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Das Geheimnis der Keshani: Zweites Buch der Keshani-Trilogie
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eBook282 Seiten4 Stunden

Das Geheimnis der Keshani: Zweites Buch der Keshani-Trilogie

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Über dieses E-Book

Nach ihrer langen und beschwerlichen Reise haben Nadira und ihre Gefährten endlich Miragar erreicht. Noch haben sie Larana nicht gefunden, und wie sie die Keshani überzeugen sollen, die Jagd nach Ashari einzustellen, wissen sie ebenfalls nicht. Doch der Anblick des toten, verbrannten Landes ist schockierender als die Ungewissheit. Und schon bald stoßen sie auf die Bewohner dieses Landes. Neben menschenfressenden Ungeheuern bekommen sie es mit Sklavenhändern zu tun. Die schlimmste Gruppe, die Herrscher des Landes, die Keshani, haben sie aber noch gar nicht getroffen. Und noch wissen sie nichts von dem finsteren Geheimnis, das die Keshani verbergen.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum28. Juni 2016
ISBN9783738075168
Das Geheimnis der Keshani: Zweites Buch der Keshani-Trilogie

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    Buchvorschau

    Das Geheimnis der Keshani - Lina-Marie Lang

    Die Ashara-Chroniken

    Buch Zwei

    Das Geheimnis der Keshani

    Das zweite Buch der Keshani-Trilogie

    Lina-Marie Lang

    DAS ÖDLAND

    Es dauerte noch mehrere Stunden, bis sie die Ebene erreichten. Während sie den Pass hinabstiegen, schien die Dunkelheit immer mehr zuzunehmen. Über Miragar hingen dunkle Wolken, sie wirkten beinahe wie die Decke eines riesigen Raumes. Irgendetwas sagte Nadira, dass diese Wolken immer da waren und das ganze Land in ein seltsames Zwielicht tauchten.

    Je näher sie der Ebene kamen, desto unruhiger wurden sie. Sie fühlten, dass das Land lebensfeindlich und gefährlich war, sie fühlten, dass eine Bedrohung von ihm ausging. Es war nichts greifbares, nichts das sie unmittelbar bedrohte, trotzdem konnten sie das Gefühl einer Bedrohung nicht ablegen. Das Fehlen einer direkten Bedrohung sollte sie eigentlich beruhigen, aber das Gegenteil war der Fall, die Bedrohung wurde dadurch um so intensiver.

    Als sie die Ebene erreichten, sahen sie, dass die dunkle Farbe von Sand und von zähem, dunklen Gras kam. „Was ist das für seltsamer Sand?", fragte Nadira.

    „Das ist kein Sand, sagte Callanor. „Das ist Asche.

    Asche? Hatte er gerade gesagt, das sei Asche? Nadira sah sich um. Woher kam diese Asche? Gab es vielleicht einen Vulkan? „Woher kommt diese Asche?" Sie konnte keinen Vulkan entdecken, aber das Tokar Gebirge war gigantisch, dort mochte sich durchaus einer verstecken.

    „Miragar war eines der Schlachtfelder im Krieg gegen die Aiudir, sagte Brancus. „Das Land verbrannte durch die Kämpfe mit Ashara.

    „Aber müsste es sich nach all der Zeit nicht erholt haben?", fragte Aurel.

    Brancus zuckte mit den Schultern. „Wer weiß, welche Waffen damals benutzt wurden."

    Was auch immer passiert war, es musste schrecklich gewesen sein. Aber wieso gerade hier? Der Rest von Soria war nicht so verwüstet worden. Alluria war ein grüner, blühender Garten, Androtor ein stolzes Reich. Wieso war Miragar so zerstört? Nadira war sich nicht sicher, ob sie die Antwort wirklich wissen wollte.

    „Wir schlagen bald unser Lager auf", sagte Callanor. Noch auf dem Pass hatte er sie Holz sammeln lassen. Bald wurde ihnen klar wieso: Es gab kein Brennholz in Miragar. Allerdings gab es auch Gefahren, die man besser nicht durch ein Feuer auf sich aufmerksam machte. Von diesen Gefahren wussten die Gefährten noch nichts, niemand außer Callanor. Und aus diesem Grund beschloss er, nicht tiefer in das Land hinein zu reiten, sondern das Lager hier am Rand des Ödlands aufzuschlagen.

    „Das Holz reicht nur für heute, sagte Aurel. „Was machen wir die nächsten Tage?

    „Wir müssen ohne Feuer auskommen", sagte Callanor.

    „Wie lange werden wir brauchen, bis wir auf Menschen treffen?", fragte Nadira.

    „Das kann man hier nie sagen, sagte Callanor. „Vielleicht schon morgen, vielleicht erst in Resperu.

    „Aber es muss doch Dörfer geben", sagte Nadira.

    „Nicht wie Ihr sie kennt." Er schien das nicht näher erklären zu wollen, aber Nadira lies nicht locker.

    „Was soll das heißen?"

    „Es gibt keine festen Dörfer. Die Bewohner von Miragar ziehen umher. Sie bleiben nie länger als einige Tage am selben Ort."

    Nadira und Aurel sahen sich fragend an. Darec und Lledar hingegen schienen nicht überrascht zu sein, denn sie waren bereits in Miragar gewesen und kannten die Sitten hier.

    ***

    Callanor führte sie in Schlangenlinien tiefer in das Land. Nadira wusste nicht, wieso er nicht einfach einer geraden Linie folgte. Hatte er vielleicht die Orientierung verloren? Oder war er auf der Suche nach etwas?

    Sie lies ihren Blick über die Ebene schweifen, dabei hatte sie das Gefühl, dass das Land sich ihrem Blick zu entziehen versuchte. Sie war nicht in der Lage zu sagen, wie das Land beschaffen war. Nur in einem kleinen Umkreis um sich herum konnte sie es klar erkennen, außerhalb dieses Radius schien die Welt unbestimmbar zu sein. Mit Schrecken wurde Nadira klar, dass sie sich alleine hier niemals zurechtfinden würde.

    Ihr Blick traf auf die Berge, die sie eben überquert hatten. Sie lagen jetzt auf ihrer rechten Seite. Die Berge waren ein Orientierungspunkt. Aber wo lag der Pass? Nadiras Blick suchte den Berg ab, aber so sehr sie sich anstrengte, sie konnte den Eingang zum Pass nicht entdecken.

    Callanor machte einen erneuten Schwenk und plötzlich lagen die Berge hinter Nadira. Jetzt konnte sie nicht mehr weiter nach dem Pass suchen, ohne sich den Hals zu verrenken.

    „Dieses Land ist unheimlich", sagte Aurel. Nadira hatte gar nicht bemerkt, dass sie neben ihr ritt.

    „Sehr unheimlich sogar", bestätigte sie. Als sie sich wieder umsah, sah sie, dass sich links und rechts Hügel erhoben und den Blick auf das Land versperrten. Kurze Zeit später hielt Callanor an.

    „Hier schlagen wir unser Lager auf", sagte er.

    Nadira starrte die Hügel verwirrt an. „Ich hatte die Hügel gar nicht gesehen", sagte sie.

    „Es sind keine Hügel, sagte Callanor. „Wir sind in eine Senke geritten. Hier sind wir geschützt, wir können Feuer machen, ohne dass es über Meilen zu sehen ist.

    „Sind wir deshalb in Schlangenlinien geritten?", fragte Lledar.

    „Genau, sagte Callanor. „Ich wusste, dass hier irgendwo diese Senke ist, aber das Land macht es schwer, sie zu finden.

    „Wieso ist das so?", fragte Nadira. Das Land machte ihr Angst, alles hier war so fremd. Sie waren erst seit Kurzem hier in Miragar und sie hatte das Gefühl, in einer vollkommen anderen Welt zu sein. Wie mochten die Menschen hier wohl sein? Waren sie ebenso fremd wie das Land?

    „Niemand weiß es genau, sagte Callanor. „Aber man kann das Land nicht klar erkennen. Viele denken es ist ein Fluch der Aiudir. Aber vielleicht liegt es einfach nur am Licht oder am Land selbst.

    Ein Fluch. Das verfluchte Land. War Miragar ein verfluchtes Land? Worauf hatten sie sich nur eingelassen? Die Anderen hatten gesagt, Nadira habe keine Ahnung, worauf sie sich einließ. Immer mehr musste sie eingestehen, dass sie recht hatten. Hatten die Anderen es gewusst? Wenn ja, wieso hatten sie sie begleitet? Nadira hatte das Gefühl, sie würde sie alle ins Verderben stürzen. Vielleicht hatte sie das ja schon.

    ***

    Das Lager war schnell und routiniert aufgebaut. Inzwischen hatten sie es so oft gemacht, dass jeder wusste, was er zu tun hatte. Trotzdem war in dieser Nacht einiges anders. Wie üblich wurden Wachen eingeteilt, diesmal allerding immer zwei Personen zusammen. Callanor bläute allen ein, wie wichtig es war, dass die Wachen wirklich wach blieben. Sie mussten sich gegenseitig wach halten, und man sollte lieber jemand anderen aufwecken als auf der Wache einzuschlafen.

    Aber auch das war noch nicht alles. Die Wachen sollten regelmäßig aus der Senke herausklettern, auf beiden Seiten, und die Umgebung begutachten. „Wenn ihr etwas seht, ganz egal was, ein Tier, Menschen, nur einen Schatten, irgendetwas das ungewöhnlich ist, dann weckt mich und zeigt es mir." Obwohl er es nicht aussprach, war an seinem Verhalten und seinen Anweisungen klar zu erkennen, dass er hier eine neue oder eine größere Bedrohung erwartete.

    Wenn Nadira an ihre bisherige Reise zurückdachte bekam sie es mit der Angst zu tun. Sie waren schon auf so viele Gefahren gestoßen, aber nie hatte Callanor sie solche strengen Sicherheitsmaßnahmen treffen lassen, nie war er so ernst gewesen.

    „Auf was sollen wir genau achten?", fragte Tinju.

    „Auf alles. Alles, was nicht so ist, wie es sein sollte, jede Kleinigkeit."

    Wieso wagte Nadira es nicht, Callanor zu fragen, welche Bedrohungen er eigentlich erwartete? Sie hatte sich die Antwort darauf gerade selber gegeben: Sie wagte es nicht. Vielleicht erwartete sie, dass die Antwort noch schlimmer war als ihre Befürchtungen.

    „Und sorgt dafür, dass das Feuer nicht zu hell wird und vor allem nicht zu groß." All diese Andeutungen machten Nadira immer mehr und mehr Angst. Wie wird es den anderen da erst gehen?, fragte sie sich. Ich bin eine Dynari. Ich bin mächtig und kann auf mich aufpassen. Sie konnten den anderen ansehen, dass sie dieselbe Nervosität verspürten, die auch Nadira empfand.

    Wie es wohl Aurel ging? Sie war keine Ashari, sie hatte keine Waffen. Wenn es hier wirklich etwas Gefährliches gab, war sie dieser Gefahr hilflos ausgeliefert. Sie musste sich komplett darauf verlassen, dass die anderen sie schützten. Nadira konnte sich nicht annähernd vorstellen, wie Aurel sich fühlte.

    ***

    „Aufwachen."

    Nadira drehte sich zur Seite, und versuchte weiterzuschlafen. Sie war noch so müde. War sie nicht gerade eben erst schlafen gegangen? Wer störte sie da mitten in der Nacht?

    „Aufstehen. Jemand rüttelte sie an der Schulter. „Diese Nacht müssen alle Wache halten.

    Wache halten? Wieso sollte sie Wachen halten? Nadira war eine Dynari, wer würde es wagen, ein Haus der Dynari anzugreifen?

    Wieder rüttelte jemand an ihr. „Aufwachen."

    Erst jetzt wurde Nadira bewusst, dass sie sich nicht in der Sicherheit eines Hauses der Dynari befand, sie war in Miragar, im verfluchten Land.

    Mühsam öffnete sie die Augen. Sie sah eine Gestalt, die sich über sie gebeugt hatte und sie wieder rüttelte.

    „Ja. Ich bin wach. Ich bin wach, sagte Nadira. „Glaub ich.

    „Nicht so schön, mitten in der Nacht aus dem Schlaf gerissen zu werden, oder?" Nadira erkannte jetzt Tinjus Stimme.

    „Nein, nicht wirklich", bestätigte sie.

    „Die Sonne wird in ein paar Stunden aufgehen, sagte Tinju, dann gähnte er. „Ich brauch noch etwas Schlaf.

    Ich auch, dachte Nadira. Aber sie zwang sich aufzustehen und aus dem Zelt zu kriechen.

    „Gute Nacht", sagte Tinju. Leck mich, dachte Nadira, sagte aber: „Gute Nacht." Sie streckte sich, um die Schwere des Schlafs aus ihren Gliedern zu vertreiben und sah sich dann um, mit wem sie Wachen halten sollte. Am Feuer, um das herum die Zelte in einem Kreis angeordnet waren, saß Brancus.

    Ausgerechnet, dachte Nadira. Jeder Andere wäre ihr lieber gewesen. Aber es machte keinen Sinn, sich darüber zu beklagen. Nadira setzte sich Brancus gegenüber an das Feuer und nickte ihm nur zu. Keiner der beiden sagte etwas.

    Die Zeit verstrich und Nadira fühlte, dass ihr immer wieder die Augen zufielen. „Was macht man eigentlich genau, wenn man Wache halten soll?", fragte sie.

    Brancus sah auf, schaute Nadira eine Weile stumm an, dann zuckte er mit den Schultern. „Ich weiß es auch nicht. Ich vermute mal, man versucht wach zu bleiben."

    Nadira grinste. Wenigstens musste nicht nur sie mit der Müdigkeit kämpfen. Das Gespräch war damit allerdings schon wieder beendet. Wie war Callanor nur auf die Idee gekommen, dass sie ausgerechnet mit Brancus zusammen Wachen halten sollte? Wieso gerade er, und wieso zwei Dynari zusammen? Wäre es nicht sinnvoller, die Kräfte der beiden … aufzuteilen? Wahrscheinlich hatte er sich gar nichts dabei gedacht, oder er dachte, dass die beiden Dynari sich am ehesten etwas zu erzählen hatten. Aber das war nicht der Fall. Weitere Zeit verstrich, ohne dass sie ein Wort sagten.

    Schließlich beschloss Nadira, dass sie aufstehen musste, wenn sie nicht einschlafen wollte. Sie erhobt sich und bemerkte das sich die Schwere des Schlafes schon wieder in ihren Gliedern breitmachen wollte.

    Sie ging ein wenig Auf und Ab und hoffte dadurch wieder wach zu werden. Es half, wenn auch nur ein bisschen.

    „Sollten wir nicht regelmäßig aus der Grube herauskriechen und nach dem Rechten sehen?", fragte Nadira.

    „Stimmt. Da war so etwas." Brancus seufzte. Ihm war deutlich anzusehen, dass er keine Lust hatte Wache zu halten. Oder lag es an der Gesellschaft? Was auch immer es war, Nadira war ganz seiner Meinung.

    „Dann bringen wir es doch hinter uns." Nadira wartete nicht ab, was Brancus davon hielt, sondern ging auf den Rand der Senke zu. Sie hatte sich für das Ende entschieden, welches tiefer in das Land hinein führe. Nadira war neugierig, was vor ihnen lag.

    Sie stieg den Pfad hinauf und blieb am Rand der Senke stehen. Vor ihr breitete sich eine schwarze Fläche aus, die bis an den Horizont reichte. In der Dunkelheit sah das Land aus wie ein pechschwarzer Spiegel, vollkommen glatt und gleichmäßig, ohne die geringsten Konturen.

    In der Ferne glaubte Nadira, etwas zu erkennen. Lichter. Sie war sich aber nicht sicher, da nach wie vor alles unwirklich und verschwommen wirkte. Dieses Land war wirklich fremd und beängstigend.

    Plötzlich fiel Nadira ein, dass sie eigentlich nur an den Rand kriechen sollten. Sie sollten nicht dort stehen, damit sie nicht gesehen wurden. Aber wie sollte jemand - oder etwas? - sie überhaupt sehen? Trotzdem ging sie in die Hocke. Aber sie weigerte sich, sich hinzulegen. Der Boden in diesem Land war … wie tot. Möglicherweise war er tot.

    Als Nadira wieder zurückgehen wollte, sah sie eine Bewegung. Tatsächlich hatte sie die Bewegung nicht wirklich gesehen, sondern eher erahnt. In dieser dunklen, ebenen Fläche, war es nicht möglich etwas wirklich zu sehen. So sehr sie sich auch anstrengte, sie fand sie nicht wieder. Sie hatte sich das alles nur eingebildet.

    Nadira ging wieder zurück zum Lagerfeuer. Brancus saß bereits wieder da. „Wo warst du so lange?, fragte er. „Ich war schon kurz davor, nach dir zu sehen.

    „Ich war doch gar nicht lange weg", sagte Nadira.

    „Jedenfalls viel länger als ich." Vermutlich hatte er nur einen kurzen Blick in die Runde geworfen und war sofort wieder zurück gegangen.

    Nadira zucke mit den Schultern. „Vermutlich hab ich einfach genauer geschaut." Es machte ihr Spaß, Brancus vorzuhalten, dass er weniger gründlich war als sie selbst.

    „Du hast etwas gesehen, oder?"

    „Nein, sagte Nadira und schüttelte den Kopf, dann nickte sie und sagte: „Ja. Wieso wollte sie es Brancus erzählen? Es war nichts gewesen.

    „Callanor sagte, wir sollen ihn wecken, wenn wir etwas sehen. Egal was."

    „Ich glaube, da war nichts."

    „In Miragar kann das glauben tödlich sein", sagte Brancus. Er stand auf und ging zu Callanors Zelt.

    „Du willst ihn doch nicht wirklich wecken." Doch Brancus reagierte gar nicht. Er öffnete das Zelt und kroch hinein. Nur einen Augenblick später kam er mit Callanor hinaus. Nadira wurde sich bewusst, wie viel länger sie gebraucht hatte, um wach zu werden. Selbst als sie wach gewesen war, hatte sie länger gebraucht, um aus dem Zelt zu klettern, als Callanor, um wach zu werden und das Zelt zu verlassen.

    „Ihr habt etwas gesehen?"

    „Es war nichts, sagte Nadira. „Er hat dich umsonst geweckt.

    „Ich will dieses Nichts sehen, sagte Callanor. „Wo war es? Nadira seufzte und zeigte es ihm. Callanor hatte weniger Hemmungen damit, sich auf den toten Boden Miragars zu legen und er hatte auch keine Hemmungen, Nadira zu sich herunter zu ziehen.

    Schweigend starrte er in die Dunkelheit. „Schnell, macht das Feuer aus, sagte er. „Schnell.

    Nadira sprang auf die Füße und eilte in das Lager hinunter. In Callanors Stimme hatte eine Dringlichkeit mitgeschwungen, die keine Widerrede erlaubte. Um das Feuer besonders schnell zu löschen, benutzt sie ihr Ashara. Das Feuer war erloschen, bevor sie es überhaupt erreichte.

    „Was ist los?, rief Brancus. „Was soll das?

    „Pssst, machte Nadira. „Callanor sagte, ich soll das Feuer löschen. Nadira wagte es nicht zu Callanor zurück zu gehen, also setzte sie sich und starrte in die Dunkelheit.

    Es dauerte lange, bis sie schließlich eine Bewegung im Schatten erkennen konnte. Nadira sprang auf. Brancus stand nach ihr ebenfalls auf, aber deutlich langsamer. Eine Gestalt trat neben sie.

    „Wir können hier nicht bleiben, sagte Callanor. „Weckt die anderen. Wir brechen das Lager ab.

    „Was ist da draußen?", fragte Nadira.

    „Nichts Gutes."

    ***

    Das Abbauen des Lagers ging noch wesentlich schneller als das Aufbauen. Callanor trieb sie an, sich zu beeilen. Er lies keine Ausreden, keine Verzögerungen zu. Niemand wusste, was eigentlich los war, und Callanor ging auch nicht auf Fragen danach ein.

    Während die anderen das Lager abbauten, verschwand Callanor immer wieder aus der Senke und beobachtete irgendetwas dort draußen. Dass er niemandem verriet, was dort lautere, verschlimmerte die Nervosität der anderen nur noch.

    Callanor blieb nie lange weg, aber er ging immer wieder und kam kurze Zeit später zurück und wurde immer hektischer. In der Dunkelheit war es nicht einfach, die richtigen Handgriffe zu machen, selbst wenn man sie schon gewöhnt war.

    Als sie das Lager endlich abgebaut hatten, scheuchte Callanor sie auf ihre Pferde und führte sie aus der Senke. Er benutzte denselben Weg, auf den sie am Abend zuvor hineingeritten waren. Nadira war sich sicher, das er eigentlich die andere Richtung hatte einschlagen wollen, tiefer hinein in die Ödländer von Miragar. Aber er hatte etwas entdeckt, das ihn so sehr beunruhigt hatte, dass er einen anderen Weg einschlug.

    Links neben ihnen wuchsen die Schatten der Tokarberge in die Höhe, rechts lag das Meer aus Dunkelheit, das wie ein schwarzer Spiegel wirkte, komplett flach und bis zum Horizont reichend. Sie waren etwa eine Stunde unterwegs, als weit, weit rechts von ihnen, der Himmel anfing, ein wenig heller zu werden. Der Anblick beruhigte Nadira ein wenig, die Sonne ging auf, bald würde es hell sein. Am Tage würden sie alle die Gefahr sehen können, vielleicht verschwand sie dann sogar ganz.

    Der Sonnenaufgang in Miragar war aber nicht mit dem Sonnenaufgang zu vergleichen, den Nadira aus Alluria kannte. Während die Sonne in Alluria die Welt lebendig erscheinen ließ, sie in ein freundliches Licht tauchte, das das Erwachen eines neuen, freundlichen Tages ankündigte, war es hier ganz anders. Das Licht, das langsam über dem Land aufstieg, wirkte überhaupt nicht warm und freundlich. Es war, als wäre das Licht in Miragar krank. Die Wolkendecke über dem Land schien alle warmen Farben aus der Sonne zu filtern. Übrig blieb ein blasses, kränkliches Licht, das kaum gegen die Dunkelheit ankam.

    Eine weitere Stunde verging, ehe die Dunkelheit endlich wich. Nadira hatte das Gefühl, dass es sich um einen Kampf der geschwächten Sonne gegen den starken Schatten handelte, und dass es vollkommen unklar war, wie dieser Kampf ausging. Diesmal hatte die Sonne gewonnen, aber würde sie es morgen auch noch tun? Was würde passieren, wenn die Sonne verlor? Würde die Dunkelheit Miragar dann komplett verschlingen?

    Obwohl die Sonne jetzt vollständig aufgegangen war, war das Land immer noch düster, ein Land der ewigen Dämmerung. Ein Land, in dem das Licht so schwach war, dass es nicht mehr als eine Dämmerung im Kampf gegen die Dunkelheit herausschlagen konnte.

    Nadira suchte die staubige Ebene rings um sich herum nach Anzeichen von Gefahr ab. Aber abgesehen davon, dass sie sich in einer scheinbar unendlichen Ebene befanden, in der es nichts gab, außer Staub, konnte sie nichts entdecken. Das Land selbst war schon gefährlich genug, aber hier gab es noch schlimmere Gefahren.

    Als Nadira bemerkte, dass sich die Tokar Berge jetzt wieder in ihrem Rücken befanden, erkannte sie, dass Callanor sie in einem weitem Bogen geführt hatte. Der Bogen musste sehr weit gewesen sein, denn Nadira hatte davon nichts mitbekommen. Oder war es dieses Land, das kaum Orientierung erlaubte? Nadira schauderte.

    „Wohin reiten wir überhaupt?" Seit sie los geritten waren, hatte niemand mehr etwas gesagt. Es fiel Nadira nicht leicht, diese Stille zu brechen, aber es war ihre Mission und sie sollte zumindest wissen, was ihr Ziel war.

    „Habt Ihr die Lichter gesehen, heute Nacht?"

    „Ja", sie hatte sie gesehen, aber sie war sich bis eben nicht sicher gewesen, ob sie wirklich existiert hatten oder nur in ihrer Einbildung.

    „Vermutlich ist es ein Dorf. Ich versuche, es zu finden. In Gesellschaft anderer Menschen sind wir sicherer."

    Nadira spürte, dass Callanor etwas verschwieg, etwas über die Lichter, über die Menschen. „Und vor was laufen wir davon?"

    „Ich weiß es nicht, sagte Callanor. Aber sein nervöser Blick, mit dem er die Ebene absuchte, sagte Nadira, dass er nicht die volle Wahrheit sagte. „Und ich will es nicht herausfinden, sagte Callanor dann kurzer Zeit später, aber viel leiser.

    Er hatte Angst. Er hatte Angst vor dem, was da draußen war. Was war los in diesem Land, dass ein Mann wie Callanor Angst hatte? Sicher, auch erfahrene und tapfere Menschen hatten Angst. Sicher hatten auch Callanor und die anderen Krieger Angst gehabt, als sie von den Wölfen gejagt worden waren, aber das hier war etwas anderes. Im Moment herrschte keine direkte Bedrohung, trotzdem war die Angst fast greifbar.

    ***

    Gegen Mittag entdecke Nadira vor sich dunkle Flecken in der Landschaft. Sie konnte nicht erkennen, um was es sich handelte, aber für Menschen waren sie zu groß. Sie hatte den Eindruck, dass sie gar nicht weit weg waren, vielleicht zwei Meilen. Wieso hatte sie sie jetzt erst bemerkt? Und WAS hatte sie da überhaupt bemerkt?

    „Es ist ein Dorf, sagte Callanor. Er schien sich wieder ein wenig entspannt zu haben. „Hoffentlich sind wir willkommen.

    Sie hielten direkt auf das Dorf zu, auch wenn es für Nadira nach wie vor nur eine Ansammlung dunkler Flecken war. Obwohl sie direkt darauf zu ritten, hatte sie das Gefühl, dass es einfach nicht näherkam. Entfernungen waren in diesem seltsamen Land wirklich schwierig

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