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Blutiger Aufstieg - ein außergewöhnlicher Fiesling
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eBook520 Seiten7 Stunden

Blutiger Aufstieg - ein außergewöhnlicher Fiesling

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Über dieses E-Book

Präambel: Lassen Sie sich entführen in eine Zeit, die einzigartig war in der Deutschen Geschichte - die Weimarer Epoche.

Handlung: Ein Landarbeitersohn, Vollwaise, wird durch Adoption zum Baron Hugo und will, getrieben durch unstillbaren Ehrgeiz, in die Riege der großen Industriellen aufsteigen. Er schreckt dabei vor Verbrechen und Mord nicht zurück. Gehasst von denjenigen, die ihm im Wege stehen, die diesen `Fiesling' hassen, versucht er immer wieder, seinen Willen durchzusetzen. Etliche Frauen begleiten ihn auf diesem Weg, aber er schreckt nicht davor zurück, sie zu beseitigen, sobald sie ihm nicht mehr nützen können.
Gewissensbisse? Nein danke!....denkt er immer wieder.
Kriminaloberinspektor Firchow ist ihm ständig auf den Fersen, aber ihm fehlen immer wieder die Beweise.

Das Umfeld: Die Handlung führt mitten hinein in die Weimarer Zeit, in die Jahre 1922 bis 1928.: Die Not nach dem 1.Weltkrieg, die Inflation, die politische Isolierung, die schleißlich durch das junge Sowjetrussland aufgebrochen wird, bilden den Hintergrund für den Ablauf der ereignisreichen Handlung. Eingeschobene Rückblenden bilden das retardierende Element, sie geben dem Leser in geschickter Steigerung dramatischer Effekte interessante Informationen über das Umfeld der Handlung.

Personen: Baron Hugo von Sticknitz, seine Adoptivmutter Elisabeth von Sticknitz, seine Frau Magdalena; Hannelore, die Wirtin der Dorfschenke in Sticknitz; Katja und Kati, zwei Circus-Artistinnen; Richard Wallbourg, einer der Montankönige von Rhein und Ruhr und seine Frau, die attraktive Yvonne; Peter Trampe, ein Reichswehroffizier; Boris Grabowski, wie Baron Hugo aus ärmlichen Verhältnissen, einer der `Schatten', der Baron Hugo verfolgt und erpresst; Kriminaloberinspektor Firchow, der Baron Hugo jagd.

Die Schauplätze: Sticknitz, ein Dorf an der polnischen Grenze, die Weltstadt Berlin, Dresden-Loschwitz, die Karpaten, Paris, St.Moritz.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum14. Apr. 2014
ISBN9783847683384
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    Buchvorschau

    Blutiger Aufstieg - ein außergewöhnlicher Fiesling - Walter Ernsting

    Kapitel 1

    Niedergeschlagen lief Major Peter Trampe im September 1927 am Vormittag durch den frühherbstlichen Tiergarten, es nieselte leicht, nichts war zu spüren vom 'Altweibersommer'.

    Nachdem ihn seine Frau gestern 'auf die Straße gesetzt' hatte: „Ich will Dich nicht mehr sehen, pack' Deinen Krempel zusammen und verschwinde! Geh' zu Deiner Kurtisane, in ihren Armen kannst Du Dich trösten lassen. Ich lasse mich scheiden", hatte er sich gestern notgedrungen hier in der Nähe ein möbliertes Zimmer gesucht, eine preiswerte Bleibe, denn er wusste nicht, wie es weitergehen sollte. Ausgerechnet ihm, einem durch die Kriegsjahre gestählten Offizier, groß geworden in der Preußischen Armee, drohte der unehrenhafte Rausschmiss aus der Reichswehr.

    Groß und schlank, blaue Augen, gedrillt in gutem Benehmen, war er zumindest in der Ausgehuniform ein fescher Mann, wenn ihm auch das ´von’ in seinem Namen fehlte. Jetzt, in der Republik, war das auch nicht mehr so wichtig.

    Was hatte er gelernt? Schießen, Exerzieren, befehlen, gehorchen! Was konnte er jetzt damit anfangen? Es war gerade eine Woche her, dass man ihm in Moskau ´den Stuhl vor die Tür’ gesetzt hatte. Das Unglück war über ihn hereingebrochen zu einem Zeitpunkt, zu dem er es am wenigsten erwartet hätte. Er stand am Abgrund und drohte hinabzustürzen ins Elend. Hatte er es selbst verschuldet?

    Er betrat die Eckkneipe, die er hin und wieder einmal aufgesucht hatte, wenn er auf Heimaturlaub in Berlin war. Eine ältere Frau mit Putzeimer, Besen und Schrubber war beim Saubermachen. Es roch nach kaltem Rauch, abgestandenem Bier und kaltem Männerschweiß. Der gestrige Abend und die Nacht hatten ihre Spuren hinterlassen - ein Geruch zum Davonlaufen!

    „Nen Morgen, Herr General, begrüßte ihn der Wirt. „Mir ist nicht zum Scherzen zumute, knurrte Trampe ungehalten. „Ne Molle und 'nen doppelten Doppelkorn."

    „Ärger mit der Ollen? Das kommt in den besten Familien vor! Die Weiber haben es nicht gern, wenn der Mann unvermutet auf Urlaub kommt."

    Trampe schaute sich unruhig um, er stand noch an der Theke; hastig kippte er den Schnaps hinunter und nahm das Bierglas in die Hand. Das Geschwätz des Wirtes ging ihm auf die Nerven. Der Wirt verfolgte seine Blicke.

    „Sie können sich hinsetzen, wohin Sie wollen, wer kommt schon am Vormittag hier her, die sind doch alle am malochen."

    « Ham'se 'ne Zigarre?"

    „Wat Jutes? Der Wirt langte hinter sich und stellte eine Zigarrenkiste vor Trampe auf die Theke. « Ne jute Brasil? Alle einzeln in Glasröhrchen verpackt. Fünf Groschen dat Stück, kann ick empfehlen.

    Trampe nahm ein Glasröhrchen heraus, öffnete es und roch daran. „Nicht schlecht. Der Wirt stellte den Zigarrenabschneider vor ihn hin und gab ihm anschließend Feuer. Der Aschenbecher war noch nicht geleert, die alte Asche stank. „Der sollte mal geleert und gereinigt werden, brummte Trampe missmutig. „Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut, die Putzfrau ist ja schon da. Wenn´se schon zu soner nachtschlafenden Zeit hier auftauchen, sollten´se nicht so große Töne spucken!"

    Noch 'nen Doppelten.

    Trampe kippte auch den zweiten Schnaps hinunter, dann setzte er sich mit dem Bierglas an einen Tisch in der Nähe der offen stehenden Tür. Genüsslich zog er an der Zigarre und dachte nach.

    Was sollte nun werden? Hatte er in Moskau auf das falsche Pferd gesetzt?

    In Moskau hatten ihm die Verbindungsoffiziere der Roten Armee ein kurzes Schriftstück des Ministeriums für Verteidigung übergeben, das ihn mit sofortiger Wirkung zur 'Persona non grata' erklärte; er habe Sowjetrussland binnen vierundzwanzig Stunden zu verlassen. Sein alter Freund bei der Roten Armee, der Trotzkij sehr schätzte, war spurlos verschwunden. Trampe ahnte Schlimmes, denn das Schimpfwort 'Trotzkismus' machte überall die Runde.

    Am Morgen war er ins Personalamt der Reichswehr bestellt worden. Oberst Emmelburg, sein Vorgesetzter, hatte ihn, vor Erregung laut brüllend, 'zusammengestaucht'.

    „Mann, wie konnte das passieren? Was haben Sie in Moskau angestellt? Ihre Tätigkeit dort kann ich nur so qualifizieren: in geheimer Mission gescheitert! Das habe ich in meiner ganzen militärischen Laufbahn noch nie gehört, dass ein deutscher Offizier mit der lakonischen Bemerkung 'Persona non grata' ausgewiesen worden ist. Haben Sie die sprichwörtlichen 'silbernen Löffel geklaut'?"

    „Selbstverständlich nicht! Nach Lenins Tod sollte Trotzkij sein Nachfolger werden, aber Stalin hat die Macht an sich gerissen und macht nun Jagd auf alle Anhänger Trotzkijs. Mein alter russischer Freund war stets Anhänger Trotzkijs. Vor einigen Wochen ist er verschwunden, spurlos, wahrscheinlich haben ihn Stalins Häscher verhaftet oder sogar umgebracht."

    „Ich kann daraus nur schließen, dass Sie auf das 'falsche Pferd' gesetzt haben - Ihr Pech!

    Wenn der genaue Bericht von unserer Dienststelle aus Moskau vorliegt, wird es höchstwahrscheinlich ein

    Disziplinarverfahren geben, machen Sie sich auf einen unehrenhaften Abschied gefasst. Ich kann Sie dann nicht mehr halten.

    Bis dahin bleiben Sie zbV in Wartestellung. Wenn Sie Berlin verlassen wollen, haben Sie sich bei mir oder bei meiner Dienststelle abzumelden."

    Die Putzfrau riss ihn aus seinen Gedanken, sie rückte mit ihrem Schrubber und dem Putzeimer immer mehr an ihn heran; man sah ihr an, dass sie ihn als 'Störenfried' bei ihrer täglichen Arbeit empfand.

    Trampe sprang auf und ging an die Theke.

    „Geb'n 'se mir zwee Mark, Herr General."

    „Lassen Sie Ihre Witze!"

    „Wat nich is, kann ja noch werden."

    Major Trampe ging zurück zu seiner vorläufigen Bleibe. Auf dem Waschtisch lag neben der Waschschüssel ein Telegramm:

    'Komme baldigst zu mir, ich habe mit Dir zu reden.

    Yvonne Wallbourg'

    Trampe musste sich am Waschtisch festhalten, er zitterte am ganzen Körper. Immer wieder las er die wenigen nüchternen Worte. Erregt ließ er sich der Länge nach auf das Bett fallen. War das die Erlösung aus dem Schlamassel, in den er hineingeraten war? Was wollte sie von ihm?

    Jahrelang war alles so geradlinig verlaufen, seine Tätigkeit in Moskau war erfolgreich für seine Auftraggeber in der Reichswehrführung und in der deutschen Industrie gewesen. Und nun der plötzliche Absturz! Durchgefallen war er in seiner Rolle wie ein schlechter Provinzschauspieler, der auf der Bühne ins Stottern geraten war und nun nicht mehr wusste, wie er der Schande entkommen sollte!

    Nach einer Weile sprang er auf, zog Zivilkleidung an und packte das Nötigste in eine kleine Reisetasche. Er zahlte der verdutzten Zimmerwirtin mit der Bemerkung, er müsse für einige Tage verreisen, das möblierte Zimmer für eine Woche im Voraus und fuhr mit der Straßenbahn zum Anhalter Bahnhof. Er ging zu einem Münzfernsprecher und meldete sich für einige Tage bei der Reichswehrführung ab, dann löste er eine Fahrkarte 3.Klasse nach Dresden und erreichte gerade noch den Mittagsschnellzug. 'Berlin – Dresden – Prag - Budapest' stand auf den Wagenlaufschildern.

    Gegen halb fünf Uhr am Nachmittag hielt der D-Zug im Dresdner Hauptbahnhof; ihm fiel das Geschrei der Zeitungsjungen auf, sie schrieen alle „Thälmann abgesägt!" Er kaufte sich ein Exemplar der 'Dresdner Volkszeitung' und nahm sich ein Zimmer im Hotel 'Schiller' in der Sidonienstraße. Im Zimmer angekommen, überflog er die Meldung auf der Titelseite

    Trampe dachte nach der Lektüre: hat es jetzt den auch erwischt? War das alles eine von Moskau aus eingefädelte Intrige, um diesen in der KPD populären Funktionär kaltzustellen?

    Innerlich kopfschüttelnd las Trampe beim Frühstück die neuen Meldungen und die Hintergrundinformationen der Redaktion über diesen spektakulären Vorfall und fuhr anschließend mit der Linie 11 nach Bühlau. Wenige Minuten zu Fuß, dann stand er vor der Wallbourgschen Villa. Im ehemaligen Pförtner- und Kutscherhaus war die 'WALLBOURG-HOLDING', die Verwaltungsspitze des großen Wallbourg-Konzerns, untergebracht. Von hier aus wurden die zahlreichen zum Konzern gehörigen Unternehmen im In-und Ausland gesteuert und kontrolliert.

    Richard Wallbourg hatte nach dem Weltkrieg die Konzernzentrale von Düsseldorf nach Dresden verlegt, da ihm die dort stationierten Französischen Offiziere und Soldaten, die sich als die neuen Herren aufspielten, auf die Nerven gingen. Er war gewohnt, Befehle zu erteilen und nicht zu gehorchen

    Drei Schlaganfälle ihres Mannes hatten Yvonne Wallbourg mit Hilfe listiger Anwälte auf ´seinen’ Stuhl gespült.

    Yvonne Wallbourg hatte keine Ahnung, wie man einen Konzern führt, das hatte sie auch nie interessiert, ihr Mann hatte in den vergangenen Jahrzehnten die Gunst der Stunde genutzt und einen immer größer werdenden Konzern zusammengezimmert, immer größer, immer mächtiger wollte er werden, bis der totale Zusammenbruch kam, nun dämmerte er im Sanatorium vor sich hin. Die Ärzte meinten, er könne noch sehr alt werden, aber er würde jahrzehntelang dahinsiechen.

    Yvonne trug stets dunkelblaue Schneiderkostüme, die ihre Figur dezent verhüllten. Jede Woche stand sie mindestens einmal nackt vor dem großen Spiegel, um ihre Figur zu begutachten. Sie beschäftigte ein Heer von Masseusen, Masseuren, Kosmetikerinnen, die dafür zu sorgen hatten, dass ihre Stromlinienfigur erhalten blieb.

    Statt Männern stellte sie jüngere Damen, gut aussehend und ebenso gut gebildet ein, die sie genauso wie sie selbst einkleiden ließ.

    Im Konzern nannte man die Konzernholding bald den „Harem"(es fehlte allerdings der männliche Herrscher).

    Sie hatte Gefallen an dem schneidigen Offizier Major Trampe gefunden und ihn in den vergangenen Monaten öfters als Beischläfer benutzt, wenn sie das gewisse Kribbeln im Unterleib gespürt hatte, denn sie schätzte seine Manneskraft, die nicht so schnell erlahmte. Sie ließ ihn dann am Abend kommen, gab sich ihm hin und wenn sie genug hatte, musste er wieder gehen.

    Nachdem dieser widerliche Baron Hugo ihren Mann zu einer Aktion verleitet hatte, die ungesetzlich war, hatte auch sie nolens volens zustimmen müssen, um nicht auf ihren aufwendigen luxuriösen Lebensstandard verzichten zu müssen. Nun saß sie fest im Sattel, jetzt war der Zeitpunkt gekommen, um ihn loszuwerden. Trampe sollte ihr dabei als `Werkzeug’ dienen!

    Als sich Trampe im Vorzimmer der Konzernchefin meldete, winkten ihn die Vorzimmerdamen sogleich zu Yvonne Wallbourg durch.

    Trampe begrüßte sie förmlich. „Guten Tag, gnädige Frau."

    „Lass die gnädige Frau, berichte mir, was vorgefallen ist." Im geschäftlichen Verkehr duldete sie keine Vertraulichkeiten. Trampe erstattete ihr ausführlich Bericht.

    Sie schwieg eine Weile.

    „Sooooh? Man hat Dich also in Moskau 'abgesägt' und jetzt lässt Dich die Reichswehr und auch Deine Frau fallen? Du Armer! Bist Du in finanziellen Schwierigkeiten?"

    Trampe druckste herum, er suchte auf diese direkte Frage, die ihn bis ins Mark traf, eine ausweichende Antwort, fand aber keine.

    „Lassen wir das! Vielleicht finden wir gemeinsam eine Lösung. Etwas ganz anderes - sage mir bitte ehrlich, wie viel Menschen hast Du im Kriege umgebracht?"

    „Ich habe sie nicht gezählt."

    „Hast Du auf sie geschossen?"

    „Ich bin Offizier. Beim Militär lernt man schießen, exerzieren, nach unten Befehle erteilen, nach oben gehorchen. Das Töten war Aufgabe der gemeinen Soldaten, man hat sie zum Töten erzogen, sie haben geschossen, mit dem Bajonett zugestoßen, manche auch mit dem Messer....

    Früher war der Krieg ein Kampf Mann gegen Mann, da zog der Heerführer höchst persönlich an der Spitze seiner Soldaten gegen den Feind, er hat sich in das Schlachtgetümmel gestürzt, mit dem Schwert um sich geschlagen, also selbst feindliche Soldaten niedergemacht und häufig wurde er selbst ein Opfer, verwundet oder getötet. Es war ein blutiges Gemetzel. Im modernen Krieg ist es die Aufgabe der Offiziere, Befehle, die von oben kommen, weiterzugeben an die ihnen unterstellten Soldaten und die Ausführung dieser Befehle zu überwachen."

    „Du schleichst um die Sache herum wie die 'Katze um den heißen Brei' ....ich will wissen, wie viel Menschen hast Du persönlich im Krieg erschossen oder sonst wie umgebracht?"

    „Ich habe es Dir bereits gesagt. Ich weiß es nicht, ich habe sie nicht gezählt, ich stand bei den Kämpfen nicht immer in der vordersten Linie, das war nicht meine Aufgabe."

    „Waren es eine Handvoll, oder zehn oder einhundert, so ungefähr musst Du das doch wissen, musstest Du überhaupt welche töten?"

    „Ja, das konnte ich nicht vermeiden, um nicht selbst von feindlichen Soldaten getötet zu werden, aber ich war keine Tötungsmaschine, wie manche meiner Untergebenen, die unseren Befehlen gehorchend, viele feindliche Soldaten getötet haben.

    Wenn ein Sturmangriff auf die feindlichen Linien befohlen worden war, musste ich als Offizier voran laufen. Plötzlich steht ein feindlicher Soldat oder auch gleich mehrere vor Dir, was machst Du? Da gab es nur eins, ich oder der andere. Oft endeten solche Angriffe in einem blutigen Gemetzel, dann lagen viele Tote und Verwundete auf dem Schlachtfeld, eigene und Gegner, die Verwundeten schrieen um Hilfe, die nicht immer möglich war, dann verreckten diese armen Schweine elendiglich

    Das Gewissen hat man uns dabei durch Erteilen der Befehle von oben abgenommen, sonst hätten viele von ihnen das nicht gekonnt. Ich habe etliche Nahkämpfer in meiner Truppe gehabt.

    Wozu willst Du das alles wissen?"

    „Ich befinde mich auch im Krieg - gegen diesen Baron Hugo von Sticknitz. Er versucht, unseren Konzern unter seine Kontrolle zu bringen, nachdem mein Mann durch seine Krankheit ausgefallen ist. Ich kann das nicht zulassen, Du kennst ihn ja auch, er ist ein ganz hinterhältiger 'krummer Hund', ein widerlicher Fiesling. Ein machtversessener Parvenü und Weiberheld, der häufig von einer Frau zur nächsten wandert."

    „So, ist er auch über Dich hinweggewandert?" konnte sich Trampe nicht verkneifen.

    „Ein schrecklicher Kerl, ich hasse ihn!

    Schaff’ mir diesen windigen Baron vom Hals. ´Baron’, dass ich nicht lache. Ich kenne seine Herkunft: Er hat seinen Titel seinem Schwanz zu verdanken, denn er hat in jungen Jahren eine verwitwete Gutsherrin, die wohl im dankbaren Alter war, so bezirzt, dass sie ihn adoptiert hat. Seine Frau hat man vor einigen Monaten ermordet aufgefunden, er hat sie sicher auch auf dem Gewissen, nur konnte die Polizei ihm das bisher nicht nachweisen.

    Er muss weg.... für immer. Wenn Du das für mich erledigst, hättest Du für Dein Leben ausgesorgt.

    Denke darüber nach, was aus Dir werden soll. Den Posten in Moskau hast Du verloren, Du hast dem falschen vertraut, für diesen 'Baron' bist Du wertlos, er kann Dich nicht mehr gebrauchen - oder willst Du wieder als Nachtpförtner in einem seiner Werke enden?

    Ich kann Dich fürstlich entlohnen. Möchtest Du reich werden, ganz reich?"

    „Wer will das nicht, zumal ich Moskau verlassen musste, man hat mir dort den Stuhl vor die Tür gesetzt. Ich weiß auch noch nicht, wie es bei der Reichswehr weiter geht."

    „Dieser Baron von Sticknitz ist ein infamer Lügner und Betrüger, schimpfte sie ungehalten, „er versucht ständig, mich über den Tisch zu ziehen; er denkt, weil Richard nichts mehr ausrichten kann, könne er das Geschäft an sich ziehen und mich übertölpeln. Ich hasse ihn, diesen abscheulichen Fiesling. Ich gebe Dir eine halbe Million. Damit hast Du ausgesorgt und kannst Dein Leben genießen.

    Um Trampe begann sich alles zu drehen, er umklammerte die Lehne seines Stuhls. 'Gestern nichts als Vorwürfe, heute eine halbe Million, sollte er am Sonntag das große Los ziehen?'

    Sprachlos starrte er Yvonne Wallbourg an.

    „So eine Gelegenheit kommt nie wieder; Du bist doch ein starker mutiger Mann, ihre Stimme hatte einen höhnischen Unterklang. Sie stand auf und ging zum Tresor, öffnete ihn umständlich und entnahm ihm ein dickes Geldbündel. „Hier sind einhunderttausend Reichsmark - als Anzahlung. Sie legte das Geldbündel vor ihn hin.

    Er starrte das Geldbündel an, seine Gedanken fuhren Achterbahn, er, ein deutscher Offizier, ein gedungener Mörder? In Moskau war er 'rausgeflogen, würde ihn auch die Reichswehr entlassen, nachdem er in Moskau nicht reüssieren konnte? Musste er dann wieder als Pförtner in den Werken dieses Barons arbeiten, ein stumpfsinniger Posten für einen Hungerlohn?

    Plötzlich kam ihm wieder ein Vorgang in den Sinn, der sich 1923 abgespielt hatte…

    Was hatte dieser Baron mit dem Gold gemacht, das ihm vor einigen Jahren bei seiner Reise in die Karpaten ein Kosakengeneral übergeben hatte? Baron Hugo sollte es an einen westeuropäischen Kommunisten übergeben, die Komintern steckte wohl dahinter. Dieser Mittelsmann war aber zum vereinbarten Treffpunkt nicht erschienen und Baron Hugo hatte das Gold dann am Gut Sticknitz versteckt. Heimlich war Trampe ihm gefolgt, war es Neugier, war es Neid, dass Baron Hugo das Gold sich selbst aneignen wollte und konnte?

    Yvonne Wallbourg riss ihn aus seinen Gedanken. „Na, wo warst Du mit Deinen Gedanken? Du musst ihn doch gut kennen, diesen sauberen Baron. Hinterfotzig, würden die Bayern sagen."

    Reich oder arm? das war die Frage, er musste sich jetzt entscheiden. Sie sah, wie seine Gedanken arbeiteten.

    „Also gut, ich werde Dir den Gefallen erweisen. Er schob ihr das Geldbündel hinüber. „Gib mir das Geld hinterher, murmelte er leise. „Ich mache es für Dich, nicht für das Geld."

    „Kein Problem, Du bekommst die ganze Summe hinterher. Aber dann müssen wir uns trennen - für immer, das ist Dir doch klar."

    Er nickte, stand auf und verließ grußlos das Zimmer. Er rannte an den Vorzimmerdamen vorbei, die ihm mokant lächelnd nachblickten, hatte ihn ihre Chefin völlig aus der Fassung gebracht? Immer wieder hatten sie bereits in der kurzen Zeit, die seit ihrer Anstellung vergangen war, erkennen müssen, dass die meisten Gesprächspartner, die bei Yvonne Wallbourg zum Rapport befohlen worden waren, nach den Gesprächen schweißgebadet und häufig vor Angst schlotternd davongeschlichen waren.

    Trampe erging es nun ähnlich, er lief ziellos mehrere Stunden in der nahe gelegenen Dresdner Heide umher, bis er an der Mordgrundbrücke - welch beziehungsvoller Name! - die Straßenbahnlinie 11 erreichte, die ihn zurück in die Stadt brachte.

    Sechs Jahre hatte er in Sowjetrussland vorwiegend in Moskau für die Reichswehr und für diesen deutschen Industriellen Baron von Sticknitz gearbeitet. Alle Befehle, Aufgaben und Wünsche hatte er zur vollen Zufriedenheit seiner Auftraggeber erfüllen können.

    Er schüttelte die Erinnerungen an alte Zeiten ab, dann ging er in sein Hotel, warf sich auf das Bett und fiel in tiefen Schlaf, er träumte heftig, von Russen, geheimen Missionen, von Riga, seiner Kindheit, von Trotzkij, von diesem Baron Hugo, dem verbuddelten Goldschatz, von Yvonne Wallbourg, ihrem Hass auf diesen Baron. Er sieht ihn blutend zusammenbrechen, hat er doch geschossen? In Schweiß gebadet wachte er auf. Draußen war es noch hell. Frisch gewaschen lief er nach draußen.

    Er hatte nun einen Mordauftrag übernommen! Warum?

    Aus Liebe zu Yvonne Wallbourg, der eiskalten Konzernchefin, für die er nur ein gelegentlich angeforderter Liebhaber war, wenn sie Lust auf ihn hatte, wegen des Geldes, wegen dieses Barons Hugo, in dessen Diensten er letzten Endes stand? Er würde reich werden, vielleicht war auch das von Baron Hugo versteckte Gold noch da, vermutlich ein Teil des Zarengoldes, das er in den Karpaten zur Weiterleitung empfangen hatte – ein unermessliches Vermögen! Was für ein Mensch war dieser Baron, der ihn 1922 mit einigen seiner Männer als Pförtner für seine Werke eingestellt hatte, als sie nach der Freikorpszeit im Baltikum buchstäblich auf der Straße standen? Er hatte ihm einiges zu verdanken, bis die Reichswehr ihn reaktivierte und nach Moskau schickte.

    Und jetzt sollte er ihn erschießen? Er haderte mit sich selbst, sollte er – oder sollte er nicht? Was würde dann aus ihm?

    Der Baron Hugo war sein Arbeitgeber, der ihn damals, 1922, aus der Arbeitslosigkeit herausgeholt hatte, durch ihn war er von der Reichswehr reaktiviert worden, die Jahre in Moskau hatten ihn wieder aufleben lassen.

    Aber er kannte auch die Schattenseiten dieses Mannes, seine Weibergeschichten, den rätselhaften Tod seiner Frau! Das war im April gewesen.

    Der April hatte mit viel Regen und Kälte begonnen. Im Gutshaus Sticknitz kehrte am späten Abend allmählich Ruhe ein. Niemand im Gutshaus ahnte, dass draußen ein Mann im Schutz dichter Büsche das Haus beobachtete, er hatte sich hier auf die Lauer gelegt und wartete, bis alle Lichter im Gutshaus erloschen waren Als Dorfbewohner kannte er sich hier gut aus.

    Er sah, wie die Baronin Magdalena von Sticknitz Friedrich, ihren jüngsten Sohn, zu Bett brachte, er wusste, dass die beiden älteren Kinder im Internat in Schneidemühl waren.

    Er sah, wie der alte Heinrich, das Faktotum im Gutshaus, in den unteren Wohnräumen aufräumte, er sah, wie die Baronin nach oben in ihr Schlafzimmer ging, ein Glas und die Schnapsflasche in den Händen, er sah, wie sie sich entkleidete und das Nachthemd überzog. Eine Weile saß sie auf der Bettkante, vermutlich nahm sie noch einen Schlummertrunk, dann ging das Licht aus. Das Gutshaus versank in Dunkelheit.

    Ein kräftiger Westwind trieb die Wolken vor sich her, in den Wolkenlücken ließ der bleiche Viertelmond die Umrisse des Gutshauses in der Finsternis auftauchen, von der Kirche in Pogholz trug der Wind zehn Glockenschläge herüber.

    Er hatte Zeit; bis kurz vor Mitternacht beobachtete er das Gutshaus, nichts regte sich. Er wusste, dass ein Kellertür nicht richtig schloss. Vorsichtig drückte er die Tür auf. Im Haus kannte er sich trotz der Dunkelheit aus. Vorsichtig tastend stieg er nach oben, das Schlafzimmer der Baronin war sein Ziel. Die Schlafzimmertür ließ sich geräuschlos öffnen.

    Da geschah es, er war auf ein knarrendes Dielenbrett getreten!

    Erschreckt fuhr Baronin Magdalena hoch. „Was ist, wer ist da?"

    Er blieb erstarrt stehen, was nun?

    Instinktiv drückte sie auf den Schalter der Nachttischlampe, bei seinem Anblick schrie sie laut auf. „Was willst Du hier?"

    Er hielt den Zeigefinger vor den Mund, sprang auf das Bett zu, riss ihr das Kopfkissen unter dem Kopf weg und drückte ihr mit aller Kraft das Kissen auf das Gesicht. Sie versuchte zu schreien, ihn wegzudrücken, sich auf die Seite zu drehen, aber er war zu stark. Verzweifelt wehrte sie sich, aber gegen seine Kräfte kam sie nicht an. Nach einer Weile ging der ungleiche Kampf zu Ende, leblos sackte sie zusammen.

    Er schob das Kissen zur Seite und drückte zur Sicherheit noch eine zeitlang mit geübten Händen auf ihren Kehlkopf. Dann zog er den noch warmen Körper aus dem Bett, schleifte ihn zwei Türen weiter zum Atelier, das wesentlich höher war. An den dicken Deckenbalken waren einige kräftige Haken eingeschraubt. Er zog ein Seil aus der Tasche, zog es durch einen Haken und legte das Seil um ihren Hals. Er musste ihren schweren Körper mit Mühe so weit hochziehen, bis er den Boden nicht mehr berührte.

    So leise, wie er gekommen war, verließ er wieder das Gutshaus.

    Heinrich, Faktotum auf Gut Sticknitz, hatte um sieben Uhr, wie an jedem Werktag das Frühstück im Esszimmer angerichtet. Gewöhnlich kam die Gutsherrin, Baronin Magdalena von Sticknitz, pünktlich zum Frühstück herunter.

    Friedrich, der jüngste Sohn, der noch zu Hause wohnte, stopfte sich bereits die erste Scheibe Brot, dick mit Himbeermarmelade bestrichen, in den Mund. Da die Baronin um Viertel nach sieben immer noch nicht erschienen war, ging Heinrich die Treppe hinauf, klopfte behutsam an ihrer Schlafzimmertür, nichts regte sich. Vorsichtig öffnete er die Tür und spähte hinein, das Bett war zwar benutzt aber leer. Er ging wieder hinaus auf den Flur, klopfte am Ankleidezimmer, keine Reaktion, er öffnete die Tür, nichts. War sie noch im Badezimmer? Er klopfte einmal, zweimal, immer lauter, endlich traute er sich, die Türe einen Spalt zu öffnen: das Bad war leer und offensichtlich unbenutzt. Wo war die Baronin?

    Ein Stück weiter im Flur stand die Tür zum Atelier offen, das Atelier hatte sich ihre Schwiegermutter im vorigen Jahrhundert einrichten lassen, um sich ihrer Leidenschaft, der klassischen Malerei widmen zu können.

    Was er sah, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren, die Baronin hing an einem Deckenhaken leblos herunter. Heinrich wurde schwarz vor Augen, er musste sich mühsam am Türrahmen festhalten, um nicht umzufallen.

    Heinrich war völlig verdattert, was war geschehen, was sollte er tun?

    Er lief hinunter und rief Friedrich zu. „Pack’ Deine Schulsachen - und geh’ in die Schule. Die Mama ist unpässlich, sie kommt erst später herunter."

    Heinrich schmierte ihm hastig das Frühstücksbrot, packte es in die Frühstücksdose und schickte Friedrich zur Schule.

    Ihm stand der Schweiß auf der Stirn. Was tun?

    Er hatte keine Wahl, er musste Fritz Schneidereit, den Dorfgendarm anrufen. „Fritz, Du musst schnell herkommen, die Frau Baronin hängt im Atelier."

    „Was heißt das, sie hängt im Atelier?" fragte Fritz Schneidereit verwundert.

    „Sie ist tot, verstehst Du nicht? Sie hat sich aufgehängt oder jemand muss das heute Nacht getan haben."

    „Wo ist der Baron?"

    „Wie immer, in Berlin oder in Dresden bei seinen Werken. Der kommt ja nur alle zwei Wochen übers Wochenende nach hier."

    „Oh Gott, wie schrecklich, stöhnte der Dorfgendarm. „Ich komme gleich. Hastig zog er sich seine Uniform an, setzte den Tschako auf und lief hinaus. Er konnte nicht mehr schnell laufen, da er im Weltkrieg am rechten Bein verwundet worden war, er humpelte seit der Zeit. Aber als Dorfgendarm war er noch einsatzfähig, hatte seine vorgesetzte Dienststelle befunden.

    „Wo ist sie? rief er atemlos Heinrich zu, der ihn an der Haustür erwartete. „Oben im Atelier. Die beiden Männer liefen die Treppe hinauf, als könnten sie noch etwas retten.

    Das Atelier hatte eine wesentlich höhere Decke, mehrere dicke Holzbalken trugen das Dachgebälk. Man hatte seinerzeit auf Wunsch der alten Baronin das Dach angehoben, weil sie einen hohen Raum für ihre Malereien haben wollte. Sie malte klassische Szenen, vor allem nackte Jünglinge vor heroischem Hintergrund. Im Gutshaus hingen an verschiedenen Stellen großformatige Ölgemälde mit derartigen Szenen, die die Dienstmädchen kichernd betrachteten.

    An einem der Deckenbalken war ein kräftiger Haken befestigt, an einem dicken Strick hing die Baronin etwa einen Meter über der Erde. Ihre Augen waren aufgerissen, ihr Gesicht aufgedunsen.

    Keine Frage, sie war tot!

    Die beiden Männer blickten sich ratlos an. Dann raffte sich Fritz Schneidereit auf. „Ich muss telefonieren. Nichts anfassen! herrschte er Heinrich an. „Pass’ auf, dass niemand hereinkommt. Wo ist das Telefon?

    „Unten im Arbeitszimmer des Gnädigen Herrn, Du weißt schon."

    Fritz Schneidereit humpelte die Treppe hinunter, unten in der Diele stieß er auf ein Dienstmädchen, das ihn verwundert anschaute. „Bleiben Sie bitte hier unten, " herrschte er sie an.

    Im Arbeitszimmer nahm er den Hörer ab, drehte die Kurbel, bis die Telefonistin sich meldete. Verbinden Sie mich mit der Polizei in Flatow, aber schnell."

    Es dauerte einige Sekunden, bis die Verbindung zustande kam. „Hier Wachtmeister Schneidereit in Sticknitz. Ich muss einen Todesfall melden. Im Gutshaus haben wir die Gutsherrin tot aufgefunden, sie hat sich erhängt oder ist erhängt worden."

    „Fassen Sie nichts an, verändern Sie nichts, wir kommen. Ich muss sehen, ob wir einen Kraftwagen zur Verfügung haben, außerdem müssen wir einen Arzt mitnehmen."

    Nach eineinhalb Stunden, gegen neun Uhr, kamen die drei Herren, ein Kriminaloberinspektor, ein Kriminalassistent und ein Arzt in Sticknitz an. Die Fahrt war sehr beschwerlich, da die Fahrstraße zum Teil nicht befestigt und aufgeweicht war. Sticknitz lag seit einigen Jahren am Ende der Welt, nachdem nach dem Weltkrieg Polen die Provinzen Posen und Westpreußen von den Siegermächten zugesprochen worden waren. Die neue Staatsgrenze verlief unmittelbar am Ortsrand. Die drei Herren liefen, von Fritz Schneidereit erwartet, die Treppe hinauf und betraten das Atelier. „Ich brauche eine Stehleiter, rief der Arzt, Heinrich brachte sie ihm. Der Arzt stieg hinauf und untersuchte die Leiche. „Ich schätze, die Frau ist seit etwa neun bis zehn Stunden tot; ich bin kein Pathologe, der kann den Zeitpunkt des Todes sicher genauer bestimmen.

    „Also ausgerechnet in der Geisterstunde! Selbstmord oder Fremdeinwirkung? wollte der Kriminaloberinspektor wissen. „Das kann ich nicht genau sagen, aber ich glaube nicht an einen Selbstmord.

    „Sie müssen die Tote doch genauer kennen, hätte sie Veranlassung zum Selbstmord gehabt?" wandte sich der Kriminalbeamte an Schneidereit.

    „Die Ehe war nicht gut, das weiß das ganze Dorf."

    „Wo ist ihr Mann?"

    „Der Herr Baron ist die meiste Zeit in Berlin oder Dresden, er hat dort mehrere Werke. Er ist in den letzten zehn Jahren immer mehr zum Industriellen geworden."

    „Also eine Wandlung vom Krautjunker zum Schlotbaron? Ironie lag in den Worten des Kriminalbeamten. „Haben Sie ihn verständigt?

    „Heinrich, ich meine, den Diener der Herrschaft hier, hat heute Morgen gleich in Berlin angerufen, aber der Herr Baron war noch nicht in der Firma."

    „Versuchen Sie’s noch mal."

    Schneidereit bat Heinrich, nochmals ein Telefongespräch nach Berlin anzumelden. Das dauerte fast eine Viertelstunde. In der Zwischenzeit beauftragte der Kriminaloberinspektor seinen Assistenten und den Wachtmeister, die tote Frau herunterzunehmen.

    Wenig später meldete Heinrich den Herren, dass Baron Hugo bereits auf dem Weg zum Bahnhof sei. Er würde am Nachmittag in Sticknitz eintreffen. Heinrich solle ihn mit dem Wagen in Flatow abholen.

    Wie ein Lauffeuer hatte sich inzwischen im Gut und dann im ganzen Dorf herumgesprochen, was passiert war.

    Baron Hugo kam am Montagmorgen erst gegen neun Uhr in die 'NORMATAG'. Seine aufgelöste und weinende Sekretärin Karin begrüßte ihn. „Wo warst DU? Ich versuche seit über eine Stunde, Dich zu erreichen".

    „Was ist denn vorgefallen, hast Du zu Hause Probleme?"

    „Ich...? Nein, es geht um Dich, man hat heute Morgen aus Sticknitz angerufen, Deine Frau ist tot."

    „Tot? Das kann nicht sein, ich habe gestern Nachmittag mit ihr telefoniert. Wer hat denn angerufen?"

    „Dein Faktotum im Hause, Heinrich, auch der Dorfpolizist hat nach Dir gefragt."

    „Melde mal ein Blitzgespräch nach Sticknitz an. Nach wenigen Minuten hatte er Heinrich am Apparat, der vor Aufregung kaum zusammenhängend sprechen konnte. „Die Frau Baronin ist tot; sonst ist die Frau Baronin immer zum Frühstück aufgestanden, heute Morgen war sie nicht da. Ich habe dann oben in ihren Zimmern nachgeschaut, da war sie nicht. Da die Tür zum Atelier offen stand, habe ich hineingeschaut…

    er konnte nicht weiter sprechen. „Sie ist tot". Weinend brach er ab.

    „Kommen Sie schnell…"

    Heinrich reichte den Telefonhörer weiter an Fritz Schneidereit, den Dorfgendarm. „Hier ist Schneidereit, es ist dringend erforderlich, dass der Herr Baron hierher kommt."

    „Sei nicht so förmlich, Fritz, selbstverständlich komme ich so schnell wie möglich. Sage bitte dem Heinrich, er soll mich heute Nachmittag am Bahnhof in Flatow abholen. Ich werde mich jetzt beeilen, um den nächsten Zug zu erwischen."

    Inzwischen waren der Verwalter und die beiden jungen Inspektoren vom Gut gekommen. „Lassen Sie das gesamte Personal zusammenkommen, wir müssen sie verhören. Wo können wir das machen, wandte sich Kriminaloberinspektor Freundlich an Heinrich. „Am besten in der Gesindestube.

    „In einer halben Stunde, befahl er. „Und jetzt nehmen Sie bitte die Leiche herunter, befahl er seinem Assistenten und Schneidereit. Inzwischen hatten die beiden Männer die Leiche vorsichtig auf den Boden gelegt. Nun konnte endlich der Arzt seine Untersuchungen beginnen. „Wir müssen sie ausziehen, sonst kann ich das nicht machen. Freundlich schickte Heinrich hinaus. „Das ist kein Anblick für Sie.

    Die beiden Männer legten Magdalenas Leiche auf den Rücken, Dr.Schöpken untersuchte zuerst die Halspartie. Nach einer Weile richtete er sich auf. „An der Toten befinden sich zwei Würgemale, das deutet darauf hin, dass sie erst erwürgt und dann aufgehängt worden ist. Genauer muss das die Pathologie feststellen. Nun drehen Sie die Tote auf den Bauch."

    Oberinspektor Freundlich pfiff durch die Zähne. „Was sehe ich denn da?"

    Auf dem Gesäß und den Rücken sah man mehrere waagerecht verlaufende Hämatome. „Wer hat denn die dieser Frau beigebracht?"

    „Die sind nicht in der vergangenen Nacht entstanden, bemerkte Dr.Schöpken. „Das sieht nach Züchtigung mit einem Stock oder einer Peitsche aus.

    „Gab es eheliche Probleme?"

    „Ja, das ganze Dorf weiß das. Baron Hugo kommt deshalb auch nur alle zwei bis drei Wochen für einige Tage nach Sticknitz."

    Am Nachmittag war Baron Hugo in Sticknitz, „Inspektor Freundlich, man hat mich beauftragt, die Nachforschungen zu leiten. Wann haben Sie das letzte Mal mit Ihrer Frau gesprochen?"

    „Ich habe gestern Nachmittag von Berlin aus mit ihr telefoniert. Sie machte einen völlig normalen Eindruck, sie hat nicht das geringste verlauten lassen, sie frühstückt jeden Tag mit unserem jüngsten Sohn, bevor er zur Schule nach Pogholz geht."

    „Was haben Sie gemacht, seit Sie gestern Nachmittag, wie Sie sagen, mit Ihrer Frau telefoniert haben?"

    „Ich habe gestern Abend in der Nähe meiner Firma zu Abend gegessen und bin nach Hause gefahren."

    „Ich muss Sie das fragen, ich nehme an, Sie haben in einer Gaststätte das Abendessen zu sich genommen; wie heißt die Gaststätte und wann genau war das?"

    „Ich habe am Nachmittag in der Firma gearbeitet, gegen sechs Uhr bin ich ins Restaurant Treptower Schänke' gegangen und bin dort bis gegen halb acht Uhr geblieben. Anschließend bin ich mit der S-Bahn zu meinem Haus in Berlin - Halensee gefahren.

    „Kennt man Sie dort? bohrte der Inspektor weiter. Unwirsch antwortete Hugo ihm. „Man kennt mich dort, die Kellner können Ihnen das bestätigen. Auch der Pförtner in meinem Werk weiß, wann ich gekommen und gegangen bin.

    „Und die ganze Nacht von gestern Abend bis heute morgen waren Sie zu Hause."

    „Ja, sicher." Der Kripomann nervte Hugo; er dachte, dieser Oberinspektor Freundlich ist so gar nicht freundlich. Wahrscheinlich hatte Fritz Schneidereit dem Inspektor berichtet, dass das ganze Dorf über die seit etlichen Jahren bestehenden Spannungen zwischen ihm und Magda tuschelte.

    „Und Ihr Hauspersonal kann bestätigen, dass Sie die Nacht in Ihrem Haus in Berlin - Halensee verbracht haben?"

    „Wenn nichts Besonderes anliegt, gebe ich dem Hauspersonal übers Wochenende frei, das wird man Ihnen bestätigen. So war es auch am vergangenen Wochenende. Im Übrigen, es ist unmöglich, zwischen gestern Abend und heute Morgen von Berlin nach Sticknitz und zurück zu gelangen. Da hätte ich fliegen müssen, und das geht bekanntlich nur am Tag."

    Inspektor Freundlich überhörte diese Bemerkung geflissentlich.

    „Ich habe in den vergangenen Stunden Ihr Personal über Auffälligkeiten am gestrigen Tage befragt. Danach ergibt sich folgendes Bild: Ihr Diener Heinrich bestätigt Ihren Anruf gestern Nachmittag. Wenig später ist ein junger Mann erschienen, der Ihre Frau sprechen wollte. Ihr Diener Heinrich hat ausgesagt, dass dieser Mann in den vergangenen Monaten mehrmals Ihre Frau aufgesucht hat. Heinrich kann sich an seinen Namen nicht erinnern, er meint jedoch, der Mann habe beim ersten Mal gesagt, er sei ein Verwandter Ihrer Frau. Kennen Sie diesen Mann?"

    „Nein, keine Ahnung. Sie hat mir auch nichts davon erzählt. Ich höre das heute zum ersten Mal."

    „Es gibt in diesem Zusammenhang etwas Unangenehmes zu erörtern, ich kann Sie damit leider nicht verschonen."

    „Was soll das sein?"

    „Der junge Mann, er wird als ziemlich klein und schmächtig, etwa zwanzig bis fünfundzwanzig Jahre alt, gut und städtisch gekleidet, beschrieben. Er kam jeweils am Nachmittag und ist ein- oder zweimal über Nacht hier geblieben. Eine peinliche Befragung Ihres Hausmädchens Luise hat ergeben, dass zumindest am Morgen im Bett Spermaspuren feststellbar waren. Wir mussten Ihr Hausmädchen ziemlich 'in die Zange' nehmen, bis sie das gestanden hat. Aber aus langjähriger Erfahrung weiß ich, dass vor allem das weibliche Dienstpersonal neugierig ist.

    Gestern ist es, soweit wir das nachprüfen konnten, nicht dazu gekommen. Der junge Mann hat das Gut am späten Abend verlassen.

    Wir wissen also nach heutigem Stand nicht, wer der junge Mann ist, woher er gekommen und wohin er gegangen ist. Wir werden unsere Nachforschungen weiter betreiben.

    Können Sie immer noch nichts dazu sagen; ich meine, es ist für Sie sicher unangenehm, mit einem Nebenbuhler konfrontiert zu werden, aber ich kann Ihnen das nicht ersparen."

    „Ich wiederhole, ich weiß nichts über diesen Mann."

    „Des weiteren ist gestern am frühen Abend eine Frau in mittleren Jahren in Sticknitz gewesen, sie hat sich im Gasthof nach dem Gut erkundigt, es handelt sich also um eine Fremde, weder die Wirtin noch einige andere Personen aus dem Dorf, die diese Frau gesehen haben, kennen diese Frau, sie ist demnach wohl noch nie hier gewesen. Die Frau wird wie folgt beschrieben:

    mittleres Alter, in bäuerlicher Tracht, aber nicht aus dieser Gegend, gut aussehend, klares Hochdeutsch sprechend. Können Sie mir zu dieser Frau etwas sagen?"

    „Nein, ich habe keine Vorstellung, wer das sein könnte."

    „Weiterhin bleibt festzuhalten, dass das Bett Ihrer Frau in der letzten Nacht benutzt wurde und dass ihre Kleidung, die sie gestern getragen hat, fehlt. Ihr Diener Heinrich meint, dass Ihre Frau gestern Abend gegen zehn Uhr ihr Schlafzimmer aufgesucht hat. Was dann in der Nacht passiert ist, wissen wir nicht. Dr.Schöpken meint, dass der Tod zwischen Mitternacht und ein Uhr eingetreten ist.

    Wie war das Verhältnis zwischen Ihrer Frau und Ihnen?"

    „Es ging so", antwortete Baron Hugo sichtlich gequält.

    „Und wie kommen diese Hämatome auf ihren Rücken, waren Sie das?"

    Baron Hugo wand sich unruhig hin und her, er fühlte sich ertappt. „Sie brauchte das vor der ehelichen Vereinigung", stotterte er unbeholfen.

    Der Arzt nahm das kopfschüttelnd zur Kenntnis, man sah ihm an, dass er auch einen Selbstmord Magdas für möglich hielt, um mit diesen Qualen Schluss zu machen. Er berichtete seine Vermutung Inspektor Freundlich, der gar nicht freundlich auf Hugo zu sprechen war. „Es bleibt mir nichts anderes übrig, als Sie zu verachten, fauchte er Hugo an, der das schweigend zur Kenntnis nahm. „Ob Sie mit-schuldig am Tode Ihrer Frau sind, wird erst die Obduktion ergeben.

    Achselzuckend ließ der Inspektor die Leiche wegbringen, auch die Spurensuche ergab nichts.

    Yvonne am Telefon zu Hugo: „Wie geht es Dir? Ich möchte Dir zu diesem schrecklichen Tod Deiner Frau mein tief empfundenes Beileid ausdrücken. Hohn lag in ihrer Stimme. „Bist Du nicht innerlich froh, dass Du sie endlich losgeworden bist? Mein Lieber, ich fühle mit Dir.

    Hugo spürte die Zweideutigkeit in ihren Worten. Äußerlich spielte er weiterhin den Tieftraurigen, Niedergeschlagenen; fassungslos und von Gram gebeugt, saß er in seinem Arbeitszimmer und stierte vor sich hin, während im Gutshaus die Polizisten geschäftig hin und her eilten, alles untersuchten, das Personal pausenlos verhörten. Hugo wollte nachdenken, aber seine Gedanken schwirrten in seinem Gehirn herum, sie schlugen wilde Purzelbäume; schließlich holte er sich eine Flasche Cognac aus dem Schrank und trank hastig in großen Schlucken aus der Flasche. Von überall her prasselten die Beileidsbekundungen auf ihn ein.

    Friedrich hatte sich heulend in sein Zimmer verzogen, die Polizisten im Haus jagten ihm Angst ein. Hugo war froh, dass die mütterliche Maria, die mit Magdalena seit langem befreundet war, inzwischen eingetroffen war, um die Kinder zu trösten.

    Am Abend konnte Fritz Schneidereit endlich nach Hause gehen, er war müde, niedergeschlagen, hungrig. Statt des Abendessens bekam er von seiner Frau erst einmal Vorwürfe. „Wo warst Du heute Nacht, ich weiß, Du warst weg, Dein Bett war kalt. Warst Du wieder bei ihr?

    Kehrt nun endlich Ruhe im Dorf ein?"

    „Ich habe nur einen nächtlichen Rundgang durch’s Dorf gemacht, es war alles ruhig."

    „Wer hat sie umgebracht – oder hat sie endlich Schluss gemacht? Mir kannst Du nichts vormachen, Du bist auch nicht unschuldig."

    „Ich habe damit nichts zu tun, ich habe heute Nacht auch nichts bemerkt."

    „Schöner Polizist bist Du, wozu gehst Du denn nachts durch Dorf. Ich glaube Dir überhaupt nichts. Du musst doch etwas gesehen oder gehört haben."

    Knurrend würgte Fritz das Abendessen herunter. „Lass mich in Ruhe! brüllte er schließlich seine Frau an. „Mach, dass Du ins Bett kommst, ich gehe nochmals raus.

    Am Abend ging Hugo zu Hannelore. „Hast Du mit dem Verschwinden Deiner Frau etwas zu tun?"

    „Nein, nein, glaube mir, ich war das ganze Wochenende in Berlin.

    Du hast mit der fremden Frau gesprochen, ich habe Heinrich und die anderen Dienstboten befragt, auf dem Gut hat sie niemand gesehen. Kannst Du sie mir beschreiben?"

    „War es eine von Deinen Weibern, die Dich hier gesucht hat? meinte Hannelore anzüglich, „mir kannst Du nichts vormachen, dafür kenne ich Dich zu lange. Ist Deine Ordnung durcheinander geraten? Hannelore beschrieb ihm ausführlich, was sie sich gemerkt hatte. Sie erkannte in Stillen, dass Hugo eine Ahnung hatte, wer es gewesen sein könnte, auch wenn er das ableugnete.

    In Hugos Kopf rumorte es tatsächlich, Hannelore hatte ihn gut beobachtet. Die Beschreibung passte auf Gabriele, die er damals in den Karpaten kennen gelernt hatte. Aber wie sollte sie nach den vergangenen Jahren nach Deutschland gekommen sein? Hugo zermarterte sich den Kopf, er fand die Lösung nicht. Auch der junge Mann, wer war das? Heinrich hatte mal eine Bemerkung Magdalenes aufgefangen, es wäre ein Verwandter, er

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