Ufer Im Jenseits: Roman
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Buchvorschau
Ufer Im Jenseits - Hansjörg Breinlinger
Hansjörg Breinlinger
Ufer im Jenseits
Roman
Vorwort
Die erste Spanienreise in den Fünfzigerjahren auf einem Motorroller war abenteuerlich.
Der Diktator Franko regierte immer noch mit harter Hand. Campingplätze gab es nicht, und wir stellten das Zelt auf Wiesen oder Feldwege. Über den Ebro fehlte die Brücke, und er war nur auf einer unsicheren Autofähre zu überqueren.
Bei Valencia hatten wir unser Zelt auf einem Feldweg im Orangenhain platziert, und bemerkten zu spät, dass ein Pferdekarren wartete. Aber vom Chef der Plantage wurden wir zum Essen eingeladen. Auf den Straßen sah man nur selten ein Auto, aber viele Eselkarren und Fußgänger. Benidorm war ein kleines Dorf mit einem herrlichen Sandstrand ohne Campingplatz. Im Krämerladen wurden wir nicht bedient, doch ein Polizist klärte uns auf; ohne Jacke und langer Hose bedient sie keiner.
Über Alicante nach Madrid war es eine weite Strecke, dort fuhr Regierungschef Franko im offenen Wagen, an der Seite des Schahs von Persien an uns vorbei. Sie wurden eskortiert von der maurischen Garde auf weißen Pferden. Wenn wir heute die Fotos anschauen, ist es schwer zu glauben, dass sie von Spanien sind.
Viele deutsche Touristen kennen inzwischen die spanischen Strände und Urlaubsorte, aber nur wenigen ist es möglich, hinter die Kulissen zu schauen.
Bei Tarifa kommen sich die Kontinente Europa und Afrika sehr nahe, eine Schwachstelle für die Eroberer. Für uns war die Atlantikküste immer wieder ein erlebnisreicher Ferienort.
Als wir um die Jahrhundertwende mit dem Katamaran dort segelten, gab es noch keine Frontex, die den Grenzverkehr regelte. Walter Frey rette eine Migrantin, und traf eine frühere Schülerin, nur vor ihr konnte er sich nicht retten.
Die Migrationswelle hatte auch Spanien nicht verschont, diesem Phänomen ist kein Land gewachsen, und es gab Unstimmigkeiten.
Vor die Wahl gestellt, den Gesetzen des Gastlandes zu gehorchen oder den Werten unserer Zivilisation, wählten wir Letzteres.
Alle Namen und Figuren dieses Romans sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit realen Menschen und deren Namen ist zufällig.
Der Autor
Hansjörg Breinlinger ist 1937 in Waldshut/Tiengen geboren, und lebt heute in Tengen im Hegau. Er studierte in München und Düsseldorf Malerei/Grafik & Pädagogik. Als Grafiker arbeitete er in Düsseldorf und Paris. In Obervolta- Burkina Faso ist er drei Jahre lang Entwicklungshelfer. An einer Realschule in Singen unterrichtet er Kunsterziehung/Werken. Nebenbei arbeitet er als Grafikdesigner für Verlage und Agenturen. In seinen Büchern dokumentiert er die Ereignisse in Westafrika.
1 Reise nach Andalusien
Auf den letzten Schultag freuten wir uns selten so sehr wie dieses Mal. Das fast neue Auto hatte Marion mit mir schon am Abend mit unseren Taschen und Koffern beladen. „Auf deiner Vespa hättest du das nicht mitnehmen können; sagte meine Schwester ironisch, indem sie mich lachend an die erste Spanienreise erinnerte. Ihre Tochter Paola achtete darauf, dass ihr Teddy auf der Ablage einen guten Platz bekam: „Teddy braucht Sonne,
flüsterte sie ihrer Mutter ins Ohr.
Um die Schweizer Autobahn ohne Stau zu bewältigen, starteten wir um 4:30 Uhr früh am Morgen. Hinter Genève bei Annecy fragte Paola: „Wann sind wir am Ziel?"
Wie alle Kinder im Grundschulalter konnte sie nicht einschätzen, wo Spanien beginnt, das Land, in dem wir Ferien verbringen wollten. Wie schon früher, planten wir in Südfrankreich -im Hotel Village -Catalan- zu übernachten und hatten Vorbereitungen getroffen.
An der Rezeption gab uns eine freundliche Dame die Schlüssel für unsere Zimmer. Im Hotel war es sehr ruhig, es lag weit genug von der Autobahn entfernt. Bei den letzten Sonnenstrahlen auf der Terrasse im Restaurant tranken wir Limo- oder einen Côté du Rhône, das Bett schwankte und drehte sich, doch unbemerkt war ich eingeschlafen. Noch einmal fuhren wir morgens früh über die Grenze, hier in Spanien begannen für mich die Ferien, doch es war noch weit bis Andalusien. Mit dem Sonnenaufgang baute sich die Hitze auf, die Klimaanlage schaffte es gegen Nachmittag nicht mehr in unserem Fahrzeug.
Bei L‘Hospitalet hielten wir an einer Raststätte mit Meerblick. Der Wagen bekam eine Tankfüllung und die Reisenden -Orangensaft frisch gepresst-.
Einige Kilometer weiter fragte meine Schwester: „Wo hast du deinen Teddy Paola? sie schaute zur Konsole am Rückfenster und begann zu schreien: „Mein Teddy ist weg!
„Hast du ihn im Restaurant gelassen?" fragte Marion ihre Tochter.
„Ja, er war bei mir auf der Bank."
Mir wurde sofort klar, dass das für Paola einen dramatischen Verlust bedeutete. Bei der nächsten Ausfahrt fuhr ich herunter, ein Wegweiser zeigte L’Hospitalet an. Es ging über eine Brücke der Autobahn zurück zur Raststätte. Im Restaurant saß der Teddy noch an seinem Platz und wurde mitgenommen.
Als wir spät am Abend vor unserem Ferienhaus anhielten, hatte Paola das Ziel erreicht. Unseren Vermieter Senor Luis Togas traf ich noch in seinem Büro, er begrüßte mich überschwänglich und gab mir die Schlüssel für das Haus. Inzwischen wurde es Nacht und Marion wollte das Licht einschalten, doch die Lampen blieben auf der Terrasse dunkel und in allen Räumen. Sie fand in ihrer Reisetasche eine Kerze, die sie anzündete, indessen ging ich zum Büro unseres Vermieters. Er wollte gerade die Tür schließen, da erklärte ich ihm, dass es im Haus keinen Strom gab. „Ich werde es dem Maccanico sagen;" antwortete er mir. Am nächsten Morgen kontrollierte ich -in einem Kasten neben der Haustür- die elektrischen Sicherungen. Die Hauptsicherung war durchgebrannt, aber es gab keinen Ersatz.
Der Maccanico kam nach dem Frühstück, und reparierte die Sicherung mir einem Draht, wonach alle Lichter und Geräte wieder funktionierten.
Von den spanischen Bergen aus sah man bis zur marokkanischen Küste, und auch die weißen Häuser einer Stadt. Es siedelten dort schon die Phönizier, die einen kurzen Weg nach Europa suchten. Im 14. Jahrhundert lebte in Tanger der Weltreisende Ibn Battuta, der über Indien, bis China kam und durch die Sahara nach Timbuktu. Er berichtete über diese Stadt als erster, denn damals war sie für Christen und Europäer unzugänglich. Als Tanger noch eine internationale Zone war, fanden verfolgte Menschen dort eine Zuflucht. Es lebten einst viele jüdische Händler in den weißen Häusern, die aber nach dem Palästinakrieg und der Vereinigung mit Marokko, die Stadt verlassen haben. Von der Stadtmauer gab es eine herrliche Aussicht zum spanischen Ufer.
Mit meiner Schwester fuhr ich auf einer Fähre in knappen einer Stunde, von Tarifa hinüber nach Tanger. Marion wollte dort Lederwaren und Teppiche einkaufen, und einige Skizzen fertigen von Häusern, in typisch - maurischem Stil. Für sie war Paul Klee ein Vorbild, der in Tunesien die Stadt Kairouan malte.
Von spanischen Landschaften und Dörfern hatte Marion Aquarelle gemalt, die sie an den Wänden im Restaurant ausstellen durfte. Señor Roberto Alvarez, ein Bankdirektor sah die Aquarelle, und hatte Marion eingeladen. Seitdem hängen ihre Bilder in der -Banco Popular- von Malaga, die bewundert, und einige auch verkauft wurden.
In Tanger begegneten uns freundliche Kaufleute, mit denen wir aber hart verhandeln mussten, um keine überhöhten Preise zu bezahlen. In den Sommerferien zog es uns immer wieder nach Andalusien. Es war das angenehme Klima, und die unbeschwerte Lebensart, mit den herrlichen Landschaften und einer eigenartigen Kultur, die uns anlockten. Dennoch hatten wir nichts gemeinsam mit den jugendlichen Ausreißern der 1960er Jahre, die sich in der farbigen Kulisse Südspaniens austoben wollten. Amerikanische Studenten flüchteten damals vor dem sinnlosen Krieg, den ihr Land in Vietnam führte. Andere Jugendliche aus Norwegen oder Schweden kamen aus ihrer winterlichen Heimat, um sich an den Stränden Andalusiens zu wärmen. Für mich, der sich täglich für seine Schüler einsetzte, um ihnen Wissen oder Lebensgrundlagen zu vermitteln, waren es erholsame Stunden beim Segeln auf dem Meer. Am Abend stand ich an der Theke mit dem alten Don Pedro bei einem Glas Wein in der Bodega, dem ich mitteilte: „Morgen möchte ich früh aufs Meer hinaus!"
Er stellte sein Weinglas auf die Theke und brummte: „Kannst du das Boot nicht allein holen?"
„Warum nicht, nur ohne Schlüssel geht nichts!"
Pedro gab mir die Schlüssel für das Schloss an der Bootskette, trank sein Glas leer und ging hinaus. An diesem Abend gab es keine fröhliche Feier bei den bayerischen Nachbarn, die mit ihrer Bierlaune nicht zimperlich waren. Darum wurde es eine