Kaar findet zwei Gefähritinnen: Was geschah, als Moderner Mensch und Neandertaler einander trafen?
Von Karl Reiche
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Über dieses E-Book
Die Erzählung beginnt mit dem Aufbruch von jungen Leuten im Alter von 14 bis 19 Jahren aus ihrem bisherigen Lebensraum am Mittelmeer und ihrer Wanderung nach Norden in das Gebiet der heutigen Schwäbischen Alb. Auf dieser Wanderung erleben sie spannende Abenteuer. Sie finden eine Höhle auf der Schwäbischen Alb und lassen sich dort nieder.
Ihr Anführer Kaar ist aber jungen Frauen gegenüber schüchtern und gehemmt. Während alle seine Freunde bereits Frauen gefunden haben, ist er noch ohne eine Gefährtin.
Als er mit seinem Bruder En und einem seiner Freund weiter nach Norden aufbricht, um die dortigen Jagdgebiete zu erkunden, begegnen sie einer Gruppe Neandertaler, die sie die Alten nennen.
Noch während sie diese Gruppe von Weitem beobachten, wird sie von einem Höhlenlöwen angegriffen. Es gelingt Kaar, diesen Löwen zu töten und damit zwei jungen Frauen der Alten das Leben zu retten. Bei diesem Kampf wird er verwundet.
Mit den Alten zusammen schlagen sie ein gemeinsames Lager auf und in dieser Nacht kommen die beiden Frauen zu Kaar.
Zahlreiche Illustrationen, Anmerkungen und Karten unterstützen den Leser und beschreiben das weitere Zusammenleben der beiden unterschiedlichen Menschenarten. Sie ermöglichen ein schnelles Hineinfinden in die Thematik und verknüpfen wissenschaftliche Beschreibung und Fiktion zu einer nachvollziehbaren Erzählung.
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Buchvorschau
Kaar findet zwei Gefähritinnen - Karl Reiche
Vorwort
Vor etwa 40.000 Jahren wanderte der moderne Mensch in Europa ein. Da er aus Afrika kam, war seine Haut stark pigmentiert. Er muss eine braune bis dunkelbraune Hautfarbe gehabt haben. Er traf hier auf den Neandertaler, der, und dessen Vorfahren, bereits seit einer halben Million Jahren in diesen Breiten lebten. Dass sich diese beiden Menschenarten begegnen mussten, war unumgänglich.
Lange Zeit war allerdings umstritten, was dann geschah.
Forscher des Max-Planck-Instituts haben vor kurzem die DNA der Neandertaler entschlüsselt und zu ihrer Überraschung festgestellt, dass viele von ihnen blonde oder rote Haare gehabt haben müssen, blaue oder grüne Augen und eine sehr helle Hautfarbe.
Ebenso überraschend war ein stichprobenartiger Vergleich mit der DNA der heutigen Menschen auf der Welt. Alle Menschen – bis auf die Menschen in Afrika – haben 1 % Neandertaler DNA in sich. Die Menschen in Europa allerdings tragen das Vierfache an
Neandertaler-DNA in sich.
Es dürfte also feststehen, dass der moderne Mensch und der Neandertaler sich bei ihren Begegnungen vermischten, miteinander Sex hatten und gemeinsamen Nachwuchs zeugten.
Dieser Roman erzählt, was damals geschehen sein könnte.
Personen
Kaar - moderner Mensch, Anführer der Gruppe
Aina - junge Frau der Alten (Neandertaler) Kaars Frau
Sera - junge Frau der Alten, Ainas Freundin, Kaars Frau
Daar - Ainas und Kaars Sohn
Sita - Seras und Kaars Tochter
En - moderner Mensch, Kaars Bruder
Mona - moderner Mensch, Ens Frau
Rerr - ein Mann der Alten
Rra - Frau der Alten, Rerrs Frau
Die „alte Frau" - Frau der Alten, Schamanin, Heilerin
Erra - junges Mädchen der Alten
Bor - moderner Mensch
Petr - moderner Mensch
Aja - moderner Mensch, Petrs Frau
Ian - moderner Mensch
Ina - moderner Mensch, Ians Frau
Raf - moderner Mensch
Eta - moderner Mensch, Rafs Frau
Sig - moderner Mensch
Lia - moderner Mensch, Sigs Frau
Der Aufbruch
Kaar, ein „moderner Mensch", war ein junger Mann, der in einem Frühjahr vor fünfunddreißigtausend Jahren mit einer Gruppe von Freunden aus ihrer alten Heimat im heutigen Palästina nach Norden aufbrach, um sich eine neue Heimat zu suchen. Die Zahl der Bewohner in ihrer Höhle war zu groß geworden, so dass eine Gruppe fortziehen musste.
In ihrer weiteren Umgebung lebten noch Menschen einer anderen Art, die sie die „Alten" nannten, mit denen sie aber keinen Kontakt hatten.
Als sie aufbrachen, bestand ihre kleine Gruppe aus sieben jungen Männern und zwei Frauen. Sie alle waren zwischen vierzehn und neunzehn Jahre alt.
Ihr Anführer Kaar war mit siebzehn Jahren und mit mehr als 180 cm Größe zwar der Größte von ihnen, aber nicht der Älteste. Er hatte langes dunkelbraunes, fast schwarzes Haar, den ersten Ansatz eines Bartes am Kinn und braune Augen. Trotz seiner schlanken Gestalt war er sehr kräftig.
Seine Führung hatten die anderen schon immer anerkannt; schon seit sie als kleine Kinder zusammen gespielt und Streiche ausgeheckt hatten. Er hatte sich immer die interessantesten Unternehmungen für sie ausgedacht, manchmal nicht ganz ungefährliche, aber immer höchst spannende. Er war auch der Nachdenklichste der jungen Männer, beobachtete seine Umgebung genau, konnte Situationen gut einschätzen und aus ihnen die richtigen Schlüsse ziehen. Andererseits war er aber der Unternehmungslustigste und auch der Intelligenteste der Gruppe und somit einfach ein geborener Anführer.
Die meisten der anderen jungen Männer erkannten dies problemlos an.
Die beiden jungen Frauen in der Gruppe, Aja und Ina, waren die Gefährtinnen der beiden ältesten der jungen Männer Petr und Ian und wollten ihre Männer unbedingt begleiten.
En war Kaars um ein Jahr älterer Bruder und sah ihm sehr ähnlich, war aber nicht ganz so groß. Er war ein sympathischer und sehr gewinnender junger Mann, der ständig gut gelaunt und immer fröhlich war. Seine gute Laune sorgte dafür, dass es in der Gruppe so gut wie nie zu Spannungen kam.
Raf war genauso alt wie Kaar, kräftig und untersetzt. Er war ein ruhiger und ausgeglichener Typ und gemeinsam mit En und Kaar trug er viel zum Zusammenhalt der jungen Männer bei.
Sig und Bor waren mit 16 und 14 Jahren die jüngsten Mitglieder dieser Gruppe. Obwohl Bor der Jüngste von ihnen war, konnte er es, was seine Kraft anging, mit den anderen aufnehmen. Er war nur mittelgroß, aber sehr gedrungen und man ahnte bereits jetzt, welche ungeheuren Körperkräfte er einmal entwickeln würde.
Sig war ebenfalls nur mittelgroß und sehr schlank, aber der Lebhafteste unter ihnen. Er sprühte förmlich vor Energie.
Ian war mit neunzehn Jahren der Älteste. Er hatte an vielem etwas auszusetzen, nörgelte oft an Entscheidungen von Kaar herum, und er war es auch, der immer wieder versuchte, Kaars Rolle als Anführer infrage zu stellen.
Da alle aus der Sippe etwas zu ihrer Ausrüstung beigetragen hatten, schleppte jeder der neun jungen Menschen eine große aus Weidenzweigen geflochtene Kiepe mit Lederriemen auf dem Rücken. Diese enthielt nicht nur Werkzeuge und Nahrung für das erste Stück des Weges, sondern auch zusätzliche Kleidung und Felle, aus denen sie sich unterwegs provisorische Unterkünfte errichten konnten.
Solange die Temperaturen noch kalt waren, trugen sie ihre Winterkleidung; die Männer lange Hosen und Jacken aus Fellen, mit dem Pelz nach innen und die Frauen bodenlange Kleider aus dem gleichen Material.
Als es aber immer wärmer wurde, wechselten sie ihre Kleidung. Die Männer trugen nun einen Lendenschurz und eine kurze Weste aus Leder; später nur noch den Lendenschurz. Die Frauen trugen kurze, wie eine Tunika aussehende Kleider. Um ihre Beine vor dem dornigen Gestrüpp zu schützen, trugen alle eng anliegende gamaschenartige, bis über die Knie reichende Beinlinge, die mit einem Riemen an den Gürteln befestigt waren und dazu mokasinähnliche Schuhe aus Leder.
Einen knappen Mondzyklus nach ihrem Aufbruch waren sie auf eine andere große Gruppe von Menschen ihrer Art gestoßen, die neben der Jagd in den Bergen auch vom Meer lebte. Diese Menschen sammelten Muscheln am Strand und angelten von kleinen, runden, aus Reisig Geflecht und Tierhäuten hergestellten Booten nach Fischen in den Buchten dieser Küste.
Während des Aufenthalts bei diesen Menschen verliebte sich der immer fröhliche En in eine der jungen Frauen dieser Sippe und sie sich in ihn. Sie hieß Mona, war 16 Jahre alt und ihm in ihrer Art sehr ähnlich. Schon am Abend ihrer Ankunft hatten sich die beiden immer wieder scheue Blicke zugeworfen, sich aber zunächst nicht getraut, miteinander zu sprechen. Erst am zweiten Tag hatte sie Ens Nähe gesucht und er hatte ihr ausführlich von ihrer Absicht erzählt, eine neue Heimat weit im Norden zu finden.
Mona hatte weniger seinen Worten zugehört, als mehr auf seine Stimme gelauscht und seine Begeisterung gespürt. Sie verspürte selbst eine unbändige Lust, ebenfalls an diesem Abenteuer teilzunehmen. Das Wichtigste aber war für sie, mit En zusammenzubleiben.
Vorsichtig versuchte sie, das En klar zu machen, indem sie ihm tief in die Augen sah. Dabei lächelte sie ihn bedeutungsvoll an und ließ all ihren weiblichen Charme spielen. Sie wollte ihn ermuntern, sie endlich zu umarmen oder zu küssen oder sonst etwas zu tun, um auf ihre Annäherungsversuche einzugehen.
En war aber, bei all seiner Fröhlichkeit und Unbekümmertheit, genauso wie Kaar, Mädchen gegenüber etwas schüchtern.
Er wollte ja, aber er wusste nicht, wie er es anstellen und den Anfang machen sollte.
Als er auch am zweiten Tag noch nicht einmal für längere Zeit ihre Hand hielt, sondern sie, sobald sie sich berührten, sofort wieder losließ, fragte Mona am Abend ihren Vater um Rat.
Ihre Mutter war schon vor Jahren bei der Geburt ihres kleineren Bruders gestorben und ihr Vater hatte sich keine neue Gefährtin genommen, sondern zog seine beiden Kinder mit viel Liebe und Einfühlungsvermögen alleine groß.
Seine erste Frage war deshalb: „Liebst du ihn?"
Ohne auch nur den Bruchteil einer Sekunde zu zögern, antwortete Mona: „Ja."
„Und liebt er dich auch?"
Mona zögerte einen Moment und antwortete dann: „Ich glaube ja."
„Das glaube ich auch", murmelte ihr Vater verständnisvoll lächelnd.
„Ich habe euch in den letzten beiden Tagen beobachtet. So wie En dich ansieht, wie er rot wird, wenn du ihn ansprichst und wie er dich mit den Augen verschlingt, sobald er glaubt, dass du es nicht merkst, denke ich auch, dass er dich liebt. Ich glaube, Mona, der junge Mann ist Mädchen gegenüber einfach nur schüchtern, vielleicht gerade, weil er dich liebt."
„Was soll ich nur tun?"
„Du musst die Initiative ergreifen und ihn verführen."
Mona riss überrascht die Augen auf, starrte ihn mit offenem Mund an und wurde dunkelrot.
„Das ist nicht dein Ernst. Ich soll ihn verführen?"
„Weißt du, deine Mutter war auch schüchtern, als ich sie kennenlernte. Ich habe sie erst verführen müssen, um sie als Gefährtin zu bekommen. Außer deinem schönen Aussehen hast du eigentlich wenig von ihr geerbt. Du bist mehr wie ich, abenteuerlustig und draufgängerisch."
Mona hatte inzwischen ihren ersten Schock über seinen Vorschlag überwunden.
„Wie hast du das gemacht?"
„Nun, ich habe das gut vorbereitet. Ich habe ein Fest abgewartet und am Tage des Festes einige warme und weiche Felle in einem lauschigen Versteck deponiert. Dann habe ich ihr auf dem Fest tief in die Augen gesehen, ihre Hand genommen und sie von dem Fest fort in dieses Versteck geführt. Dort wurden wir dann ein Paar und sie hat es nie bereut. Ich bedauere sehr, dass sie so früh gestorben ist."
Mona wusste, dass ihr Vater, auch nach so vielen Jahren, immer noch um ihre Mutter trauerte, und wollte ihn eigentlich nicht weiter bedrängen. Aber inzwischen faszinierte sie die Vorstellung, En zu verführen.
Mit einem verschmitzten Lächeln fragte sie ihn deshalb: „Ihr geht doch morgen mit den Besuchern auf die Jagd in die Berge, nicht wahr?"
„Ja", antwortete Ihr Vater mit einem wissenden Grinsen im Gesicht.
„Und wenn wir von der Jagd zurückkommen, feiern wir ein Fest. Das wird deine Gelegenheit."
Mona fiel ihrem Vater mit einem fröhlichen Jauchzen um den Hals. „Danke für diesen Rat."
„Ich hoffe, du weißt, was du tust und wirst glücklich mit ihm."
Am nächsten Morgen brachen die Jäger, auch Kaar, En und ihre Freunde, bereits beim ersten Morgengrauen zur Jagd auf und kehrten am späten Nachmittag zurück. Sie hatten einen Rothirsch und zwei Hirschkühe erlegt. Gut gelaunt kamen sie bei der Höhle an.
Mona erwartete ihre Rückkehr voller Ungeduld und mit