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Kreatives Kapital - oder aus welchem Stoff Innovationen sind
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eBook368 Seiten4 Stunden

Kreatives Kapital - oder aus welchem Stoff Innovationen sind

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Über dieses E-Book

"Kreatives Kapital" erzählt die erkenntnisreichen, spannenden und oft verrückten Geschichten von Erfindern, Tüftlern und Visionären und entwickelt daraus das Modell des Kreativen Kapitals. Erzählerisch führt das Buch quer durch die Geschichte von der Steinzeit in die Zukunft, immer auf der Suche nach kreativen Personen und ihren Erfolgsstrategien. Der Schlüssel zu kreativer Leistung schlummert dabei oft in der spezifischen Gestaltung von Kooperation und Kollaboration, also in der gelingenden Passung von Ego und Öko. "Kreatives Kapital" erzählt nicht nur die Geschichten Kreativer, sondern verdichtet sie mit Forschungsbefunden zu pragmatischen Ansätzen und Interventionen. Das Themengebiet des Buches ist die Kreativität und berührt dabei die Bereiche: Team, Lernen, Digitalisierung, Motivation, Management, Flow und Glück - und das gleichermaßen kurzweilig wie wissenschaftlich fundiert.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum19. Jan. 2020
ISBN9783750221246
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    Buchvorschau

    Kreatives Kapital - oder aus welchem Stoff Innovationen sind - Stefan Bornemann

    Inhaltsübersicht

    Was Charles Darwin, Konrad Zuse und Nikola Tesla gemeinsam haben      4

    1 Innovation und Arbeit      12

    1.1. Von Bernulf dem Jäger bis zu Frederick dem Strukturierer      12

    1.1.1 Wie Jäger und Sammler effektiver wurden      12

    1.1.2 Der Boden ernährt uns: die Agrargesellschaft      15

    1.1.3 Neue Technik, neue Märkte und neue Macht im Mittelalter      19

    1.1.4 Die Industrialisierung nimmt Dampf auf      28

    1.2 Arbeit mit Wissen      36

    1.2.1 Herrschaft durch Wissen      38

    1.2.2 Selbstständige Projektarbeiter und Floating-Floors      41

    1.3 Zwischenfazit: Zeitgeist und das WIE des Miteinanders      44

    Exkurs: Der Fokus der Zukunft      46

    Katalysator 1: Datenbasierte Dienste!      56

    Katalysator 2: Industrie 4.0!      63

    Katalysator 3: Künstliche Intelligenz!      68

    Katalysator 4: Health and Life!      71

    Katalysator 5: Bildung!      77

    Kompetenzprofil: Kreative der digitalen Transformation      80

    2. Kreativität in einer sich wandelnden Arbeitswelt      84

    2.1 Kreativität als wissenschaftliches Phänomen      84

    2.2 Die kreative Situation      97

    2.3 Der kreative Prozess      102

    2.4 Das kreative Team      106

    2.5 Modell: Kreatives Kapital      111

    2.6 Innovation als Ergebnis von Kreativität      119

    3 Kooperation und Kollaboration      130

    3.1 Kooperation in der Natur      130

    3. 2 Psychologie der Kooperation      132

    3.3 Der Unterschied zwischen Kooperation und Kollaboration      139

    3.3.1 Das Ziel der Nonsummativität      144

    3.4 Mechanismen der Kollaboration      146

    3.4.1 Das Folgen von Idealen und Werten      147

    3.4.2 Erreichen einer Leistungssteigerung      151

    3.4.3 Erlangen persönlicher Vorteile      153

    3.4.4 Das Erzeugungssystem kollaborativer Zusammenarbeit      156

    4 Strukturen und Prozesse Kreativer Arbeit      158

    4.1 Die Arbeitsphasen kreativer Teams      160

    4.1.1 Erkunden      169

    4.1.2 Durchdringen      171

    4.1.3 Generieren      174

    4.1.4 Entscheiden      177

    4.1.5 Entwickeln      180

    4.2 Handlungsfelder Kreativer Arbeit      182

    4.2.1 Kreative Arbeit und Organisation      182

    4.2.2 Kreative Arbeit und Person      185

    4.2.3 Kreative Arbeit und Performanz      192

    4.2.4 Kreative Arbeit und Führung      202

    Exkurs: Die Entwicklung der deutschen Computermaus      207

    5. Gestaltung des Kreativen Kapitals      217

    5.1 Design kreativer Prozesse      222

    5.3 Epilog: Warum man vom kleine-Brötchen-backen nicht satt wird      230

    Literatur      235

    Abbildungsverzeichnis      241

    Tabellenverzeichnis      241

    Stichwortverzeichnis      242

    Personenregister      242

    Was Charles Darwin, Konrad Zuse und Nikola Tesla gemeinsam haben

    Die Kutsche holpert über den gepflasterten Kai des britischen Marinestützpunktes Devonport. Der einzige Fahrgast ist ein junger Student, der noch nicht weiß, ob er die Natur erforschen oder Geistlicher werden will. Er schaut wie gebannt nach draußen. Jetzt tauchen die ersten beiden Masten der 10-Kanonen-Brigg aus dem Nebel auf. Da war sie. Das Schiff, auf dem er in wenigen Stunden als unbezahlter Naturforscher eine zweijährige Reise zur Vermessung von Küstenlinien antreten würde. Was der in Shrewsbury geborene Student aus Cambridge in seiner Kutsche noch nicht ahnt, die Reise wird fünf Jahre dauern und die Frage seiner beruflichen Zukunft in den Hintergrund treten lassen. Die lange Fahrt der HMS Beagle und die Orientierungslosigkeit des jungen Forschers werden vielmehr der Ausgangspunkt einer Erschütterung der viktorianischen Gesellschaft und der restlichen Welt sein. Sein Name: Charles Darwin. Seine kreative Leistung: Die Entwicklung der Evolutionstheorie. Nach drei Jahren der Reise mit der Beagle bestieg Darwin auf der Insel Floreana, eine der Inseln des Galápagos Archipels, einen Hügel und betrachtete die fruchtige Vegetation. Im Laufe seiner Reise sah er Finken mit unterschiedlichen Schnäbeln, Riesenschildkröten, deren Panzer sich der jeweiligen Umgebung angepasst hatten, er hielt die Knochen eines längst ausgestorbenen Riesenfaultiers in der Hand und nun kam ihm der Geistesblitz, die Heureka-Situation. Nun war ihm alles klar: Die natürliche Auslese sorgt dafür, dass immer die am besten angepassten Spezien überleben. Nicht Gott schafft die Lebewesen, die Welt entwickelt sich durch Evolution! Das schrieb er auf und veränderte die Welt. Ein Genie! Aber so war es nicht!

    Überhaupt nicht. Es dauerte vielmehr 20 Jahre und es bedurfte der empirischen Befunde von Lyell, von Gould, von Owen, es benötigte die Ideen seines Großvaters Erasmus, das gute Zureden von Hooker, den zeitlichen Druck von Wallace und die verbale Brillanz von Huxley. Erst die kumulative Kraft dieses kreativen Feldes führte schließlich zu der Erkenntnis die Darwin berühmt machen sollte, die Evolutionstheorie. Darwin verdichtete das Wissen zu einer konsistenten Theorie. Funktioniert so Innovation? Brauchen wir einen Verdichter und jede Menge Zeit?

    Zweites Beispiel. Zweite Kreativitätsstrategie.

    Draußen knallen marschierende Stiefel auf Kopfsteinpflaster. Jemand brüllt Kommandos. Die Geräusche dringen aber nur dumpf in das Wohnzimmer der Wohnung in Berlin-Kreuzberg und treffen bei dem 28jährigen frischgebackenen Ingenieur auf wenig Beachtung. Der junge Tüftler bleibt unverändert auf das kleine Metallblättchen vor im fokussiert, dann setzt er seinen nur wenige Jahre vorher erfundenen elektrischen Lötkolben erneut an und punktiert das Blättchen zielsicher an zwei Stellen. Wieder ein Relais fertig. Das war das siebenundfünfzigste manuelle Relais, gefeilt aus dünnen Blechen. 600 werden es bestimmt. Die Tür geht auf: Konrad. Ich hab dir ein paar Brote gemacht. Nicht jetzt Mutter! Das war wohl etwas zu schroff. Schließlich kann man nicht unbedingt erwarten, dass Eltern ihren Sohn, dem sie gerade so das Studium ermöglichen konnten und der dann eine feste Stellung bei den Henschel Flugzeugwerken ergattern konnte, ihm nun, nach seiner plötzlichen Kündigung ihr Wohnzimmer zur Verfügung stellen, nur weil dieser fest entschlossen ist, die beste Rechenmaschine der Welt zu bauen. Nicht nur irgendeine, sondern eine vollautomatische, programmierbare Maschine. Genau das war sein Plan. Seitdem tüftelt er an einem binär arbeitenden Gleitkommarechenwerk und schneidet tausende von Blechen zurecht, feilt Stifte, baut Federn ein und schraubt an einer mechanischen Maschine, die am Ende aus 30.000 Einzelteilen bestehen wird. Sein Name: Konrad Zuse. Seine kreative Leistung: die Entwicklung des ersten programmierbaren Computers.

    Zuse erkennt ein Problem und schafft eine technische Lösung, um repetitive Aufgaben zukünftig ohne unnützen Verbrauch von Humanressourcen zu erledigen. Zuse verstand von Anfang an Rechenoperationen nicht nur als Verarbeitung von Zahlen, sondern als die Verarbeitung von Zahlen, Namen, Daten, Befehlen und Schlussfolgerungen. Aus vorhandenen Angaben will er nach einer bestimmten Vorschrift neue Angaben bilden. Das ist Rechnen! Heute spricht man von Objekten mit Eigenschaften. Zuse dachte schon damals über das pure Zahlenrechnen hinaus und beschrieb Objekte inklusive deren Variabilität. So ist eine Zahl 2-fach variabel (1 und -1), eine Dezimalzahl 10-fach (1,0 / 1,1 ... 1,9) und die Angabe der Fachzugehörigkeit eines Studierenden an der Technischen Hochschule Berlin-Scharlottenburg 8-fach (weil es an der Hochschule acht Fachbereiche gibt). Der richtige Gedanke, wenn man komplexe Aufgaben in basale Teilschritte zerlegen will. Der junge Ingenieur schickt sich an im Wohnzimmer seiner Eltern in Berlin eine geistige Großtat zu vollbringen. Dafür kündigte er seine Stellung, überzeugte seine Eltern und motivierte zahlreiche Helfer. Es wird ihm gelingen. Ein kleiner Ingenieur aus Deutschland wird im Alleingang den Amerikanern und allen anderen bei der Erfindung des Computers ein paar Nasenlängen voraus sein.

    Dann hängt Innovation also doch mit dem individuellen Können eines Genies zusammen, der lediglich Raum, Zeit und Unterstützer benötigt, um kreative Durchbrüche zu erreichen? Schaut man bei Zuse genauer hin, dann steht auch dieser zweifelsohne große Denker auf den Schultern deren, die wichtige gedankliche Vorlagen lieferten. Im Falle des Computers ist es das binäre Zahlensystem von Gottfried W. Leibniz. Dieser wiederum konnte auf Gedankenspiele anderer Mathematiker wie Thomas Harriot oder den Arbeiten des spanisch-italienischen Bischoffs Giovanni C. y Lobkowitz im 17. Jahrhundert zurückgreifen. Die Ursprünge des Binärsystems liegen wohl bei dem chinesischen Gelehrten und Philosophen Shao Yong. Ist Innovation also immer das Ergebnis einer Kette von Teilinnovationen? Liegt dem Neuen immer eine unsichtbare Kollaboration zu Grunde?

    Dritte Kreativitätsstrategie: Ein großer Visionär.

    Seit er 1882 in Budapest als Telegrafenamtstechniker bei einer der europäischen Repräsentantenfirmen von Thomas Edison arbeitete, wollte er den großen Erfinder kennenlernen. Denn seit er sich mit der Gramme-Maschine, einem neuartigen Gleichstromgenerator während seines Studiums an der Technischen Hochschule in Graz beschäftigte, tüftelt er an einer Idee. Ein Magnet rotiert in einer Spule und wechselt damit nach einer Bewegung von 180 Grad automatisch seine Polarität. Damit wechselt der Strom regelmäßig von Plus nach Minus und die Spannung lässt sich wechselseitig abgreifen. Mit anderen Worten: die elektrischen Teilchen bewegen sich nicht gleichförmig, sondern sie Wechseln die Fließrichtung. Dadurch kann ein so genanntes Drehfeld erzeugt und damit direkt Motoren angetrieben werden. Zumindest in der Vorstellung des jungen Physikstudenten. Seine Idee Motoren durch wechselnde Magnetfelder anzutreiben, verulkte sein damaliger Physikprofessor mit der höhnischen Bemerkung, dass sei ja ein Perpetuum Mobile. Doch so ein genialer Denker wir Edison, der werde das verstehen, davon war der junge Telegrafenmechaniker, der nie sein Studium abgeschlossen hatte, überzeugt. Was er damals nicht ahnte war, dass Edison gar kein Denker war, er war ein Tester. Edison probierte und probierte bis es klappt. Im Gegensatz zu unserem jungen Mechaniker, der war in der Lage, sich eine technische Lösung vorzustellen und baute sie dann einfach nach. So jemanden wie ihn werde Edison gut gebrauchen können. Sein Name: Nikola Tesla. Seine Leistung: Die Idee, Motoren mit rotierenden Magnetfeldern anzutreiben. Mit seiner Idee und seinem Selbstbewusstsein machte sich Tesla fast mittellos von Europa auf den Weg nach New York, um Edison kennenzulernen. In der Tasche hatte er ein Empfehlungsschreiben eines der Firmenvertreter Edisons in Paris. Auf dem Schiff zur USA verlor er sein Geld, viele seiner persönlichen Dokumente und wäre fast bei einer Meuterei ums Leben gekommen. Doch nun stand er 1884 im berühmten Menlo-Park in New Jersey, überall wurde an elektrischen Geräten, an Kabeln und an Glühbirnen gearbeitet. Eine Wunderland für den technikverrückten Tesla. Edison hatte in Lower Manhattan um die Pearl-Street-Station ein ganzes Stadtviertel mit Strom versorgt - durch das erste Gleichstromkraftwerk der Welt. Edisons hatte mittlerweile einen Großteil seiner Aktivitäten nach New York verlegt. Völlig geschafft von der gefährlichen Reise, aber förmlich elektrisiert von der bevorstehenden Begegnung mit Edison, überreichte Tesla dem großen Erfinder sein Empfehlungsschreiben. Edison las die Worte des Briefes: „Ich kenne zwei große Männer. Der eine sind Sie, mein lieber Edison und der andere ist eben dieser junge Mann. Edison stellte Tesla kurzerhand ein und übertrug ihm eine schwierige Aufgabe, die Reparatur eines auf einem Schiff installierten Generators. Tesla durchschaute das Gerät schnell und schaffte die Aufgabe mit Bravour. Nun wollte er die Gelegenheit nutzten und Edison von seinem Wechselstromgenerator überzeugen. Zu unsicher sei diese Art von Strom, der berühmteste Erfinder Amerikas lehnte ab. Er versprach Tesla allerdings 50.000$ für die Lösung einer weiteren kniffligen Aufgabe. Enttäuscht von dem Misserfolg machte er sich an die neue Aufgabe. Als Tesla auch diese Aufgabe erfüllte, behauptet Edison, sein Versprechen, er bekäme 50.000$, sei ein Scherz gewesen. Er müsse sich an amerikanischen Humor gewöhnen. Daraufhin verlässt Tesla Edisons Firma. Nun steht er wieder an einem Neuanfang. Doch das schreckt Tesla nicht. Denn er steht ja nicht mit leeren Händen da, er hat eine Vision. Die Vision, die ganze Welt mit Strom zu versorgen, mit Wechselstrom. Visionäre benötigen meist Menschen, die bereit sind, Mittel bereitzustellen, um die Vision umzusetzen. Tesla fand diese Unterstützer in Alfred S. Brown und den Anwalt Charles F. Peck von der Western Union und später, als diesen der finanzielle Atem aus ging, in dem Großindustriellen Georg Westinghouse. Mit Westinghouse entwickelt Tesla sein System des Wechselstroms und es entsteht das was als „Stromkrieg in die Geschichte einging. Edison führte eine Marketingkampagne gegen den „Todesstrom" und bewies die Gefahr durch Wechselstrom indem er Tiere mit Stromschlägen tötete - überliefert sind Filmaufnahmen eines durch Strom getöteten Elefanten. Der Höhepunkt Edisons Kriegszug war seine Empfehlung mit Wechselstrom einen verurteilten Mörder hinzurichten, was auch geschah. Die Stimmung in der Bevölkerung ist zwar durch Edison geprägt, jedoch liegen die zentralen Vorteile des Wechselstroms auf der Hand, nämlich die Möglichkeit den Strom über weite Distanzen ohne große Spannungsverluste zu transportieren. Edison muss mit seinem Konzept des Gleichstroms alle paar Kilometer eine neue Travostation aufbauen. Schließlich erhält die Westinghouse Company den Auftrag, die Niagarafälle für die Stromgewinnung zu nutzen. Entschieden wird der Stromkrieg dann durch den staatlichen Auftrag, die Weltausstellung 1893 in Chicago zu beleuchten. Teslas Vision wird Wirklichkeit als am 1. Mai  Präsident Grover Cleveland die Weltausstellung eröffnet und das gesamte Gelände von tausenden Glühbirnen (nicht jenen von Edison) beleuchtet wurde.

    Ist das der Funktionsplan der Innovation? Jemand mit einer Vision und der Kühnheit diese realisieren zu wollen in Kombination mit jemanden, der die Mittel und den Wille hat, die Vision zu finanzieren? Also bedarf es für das Neue einer glasklaren Vision und einer Person, die gegen alle Widerstände, fast selbstzerstörerisch, diese Vision unterstützt? Diese Antwort ist etwas zu einfach. Aber wir sind damit schon nah an dem Schlüssel zu Kreativität und Innovation. Denn die drei Beispiele erzählen drei gleichermaßen unterschiedliche wie auch gültige Geschichten der Kreativität:

    Zeit und Geduld!

    Fähigkeiten und Genie!

    Vision und Durchsetzungsvermögen!

    Die Antwort auf die Frage was Kreativität konkret bedeutet fällt uns viel leichter als die Frage nach den Quellen der Kreativität. Kreativität ist das Produkt eines langen evolutionären Prozesses und findet seinen Ausdruck in der Fähigkeit aus Chaos Ordnung zu schaffen, vorhandene Informationen zu verarbeiten, einzuschätzen und daraus überlebenswirksame Verhaltensmuster zu entwickeln. Wenn das gelingt, dann können wir eine noch nie erfahrene Situation meistern. Diese Definition ist relativ unumstritten. Aber wie kommen wir dahin? Wie entsteht Kreativität?

    Die drei vorgestellten Wege zum kreativen Erfolg können kaum unterschiedlicher sein und doch sind durch kreative Leistungen vollbracht worden. Kreative erklären die Welt, andere Kreative verbessern sie und wieder andere Kreative erfinden eine völlig neue Welt. Was bedeutet das für Kreative Arbeit? Ist Kreative Arbeit eng an den Handlungsstil einer einzelnen Person gebunden und somit mit dieser Person gleichzusetzen? Ist Kreativität damit eigentlich nicht extern oder bewusst zu gestalten? Bleibt uns nichts anderes übrig als auf das kreative Genie zu vertrauen? Die Antwort lautet: Nein! Es gibt annähernd bestimmbare übergeordnete Strukturmerkmale von Kreativität, mit denen wir Kreative Arbeit gestalten können und mit denen wir das Kreative Kapital eines Vorhabens einschätzen können. In der vorliegenden Beschreibung von Kreativität und in den Geschichten kreativer Persönlichkeiten und innovativer Produkte wird deutlich, dass Kreatives Kapital neben den individuellen Fähigkeiten und der materiellen Ausstattung auch von der Passung der beteiligten Personen und dem situativen Design abhängen, es steht zudem in einem engen Nexus zu dem gesellschaftlichen und unternehmerischen Milieu – und nicht zuletzt hängt kreativer Erfolg von der motivationalen Frage des ethischen Imperativs ab. Kreatives Kapital ist das Gesamt an förderlichen Rahmenbedingungen, die für das Entstehen von Kreativität bedeutsam sind. Die zentrale Frage, die mit dem Modell des Kreativen Kapitals beleuchtet werden soll, ist daher:

    Lassen sich Anzeichen für kreativen Erfolg diagnostizieren?

    Kreativität ist kein schwammiges Phänomen, welches sich kaum fassen lässt und irgendwann, irgendwo und irgendwie passiert. Die Handlungsebene der Kreativität, die Kreative Arbeit, lässt sich zumindest bis zu einem annähernden Grad definieren und damit förderliche Umweltbedingungen kultivieren und kreative Prozesse beschreiben. Und doch steht die Qualität kreativer Arbeit immer auch in einem engen Verhältnis zu einem bestimmten Sinngeber. Diese Person ist kein sagenumworbenes Genie, sondern ein Prozessgestalter und ein Team-Genie. In diesem Buch werden die gestaltbaren Rahmenbedingungen für das Entstehen von Kreativität herausgearbeitet und mit konkreten Interventionsstrategien handhabbarer gemacht.

    Was haben nun Charles Darwin, Konrad Zuse und Nikola Tesla gemeinsam? Alle drei sind jung und unerfahren und dadurch draufgängerisch. Darwin hinterfragt die göttliche Ordnung, Zuse kündigt in unsicheren Zeiten seine sichere Arbeitsstelle und Tesla kümmert sich nicht darum was die anderen sagen. Ältere und Erfahrenere würden sie vielleicht sogar als blauäugig bezeichnen. Das was wir bei Darwin, Zuse und Tesla beobachten können ist jedoch vielmehr eine zentrale Eigenschaft kreativer Personen: Ambiguitätstoleranz – die Fähigkeit also, mehrdeutige Situationen und widersprüchliche Handlungen zu ertragen und mit der Unsicherheit einer unkontrollierten Situation umzugehen. Aber das allein macht sie noch nicht zu Kreativen. Denn vor allem eint sie eines und unterscheidet sie von vielen anderen: Diesen drei Kreativen ist es gelungen, das für sie förderliche Umfeld und die für sie förderlichen Unterstützer zur Freisetzung ihrer individuellen Kreativität zu finden und zu gestalten. Das ist die zentrale Erkenntnis aus 150 Jahren wissenschaftlicher Kreativitätsforschung: Nicht das Genie einer singulären Person ist entscheidend für Innovation, sondern das Konstruieren eines kreativitätsfördernden Umfeldes zur Freisetzung kollaborativer Kreativität. Wenn das gelingt, dann ist, wie der Kreativitätsforscher Olaf-Axel Burow (1999, 2015) betont, mit dem richtigen Team und in dem richtigen Feld jeder in der Lage, kreative Leistungen zu vollbringen. Und darum wird es in diesem Buch gehen: um die Konstruktion kreativitätsförderlicher Umgebungen und um das Ausschöpfen kollaborativer Kreativität.

    Kreatives Kapital erzählt die Geschichten von zahlreichen kreativen Personen und analysiert ihr kulturelles und interpersonales Umfeld. Wir erfahren, warum diese Personen kreativ wurden und wie sie es machten. Es wird deutlich, dass diese Kreativen selten Ausreißer oder Überflieger sind. Es sind vielmehr Kreative, die es schaffen, die Innovationskraft von miteinander arbeitenden Menschen zu bündeln und die Gruppe in einen Flow zu bringen. So z.B. Rainer Mallebrein, der 1968 bei AEG-Telefunken in Konstanz eine erste Computermaus entwickelt hat. Eine weitere Geschichte erzählt vom Aufkommen der Kaffeehauskultur in Europa und welches Strukturmerkmal der Kreativität dahinter steht. Wir lassen uns von einer unbekannten, einer ethischen Seite von Rudolf Diesel überraschen und erfahren, dass gerade Diesel die Nachhaltigkeit der Umwelt von Anfang an im Blick hatte. Wir begleiten den Franziskanermönch Berthold dabei, wie gerade dieser Gottesmann vermeintlich das Kriegshandwerk disruptiv effizienter machte. Erkenntnisreiche Details für das Bestimmen förderlicher Rahmenbedingungen eröffnet uns auch die Geschichte des Computers von Baggage über Zuse bis hin zu google. Spannend daran: es ist auch eine Geschichte der übersehenen Chancen. Wir schauen, welche Herausforderungen die digitale Transformation für Kreative Arbeit bereithält und was die Propheten des Silicon Valleys dazu denken. Wir erkennen die Erfolgsstrategie von Steve Jobs. Diese Geschichten und Analysen werden zum Modell des Kreativen Kapitals verdichtet, welches als Handlungsschablone für die Gestaltung Kreativer Arbeit dienen kann. Ziel des Buchs ist die Entwicklung konkreter Orientierungsmerkmale für Führungskräfte, Teamleiter und Entrepreneure, um Kreative Arbeit zu initiieren und zu gestalten.

    Kapitel 1: Wie verändert sich Kreative Arbeit in einer sich stetig entwickelnden Welt?

    Kapitel 2: Was ist das Kreative Kapital und wie können wir es nutzen?

    Kapitel 3: Was sind die neuralgischen Eckpunkte kreativer Kooperation?

    Kapitel 4: Was sind die Faktoren und Handlungsfelder Kreativer Arbeit?

    Kapitel 5: Wie können wir unser Kreatives Kapital ausschöpfen und gestalten?

    1 Innovation und Arbeit

    1.1. Von Bernulf dem Jäger bis zu Frederick dem Strukturierer

    1.1.1 Wie Jäger und Sammler effektiver wurden

    Bernulf war in seiner Sippe als der beste Jäger angesehen und geachtet. Doch er war nicht der Anführer. Geführt wurde Bernulfs Sippe, die immerhin aus fast 30 Steinzeitmenschen bestand, von einem älteren und erfahrenen Mann. Alle verließen sich auf sein Erfahrungswissen und seine besonnene Führungskraft. Bernulf war aber unbestritten der erste Jäger. Er teilte die Gruppe in Töter und Treiber. Töter wurden die, die am besten mit Pfeilen und Speeren umgehen konnten. Nicht die Kraft war hierbei entscheidend, sondern die Zielgenauigkeit. Bernulf berief daher in sein Jagdteam auch Frauen. „Jagende Frauen", sagt die Paläoanthropologin Miriam Haidle, sind weltweit ethnographisch von der Polarregion, Afrika, Amerika bis hin zu Australien belegt. Eine urzeitliche Jagdgruppe ist ein ideales Beispiel für menschliche Kooperation. Durch die Aufteilung in bestimmte Teamrollen konnten die Urzeitjäger ihren Sinn für Zusammenarbeit zu einer Stärke umformen, um Tiere zu jagen, die nur schwer von einem einzelnen Menschen erlegt werden konnten. Die Tiere waren in der Regel stärker und schneller als ein Mensch. Bernulf und seine Jagdgruppe beobachteten daher die Wege der Tiere, hoben an bestimmten Stellen Gruben aus und brachten spitze Baumstämme an. Hier sollten die Tiere auf ihrer Flucht hineinstürzen. Damit die Gefahr für die Tiere nicht zu erkennen war, verhüllten sie die Grube mit Ästen und Zweigen. Entscheidend war der Ort der Falle. Er musste so gelegen sein, dass es nur einen Weg für die flüchtenden Tiere gab. Beispielsweise eine Verengung in einer Schlucht. Gemeinsam versuchte die Horde dann Tiere in die Grube zu treiben. Gelang dieses, so hatten sie für Wochen oder gar Monate Nahrung und konnten sogar mit anderen Stämmen Handel betreiben. Denn die Jagd auf Großwild diente nicht nur der Nahrungsversorgung, aus den Knochen konnten Werkzeuge oder Flöten hergestellt werden. Die Felle dienten als Bekleidung und wurden für Zelte und Tragetaschen genutzt. Aus den tierischen Sehnen konnten Bögen gebaut werden und sie wurden zum Nähen der Fellteile benutzt. Kreativität zeigte sich bei Bernulf und seiner Sippe darin, den richtigen Jagdort und Zeitpunkt zu erkennen und aus dem was das erlegte Tier bot, sinnvolle Dinge zu formen, die das Überleben sicherten und den Alltag verbesserten.

    Nicht sesshafte Menschen bezeichnet man nach den Werkzeugen, die sie benutzten. Die Steinzeitgesellschaft bearbeitete gefundenes Material wie Holz oder Stein und sie bauten daraus Speere und Schlagwerkzeuge. Später verfügten die Menschen über Kupfer-, Bronze- oder Eisenverarbeitungskenntnisse. Die Menschen dieser Epochen waren abhängig von den Lebensbedingungen ihrer Umwelt. Um den Lebensstandard aufrecht zu erhalten, bewegten sich die Jäger und Sammler von einem Ort zum anderen. Das war mehrere zehntausend Jahre so. Die frühen Menschen fanden in Erd- oder Felshöhlen oder in einfachsten Unterständen aus Tierhaut und Astwerk eine Unterkunft. Sie lebten von dem, was die Natur ihnen bot: jagdbare Tiere, Früchte und Wurzeln. Das Überleben unter solchen Umständen war freilich schwierig und gefährlich. Kaum einer von ihnen wurde älter als 35 Jahre. Die Höhlen dienten als Wohnstätten nur solange, bis die nahen Jagdgründe nichts mehr hergaben oder das Wetter zu schlecht wurde. Dann zog die Sippe weiter. Die Besitztümer in Form von Kleidung, Werkzeugen, Schmuck und Waffen mussten daher transportiert werden. Die Erfindung von Rucksäcken war eine logische Konsequenz. Auch Ötzi, die Gletschermumie aus der späten Jungsteinzeit, wanderte mit einer Art Rucksack über die Alpen. Seine Kraxe, ein Tragegestell aus Holz, kann man im Archäologiemuseum in Bozen betrachten. Die Nutzung von Rollbalken und Schlitten, um Gegenstände und Personen zu transportieren zeigt, wie die Steinzeitmenschen die Umweltbedingungen nutzen, um ihr Überleben zu sichern. Das kreative Potenzial zogen die frühen Menschen aus ihren Lebensumständen als Jäger und Sammler. Ein wesentlicher Schritt für die Menschheit liegt darin, dass die Menschen nicht nur die vorhandenen Materialien ihrer Umwelt nutzten, sondern sie formten sie um, sie entwickelten eine neue Funktionalität. Die Optimierung des eigenen Lebens ist eine bis heute zentrale Triebfeder der Innovation. Eine überlebensförderliche und zentrale menschliche Eigenschaft ist daher: das Streben nach Verbesserung.

    Eine der wesentlichsten Verbesserungen der Lebensumstände ist die Entwicklung des Rades. Es überrascht also nicht, dass Räder etwa vor 5500 Jahren an verschiedenen Orten der Welt unabhängig voneinander entstanden sind. Man nutzte zum Transport einfache Wagen mit Holzrädern. Interessant ist vielmehr, warum manche Kulturen das Rad nicht erfanden (wie die Azteken) oder Räder aufgaben (wie im persisch-arabischen Raum). Diese Tatsache hängt oft von den klimatisch-geografischen Bedingungen ab. In manchen Gegenden eignen sich Lasttiere wie Kamele besser als Wägen. Kamele sind zudem genügsam und können im Gegensatz zu Maultieren weite Strecken ohne Nahrung zurücklegen. Meistens lohnt sich aber der Einsatz von Rädern. Archäologen haben Tongefäße mit entsprechenden Abbildungen sowie steinzeitliche Wagenradspuren gefunden. Inspiriert von den Rollbalken und den Schlitten, entwickelten die Menschen schließlich das Prinzip des Rad-Achsen-Aufbaus. So entstanden nach und nach Schlitten mit beweglichen Rädern. Einige Erfindungen der Steinzeit sind heute noch nahezu unverändert im Einsatz. Eines der ersten landwirtschaftlichen Werkzeuge war die Sichel, die bereits vor etwa 11.000 Jahren erfunden wurde. Sicheln bestehen auch heute noch aus einer geschwungenen Klinge mit Griff. Mit diesem Gerät ernteten die Bauern größere Felder. Die ersten Pfeilspitzen wurden aus Stein geformt und mit Pflanzenstricken befestigt. Die Bearbeitung von Stein war ein relativ einfacher und logischer Schritt. Menschen werden durch die sie umgebenden Materialien inspiriert, sie wollen diese Materialien nutzbar machen und sie verbinden unterschiedliche Materialien zu einer neuen Funktionseinheit.

    Die Entwicklung eines neuen Materials bedarf dagegen bereits einer ungeheuren intellektuellen Leistung. Ein solcher großer Schritt für die Menschheit war die Produktion von Eisen. Das Material regte die Kreativität der Menschen schon frühzeitig an. Bereits 3000 v.Ch. ist Schmuck aus Eisen gefunden wurden – allerdings unverhüttetes Meteroiten-Eisen. Die ersten Menschen, die den Schritt zur zielgerichteten Herstellung von Eisen vollzogen, waren 1400 v.Ch. die europäischen Hethiter. Ihnen gelang es Eisenerz (aus Stein) und Holzkohle zu verhütten. Ein gewaltiger Schritt für die Menschheit. Immerhin besteht 6% der Erde aus Eisen, das nun potenziell zur Nutzung bereit stand. Sie konnten bevorzugt Roteisenstein nur wenige Zentimeter unter der Erdoberfläche abbauen und

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