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Mo Morris und die Anti-CO2-Maschine
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Mo Morris und die Anti-CO2-Maschine
eBook407 Seiten5 Stunden

Mo Morris und die Anti-CO2-Maschine

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Über dieses E-Book

Nach "Mo Morris und der Supervirus" und "Mo Morris und der Staat der Flüchtlinge" kommt hiermit der dritte Teil der Mo Morris-Reihe heraus. Wie schon in den vorherigen Bänden wird ein aktuelles politisches Thema mit einer originellen Story verknüpft, die die Genregrenzen des Detektivromans sprengt. Ging es in den ersten beiden Büchern um einen großen Internetblackout sowie um die Idee eines UN-Flüchtlingsstaates (UN-Refugee-Nation), so wird in dem vorliegenden Band der Klimawandel und die Umwandlung von CO2 durch künstliche Fotosynthese thematisiert.
Der intuitionsbegabte Kriminologe, Universitätsdozent und Privatdetektiv Dr. Morton Morris erhält von dem Milliardär Ronan Donovan den Auftrag, einen Sabotageakt auf dessen vor Südengland ankernden Forschungsinsel "Aqua City" aufzuklären. Eine der 16 schwimmenden Plattformen, auf denen zur Unwandlung von CO2 geforscht wird, wurde auf die hohe See entführt und versenkt. "Mo" reist mit seiner Universitätskollegin Mary Kelly nach Aqua City und erhält nach ersten Komplikationen die Hilfe seines alten Bekannten und Rivalen, dem legendären Detektiv Tim Diamond. Er bildet ein bewährtes Team mit dessen Mitarbeitern Betty Cadena und Mickey King und erlebt auf der Suche nach den Auftraggebern der Sabotageakte eine Reihe von Abenteuern, die ihn unter anderem nach Schottland, Südfrankreich und Norwegen führen. Der Wissenschaftler Dr. Timothy Kelterwein und der mysteriöse Kapitän Linus Fredriksen bringen ihn auf die richtige Spur...
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum17. Juni 2021
ISBN9783753190730
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    Buchvorschau

    Mo Morris und die Anti-CO2-Maschine - Benedict Dana

    Prolog

    Figuren und Handlung sind frei erfunden. Mögliche Ähnlichkeiten zu lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig. Die schwimmende Forschungsinsel „Aqua City, die amerikanische Forschungsvereinigung „USSF und ein kriminelles Netzwerk von Exil-Irakern sind Fiktion.

    Das seltsame, surreale Gebilde, das sich vor seinem inneren Auge auftat, sah wie eine schwimmende künstliche Insel aus, die sich irgendwo auf hoher See befand. Ihre schwarzen Silhouetten verschwommen so sehr mit der tiefblauen Farbe des Meeres und dem Dunkel der beginnenden Nacht, dass sie nur gerade eben in ihren wesentlichen Formen zu erahnen war. Die kreisrunden, floßartigen Inselchen, die ringsherum durch stegförmige Verbindungen zu einer riesigen, sich in der Schwärze des Horizonts verlierenden Fläche verknüpft waren, erinnerten Morton an eine Tischdecke, bei der runde Stoffflächen zu einem kunstvollen Ganzen zusammengehäkelt worden waren. Die Rohre, die sich vom Zentrum der einzelnen Flächen in den Himmel streckten, ähnelten jedoch kaum einer ihm bekannten Form; sie waren zu kurz und zahlreich, um Fabrikschlote sein, und gingen mit den sie tragenden, schwimmenden Flächen eine so organisch und natürlich wirkende Verbindung ein, als ob sie die Rüssel oder Saugnäpfe einer riesigen, unbekannten Spezies von Seeungeheuer wären.

    Gerade in dem Moment, als er den Zweck der „Rüssel zu ahnen begann, spürte er etwas Warmes und Feuchtes, das sich von seinem Kinn bis zur Stirn mitten durch sein Gesicht zog. Das Gefühl war ihm zu vertraut, um ärgerlich darauf zu reagieren, denn es war nicht das erste Mal, dass ihn sein junger Cockerspaniel „Dr. Watson mit seiner schlabberigen Zunge aus einem tiefen Traumgeschehen in die unmittelbare Gegenwart der alltäglichen Wirklichkeit zurückgeführt hatte.

    Als er abrupt von seinem Liegesessel hochfuhr, hörte er zum ersten Mal das Scheppern und Rasseln der alten Türklingel. Sie gehörte zu den wenigen Dingen, die von dem großen Renovierungsfieber verschont geblieben waren, das im letzten Sommer endgültig geendet und das Gesicht des früher leicht heruntergekommen Hauses radikal verändert hatte. Er bereute es immer häufiger, dass er einen Teil der hohen Belohnung, die er vor anderthalb Jahren für die Aufklärung eines bedeutenden Falles erhalten hatte, in die Renovierung gesteckt hatte. Es könnte Jahrzehnte dauern, bis die besondere Patina, die das alte, an einen viktorianischen Stil angelehnte Häuschen einmal an sich gehabt hatte, wieder auf natürliche Weise entstanden sein würde.

    Er schob vorsichtig die Gardine zur Seite, damit der Besucher ihn nicht bemerkte, der draußen auf der Veranda vor der Haustür stand. Er seufzte erleichtert, als er seine alte Freundin und Universitätskollegin Dr. Mary Kelly erkannte, da ihm die Begegnung mit irgendjemand anderem unangenehm gewesen wäre. Er war viel zu aufgewühlt für irgendwelche unbedeutenden, trivialen Ablenkungen, da er seit einem Tag wusste, dass ihm ein wichtiger Auftrag ins Haus stand und damit neuen Abenteuern Tür und Tor geöffnet waren. Er blickte in den Spiegel, der neben der Tür an der holzverkleideten Wand des Arbeitszimmers hing, und glotzte für einen Moment erschrocken ein schlecht rasiertes, vom Schlaf aufgeschwollenes Gesicht und ein paar wild zerzauste, schwarze Haarschopfe an. Er hatte bei diesem Anblick genau das Bild des etwas chaotischen, unorganisierten Junggesellen vor sich, das er bei allen Begegnungen mit der so vernünftigen und disziplinierten Mary um jeden Preis zu verbergen versuchte. Das Spiel des ewigen sich Anziehens und Wieder-voneinander-Entfernens, ohne dass es jemals zu mehr als einer Freundschaft zwischen ihnen gekommen wäre, schien niemals enden zu wollen und ging in diesem Frühling mittlerweile in das sechste Jahr.

    Als er die Tür öffnete und Dr. Watson laut kläffend um die eintretende Mary herumtänzelte, blieb sie für einen Augenblick vor dem großflächigen, in der Diele an der Wand lehnenden Gemälde stehen. Es zeigte einen Berg mit einer Art Burg voller verschlungener Türme, Erker und Zinnen, aus der Lichtgestalten die Hände flehend in den Himmel streckten; ein mächtiger Lichtstrahl ging von dem Dach des fantastischen Gebäudes aus und ließ überall Lichtflocken über ein ödes, lediglich von einem See belebtes und mit lauter Computerschrott bedecktes Land nieder regnen.

    Die Bedeutung des Motivs ließ für sie beide keinen großen Interpretationsspielraum mehr zu, da das Gemälde durch seine Malerin Olivia Carrigan eine direkte Verbindung zu einem von Mortons letzten Fällen aufwies und seine tiefere Bedeutung zwischen ihnen mittlerweile ausdiskutiert war.

    „Ich finde, diese Carrigan ist eine echte Künstlerin. Du solltest das Bild rahmen lassen und ihm einen würdigen Platz in deinem Wohnzimmer verleihen", schlug Mary mit einem prüfenden Blick auf die Leinwand vor, durch den sie sich für einen Moment als Kunstkennerin zu erweisen schien.

    „Es wird bald erheblich Wichtigeres zu tun geben, als sich um solche Nebensächlichkeiten zu kümmern", erwiderte er bedeutungsvoll und schob sie ungeduldig durch die große, zweiflügelige Holzkassettentür, die den ganzen Schmuck der spärlich möblierten Diele bildete, in den Salon des Hauses hinein. Es war wie immer, wenn er sie entweder zufällig auf einem der Flure der kleinen Universität von Rutherford traf oder sie zu ihm nach Hause kam: Ihre Nähe schlug ihn in ihren Bann und der Anblick ihrer fein gelockten, langen rotbraunen Haare und ihres ungewöhnlich zarten Gesichts reihte sich in eine lange Kette eines tausend Mal enttäuschten und wieder neu angefachtem Begehrens ein.

    Es wird schon bald erheblich Wichtigeres zu tun geben? Was heißt das genau? Ist es etwa schon wieder geschehen? Hast du wie jedes Jahr mal wieder pünktlich zu Beginn der Semesterferien einen neuen Auftrag erhalten?", fragte sie mit einem ironischen Lächeln, während sie den Salon betrat.

    „Genauso ist es. Obwohl sich dieses Spiel auf unerklärliche Art jedes Jahr mit geradezu kosmischer Präzision zu wiederholen scheint, ist es kein Hexenwerk. Es liegt wohl ganz einfach daran, dass der Beginn der Sommersemesterferien auf den Mai fällt und für viele der Frühling die geeignete Zeit für den Start neuer Aktivitäten ist."

    Er wies ihr einen Platz auf einem der beiden alten Ledersofas zu, die sich an einem langen Couchtisch gegenüberstanden und zusammen mit den übrigen, vorwiegend antiken Möbeln eine anheimelnde Gemütlichkeit ausstrahlten. Eine alte Standuhr, ein mit einem weißen Marmorsims eingefasster Kamin und ein polierter Edelholzschreibtisch ergaben zusammen mit den prall gefüllten Bücherregalen, die im hinteren Teil des Raumes bis zu der außergewöhnlich hohen, mit Stuckornamenten verzierten Decke reichten, das Bild eines altmodischen Salons, das Mortons etwas spleenigem Hang zur Kultur seiner englischen Vorväter geschuldet war. Blickte man durch die großen, bodenlangen Sprossenfenster in den üppig bepflanzten Garten hinaus, hätte man meinen können, in einem englischen Landhaus zu sein. Dabei befand sich das Haus natürlich wie immer in dem kleinen New Jersey-Städtchen Rutherford, das direkt vor den Toren der Mega-Metropole New York City lag.

    „Ich hoffe, dass dich dieser neue Auftrag nicht in einen Konflikt mit deiner Dozententätigkeit bringen wird. Ich finde es übrigens beachtlich, wie du beides bisher gemeistert hast. Die Verbindung zwischen Theorie und Praxis, wie sie sich durch deine Arbeit als Kriminologiedozent und Privatdetektiv ergibt, dürfte in dieser Form selten sein", lobte sie ihn so freundlich, dass auch er eine Freundlichkeit als Antwort für passend hielt.

    „Ich hätte ja meinen Job an der Uni beinahe aufgegeben, wenn du mich nicht zum Bleiben überredet hättest. Ich bereue es nicht, weil sich das Seminar, das wir im letzten Semester zusammen hielten, als sehr inspirierend erwies!"

    Die Art, wie er ihre Zusammenarbeit herausstrich, löste ein Lächeln bei ihr aus, in dem die ganze Essenz ihrer langjährigen, kaum jemals offen eingestandenen Zuneigung enthalten zu sein schien. Diese Essenz war nicht in Worte zu fassen und fand in seinen Augen den besten und höchsten Ausdruck in eben diesem Lächeln. Wie es ihre Art war, konnte sie in seiner Anwesenheit keine verräterischen Anzeichen für Gefühle zulassen, weshalb ihr Lächeln schnell wieder verschwand und sie sich beeilte zu sagen:

    „Auf jeden Fall würden wir heute wohl nicht hier zusammen sitzen, wenn wir nicht beide von Hause aus Psychologen wären und aus dieser Richtung zur Kriminologie gefunden hätten. Aber wie du weißt, interessiert mich die reine Kriminalistik mit ihren eher technischen Aspekten nicht.

    Also worum geht es nun bei deinem neuen Fall? Der große Meisterdetektiv Morton Morris nimmt doch sicher nicht irgendeinen kleinen, läppischen Auftrag an! Ich kann mir kaum vorstellen, dass dich ein gewöhnlicher Auftrag nach deinen beiden letzten Fällen noch reizen könnte. Du wirst deine besonderen Gaben irgendwie zum Wohl der Menschheit einsetzen wollen, habe ich Recht?"

    Was unter anderen Umständen vielleicht etwas ironisch hätte klingen können, meinte sie in diesem Fall völlig ernst. Sein letzter Fall, der ihn nach Europa in den Hauptort der „UN Refugee Nation" – einem Zusammenschluss autonomer, sich in verschiedenen Ländern befindender Flüchtlingsstaatgebiete der UN - geführt hatte, hätte kaum anspruchsvoller und spannender sein können.

    Er antwortete nicht sofort, da ihm in diesem Moment seine Pflichten als Gastgeber einfielen und er eilig durch eine kleine Durchgangstür verschwand, um ein Glas Mineralwasser für sie aus der Küche zu holen. Als er wiederkam, ließ er sich neben sie und Dr. Watson auf das Sofa plumpsen und wurde plötzlich etwas pathetisch.

    „Als ich letztes Jahr fast im Mittelmeer ertrunken wäre und dann von einem Schiff voller Bootsflüchtlinge aufgenommen wurde, hat das tief in mir etwas verändert. Erst haben die Afrikaner mich und meine Freunde gerettet und dann haben wir sie gerettet, indem wir durch unsere Beziehungen dafür gesorgt haben, dass sie mit Hilfe der UN in Norditalien bleiben konnten.

    In mir ist durch all das eine seltsame, schwer erklärliche Sehnsucht entstanden. Sie hat damit zu tun, dass Menschen über Familie und Freundschaft hinaus ein echtes und tiefes Interesse füreinander zeigen, dass sie sich gegenseitig helfen, über Grenzen hinweg miteinander kooperieren und dabei höhere Ziele vor Augen haben. Ich habe auf einer tieferen Ebene verstanden, wie viel es mit Liebe zu tun hat, gemeinsam für etwas zu kämpfen, dabei das eigene Ego und die persönliche Beschränktheit zu überwinden und Visionen zu teilen. Das ist etwas, was in dieser Welt fehlt und viel verändern würde!"

    „Was für hehre Worte am frühen Nachmittag! Bist du etwa unter die Moralisten und Weltverbesserer gegangen?", spottete sie freundlich und streichelte zärtlich den Hund dabei, der zu ihr auf das Sofa gesprungen war und seinen Kopf vertraulich auf ihren Schoß gelegt hatte.

    „Ich sage dir das, weil ich dir ein Angebot machen will. Vielleicht könnten wir nicht nur manchmal an der Universität, sondern auch hier in der Detektei zusammenarbeiten. Dann können wir darin kooperieren, diese verrückte Welt ein kleines Stück besser zu machen!"

    „Ich bin Psychologiedozentin, keine Detektivin", erwiderte sie mit einem geschmeichelten Lächeln. „Was sollte ich für dich schon tun können? Du kennst doch genug Leute, die dir helfen können. Was ist mit Tim Diamond und seinen Mitarbeitern Michael King und Betty Cadena? Existiert Diamond Investigations noch? Oder hat der alte Diamond sich inzwischen zur Ruhe gesetzt?"

    „Ein Kerl wie Diamond wird erst dann in den Ruhestand treten, wenn ihn eine Pistolenkugel genau zwischen die Augen trifft. Ein so penetranter, egomanischer Charakter wie er wird nicht freiwillig ans Aufhören denken und mich wahrscheinlich bis ans Ende meiner Tage mit seinem drallen Ego nerven. Diamond und King leben in einer völlig anderen Welt als ich. Das sind ein paar raue und ausgebuffte Burschen, die vor allem für die praktische Arbeit gut zu gebrauchen sind. Sie sind nicht die Richtigen, um die geistigen und psychologischen Dimensionen eines anspruchsvollen Falles auszuloten."

    „Und was ist mit der Dritten im Bunde, Betty Cadena? Ist sie genauso ausgebufft? Oder besteht ihre Hauptaufgabe vor allem darin, umwerfend auszusehen und dir schöne Augen zu machen? Wie ist es, schläfst du mit ihr?"

    Tim Diamonds äußerst attraktive Mitarbeiterin und ehemalige Freundin Betty Cadena, mit der Morton seit ihrer ersten Zusammenarbeit ein mehr oder minder heimliches Verhältnis eingegangen war, war der wundeste Punkt, den Mary überhaupt nur anrühren konnte. Sie hatte sich noch nie getraut, derartig direkt auf ihn zu sprechen zu kommen. Offenbar ahnte sie nicht allzu viel von dem tiefen Konflikt, der sich aus seiner gleichzeitigen Schwäche für sie und Betty ergab.

    Der Zufall half ihm gnädig dabei, auf ihre delikate Frage keine Antwort geben zu müssen, da in diesem Moment die große Tür zum Salon aufsprang und seine Haushälterin Ruth Higgins eintrat. Obwohl die alte, im Ansatz etwas füllige, grau gelockte Dame, die in den warmen Jahreszeiten meistens in einem altmodisch geblümten Kleid steckte, mit den Jahren immer ein wenig indiskreter, unverschämter und neugieriger geworden war, mochte Morton sie immer mehr. Sie bildete mit ihrer unprätentiösen, häuslich-mütterlichen Art einen wichtigen und verlässlichen Gegenpol zu einer Welt, die sich in seinem Metier meistens als gefährlich und unberechenbar erwies.

    Als sie Mary sah, zauberte ihr das sofort ein erfreutes Lächeln in ihr breites und gutmütiges Gesicht. In ihren Augen war die kluge und „anständige Dozentin der allerbeste Umgang für „Mo, da sich durch ihn die Aussicht ergab, dass vielleicht eines Tages sein unstetes Junggesellen- und Detektivdasein ein Ende im sicheren Hafen der Ehe fand. Betty Cadena hingegen, die sie hinter vorgehaltener Hand schon als „Früchtchen und „Luder bezeichnet hatte, war für sie der Inbegriff eines unbürgerlichen, unbeständigen und zweifelhaften Lebenswandels, der Morton zu sehr mit der gefährlichen Welt des Verbrechens und der freien Detektive verband. Genauso missfiel ihr natürlich auch sein nicht abbrechender Kontakt zu seinem alten Bekannten und Rivalen Tim Diamond, der zwar in der einschlägigen Szene als lebende Legende galt, aber ansonsten einen ziemlich schlechten Ruf besaß. Die Methoden, mit denen er Verbrechen aufklärte, hatten ihn angeblich manchmal selbst zu einem Kriminellen gemacht.

    „Haben Sie Dr. Kelly schon etwas angeboten, Morton? Darf ich Ihnen beiden irgendetwas bringen?, legte sie in Anwesenheit der Besucherin eine höflich-servile Art an den Tag, obwohl sie sonst meist deutlich selbstbewusster auftrat. Dass sie Morton mittlerweile beim Vornamen nannte, hatte ihn lange Überredungskunst gekostet; das untertänige „Dr. Morris hatte mit der Zeit so altmodisch und antiquiert gewirkt, wie die gesamte Einrichtung des Salons. Überhaupt hätte man die 15 Jahre ältere Mrs. Higgins wegen ihrer biederen Art nicht nur für seine Mutter, sondern manchmal geradezu für seine Großmutter halten können.

    „Dr. Kelly bleibt noch etwas hier, um etwas Berufliches zu besprechen. Bringen Sie ihr doch eine Tasse Tee, bat er und rückte dann unverhohlen mit der Wahrheit heraus, obwohl abzusehen war, dass Higgins’ Reaktion hierauf negativ ausfallen würde. „Ich versuche sie gerade zu überreden, mir bei meinem nächsten Auftrag als Beraterin zu assistieren.

    Als Beraterin assistieren? Um Himmels Willen, lassen Sie sich auf keinen Fall darauf ein, Dr. Kelly!", brach es wie erwartet sofort aus ihr hervor. „Seine verdammten Fälle hätten ihn schon viel zu oft um ein Haar das Leben gekostet! Sie sind viel zu schade, um sich für ihn in irgendwelche Gefahren verwickeln zu lassen! In seinem letzten Fall wurde er ein Mal entführt und eingesperrt, ein Mal als halbe Wasserleiche aus dem Mittelmeer geborgen und ein Mal fast erschossen. Und in dem davor war es ganz ähnlich, nur das Wasserschlucken blieb ihm wie durch ein Wunder erspart. Dafür gab es zum Ausgleich gleich zwei Mal einen Anschlag auf sein Leben. Davon, dass ich selber hier im Haus überfallen und gefesselt und geknebelt wurde, will ich gar nicht einmal reden!

    Ich wünschte, er würde sich endlich wieder so wie früher um harmlosere Fälle kümmern, die er nur durch seine Kombinationsgabe von zu Hause aus am Schreibtisch lösen kann. Seit er damals bei Diamonds spurlosem Verschwinden dieser Betty Cadena in die Fänge geriet, hörten für ihn die Gefahren nicht mehr auf."

    „Beruhigen Sie sich bitte, Ruth!, fuhr er gereizt dazwischen, da sie mit ihrem letzten Satz eine unangenehme Wahrheit ansprach. „Ich sagte lediglich, Dr. Kelly soll mir als Beraterin assistieren. Ich sprach nicht davon, mit ihr in eine Burg der italienischen Mafia einzusteigen, mit dem Fallschirm über der libyschen Wüste abzuspringen, um den Kopf eines großen Schleusernetzwerkes zu jagen, oder schwer bewaffnet eine Ölbohrinsel zu stürmen, um Entführungsopfer zu befreien! Genauso wenig habe ich vor, mit ihr des Nachts auf hoher See einen Supertanker zu entern oder mit ihr von Hubschraubern verfolgt mit einem Jeep durch die einsamen Wälder Maines zu jagen.

    Die ironisierende Aufzählung einiger seiner Abenteuer der letzten beiden Jahre konnte Ruth nicht milde stimmen. Sie war noch immer zu erregt, um sich auf seinen beschwichtigenden Ton einzulassen, und verdrückte sich in die Küche. Als sie kurz darauf mit dem gewünschten Tee wieder kam, meinte sie mit gepresster Stimme:

    „Ich habe natürlich nicht das Recht, mich in Ihre Angelegenheiten einzumischen, Morton. Aber ich denke, ich habe die menschliche Pflicht, Dr. Kelly auf gewisse Gefahren hinzuweisen. Inzwischen geht man ja bereits schon ein Risiko ein, wenn man Sie näher kennt und regelmäßig in Ihrem Haus verkehrt. Sie haben in der letzten Zeit so vielen gefährlichen Leuten auf den Schlips getreten, dass jederzeit mit Rache zu rechnen ist!"

    „Sie malen mal wieder viel zu schwarz, Ruth, das ist leider typisch für Sie. Sie können sich absolut sicher sein, dass mir nichts ferner liegt, als einen so wunderbaren Menschen wie Dr. Kelly in Gefahr zu bringen! Ich müsste ja völlig wahnsinnig sein!"

    Das dicke Kompliment, das Morton wie nebenbei in diese Versicherung einfließen ließ, freute Mary so sehr, dass sie sich zum Dank auf seine Seite schlug.

    „Ich weiß es wirklich zu schätzen, wie Sie mich vor Gefahren warnen wollen, liebe Mrs. Higgins. Ich bin jedoch überzeugt, Morton würde sicher dafür sorgen, dass ich als seine Assistentin immer in Sicherheit wäre und mich auf kein lebensgefährliches Abenteuer einlassen müsste."

    „Falls es nötig wird, werde ich dafür beten, dass Sie Recht behalten, Dr. Kelly. Im Moment reden Sie noch konjunktivisch, aber Sie werden schon noch sehen, wie schnell Sie der alte Schlingel am Wickel hat!

    Tja, dann ist es also wirklich wieder passiert. Morton hat mal wieder die Metamorphose vom harmlosen Collegedozenten zum abenteuerhungrigen Detektiv durchlaufen. Die Schizophrenie eines Dr. Jekyll und Mr. Hyde ist ja der reinste Kindergarten dagegen. Offenbar lässt sich diese Krankheit niemals heilen. Obwohl mich die Angst quält, vielleicht bald arbeitslos zu werden und Morton in einer schlichten Holzkiste wieder zu sehen, bin ich natürlich auch neugierig. Darf man also fragen, um was es bei dem neuen Auftrag geht?"

    „Wie schamlos Sie wieder übertreiben!, beschwerte er sich lachend und packte dann widerwillig die ersten Fakten auf den Tisch. „Also es ist so, mein neuer Auftraggeber ist sehr reich und legt viel Wert auf Diskretion. Ich weiß selber noch nicht allzu viel, denn ich wurde erst gestern Morgen von seiner Tochter, die zugleich eine seiner Mitarbeiterinnen ist, kontaktiert. Ich kann nur sagen, dass es im weitesten Sinne um Geo-Engineering geht.

    „Obwohl ich natürlich einige Ideen habe, was unter Geo-Engineering zu verstehen ist, würde ich es gerne aus Ihrem Munde hören", forderte Ruth.

    „Ich musste zu dem Thema selber erst genauer im Internet recherchieren. Grundsätzlich gesagt will das Geo-Engineering mit Hilfe von Technik Einfluss auf geochemische Kreisläufe der Erde nehmen. Es sieht so aus, als würde der Begriff derzeit vor allem technische Maßnahmen zum Stoppen der globalen Klimaerwärmung bezeichnen. In dem Zusammenhang wird bisher hauptsächlich zwischen zwei großen Bereichen unterschieden. Das so genannte SRM – Solar Radiation Management – hat das Ziel, einfallende Sonnenstrahlung zu reflektieren, und das CDR – Carbon Dioxide Removal – soll Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre entfernen und zur Aufbewahrung in Kohlenstoffreservoirs überführen."

    „Und wie stellt sich da nun der Zusammenhang zu Ihrem Auftraggeber her?", wollte Ruth folgerichtig wissen.

    „Sie werden sehr schnell wissen, um wen es geht, wenn ich Ihnen sage, dass er zurzeit der weltweit größte private Investor für die Entwicklung und Umsetzung von Geoengineering-Technologie ist. Ich verrate Ihnen das nur, damit Sie mir nicht länger mit Ihren ständigen Einwänden in den Ohren liegen und damit Sie verstehen, was für eine große Tragweite dieser Auftrag hat. Es geht hier gewissermaßen auch ein bisschen um die Zukunft unserer Erde und nicht um so etwas Triviales, wie etwa den Seitensprung irgendeines alten, reichen Knackers für seine eifersüchtige Ehefrau aufzuklären."

    „Schön, und worin besteht nun Ihr Auftrag?", gab sich seine vorlaute Haushälterin von seinem anklägerischen Ton unbeeindruckt.

    „Ich weiß bisher lediglich, dass es um die Aufklärung einer Folge gravierender Sabotageakte gegen einige große Geoengineering-Projekte geht. Ich bin morgen Nachmittag auf das Sommeranwesen meines Auftraggebers eingeladen, um Näheres zu erfahren."

    Higgins’ Neugierde schien damit für einen Moment befriedigt zu sein. Doch kurz darauf wartete bereits die nächste Frage auf ihn.

    „Ja, aber Sie haben doch bestimmt schon irgendeinen Anhaltspunkt, irgendeine klitzekleine erste Idee? Sie arbeiten doch mit Ihrer Intuition und brüten immer irgendetwas aus. In der Beziehung ähneln Sie dem berühmten Sherlock Holmes!"

    Sie lachte und meinte dann zu Mary:

    „Er will es nicht zugeben, Dr. Kelly, aber unser guter Morton hat ein kleines, ständig rotierendes Räderwerk in seinem Kopf, ein kleines Maschinchen, das niemals stille steht. Selbst wenn ihm einmal die Energie ausgehen sollte, gäbe es irgendwo immer noch ein geheimes Glukosedepot als Notaggregat. Es muss die typische Krankheit eines hoffnungslosen Intellektuellen sein!"

    „Mein einziger Anhaltspunkt ist bisher ein kurzer Traum. Er endete damit, dass vorhin bei Dr. Kellys Eintreffen die Türklingel rasselte. Ich sah ein merkwürdiges Gebilde auf dem Meer, das nach der Logik der Zusammenhänge einen Bezug zu irgendeiner Geoengineering-Anlage haben muss."

    Da Ruth und Mary genau wussten, dass er nicht nur eine Gabe für höhere Intuitionen, sondern auch eine besondere Ader für das Unbewusste und Surreale besaß, erntete er für sein Bekenntnis kein Lachen.

    „Hattest du nicht bei deinem letzten Fall von einer Insel auf Stelzen geträumt, die sich später als eine ehemalige Bohrinsel erwies?", erinnerte Mary ihn an einen bedeutungsvollen und folgenreichen Traum-Zusammenhang.

    „Ja, genauso war es. Der Traum führte mich direkt an den richtigen Ort und machte es möglich, drei Frauen aus der Gefangenschaft libyscher Schleuser zu befreien. Wie du weißt, handelte es sich um zwei junge nigerianische Mädchen und eine hochrangige UN-Mitarbeiterin."

    Er versank für einen Moment in Erinnerungen, was damit endete, dass er plötzlich ein Geständnis machte.

    „Ich muss etwas beichten, Mary. Hinter meiner Bitte, mich zu besuchen, hat von Anfang an ein Plan gestanden. Mein Auftraggeber geht anscheinend davon aus, dass ich in meiner Detektei mehrere Mitarbeiter habe, und bat mich einen von ihnen zu unserem Treffen mitzubringen. Ich habe ihn in dem Glauben gelassen, um ihm die bescheidenen Verhältnisse in meiner noch jungen Detektei nicht zu offenbaren. Und deshalb wirst du mir jetzt aushelfen müssen. Ich kann bei einem so schwerreichen Mann nicht mit einem Kerl wie Mickey King auftauchen. Das wäre wohl der sicherste Weg, innerhalb weniger Minuten einen Auftrag zu verlieren, der mir sehr interessant und viel versprechend zu sein scheint. Und Ruth kann ich nicht mitnehmen, weil sie viel zu ängstlich ist und sich nicht mehr in meine Fälle hineinziehen lassen will."

    Während Mrs. Higgins den kleinen Seitenhieb mit einer säuerlichen Miene verdaute, blieb Mary für einen Moment in widerstreitenden Gefühlen gefangen. Sie fühlte sich einerseits geschmeichelt und andererseits ein wenig zu direkt vor vollendete Tatsachen gestellt. Da es jedoch keine allzu große Sache zu sein schien, für einen Nachmittag in die Rolle von Mortons Detektiv-Kollegin zu schlüpfen, gab sie ihrem Herzen einen Schubs.

    „Na schön, ich komme mit. Aber nur weil du meine Hilfe nötig hast. Auf Verbrecherjagd gehe ich für dich nicht, da höre ich auf Mrs. Higgins’ guten Rat! Wo soll es denn überhaupt hingehen?"

    „Auf den Sommersitz meines Auftraggebers, der sich auf Block Island befindet. Das ist die kleine Insel, die östlich vor Long Island liegt und zu Rhode Island gehört. Wir haben es also nicht unendlich weit. Betrachte es einfach als einen Frühlingsausflug, auf dem sich die Gelegenheit für ein hübsches Strandpicknick ergibt.

    Morgen Vormittag geht es los. Es wäre doch gelacht, wenn ich bei einer solchen Begleiterin nicht am Abend den Auftrag in der Tasche hätte!"

    1

    Der Weg hatte sie die Küste bis nach New London hinaufgeführt, wo sie ein Schnellboot nach Block Island bestiegen hatten. Sie hatten den Hafen von New Shoreham, dem kleinen Hautport der Insel, schnell hinter sich gelassen und waren mit dem Taxi zu den bekannten „Mohegan Bluffs" an der Südküste aufgebrochen. Es handelte sich bei ihnen um bis zu 160 Yards hohe, teils schroffe und teils mit einer üppigen Busch- und Grasvegetation bewachsene Lehmfelsen, die eine wunderschöne Landschaft oberhalb des Strandes bildeten und alle Besucher der Insel anzogen. Die Eindrücke, die sie an diesem sonnigen Maitag unterwegs gesammelt hatten, hatten sie in eine unbeschwerte Urlaubsstimmung versetzt, die an dem sowohl steinigen als auch sandigen, an vielen Stellen wie unberührt wirkenden Naturstrand der Südküste seinen vorläufigen Höhepunkt fand. Sie hatten es sich nicht nehmen lassen, die bekannte, lange Holztreppe zu einem der viel besuchten Teile des Strandes hinunter zu steigen und ein Stück am Meer entlang zu wandern, um sich schließlich in einer Felsnische ungestört von anderen Spaziergängern niederzulassen und das versprochene Picknick zu machen.

    Mos Spannung, seinen neuen Auftraggeber kennen zu lernen, wuchs mit jeder Minute weiter an, da alles, was er in der kurzen Zeit über den 75jährigen Ronan Odhram Donovan herausgefunden hatte, schon vor ihrer ersten Begegnung zu einer ungewöhnlichen Vorstellung von dessen Charakter geführt hatte. Seine Vita las sich wie ein Märchen, das jedoch erst ab dem Alter von 65 Jahren durch eine schwere Krankheit begonnen hatte eine positive Richtung zu nehmen. Die Diagnose einer schleichend fortschreitenden Lungenfibrose, durch die er mittlerweile von einem Sauerstoffgerät abhängig war, hatte eine so mächtige Zäsur in dem Leben des stets erfolgsverwöhnten, scheinbar über jede Schwäche erhabenen Geschäftsmannes dargestellt, dass sie die Grenze bedeutete, an der es sich in zwei große, gegensätzliche Hälften schied. Der Nachfahre armer irischer Einwanderer, der zunächst Karriere bei einer großen Bank gemacht und sich später durch gewagte Finanztransaktionen ein gigantisches Vermögen aufgebaut hatte, musste erst zu einem der wohlhabendsten Männer der Ostküste aufsteigen, um danach eine plötzliche Metamorphose zu durchlaufen und sich von einem skrupellosen, egoistischen Kapitalisten zu einem Wohltäter der Menschheit zu entwickeln.

    Die Sonne brannte so warm vom wolkenlosen Himmel hinunter, dass in Mo und Mary ein großartiges Gefühl von Frühlingserwachen aufkam. Der salzige, nach Ferne riechende Duft der See, das Geräusch der sich tosend an ein paar Felsen brechenden Atlantikwellen und der Anblick der sich im kräftigen Seewind neigenden und in schmalen Streifen die Felsabhänge der Mohegan Bluffs herunterziehenden Grasfelder wirkten nach dem langen und dunklen, in der Stadt verbrachten Winter wie eine große, das Herz und die Sinne öffnende Befreiung auf sie. Es schien Bedeutung zu haben, dass sie diese Befreiung gerade jetzt zum Zeitpunkt ihres ersten längeren gemeinsamen Ausflugs erlebten; es gab Mo den Mut, für einen kurzen Moment nach Marys Hand zu greifen, als sie wieder die Bohlen der langen Holztreppe bestiegen, um zurück auf den erhaben über den Felsabhängen thronenden Rücken der Insel zu steigen.

    Am Ende der Treppe wurden sie von einem grandios weiten Ausblick über die sonnenüberstrahlte See empfangen, der sie für einen Moment glauben ließ, im Südwesten die äußersten Zipfel des 15 Meilen entfernten Long Islands zu erkennen, obwohl es sich nur um eine sich blass gegen den Horizont abzeichnende Wolkenbank handelte. Dann bewunderten sie ein weiteres Mal das bekannte Southeast Lighthouse, das stillgelegte, aus rotem Backstein errichtete Leuchtturmgebäude, das direkt am Rand der Klippen lag und als Wahrzeichen der Mohegan Bluffs galt.

    Je mehr sie auf ihrem weiteren Weg etwas von der sich ringsherum ausbreitenden, an vielen Stellen von bunten Frühlingsblüten besprenkelten, fast baumlosen Gras- und Strauchlandschaft in sich aufnahmen, desto mehr teilten sie stillschweigend das Gefühl, dass es sich bei der gesamten Insel um ein eigenständiges Lebewesen handelte, bei dem jeder kleinere Bestandteil eine spürbare Beziehung zum größeren Ganzen einging. Als Mary nach einer Weile plötzlich stehen blieb, brach sie eine unausgesprochene Regel, die sie bis zu diesem Moment so eisern eingehalten hatten, als wäre sie fest vereinbart: Sie hatten bisher kein Wort über Donovan und den Auftrag verloren, um nicht der kurzen, unbeschwerten Zeit am Strand ihren besonderen Reiz zu nehmen. Nun aber lief die Zeit unaufhaltsam ab und keiner von ihnen konnte den eigentlichen Grund ihres Ausflugs noch länger auf den zweiten Platz verweisen.

    „Du sagtest, Donovan wäre ein großer Naturliebhaber. Ich verstehe sehr gut, warum er sich seinen Sommersitz ausgerechnet hier eingerichtet hat. Es dürfte nicht allzu viele Orte geben, die sich so nah an New York und dem dicht besiedelten Teil der Ostküste befinden und dabei einen so friedlichen, von der rauen Welt abgeschirmten Charakter haben", meinte sie mit einem Anflug von Neid auf die glücklichen Inselbewohner, die sich eine der sündhaft teuren Immobilien auf Block Island leisten konnten.

    Sie hatten mittlerweile eine Gegend hinter sich gelassen, in der luxuriöse, im Cottagestil erbaute Landhäuser inmitten äußerst großzügig bemessener, natürlich bewachsener Grundstücke lagen. Das relativ dünn besiedelte Inselland wirkte an manchen Stellen wie ein einziger, von der Natur selbst entworfener Park, in den wie zufällig ein paar stolze Häuser verstreut worden waren.

    „Donovan besitzt eines der größten Grundstücke hier. Es liegt etwas abseits in einem unbesiedelten Inselgebiet. Wenn wir da vorne abbiegen, dürfte es nicht mehr weit sein, erklärte Mo mit einer Geste zu einem vor ihnen abzweigenden Kiesweg, der von der geteerten Straße wegführte und sich in einer unberührten Landschaft verlor. „Er soll übrigens mehr als nur ein einfacher Naturliebhaber sein. Nachdem er sich aus seinen früheren Geschäften zurückgezogen hatte, entwickelte er einen sehr speziellen, naturverbundenen Lebensstil. Er verfolgt eine Art ganzheitlichen Ansatz, der alle persönlichen Lebensbereiche wie Ernährung, Kleidung, Architektur und so weiter umfasst. Angeblich ist er dabei auch durch alle möglichen esoterischen Philosophien inspiriert. Wenn man diversen Quellen glauben darf, übt die ländliche Lebeweise seiner irischen Vorfahren den größten Einfluss auf ihn aus. Sein privates Leben soll im krassen Gegensatz zu seiner Tätigkeit als Entwickler und Finanzier von hochmodernen Geoengineering-Anlagen stehen. Er selbst liebt das einfache, natürliche Leben, während er einen großen Teil seines Vermögens in hochkomplexe Zukunftstechnologie investiert. Er scheint seine Interessen auf besondere Weise zwischen der reinen Natur und der modernen Technik auszubalancieren.

    Er hatte damit etwas sehr Wesentliches über Donovan gesagt und konnte zu diesem Zeitpunkt selber noch nicht ahnen, was unter „einfaches, natürliches Leben" genau zu fassen war und wie weit und radikal Donovan einen ganz bestimmten Weg gegangen war. Obwohl

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