir an, der Täter war mit dem Somura längere Zeit zusammen in der Wohnung. Dann hat das Opfer sich zumindest sicher gefühlt. Er ist aufs Klo und hat die Tür offen gelassen. Das ist zwar nicht die feine Art, soll aber vorkommen."

    „Er kannte den Täter", mutmaßte Edgar.

    Sein Chef nickte. „Das Ganze funktionierte nur, weil die Badtür zum Flur aufgeht."

    „Ja, sonst wäre der Mann von der Tür erschlagen worden", versuchte Edgar zu witzeln.

    Friedrich ging nicht auf den Ton ein. Er führte Edgar rüber ins Wohnzimmer, damit die Spusi ihre Arbeit ungestört fortsetzen konnte.

    „Tatzeit?, fragte Edgar. „Gestern, also Dienstagnacht, vorsichtig geschätzt zwischen 22. 00 Uhr und 23. 00 Uhr.

    „Spuren eines Einbruchs an der Wohnungstür?"

    Friedrich brauste auf und fiel in einen offiziellen Tonfall: „Schluss mit der Abfragerei, ich leite die Ermittlungen! Wenn du weitere Unklarheiten hast, weil du später als jeder Anfänger am Tatort aufkreuzt..."

    „Irgendwelche Zeugen?" Edgar gab sich unbeeindruckt von der Rüge seines Chefs.

    Der blinzelte durch seine Brille zu ihm hoch. „Nein, antwortete Friedrich, immer noch unwirsch, aber ruhiger, „die Nachbarn befragen wir heute Vormittag. Warum eigentlich deine Verspätung? Wo warst du? Renate wusste nicht, wo du bist.

    „Geht’s noch?! Rufst deswegen meine Frau an!"

    „Du bist nicht ans Handy gegangen, schließlich hast du Bereitschaft, Edgar, irgendwie musste ich dich auftreiben."

    „Indem du ausgerechnet Renate anrufst!"

    „Dein Vorwurf ist nicht logisch, Edgar. Wen, bitte, sollte ich sonst anrufen? Deine Geliebte? Hör einfach auf dein Handy, damit ersparst du dir..."

    „Arschloch!"

    „Ossi!"

    „Ach!" Verärgert drehte Edgar sich weg von Friedrich. In der Wohnung anwesende Kollegen, die den Schlagabtausch mitbekommen hatte, grinsten sich an. Szenen dieser Art kannten sie von den beiden Ermittlern, die seit sieben Jahren in einem Team arbeiteten. Niemand nahm sie allzu ernst.

    Edgar sah sich allein in der Wohnung um. Sie hatte etwa 40 Quadratmeter und bestand aus einem größeren Zimmer, kleiner Küche und winzigem Toilettenraum. Im Zimmer standen ein Doppel- und ein Kinderbett und ein voluminöser Schrank. Die Möbel waren aus hellem Holzimitat gefertigt und schienen allesamt vom Billigdiscounter zu stammen. An einem Stuhl lehnte eine Gitarre. Raub schied wahrscheinlich aus, dachte Edgar angesichts des billigen Mobiliars und der insgesamt spartanischen Einrichtung. Er schielte zu Friedrich hinüber. Sein Chef sprach mit Kollegen und wirkte trotz der fortgeschrittenen Nachtzeit frisch und dynamisch. Edgar beneidete ihn um diese Kondition, denn er fühlte sich erschöpft, als wäre er auch schon fünfzig wie Friedrich.

    Edgars Gedanken schweiften ab zu Corinna. Ihr Treffen am Abend war anstrengend gewesen. Seine Geliebte wollte reden. Ein erstes Zeichen, dass ihre Affäre zu Ende ging. Komischerweise fühlte er kein Bedauern darüber. Sie war eh viel zu jung für ihn.

    Edgar entdeckte, dass man vom Zimmer auf einen kleinen Balkon hinaustreten konnte. Von dort sah er auf den Arkonaplatz hinunter. Edgar erkannte in der Dunkelheit einen mittelgroßen Platz mit Bäumen, spärlich erleuchteten Wegen und einigen Parkbänken. Diese Gegend um die Bernauer Straße, zwischen Ost- und Westberlin, war ihm ziemlich fremd.

    Als Edgar anfing zu frösteln, ging er ins Zimmer zurück. Er öffnete die Schubladen einer Kommode, in denen Spielsachen und Kinderbekleidung untergebracht waren. Neben der Kommode stand das Kaminbesteck, bei dem der Schürhaken fehlte. Wenn der die mögliche Tatwaffe war, musste der Täter im Wohnzimmer gewesen sein, bevor er dem Somura in die Toilette folgte, und er hatte keine Eile gehabt, überlegte Edgar, denn Schaufel und Besen hingen ordentlich am Gestell. Aber wieso wurde der Somura nicht im Wohnzimmer überfallen, wo ein Täter mehr Bewegungsfreiheit gehabt hätte? Das sprach eher für eine spontane Tat als für einen geplanten Mord.

    Ein Foto auf einem Regal fesselte die Aufmerksamkeit des Kommissars. Es zeigte ein farbiges Kind, ein Mädchen im rosa Kleidchen.

    „Seine Tochter Sina", erklärte Friedrich, der plötzlich hinter ihm stand.

    „Wer fährt zur Ex?", fragte Edgar.

    „Ex-Witwe, meinst du. Oder wie soll man zu ihr sagen? Ich werde Schlesinger mitnehmen. Edgar, fahr nach Hause. Irgendwie habe ich den Eindruck, du bist heute nicht zu gebrauchen. Wir sehen uns morgen, das heißt in ein paar Stunden. Und grüße Renate von mir!" Zum Abschied klopfte er erneut auf Edgars Arm.

    Edgar ärgerte sich über Friedrich, als er sich hinters Lenkrad setzte. Er konnte diese merkwürdige Gewohnheit von ihm, ständig alle Leute anzutatschen, nicht leiden. Überhaupt Friedrich, dieser Schnösel. Sah sogar im Schutzanzug aus wie aus dem Ei gepellt. Mistkerl! Rief Renate an und brachte ihn dadurch in Schwierigkeiten. Das war Absicht gewesen! Wie sollte er sich jetzt seiner Frau gegenüber rausreden?

    Er bemühte sich, keinen Lärm zu verursachen. Edgar zog sich im Wohnzimmer aus, machte sich auf der Gästetoilette für die Nacht fertig und stieg mit bloßen Füßen die zu steil geratene, mit Teppichbelag gedämpfte Treppe ins erste Geschoss. Beinahe lautlos legte er sich ins Bett und lauschte auf Renates Atem. Seine Frau hatte ihm den Rücken zugedreht und die Bettdecke bis zu den Ohren hoch gezogen. Gott sei Dank, sie schlief und würde nicht nach seiner Abwesenheit oder Friedrichs Anruf fragen.

    In diesem Moment regte sie sich: „Wo warst du?"

    „Neuer Fall."

    „War Friedrich auch da?"

    „Natürlich."

    Mit dieser spärlichen Auskunft war Renate zufrieden. Das wunderte Edgar zwar, aber ihm war es recht, er wollte schlafen. Morgen musste er ausgeruht sein. Die Fische! Er hatte sie vergessen. „Hast du die Fische gefüttert?" Edgar langte mit einem Arm zu Renate hinüber.

    „Ja, antwortete sie unwillig und wehrte seinen Arm ab. „Lass mich!

    Edgar drehte sich auf die Seite. Es war stets ein wenig hell im Zimmer, weil eine Straßenlaterne unmittelbar vor ihrem Reihenhaus stand. „Was ist los?"

    Renate setzte sich aufrecht und schniefte heftig durch. Er sah ihre Silhouette vor dem Fenster. „Edgar! Ich gehöre nicht zu deinen Toten. Wieso kümmerst du dich auf einmal um mich! Gib Ruhe, oder ich schlafe in meinem Zimmer!"

    „He, ich wollte bloß nett sein. Wieso bist du so aggressiv?"

    Renate schaltete die Lampe auf ihrem Beistelltischchen an. Sie blinzelten beide ins Licht. Ängstlich schaute sie ihn an. „Entschuldige...Edgar...es ist...ich muss mit dir reden."Ihre Haare waren strähnig. Die Augen verquollen. Die winzige Narbe unter ihrem linken Auge, die sie seit einem Unfall in der Kindheit hatte, deutlich sichtbar.

    „Hast du geheult?", fragte er.

    Sie wich seinem Blick aus. „Ich brauche eine Zigarette." Schon war sie aus dem Zimmer gelaufen.

    Edgar überlegte, ob er ihr nachgehen sollte. Wenn Renate rauchte, bedeutete es Stress. Und auf Stress folgte Streit. Diese verdammte Qualmerei. Wie oft hatte sie versprochen, damit aufzuhören. Edgar suchte eine bequeme Schlafposition. Ein bisschen Nachtruhe hatte er sich redlich verdient. Renate steckte sich in ihrem Zimmer eine Zigarette an. Sie murmelte leise vor sich hin und lauschte ab und zu, ob Edgars Schritte zu hören waren. Aber er ließ sie allein. So konnte sie noch einmal an ihrem kleinen Geständnis basteln, das sie seit Wochen mit sich herumtrug. Heute Nacht könnte eventuell der richtige Zeitpunkt dafür sein: „Edgar, ich bin schwanger. Es tut mir leid…nein, Quatsch. Ich bin so froh über das Kind. Und ich liebe seinen Vater. An mir hat es nicht gelegen, dass es mit uns nicht geklappt hat. Aber ich mache dir keine Vorwürfe deswegen, du kannst nichts dafür.

    Zuerst dachte ich ja, ich sage einfach, das Baby ist von dir, ja, das war mein Plan. Bescheuert, was? Verzeih mir, bitte. Ich will dich nicht mehr anlügen als nötig. Und du hast alles Recht der Welt, auf mich sauer zu sein. Aber du bist vor mir fremdgegangen, ich hätte das nie getan…nein, warum entschuldige ich mich denn? Ich habe mich verliebt in…Soll ich seinen Namen preisgeben? Nein, erst mal abwarten, wie Edgar reagiert.

    Wo war ich? Ja, ich habe mich verliebt und bin gleich schwanger geworden. In meinem Alter, mit fast vierzig! Nein, das mit dem Alter ist blöd, das werde ich nicht sagen. Es geht allein um das Baby. Ich habe es gewollt. Nichts habe ich mehr gewollt in meinem Leben!"

    Renate drückte die Zigarette aus. Im Schlafzimmer setzte sie sich vorsichtig auf Edgars Seite. „Ich bin endlich schwanger, Edgar", flüsterte sie. Auf eine Reaktion ihres Mannes wartete sie vergebens; er schlief tief und fest.

    Kapitel 2

    Edgar stand hinter der Scheibe des Verhörzimmers und beobachtete von dort aus Yvonne Richter, die Exfrau des getöteten Jonathan Somura. Die Frau war mittelgroß, mit breiten Schultern, muskulösen Armen und langem blondem lockigem Haar. Sie trug eine rosa Bluse zur schwarzen Jeans. Yvonne Richter weinte; dünne Rinnsale schwarzer Schminke liefen ihr über die Wangen. Friedrich sprach beruhigend auf sie ein.

    Einige Minuten später setzte Edgar sich neben seinen Chef. Friedrich stellte der Richter seinen Kollegen vor. Yvonne nahm jedoch keine Notiz von ihm, sie schluchzte in ein Papiertaschentuch.

    Friedrich fuhr mit seiner Befragung fort: „Wann haben Sie Ihren Ex-Mann zuletzt lebend gesehen?"

    Yvonne Richter drückte das Taschentuch an ihren Mund. „Habe ich Ihnen gestern Nacht schon gesagt, das war vor ungefähr zwei Wochen und ein paar Tagen", nuschelte sie.

    „Sprechen Sie bitte lauter", forderte Edgar sie auf. Die Frau sah ihn erstaunt an.

    „Ist wegen der Aufnahme, man hört Sie schlecht", erklärte er.

    Friedrich räusperte sich. „Also, vor mehr als zwei Wochen haben Sie Jonathan Somura das letzte Mal gesehen. Hatten Sie seitdem anderweitig Kontakt? Haben Sie telefoniert?"

    „Er rief häufig an, wegen Sina. James war sehr fürsorglich."

    „James?"

    „Ja, Yvonne atmete tief durch, „alle nannten ihn so, ist leichter zu sprechen.

    „Hatten Sie Streit mit Herrn Somura?"

    „Ja, oft. Wegen Sina."

    „Worüber stritten Sie genau?"

    „Wie jetzt? Wegen Sina haben wir gestritten", wiederholte sie.

    Edgar starrte Yvonne Richter ununterbrochen an, um sie zu verunsichern. Das glückte bei fast jeder Frau. „Und worum stritten sie beide im Einzelnen?", fragte er.

    Yvonne schaute Hilfe suchend zu Edgars Chef. Sie wusste immer noch keine Antwort.

    Friedrich versuchte es anders: „Dass es bei den Streitigkeiten um Sina ging, ist uns klar.

    Geben Sie uns einfach ein Beispiel."

    „James nervte. Er fragte alles ab, wo Sina war und so. Über jeden Pups sollte ich ihm Bescheid geben. Und dauernd sollte ich sie zu ihm bringen." Yvonne wirkte froh, eine Erklärung gefunden zu haben.

    „Sein Interesse an seiner Tochter störte Sie?"

    „Sina ist meine Tochter. Sie braucht mich. James hat sie nur verwöhnt."

    „Das ist doch kein Grund, um zu streiten, sagte Edgar, „Ihr Ex-Mann hat sich um ihr gemeinsames Kind bemüht. Darüber wäre jede andere Mutter glücklich. Worüber stritten Sie wirklich?

    Yvonne zuckte mit den Schultern. Sie begann, in ihrer Tasche herum zu kramen und wich den Blicken der Kommissare aus.

    „Lassen Sie das, forderte Friedrich sie auf, „beantworten Sie die Frage meines Kollegen!

    „Ich will nach Hause!" Yvonne funkelte Edgar wütend an.

    Er war zufrieden. Offensichtlich war Yvonne Richter leicht in Rage zu bringen. Vielleicht schlug sie ebenso schnell zu?

    Edgar konfrontierte sie direkt mit seinem Verdacht: „Ihnen passte nicht, dass Herr Somura Kontakt zu seiner Tochter suchte. Sie wollten Sina für sich allein, der Vater sollte aus ihrem Leben verschwinden. Haben Sie Jonathan Somura deswegen umgebracht?"

    „Ich habe James nicht getötet!"

    „Ihre ständigen Streitereien, die Sie ja zugeben. Ein Streit eskalierte, und Sie sind ausgerastet. Sie sind Ihrem Ex-Mann auf die Toilette gefolgt und haben zugeschlagen, in einer Situation, in der er sich kaum wehren konnte", sagte Friedrich.

    „Ich war das nicht!"

    „Geben Sie es zu! Ein Geständnis wird Ihnen helfen!", drängte Edgar sie.

    „Nein! Ich bin unschuldig! Ich will gehen, bitte!"

    „Hat Herr Somura Sie geschlagen?"

    „Nein, niemals! Yvonne steckte das Taschentuch weg. Sie schien sich plötzlich besser zu fühlen. „James war schon lieb und konnte keiner Fliege ein Bein ausrupfen. Er war melancholisch, spielte gern diese Lieder auf der Gitarre, die einen zum Heulen brachten.

    „Warum sind Sie dann geschieden?"

    Yvonne lehnte sich entspannt im Stuhl zurück. „James war kein richtiger Mann, wenn Sie verstehen. Ein Mann muss sich auch mal durchsetzen, oder? James war sehr weich."

    Edgar dachte sofort an Impotenz, Friedrich ging das Wort ‚Frauenversteher’ durch den Kopf. „Was meinen Sie mit ‚weich’?", fragte er nach.

    „Habe ich doch gesagt. Er war zu…sanft", erklärte Yvonne.

    Ein Weichei, dachte Edgar. „Und das störte Sie? Haben Sie Herrn Somura deswegen getötet? Weil er kein Kerl war in Ihren Augen?"

    „Niemals habe ich das getan! Wo denken Sie hin! Ich bin unschuldig! James ist der Vater von Sina. Niemals habe ich das getan!", empörte sie sich.

    „Wo waren Sie Dienstagnacht zwischen zehn und elf?"

    „Zuhause, ich habe geschlafen."

    „Allein?"

    „Ja, ich lebe allein. Mit Sina natürlich."

    „Haben Sie einen Schlüssel zur Wohnung Ihres Ex-Mannes?"

    Yvonne verneinte.

    „Wir fanden ein Kaminbesteck bei Herrn Somura im Zimmer, übernahm Friedrich, „war es vollständig? Mit Schürhaken?

    Yvonne zuckte unschlüssig mit den Schultern.

    „Die Wohnung Ihres Ex wird zentral beheizt. Wofür hatte Ihr Ex-Mann dieses Gerät?" Wieder gab Yvonne den Kommissaren nur durch ihre Miene zu verstehen, dass sie es nicht wüsste.

    „Antworten Sie, bitte. Das Kaminbesteck gehörte in seine Wohnung, richtig?", hakte Friedrich nach.

    „Ja. Er hatte manchmal so einen Spleen. Ein Kaminbesteck! Ja, das musste es dann sein. Wahrscheinlich hat er es auf einem Flohmarkt gekauft, der Spinner. Sie lächelte, bis ihr einfiel, worum es in dem Gespräch ging. Um die Aufklärung eines Mordes. Yvonne kramte ein neues Taschentuch hervor. „Ich möchte nach Hause. Ich muss arbeiten. Sonst verliere ich meinen Job.

    „Sie arbeiten als Kassiererin in einem Supermarkt, verdienen also entsprechend wenig. Zahlte James Unterhalt?", fragte Friedrich.

    „Ja, natürlich. Für Sina tat er alles."  

    „Warten Sie bitte." Friedrich nickte Edgar zu, und beide verließen den Raum.

    „Was denkst du?", wollte Friedrich die Meinung seines Kollegen wissen.

    „Für mich ist sie verdächtig, diese ständigen Streitereien mit dem Somura, und dann hat sie kein überzeugendes Alibi", sagte Edgar.

    Friedrich blieb stehen und hielt Edgar am Arm fest. „Uns fehlt leider die vermutete Tatwaffe, dieser Kaminhaken, und wir haben keine verwertbaren Spuren. Dass wir ihre Fingerabdrücke in der Wohnung fanden, ist logisch, sie hat die Tochter hingebracht und abgeholt. Werden wir die Befragungen der Nachbarn abwarten müssen. Schlesinger überprüft gerade die Bandmitglieder. Könnte sich eventuell eine andere Ermittlungsrichtung auftun."

    Edgar bekam seinen Arm aus Friedrichs Griff. „Jedenfalls hat die Richter es nicht weit zur Wohnung Ihres Ex. Sie wohnt in der Brunnenstraße, er in der Swinemünder, liegt praktisch nur der Arkonaplatz dazwischen. Wie lange läuft sie zu ihm? Zehn Minuten oder weniger? So lange kann sie ihr Kind nachts ohne Probleme allein lassen."

    „Wenn wir Zeugen unter den Nachbarn finden würden, dass sie ihre Wohnung nachts verlassen hat...", unterbrach Friedrich ihn.

    „Weiter! Sie klingelt, er öffnet ihr arglos die Tür. Ein neuer Streit. Sie kennt seine Angewohnheit, beim Pinkeln die Toilettentür nicht zu schließen. Wartet, bis er zum Klo geht, Überraschungsmoment, Friedrich! Sie nimmt den Schürhaken, schleicht sich an und während er beim Pinkeln ist, schlägt sie zu. Die kann zuschlagen, glaube mir. Sie könnte es gewesen sein. Ihr traue ich das zu. Edgar strich über den Arm, den Friedrich berührt hatte, als ob dort ein Fussel zu entfernen wäre. Friedrich beobachtete ihn dabei. „Ist etwas?

    „Nein."

    „Und wenn er nicht aufs Klo gegangen wäre?", fragte Friedrich.

    „Vielleicht hatte er eine schwache Blase, und sie wusste davon, spekulierte Edgar, „egal, Friedrich, sie lügt. Das hast du gemerkt, ja? Sie gibt zu, was vermutlich sowieso jeder weiß, dass sie sich ständig wegen des Kindes gestritten haben. Sind diese Streitereien ausreichend für ein Tatmotiv? Fraglich, oder? Wie wäre es mit Eifersucht auf eine mögliche neue Freundin von dem Somura?

    „Müsste dann nicht diese Freundin tot sein?, mutmaßte Friedrich, „wir haben aber einen toten Ex-Mann.

    Edgar überlegte kurz: „Die Richter fühlte sich vom Somura betrogen, auch nach der Scheidung. Soll es geben, Friedrich."

    „Keine voreiligen Schlüsse, bitte. Wir ermitteln in alle Richtungen. Und bisher haben wir keine Freundin vom Somura auftreiben können, da werden wir dranbleiben. Friedrich verstummte, kniff seine Augen zusammen und sah konzentriert geradeaus. Edgar kannte diesen Gesichtsausdruck. Friedrich entwarf einen Tathergang, behielt jedoch für sich, zu welchem Schluss er gekommen war. „Soll die Richter ein Weilchen schmoren. Ich rede nachher erneut mit ihr.

    „Könnte ich auch machen, aber allein." Edgar hätte die Richter gern etwas härter verhört. Jetzt wäre der beste Zeitpunkt dafür, weil sie offensichtlich emotional aufgewühlt war, unsicher und leicht zu provozieren. Falls Yvonne Richter die Täterin war, hatte sie sich noch nicht an den Gedanken gewöhnt, einen Menschen ermordet zu haben, ihren ehemaligen Geliebten, den Vater ihres Kindes.

    Friedrich ignorierte Edgars Vorschlag, als wäre er nicht ernst gemeint. „Wir müssen das Umfeld des Somura genau kennenlernen und die letzten Tage in seinem Leben rekonstruieren. Übrigens, wo leben eigentlich seine Eltern? Sind sie informiert? Kannst du dich darum kümmern, bitte."

    Sie gingen schweigend weiter. Im Büro wartete Michael Schlesinger auf sie. Er war ein jüngerer Kollege, beinahe so groß gewachsen wie Edgar, dafür jedoch wesentlich hagerer und im Gegensatz zu seinem Kollegen mit kürzerem blondem Haar, das in wirren, nicht zu bändigenden Büscheln vom Kopf abstand. Schlesinger saß mit halbem Hintern auf seinem Schreibtisch, die Füße hatte er auf seinen Stuhl gestellt. Er studierte Berichte und knabberte an einer Tafel Schokolade.

    „Hast du Neues?", fragte Friedrich.

    Hastig sprang Schlesinger vom Schreibtisch und verstaute sein Naschwerk in einer Schublade. „Mit den Bandmitgliedern bin ich durch. Sie haben ein gemeinsames Alibi: Auftrittsprobe. Das Opfer war beliebt, glaube ich, wird als zuvorkommend und höflich geschildert. Die Leute in dem Altenpflegeheim, in dem er arbeitete, haben geweint. Sie können sich die Tat nicht erklären; es sind auch keine Drohungen wegen seiner Hautfarbe bekannt."

    Edgar fühlte sich bestätigt. Einen rassistischen Hintergrund konnten sie vorerst ausschließen. Blieb nur ein privates Motiv. „Eine Hausdurchsuchung bei der Richter", schlug er als nächsten Schritt vor.

    „Auf welcher Grundlage? Weil sie seine Exfrau ist und in der Tatnacht allein mit Kind zu Hause war? Das ist ein bisschen dürftig."

    Typisch Friedrich. In Edgars Augen war sein Chef, wie immer, ein Zögerer. Sie müssten alle relevanten Berichte der Spurensicherung und der KTU abwarten. Außerdem wäre es wichtig, die Tatwaffe zu finden.

    Friedrich wollte sein zweites Gespräch mit Yvonne Richter allein durchführen. Es fand eine Stunde später statt.

    Zuerst wiederholte Friedrich einige Fragen und erhielt ähnliche Antworten von ihr. Unvermittelt wechselte der Kommissar das Thema: „War Ihre Mutter einverstanden, dass Sie Herrn Somura heirateten?"

    „Ja, war sie."

    „Ihre Mutter heißt Irmtraud Zimmermann. Sie heißen Richter, Ihr Exmann Somura. Wie kommt das?"

    „Richter hieß mein erster Ehemann. Ich habe den Namen nach der Scheidung von James wieder angenommen."

    „Warum?"

    Yvonne zuckte mit den Schultern. „Ist eben so."

    „Wie ist das Verhältnis zu Ihrer Mutter?"

    „Einwandfrei, wir helfen uns gegenseitig. Ich bin ohne Vater aufgewachsen. Er ist vor meiner Geburt gestorben."

    „Sina ist oft bei Ihrer Mutter?"

    Yvonne nickte.

    „Ihre Mutter arbeitet als Kellnerin?"

    „Ja, in meiner Nähe. Sie wohnt auch über der Kneipe. Wir sehen uns fast täglich."

    „Ihre Mutter sah kein Problem darin, dass Sie einen Schwarzen heirateten?"

    „Sind Sie Rassist?"

    „Ich bin Polizeibeamter. Sie haben doch sicher vor der Eheschließung mit Ihrer Mutter über Ihre Absicht gesprochen, und sie hatte keine Bedenken?"

    „Sie sind ein Blödmann! Sie können mich mal! Ich habe James nicht umgebracht. Niemals! Suchen Sie lieber den Mörder!"

    „Damit sind wir gerade beschäftigt, entgegnete Friedrich, „und Ihnen, Frau Richter, rate ich, sich im Ton zu mäßigen. Ich kann sehr ungemütlich werden!

    „Ich will nach Hause! Ich habe es satt! Ich habe ein farbiges Kind, was

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