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Im Auftrag des Feindes
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eBook348 Seiten4 Stunden

Im Auftrag des Feindes

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Über dieses E-Book

Freiheit. Das ist das, was sich der DDR-Bürger Bernd Hartmann für sein Leben wünscht. Als er den Österreicher Siegfried Heine kennenlernt, hat dieser die Lösung parat: Spionage für den Westen.
Anfangs läuft auch alles glatt und Bernd verdient eine Menge Westmark.
Doch die Staatssicherheit schläft nicht und ist bereits auf der Suche nach dem feindlichen Element.
Ohne es zu ahnen, zieht sich die Schlinge um seinen Hals immer enger zu....
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum11. Dez. 2015
ISBN9783738051599
Im Auftrag des Feindes
Autor

Günter Hein

Günter Hein ist 1965 geboren, verheiratet und wohnhaft in Goslar. Hauptberuflich ist er Vertriebsrepräsentant bei einen großen europäischen Leiterplattenhersteller. Zu seinen Hobbys gehören Fußball, Musik, Filme ansehen und lesen. Seine Lieblingsautoren sind Daniel Silva, David Baldacci und Robert Ludlum.

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    Buchvorschau

    Im Auftrag des Feindes - Günter Hein

    Kapitel 1

    Ende der Siebziger Jahre tobt der kalte Krieg zwischen Ost und West. Die Nato unter der Führung der Vereinigten Staaten von Amerika, und der Warschauer Pakt unter der Führung der Sowjetunion liefern sich im geteilten Deutschland einen Spionagekrieg. Am eisernen Vorhang versuchen CIA, KGB und die Staatssicherheit der DDR, mit allen Mitteln Informationen der jeweiligen Gegenseite zu stehlen und gegen sie zu verwenden.

    Aber es gibt auch Nebenschauplätze, wo der Osten mit dem Säbel rasselt und der Westen das unterdrückte Land unterstützt…………

    Sonnenschein fiel durch die verschmutzten Fenster im dritten Stockwerk des Auswärtigen Amtes in Ost-Berlin. Der einsetzende Frühling erhellte die trist in grau gehaltene Umgebung des Regierungsviertels der DDR.

    »Ich komme gleich nach«, rief Reintraut Otto ihren Kollegen hinterher, die sich auf den Weg in die Kantine gemacht haben, um ihre Mittagspause anzutreten.

    Nervös wischte sie sich die feuchten Hände an ihrem modischen Karo Rock ab. Mit gesenktem Kopf beobachtete sie, wie sich das Büro langsam leerte. Als die letzten Kollegen gegangen waren, stand sie eilig auf, um einen Blick auf die umliegenden Arbeitsplätze zu werfen. Nachdem sie sich versichert hatte, dass sie alleine war, ging sie zu ihrem Platz zurück und öffnete ihre Handtasche, die neben ihrem Schreibtisch stand. Sie wühlte aufgeregt in ihr herum, bis sie die kleine Kamera gefunden hatte. Hastig rannte sie zum Schreibtisch ihrs Vorgesetzten, öffnete eine Schublage und nahm einige Dokumente heraus, um sie auf dem Tisch zu platzieren. Sie schaltete seine Schreibtischlampe an, nahm die Kamera und fing an, Blatt für Blatt ab zu fotografieren.

    Nachdem sie fertig war, legte sie die Blätter wieder ordentlich zusammen und steckte sie zurück in die Schublade. Dann schaltete sie die Lampe wieder aus und ging zu ihrem Platz. Die Kamera verstaute sie wieder in ihrer Handtasche.

    Danach schaute sie noch einmal in den kleinen Handspiegel, den sie immer dabei hatte, und prüfte kurz ihr Makeup und ihre Frisur. Zufrieden legte sie den Spiegel zurück in die Handtasche und machte sich auf den Weg in die Kantine.

    Ihr Vorgesetzter bemerkte das verspätete Eintreffen seiner Mitarbeiterin, ließ sich aber nichts anmerken. Verstohlen sah er zur Uhr und merkte sich die Zeit, die sie zu spät kam.

    Nicht weit vom Regierungsbezirk entfernt rieb sich Bernd Hartmann fröhlich singend seine Hände mit Handwaschpaste ein, um den von seiner Arbeit als Kfz-Mechaniker angefallenen Film aus Öl und Schmiere zu entfernen. Er freute sich auf seinen wohlverdienten Feierabend mit seiner Frau Dagmar.

    »Wenn der liebe Gott gewollt hätte, dass du singst, hätte er dir eine Stimme gegeben.« Sein Kollege Winfried Laatz trat ans Waschbecken und grinste Hartmann an.

    »Und? Hast du schon mit dem Alten gesprochen?«

    »Gleich, Laatzi, gleich. Ich will wenigstens saubere Griffel haben, wenn ich ihm aus Dankbarkeit die Hand schüttele.« Hartmann grinste und trocknete sich die Hände an einem alten verwaschenen Handtuch ab. Anschließend hängte er den schmutzigen Lappen seinem Kollegen über die Schulter.

    »Na dann viel Glück. Seine Laune ist ja heute ganz gut.«

    Hartmann legte seine Hand auf die Schulter von Laatz und verließ den Waschraum, um sich im Umkleideraum saubere Kleidung anzuziehen. Im Grunde sah er keine Schwierigkeiten, seinen geplanten Urlaub genehmigt zu bekommen. Er wollte mit Dagmar nach Ungarn an den Plattensee, um dort zu campen. Mit seinen Schwiegereltern hatten sie bereits abgemacht, dass sie den Trabant 600 für zwei Wochen bekommen würden. Das erleichterte vieles, denn Reisen in den Westen waren strikt untersagt, und als einzige Urlaubsmöglichkeiten im Ausland boten sich Bulgarien, Rumänien, Polen, die Tschechoslowakei und eben Ungarn an.

    Wer ins Ausland reisen durfte, entschieden der Betrieb, das Jugendreisebüro oder die FDJ. Voll gepackt zogen im Sommer ganze Trabi-Karawanen an den Balaton, um Sonne satt und Westwaren zu genießen. Auch der ungarische Wein erfreute sich großer Beliebtheit bei den Urlaubern. Hartmann genoss jährlich das Wohlwollen seines Betriebes, mit dem er auch diesmal rechnete. Zögerlich klopfte er an die Tür des Meisterbüros.

    »Herein!«, dröhnte eine knorrige Stimme von drinnen.

    Hartmann betrat das Büro und schloss die Tür. Sein Meister saß an seinem Schreibtisch und blätterte in irgendwelchen Unterlagen. Hartmann räusperte sich, worauf sein Meister zu ihm aufsah.

    »Na, Hartmann, was gibt es?«, fragte er freundlich.

    »Es ist wegen des Sommerurlaubs.«

    »Ach ja. Sie hatten ja Urlaub für den Sommer beantragt. Balaton war das, wenn ich mich recht erinnere.«

    Er kratzte sich am Kopf, als müsste er lange überlegen. Dann lachte er.

    »Keine Bange, Hartmann. Das geht in Ordnung. Sie können Ihren wohlverdienten Urlaub dort planen. Ich wünsche Ihnen einen schönen Feierabend. Und grüßen Sie Ihre Frau Gemahlin.«

    »Vielen Dank, ich werde die Grüße ausrichten. Bis morgen und schönen Feierabend«, sagte Hartmann sichtlich erleichtert. Fast wäre er auf den Spaß hereingefallen.

    Hartmann verließ das Büro und ging nach draußen, wo sein Fahrzeug stand. Der Meister grinste. Die Genehmigung für Hartmann hatte er wie in jedem Jahr von ganz oben bekommen. Hartmann war vorher von der Staatssicherheit überprüft und der geplante Urlaub als unbedenklich genehmigt worden. Dadurch dass er parteilos war, stellte er nicht gerade einen Paradebürger der DDR dar. Aber mit seinem Fleiß und seiner Kollegialität machte Hartmann alles wett.

    Hartmann trat an seine Schwalbe und löste das Schloss. Er freute sich schon darauf, Dagmar die freudige Botschaft zu überbringen. Er hatte seine Frau während eines FDJ- Zeltlagers kennen gelernt. Abends, während sie sich alle um ein Lagerfeuer sammelten und die Gruppe gemeinsam Lieder zu Gitarrenklängen sang, saß sie plötzlich neben ihm. Sie fror sichtlich, weshalb sie immer näher an Hartmann heranrückte. Irgendwann an dem Abend trafen sich ihre Augen. Und blieben aneinander kleben. Sie lächelten sich an, und Dagmar kroch wortlos in seine warmen Arme. An ihn angelehnt und gewärmt saß sie mit ihm den Rest des Abends am Feuer, und sie sangen. Als es vorüber war und die Jugendlichen in die Zelte sollten, standen sie auf und sahen sich an.

    »Danke.«

    »Bitte«, stammelte Hartmann und suchte verzweifelt nach Worten.

    Dagmar grinste ihn verschmitzt an und sagte: »Ich heiße Dagmar, nur für den Fall, dass du fragen wolltest. Wie heißt du?«

    Hartmann errötete leicht. Es war zu seinem Glück dunkel, so dass Dagmar seine Verlegenheit nicht sehen konnte. »Ich bin der Bernd«, stammelte er.

    »Ich freue mich, Bernd. Dann schlaf mal schön.« Sie sah ihn keck an und verschwand in der Dunkelheit. In dieser Nacht brachte Bernd kein Auge zu.

    Als Dagmar sich am nächsten Morgen zu ihm an den Frühstückstisch setzte, war es um ihn geschehen. Sie hatte sich die langen rötlichen Haare zu einem Seitenzopf gebunden und trug einen roten Hosenanzug mit Latz. Darunter ein weißes Shirt. Ihre Sommersprossen und ihre vollen gleichmäßigen Lippen betonten ihr süßes Lächeln. Sie platzierte das Frühstücksbrett mit Brot, Butter, Marmelade und Tee und setzte sich.

    Bernd sah sie nur wortlos an.

    Sie sortierte ihr Frühstück auf dem Tablett. Tee rechts hinten, Teller und Besteck vor sich. Links hinten die Butter und die Marmelade. Zufrieden faltete sie die Hände, schaute zu Bernd auf und lächelte. »Morgen. Bist also immer so gesprächig. Dass du sprechen kannst, weiß ich ja von gestern Abend.«

    Bernd musste lachen. Das Eis war endgültig gebrochen.

    Dagmar lachte ebenfalls.

    »Doch, doch. Ich kann sprechen. Wo kommst du her? Ich bin aus Berlin.«

    Sie zog die Augenbrauen kurz hoch. Dann legte sie den Kopf schief und lächelte verschmitzt. »Brieselang. Langweilig. Keine so süßen Jungs wie in Berlin.« Sie sah ihn herausfordernd an.

    »So was wie dich habe ich aber in Berlin auch noch nicht gesehen. Heute ist Naturkunde auf dem Programm. Wenn du Lust hast…« Hartmann war selbst erstaunt über seinen Mut.

    »Wäre ich sonst hier? Ich könnte ja auch den Tag mit den langweiligen Ziegen verplempern, mit denen ich gekommen bin.«

    So verbrachten sie schließlich die restliche Zeit im Ferienlager gemeinsam. Am letzten Abend küssten sie sich das erste Mal und versprachen, sich wieder zu sehen.

    Hartmann musste grinsen, als er sich daran erinnerte. Er startete die Schwalbe und machte sich auf den Heimweg.

    Kapitel 2

    In der Bödickerstraße im Stadtteil Friedrichshain stand Aiden Carter mit tief ins Gesicht gezogener Schiebermütze in einem Hauseingang und wartete. Unauffällig gekleidet sah er aus wie jeder andere Bürger der DDR auch. Die Sachen hatte er im Centrum Warenhaus am Alexanderplatz gekauft. Seine alte Bekleidung hatte er in eine Plastiktüte eingewickelt und in einen Müllcontainer entsorgt. Er schaute auf seine Armbanduhr. 18:15 Uhr. Bald musste sie kommen. Wieder fuhr ein Fahrzeug an ihm vorbei. Er senkte seinen Blick, um nicht erkannt zu werden. Als er wieder aufblickte, sah er sie kommen. Mit elegantem Schritt ging sie zielstrebig auf das erste Haus mit den Balkonen zu, ihr Zuhause. Carter wartete, bis sie im Haus verschwunden war, und ging dann langsam los. Den Blick gesenkt erreichte er das Haus und drückte den vierten Klingelknopf von oben, auf dem der Name Otto stand. Dann drückte er die Tür auf und ging ins Treppenhaus. Es roch muffig. In Zweierschritten nahm er die Stufen nach oben. Sie hatte die Tür angelehnt. Sie wusste, dass er heute kam. Carter schaute sich im Treppenhaus noch einmal um und betrat die kleine 2-Zimmer Wohnung. Sie stand im Türrahmen zu ihrem Schlafzimmer und trug nur ein dünnes Negligee.

    Carter nahm die Schiebermütze ab, zog seine Jacke aus und hängte beides an einen Garderobenhaken. Dann ging er grinsend auf sie zu. »Du bist einfach atemberaubend, weißt du das, mein Trautchen?« Sie legte den Arm um seinen Hals und zog ihn ganz dicht heran. Er konnte das Parfüm riechen konnte, was Sie aufgelegt hatte.

    »Gefall ich dir?«, hauchte sie in sein rechtes Ohr. Sanft streichelte er über ihren nackten Hintern.

    »Natürlich«, entgegnete er ihr, bevor er sie küsste und bestimmt ins Schlafzimmer schob.

    Nachdem sie sich geliebt hatten, saßen sie beide rauchend auf dem Bett. Sie griff in ihre Nachttischschublade und holte die kleine Kamera hervor.

    »Hier ist deine Belohnung«, strahlte sie. Carter nahm die Kamera und wog sie in der Hand.

    »So leicht und doch so gewichtig. Gab es Probleme?«

    Sie schüttelte den Kopf. »Keine. Ein Kinderspiel. In der Mittagspause gehen alle in die Kantine. Ich bin länger am Platz geblieben, um die Fotos zu machen, während alle beim Essen waren.«

    Carter nickte zufrieden. »Gut. Du musst dennoch vorsichtig sein.«

    Sie winkte ab, drückte ihre Zigarette in den Aschenbecher und legte ihren Kopf auf seine behaarte Brust. »Bin ich doch. Mach dir keine Sorgen.« Er streichelte ihren nackten Rücken.

    Urplötzlich zog er die Decke zur Seite und stand auf.

    »Ich muss los. Das Material muss so schnell wie möglich in den Westen.«

    Reintraut rollte sich auf den Bauch und sah ihm zu, wie er sich anzog.

    »Wann sehe ich dich wieder? Ich habe keine Lust, immer so lange auf dich zu warten.«

    Er sah auf und blickte ihr fest in die Augen.

    »Bald.« Dann beugte er sich hinunter und gab ihr einen sanften Kuss. »Bald.

    Carter verließ das Haus und schlenderte die Straße entlang. Er bemerkte nicht, dass er verfolgt wurde. Er folgte der Straße bis zur Stralauer Allee und bog rechts auf die Eisenbrücke Richtung Treptower Park. Ein Mann kam ihm entgegen und rempelte ihn an.

    »Entschuldigung. Keine Absicht«, sagte der Passant und ging weiter.

    Die Kamera hatte den Besitzer gewechselt.

    Der Verfolger hatte in ausreichendem Abstand die Übergabe bemerkt und gab über ein Funkgerät die Information weiter. Er nahm die Verfolgung des Remplers auf, während Carter der Eisenstraße weiter folgte.

    »Nicht festsetzen. Es ist sowieso nur falsches Material auf dem Film zu sehen. Verfolge ihn bis zu seinem Ziel.«

    »In Ordnung«, erwiderte der Verfolger. Der Mann ging bis zur Warschauer Straße und stieg dort in ein Taxi.

    »Mann ist im Taxi. Stoppe Verfolgung.«

    »Gesehen. Wir übernehmen.«

    Am Checkpoint Charlie hielt das Taxi. Der Mann stieg aus und ging durch die Kontrolle in den Westen.

    »Ist mit dem Paket im Westen. Kümmern uns nun um die Frau. Treffpunkt zur Besprechung in der Zentrale. Ende.«

    »Was ist mit dem anderen Mann?«

    »Der dürfte auch schon auf dem Weg nach drüben sein. Laufen lassen. Die Frau ist der Schlüssel.«

    »In Ordnung. Bin auf dem Weg in die Zentrale. Ende.«

    Kapitel 3

    Am Geländer des Spreekanals nahe dem Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten in Berlin-Mitte genoss Aiden Carter die warme Frühlingssonne. Den Kopf leicht gesenkt, nahm er eine Schachtel F6 Zigaretten aus seiner Jackentasche und zündete sich ein Stäbchen an. Sein Blick fiel auf das Gebäude. Die moderne Stahlbetonkonstruktion mit seinem pompösen Haupteingang direkt am Spreeufer war Bestandteil des Ostberliner Regierungsbereiches am Marx-Engels-Platz. Daneben stand die Friedrichswerdersche Kirche und das Zeughaus Unter den Linden.

    Vor der Tür parkte ein Kastenwagen der Marke Barkas mit laufendem Motor. Carter kannte die Barkas B1000 Fahrzeuge. Sie boten Platz für acht Personen. Zwei auf den vorderen Sitzplätzen, jeweils drei in den hinteren zwei Reihen. Die Fahrerkabine war durch ein Sicherheitsglas von der restlichen Kabine getrennt. Bei den Fahrzeugen im Fuhrpark der Staatssicherheit waren zudem innen die Türgriffe abmontiert, so dass der Wagen nur von außen geöffnet werden konnte.

    Carter zog tief an seiner Zigarette und schaute sich unauffällig um. Wieder fiel sein Blick auf den Eingang des Gebäudes, aus dem jetzt ein großer Mann trat. Er trug einen langen Wollmantel und einen Hut. Die Tür aufhaltend schaute er nach links und rechts. Dann blickte er zurück ins Gebäude und nickte. Anscheinend ein Zeichen. Einen Augenblick später kamen ein Mann und eine Frau aus dem Gebäude. Dem Anschein nach wurde die Frau eher geführt, als dass sie freiwillig ging. Carter erkannte sie erst auf den zweiten Blick. Die Männer steuerten sie auf den Kastenwagen zu und drückten die sich hilfesuchend umsehende Frau in den hinteren Teil des Fahrzeugs. Ein Mann setzte sich neben sie, während der Andere die Tür schloss und sich anschließend auf den Beifahrersitz Platz nahm. Der Wagen setzte sich in Bewegung und entfernte sich schnell.

    Carter schnippte seine Zigarette in den Fluss und ging in entgegengesetzter Richtung davon. Er musste Kontakt zu seinen Vorgesetzten bei der CIA aufnehmen. Reintraut Otto war soeben von Mitarbeitern der Staatssicherheit verhaftet worden.

    Kapitel 4

    Die Hitze in Washington war für Anfang Mai fast unerträglich. CIA-Direktor Ross Miller hoffte, dass die Klimaanlage lief, als er das Oval Office im Weißen Haus betrat. Der Präsident hatte seinen Stab zusammen gerufen. Neben dem Berater des Präsidenten waren der Verteidigungsminister, der Stabschef, der oberste General der NATO und der Chef der NSA anwesend. Wie immer wusste Miller nicht, worum es ging. Den Anruf für das Treffen hatte er vor zwei Tagen erhalten. Miller nickte jedem Einzelnen zu, bevor er sich setzte. Der Präsident stand auf und erhob das Wort.

    »Guten Morgen, meine Herren. Ich habe sie zusammenkommen lassen, weil es in Europa schon wieder ein Problem gibt. Eine wichtige Agentin in Ost-Berlin ist enttarnt worden. Das ist nun der vierte Fall in kürzester Zeit. Meine Frage lautet: Wie zum Teufel kann es sein, dass unsere Leute ständig auffliegen?«

    Die Frage des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, Joel Graham, lies Miller leicht zusammenzucken.

    »Ich treffe mich nächste Woche mit dem sowjetischen Staatschef und kann nur hoffen, dass es keine unangenehmen Fragen gibt.«

    Miller räusperte sich. »Mister President, irgendwo ist ein Loch. Die da drüben wussten von Anfang an Bescheid. Anders kann ich mir das nicht erklären. Unser Kontaktmann, der die Verantwortung für die Betreuung hatte, ist sich sicher, alles korrekt abgeschätzt zu haben. Er hat keinerlei Risiko gesehen, zumal die Informationen, die die Dame zu sammeln hatte, jeden Tag über ihren Schreibtisch liefen.«

    »Trotzdem ist sie verraten worden. Wir sitzen hier und können für die Frau nichts machen, weder rausholen noch sonst irgendetwas. Und peinlich ist das für uns auch. Die lachen sich kaputt im Osten, während ihre Spione hier und in den Westsektoren Berlins schalten und walten können, wie sie wollen.«

    Präsident Graham beugte sich leicht in Richtung Miller. »Ich will, dass das komplett neu organisiert wird. Wir brauchen dringend die Informationen, was in Ost-Berlin vor sich geht. Wie wir aus ihren Berichten wissen, planen die Sowjets in Afghanistan irgendetwas. Ich erwarte Ergebnisse.«

    »Wir werden tun, was in unserer Macht steht, Mister President. Unsere Männer in Kabul, Prag, Moskau und Warschau sind intensiv am Arbeiten. Und für Ost-Berlin finden wir eine Lösung.«

    »Ich hoffe es für sie, Miller. Ich hoffe es. Wir können uns solche Pleiten nicht erlauben. Was planen Sie zu tun?«

    »Ich werde einen meiner besten Männer nach Europa schicken, um die Angelegenheit persönlich in die Hand zu nehmen. Ich glaube, unser Hauptproblem ist, dass wir zu wenig Personal drüben haben.«

    Präsident Graham rieb sich das Kinn.

    »Ich hoffe, das funktioniert diesmal. Der Mann soll alles, was bisher dort läuft, in Frage stellen. Gibt es sonst irgendwelche Neuigkeiten?«

    Graham sah in die Runde. Miller meldete sich noch einmal zu Wort.

    »Die Pakete für Afghanistan sind soweit vorbereitet. Falls die Sowjets aktiv werden, ist dafür gesorgt, dass die Mudschahidin sich wehren können. Auch Pakistan und Saudi-Arabien beteiligen sich an der Unterstützung. Im Stillen hoffen wir natürlich, dass die Sowjets die Füße still halten.«

    Der Präsident nickte zustimmend.

    »Das hoffen wir alle.«

    Dann erhob er sich. Alle Teilnehmer der Besprechung folgten seinem Beispiel.

    »Na dann, meine Herren. An die Arbeit.«

    Der Dienstsitz der CIA befindet sich seit den 1950er Jahren in Langley, Virginia, einem Vorort nordwestlich von Washington D.C., im sogenannten Langley Research Center. Der Komplex hat keine offizielle Adresse, die dorthin führenden Straßen sind namenlos. Es gibt auch keinerlei Angaben zu der offiziellen Mitarbeiterzahl. Manche schätzen jedoch, dass es sich um 20.000 Menschen handelt, die auf dem circa einen Quadratkilometer großen Gelände arbeiten.

    Das Gebäude selbst war ein 180.000m² großer Klotz voll Glas, Beton und modernster Technik. Die CIA galt als der mächtigste Geheimdienst der Welt, gefolgt vom russischen KGB und dem israelischen Mossad.

    Mark Madsen las noch einmal den Bericht, den er gerade geschrieben hatte. Zufrieden stand er auf und ging zum Fotokopierer. 5-fache Ausfertigung. Immer dasselbe Spiel.

    Er sah auf die Uhr. Noch 10 Minuten bis zur Besprechung mit dem DCI, dem Direktor. Er spürte eine gewisse Anspannung. Das Gespräch konnte alles bedeuten. Eine Beförderung, eine neue Aufgabe. Madsen hatte keinen blassen Schimmer, was ihn erwartete. Er zündete sich eine Zigarette an und verfluchte sich dafür. Schon lange wollte er damit aufhören, hatte es aber bis heute nicht geschafft. Er atmete gierig den Rauch ein und legte sich seine Unterlagen zurecht, die er gleich zu der Besprechung mitnehmen wollte.

    Mark Madsen war 37 Jahre alt und ledig. Mit einer Größe von 1,87 m und seinen stahlblauen Augen war er eine imposante Erscheinung. Er war kräftig, hatte aber keinen Gramm Fett am Körper, weil er regelmäßig Sport trieb. Von seiner letzten Freundin hatte er sich vor einigen Tagen getrennt. Sie sahen beide keinen Sinn mehr in der Beziehung, weil Madsen zu viel und zu lange arbeitete. Als Einzelkind aufgewachsen, hatte er noch eine starke Bindung zu seinen Eltern, die in Detroit lebten. Sein Vater, John Madsen, war in der Automobilbranche als Verkäufer tätig, und seine Mutter Meredith verdiente durch einen Job als Reinigungskraft ein wenig dazu. Beide sind über die ganzen Jahre hinaus bescheiden geblieben und haben diese Werte ihrem einzigen Kind vermittelt.

    Madsen hatte die High School besucht und war in dieser Zeit ein leidenschaftlicher Eishockeyspieler, was ihm bei den Schulkameraden Beliebtheit und eine gehörige Portion Respekt einbrachte. Seine Körpergröße tat ihr Übriges. Nach der High School ging er direkt zum Militär, wo er sich freiwillig meldete. Nach seiner militärischen Ausbildung wurde er Mitglied der Special Forces, wo er Beobachtern der CIA auffiel. Nach seinem Wechsel in die Agency vor 13 Jahren arbeitete Madsen an einigen geheimen Operationen mit. Dank seiner Fähigkeiten, Menschen zu leiten und seiner rasanten Auffassungsgabe wurde er schnell Führungsoffizier. Seine Arbeit brachte ihn unter anderem nach Santiago de Chile, Luanda in Angola und Rom in Italien. Er sprach fließend Deutsch, Russisch, Spanisch, Farsi und Italienisch.

    Er stand in dem Ruf, in brenzligen Situationen immer für eine Überraschung gut zu sein.

    Madsen klopfte an die Tür seines Vorgesetzten.

    »Herein«, rief CIA-Direktor Ross Miller.

    Madsen trat ein. Miller stand auf und ging um den Schreibtisch, um seinen Gast die Hand zu schütteln.

    »Hallo Madsen, kommen Sie. Setzen Sie sich. Kaffee?«

    Madsen nickte, während er sich vor dem imposanten Schreibtisch Platz nahm. Der Direktor stellte Madsen und sich eine Tasse Kaffee bereit und setzte sich ebenfalls. Madsen sah eine Akte mit dem ihm wohlbekannten Aufdruck ´Top Secret´ auf dem Schreibtisch liegen. Beide tranken einen Schluck Kaffee, bevor Miller das Wort ergriff.

    »Ich habe Sie zu diesem Gespräch gebeten, weil ich einen wichtigen Job für

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