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Dreamjumper: Das Erwachen
Dreamjumper: Das Erwachen
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eBook465 Seiten6 Stunden

Dreamjumper: Das Erwachen

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Über dieses E-Book

Die Jagd geht weiter…
Unter mysteriösen Umständen stürzt eine vollbesetzte Passagiermaschine vom Himmel. Ein Videobeweis bringt Grauenhaftes zutage. Während die Behörden die falsche Person in die Mangel nehmen, versucht Taylor Turner der Wahrheit seiner Vergangenheit auf die Spur zu kommen. Lebensbedrohliche Abenteuer, darunter eine Folterung in einem chinesischen Gefängnis, halten ihn nicht davon ab, weiter nach Lung Pao zu suchen. Im Reich der Mitte sprengt Taylor Grenzen, und jeder Erfolg fordert seine Opfer…
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum20. März 2019
ISBN9783748522362
Dreamjumper: Das Erwachen

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    Buchvorschau

    Dreamjumper - Mirko Tomio

    Kapitel 1

    Früh am Morgen saß Kommissar Karl Schmied am Fensterplatz einer A380 Passagiermaschine und sah hinaus. Draußen war es dunkel.

    Wäre ich tagsüber geflogen, hätte ich bestimmt mehr gesehen. Wenigstens schneit es nicht.

    Grummelnd sah er nach links zu seinem Kollegen. Dieser hatte sich eine Schlafbrille aufgesetzt und ruhte sich aus. Am Gang saß ein schlaksiger junger Mann und trank aus einer Wasserflasche.

    Schmied konzentrierte sich wieder auf den Touchscreen vor ihm und folgte weiter der Handlung seines Films.

    Der Actionstreifen zeigte Matt Damon, wie er als Jason Bourne nachdenklich aus dem Fenster eines französischen TGV-Zuges starrte und über seine Herkunft grübelte.

    Es klappt nicht. Der Film lenkt mich nicht ab.

    Missmutig schaltete er zurück zum Menü des Bildschirms und drückte auf den Button für die Bordkameras.

    Die Außenaufnahmen zeigten tiefste Nacht. Kein anderes Flugzeug, kein Lichtermeer von Städten oder Ähnliches war zu sehen.

    Er schaltete den Bildschirm komplett aus und kramte aus seiner Jackentasche einige gefaltete Blätter heraus. Es waren Kopien aus alten und aktuellen Akten. Sie handelten von merkwürdigen Todesfällen, deren Ursachen immer noch nicht aufgeklärt waren.

    Der Beamte las Geschehnisse, die sich in den Jahren 1993 bis 2013 zugetragen hatten. Sie zogen sich von Amerika über Europa bis nach Asien. Er hatte von seinem Vorgesetzten den Auftrag bekommen, zusammen mit dem neuen Kollegen nach Omaha im US-Bundesstaat Nebraska zu fliegen, um mit den dortigen Beamten vor Ort die Fälle miteinander zu vergleichen. Diese Berichte handelten von Opfern, die auf ungeklärte Weise in ihren Betten grausam ermordet wurden.

    Ein Rütteln erfasste das Flugzeug und der Kommissar schreckte von den Mordfällen auf. Durch die Lautsprecher gab es ein kurzes Knistern, dann teilte der Pilot den Passagieren mit: »Sehr verehrte Fluggäste, hier spricht Ihr Flugkapitän. Wir befinden uns gerade in einem Gebiet mit leichten Turbulenzen. Zu Ihrer eigenen Sicherheit bitte ich Sie zu Ihrem Sitzplatz zurückzukehren und den Gurt zu schließen. In ein paar Minuten können Sie Ihren Flug nach Omaha in Ruhe weiter genießen!« Der Flieger hatte seinen Steilflug vor einer viertel Stunde beendet.

    Bevor ihm von den Luftlöchern übel wurde, steckte der Kommissar die Kopien wieder in seine Tasche. Erneut sah er in den finsteren Himmel und sein leicht transparentes Spiegelbild mit mahagonibraunen Augen sah ihn missmutig an.

    Das fehlte mir jetzt! Durch meine schwarzen Haare und den Nachthimmel sieht es so aus, als hätte mein Spiegelbild eine Glatze. In zwölf Jahren werde ich Fünfzig. Dann von mir aus. Ich will bis dahin meine Haare behalten!

    Karl Schmied war muskulös gebaut, dennoch kein Muskelprotz. Seiner Unruhe im Blut verdankte er, keinen Schlaf zu finden.

    Schmied beneidete den kräftigen, jedoch kleineren Sitznachbarn und wusste nicht, wie er sich mit seiner stattlichen 1,85m Größe drehen und wenden sollte, um einige Minuten oder sogar Stunden abzuschalten.

    Hätte mein Chef mehr für mich übrig, dann säße ich nicht hier unten, sondern oben in der Business-Klasse und würde mich von den Stewardessdamen verwöhnen lassen und mein Sitz läge in der Waagerechten.

    Grummelnd schob er den Sonnenschutz nach unten und deckte sich mit der Decke zu, die für jeden Passagier auf dem Sitz parat lag. Im Kopf durchlief er nochmal alle recherchierten Fakten und bereitete sich mental auf das Zusammentreffen mit den Kollegen in den USA vor.

    Der Schlaf übermannte ihn und Schmied fing an zu träumen.

    Oh… okay! Eben war ich noch wach und jetzt … stehe in meinem Büro? So einen Traum hatte ich bisher noch nicht. Alles ist so klar und deutlich. Normalerweise, wenn ich mich an meine Träume erinnere, dann sind sie eher verschwommen und ohne Struktur.

    Er stand in seinem Büro der Kölner Dienststelle. Es wurde von einer Neonröhre durchflutet, die leise summte. Durch das gegenüberliegende Fenster schien kein Licht hindurch.

    Der Kommissar näherte sich seiner Pinnwand, die an der Seite des Raumes hing.

    Die Fahndungsfotos … sie sehen alle so aus wie in der Realität. Und das Grünzeug auf dem Sideboard ist auch verwelkt.

    Der Beamte schmunzelte beim Anblick der Pflanze. Neben dem Gewächs stand das Familienfoto. Er nahm es in die Hand und sah seine lächelnde Frau an, dann wanderte sein Blick zu den Töchtern.

    Meine zwei Babys … unglaublich. Gestern wart ihr noch am Krabbeln, heute seid ihr schon Teenager. Wie schnell die Zeit doch vergeht!

    Er stellte seufzend das Bild wieder zurück und nahm am Schreibtisch Platz.

    Schmied hatte oft mal angenehme, mal weniger schöne Träume. Als Kripobeamter waren sie intensiv vom Alltag suggeriert. Wenn er von einer Verfolgungsjagd, Schießerei oder einem Leichenfund träumte, so war er nach dem Aufwachen beruhigt, alles nur geträumt zu haben. Doch hier war ihm langweilig.

    »Es passiert nichts! Der reinste Albtraum!«, sagte er laut, während er einen Stapel Akten in beide Hände nahm und sie mit einem lauten Knall auf den Tisch fallen ließ. Staub stob aus den Öffnungen der Akten heraus. Die Mappen verteilten sich auf der Tischplatte und einige fielen herunter auf den Boden.

    »Mist! Da jage ich lieber Verbrecher, als irgendwelche trockene Berichte zu verfassen! Obwohl … ich könnte ja mal schauen, was außerhalb dieses Raumes ist. Was soll schon passieren. Es ist ja nur ein Traum!«

    Schmied war dabei aufzustehen, als es an der Tür klopfte.

    »Herein!«, sagte er mürrisch mit leichter Überraschung in der Stimme und ein Mann trat ein.

    Wer ist das denn? Der Typ hat eine Glatze, hat asiatische Gesichtszüge und ist komplett in Weiß gekleidet. Irgendwas stimmt hier nicht!

    Der Kommissar blieb vorsichtig und ließ sich von seinem Instinkt leiten.

    »Wer sind Sie?«

    »Sie kennen mich nicht! Noch nicht!«, sagte der Fremde mit markanter Stimme.

    »Ich weiß, dass Sie jemandem auf der Spur sind. Ich kann Ihnen helfen, denjenigen zu finden!«

    »Wovon reden Sie?«, fragte der Kommissar.

    »Was wollen Sie hier? Was ist in dem Sack? Sind Sie der Weihnachtsmann in … Weiß?«, spottete der Kommissar und wartete auf die Reaktion.

    Das Lächeln im Gesicht des Mannes erstarb. In Windeseile huschte er an den Beamten heran und hob ihn mit einer Hand am Hals in die Höhe. Mit einem festen Griff drückte er den Kommissar an die Wand und starrte ihm in die Augen.

    Obwohl Schmied beide Hände frei hatte, fiel es ihm schwer, sich zu bewegen. Er war wie paralysiert. Durch den Aufprall gegen die Wand hatte er Kopfschmerzen bekommen und der Raum hatte angefangen zu beben.

    Ich will aufwachen! Verdammt, ich krieg keine Luft. Es fühlt … sich so echt an. Was ist hier los? Wieso werde ich nicht wach? Was will der Kerl? Mir wird schwindelig … ich…

    Das Herz schlug schneller und ihm wurde heiß. Er röchelte und wollte was sagen. Sein Peiniger unterbrach ihn.

    »Folgen Sie meinen Lippen! Meine Zeit ist kostbar und ich bin nicht gewillt, sie hier zu vergeuden. Sie werden mir den Täter, der für diese Morde in ihrer Akte verantwortlich ist, bringen!«

    Der Kriminalist hatte wieder Gewalt über seine Muskeln erlangt und schlug, mit aller Kraft, auf die Armbeuge des Fremden ein.

    »Unsinnig was Sie da tun. Ich bin um einiges stärker!«

    »Warum …«, röchelte der Kommissar, »…brauchen Sie meine Hilfe?«

    Der Kopf vom Polizisten war feuerrot angelaufen, als sein Angreifer den Griff um den Hals festigte. Der Beamte sah flimmernde Punkte und in seinen Augen waren einige Äderchen geplatzt.

    Der Asiate antwortete: »Er blockiert mich und ich kann ihn nicht finden! Deshalb machen Sie sich auf die Suche!«

    »Wer blockiert Sie? Warum … ich?«

    »Weil Sie ihn finden können! Schauen Sie genauer hin! Doch um Ihnen zu beweisen, dass das hier kein normaler Traum ist, gebe ich Ihnen was mit auf den Weg. Ich wünsche eine gute Landung und suchen Sie nach Taylor Tu-«

    Die Deckenleuchte wurde immer heller und der Kommissar hatte Schwierigkeiten, den Angreifer zu sehen, geschweige denn zu verstehen. Der Raum wurde mit einem gleißend hellen Licht durchflutet und sein Peiniger verblasste. Kommissar Schmied schloss reflexartig seine Augen. Er spürte gleichzeitig, wie das Atmen leichter wurde. Als er die Augen wieder öffnete, fuchtelte er wild mit seinen Händen herum, um sich vom Würgegriff zu befreien.

    »Beruhigen Sie sich verdammt nochmal!«, bat ihn sein Kollege, »ich habe aus Versehen … mein Blitzlicht von der Digi-Cam gedrückt. Das muss Sie geweckt haben. Ich wollte Sie nicht blenden.« Er mühte sich ab, die unkontrollierten Schläge abzuwehren.

    »Was … wo … was ist passiert?«, fragte der Kommissar desorientiert und außer Atem. Er räusperte sich mehrmals.

    »Nachdem der Blitz Sie traf, haben Sie angefangen, um sich zu schlagen. Haben Sie schlecht geträumt, oder was? Mein Gott, Sie sind ja völlig rot am Hals! Das sieht aus wie … wer hat Sie denn gewürgt?«

    Der Kommissar hatte Aufsehen erregt. Einige Passagiere drehten ihre Köpfe in seine Richtung, andere tuschelten. Einige Jugendliche vor ihm auf der gegenüberliegenden vorderen Seite der Kabine richteten ihr Handy auf ihn. Von Weitem kam schon ein Flugbegleiter herangeeilt.

    »Verehrter Herr, ist alles in Ordnung bei Ihnen? Brauchen Sie eine Reisetablette?«

    Auf einmal bekam der Flugbegleiter große Augen und Angst in seiner Stimme war erkennbar. Er behielt professionell Haltung und Diskretion, um die anderen Passagiere nicht zu beunruhigen. Der Steward schluckte gequält, bevor er den nächsten Satz formulierte.

    »Entschuldigen Sie, aber ... tragen Sie auf dem Rücken einen … Fallschirm? Wo haben Sie den her?«

    Der Kommissar sah verwirrt an sich herunter und erkannte, dass er links und rechts von der Schulter nach unten Gurte trug. Der Verschluss, der alle Gurtbänder am Bauch zusammenführte, war noch offen. Dem Beamten wurde es plötzlich heiß. Er spürte, wie sein Herzschlag schneller wurde. Er tastete nach hinten und fühlte mit seinen schwitzenden Fingern einen Rucksack. Erst jetzt verspürte er das Gewicht auf seinem Rücken.

    Gänsehaut durchflutete ihn. Völlig konsterniert sah er mit weit aufgerissenen Augen abwechselnd den Flugbegleiter und seinen Kripo-Kollegen an. »D-Das ist doch unmöglich! Er sagte was von guter Landung und …«

    Mittlerweile standen sein verdutzter Kollege und andere Gäste von ihren Plätzen auf. Ein Raunen wehte durch die Gänge.

    »Schmied, was geht hier vor? Was soll das?«, fragte sein Kollege und sah ihn skeptisch an. Es wurde immer lauter in der Kabine. Es entstand Hysterie unter den Passagieren.

    Ein schmerzverzerrter Schrei hallte aus den hinteren Reihen und ein lautes zerreißendes Geräusch folgte. Etwas Riesiges materialisierte im Passagierraum und zerfetzte die Zwischendecke, die die Economy-Class mit der oberen Business- und First-Class trennte. Das zusätzliche Gewicht riss das Flugzeug in die Senkrechte nach unten.

    Mehreres geschah dadurch gleichzeitig.

    Durch die getrennten Leitungen entstanden Kurzschlüsse und es brach Feuer aus. Aufgrund des intensiven Druckabfalls fielen von den intakten Deckenteilen, Sauerstoffmasken aus den Deckenfächern. Zeitgleich rissen durch den abrupten Richtungswechsel beide Flügel der Maschine ab und die Flugzeugkabine wurde auseinandergerissen.

    Die Passagiere, die bislang nicht von der aufgetauchten Masse zerquetscht wurden, wurden schreiend aus dem Flugzeugwrack in alle Himmelsrichtungen gesogen und verloren durch den enormen Druck in dieser Höhe sofort das Bewusstsein.

    Ebenso der Kommissar. Er verspürte einen kräftigen Ruck, dann wurde ihm schwarz vor Augen. Als er sie erneut öffnete, tränten sie. Ein Schatten flog an ihm vorbei. Es war ein Passagier, der Schmied streifte und dadurch wieder zu Bewusstsein gebracht hatte. Er rotierte mehrere Male um die eigene Achse. Seine Kopfschmerzen waren so intensiv, dass er dachte, sein Schädel zerplatze jeden Moment.

    Der Beamte sammelte alle Kräfte, um mit den Händen den Gurtverschluss am Bauch zu schließen. Seine Finger froren. Er musste mit ansehen, wie um ihn herum Passagiere in den Tod fielen. Trotz der hellen Mondscheinnacht erkannte er keine Gesichter, nur dutzende Silhouetten, die Richtung Erde stürzten. Manche kamen wieder zu Bewusstsein und fingen an zu schreien.

    Normalerweise trugen Fallschirmspringer bei solchen Sprüngen eine Schutzbrille. Diese hatte ihm die Traumgestalt, er war sich sicher, dass sie es gewesen war, nicht ausgehändigt. Nur durch mehrmaliges Blinzeln war es ihm möglich, wahrzunehmen was um ihm herum geschah. Seine Augen waren glasig, sie tränten immer stärker und er sah alles verschwommen.

    Die zerborstene Maschine, weit unter ihm, war lichterloh am brennen und steuerte wie ein riesiger Feuerball die Erde an.

    Der Kommissar war so hoch oben, dass es ihm wie Minuten vorkam, bis er eine verhältnismäßig stabile Position erreicht hatte, um an der Reißleine des Fallschirms zu ziehen. Durch den Zug wurde er abrupt mehrere Meter nach oben gezogen. Wieder flogen einige Schatten an ihm vorbei, die schlaff und regungslos herunterfielen.

    Oh bitte lieber Gott, ich will noch nicht sterben. Meine Familie braucht mich. Ich liebe euch über alles! Lass mich heil unten ankommen. Bitte, bitte!

    Durch den langsam gleitenden Abstieg sah er wieder klarer. Er rieb seine Augen und sie hörten auf zu tränen. Für einen kurzen Moment war er erleichtert, gleich wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Als er zur Erde sah, erkannte er in der Ferne ein Meer an Lichtern. Welche Stadt das war, wusste er nicht.

    Direkt unter ihm verteilt gab es kleine flackernde Herde. Es waren die Absturzstellen des Flugzeugwracks und der abgebrochenen Teile. Er dachte an seinen Kollegen. Sie kannten sich nicht mal zwei Tage. Schmied wusste von ihm nur, dass er mit einer Lehrerin liiert war.

    Auf einmal wurde er aus seinen Gedanken gerissen. Ein harter Schlag traf ihn und er sah und fühlte nur noch Stoff im Gesicht. Er bekam Panik und schrie. Sein bisheriges Leben raste vor seinem inneren Auge an ihm vorbei. Er sah sich schon auf dem Boden aufklatschen. Der Kommissar verdrängte sofort den Gedanken und dachte wieder an seine Familie. Sie brauchten ihn. Das Schicksal durfte sie noch nicht trennen.

    Er schöpfte wieder Mut und fuchtelte mit den Armen herum.

    Das war eindeutig ein Passagier, der meinen Fallschirm getroffen hat! Bis zur verdammten Erde ist es nicht mehr weit. Ich muss diesen verhedderten Schirm loswerden, sonst habe ich keine Chance zu überleben. Oh, bitte Gott, lass mich noch einen Ersatzfallschirm haben. Doch, da muss einer sein!

    Er hatte keine Wahl. In dieser misslichen Lage würde er auf dem Boden oder Wasser aufprallen und jede Rettung käme für ihn zu spät. Der Kommissar verschaffte sich mit Mühe freie Sicht. Er sah durch die brennenden Trümmer am Boden die Konturen der Wiesen und Felder und der Straßen, die sich wie schwarze Schlangen mäandernd durch die Landschaft zogen. Langsam wurden die Lichter aus der Stadt größer. Schnell tastete er nach der vermeintlichen Rettungsleine.

    Sein Herz vollzog Luftsprünge, als er sie in seine Finger bekam. Ihm blieben nur Sekunden, um den beschädigten Fallschirm loszumachen und an der Leine zu ziehen. Seine zittrigen Finger schmerzten, als er sie bewegte. Er biss die Zähne zusammen. Es gelang ihm, und nach einem kräftigen Ruck flog er erneut ein Stück dem Himmel entgegen.

    Der verhedderte Fallschirm flatterte in sicherer Entfernung von ihm davon. Der Passagier, der ihn getroffen hatte, befand sich unter ihm und steuerte ohne Umwege den Boden an. Der Notfallschirm war kleiner als der erste.

    Er berührte mit seinen Füßen nur kurz den Erdboden und eine Windböe fing ihn auf und nahm ihn einige hundert Meter mit. Sein Flug endete jäh in der Mitte einer Straße.

    Während ein Fahrzeug, dessen Scheinwerfer den Kommissar immens blendeten, sich rasant näherte und vor dem unfreiwilligen Fallschirmspringer bremste, rollte er sich einige Meter vor der Stoßstange ab. Der Autofahrer stieg entsetzt aus und fragte wild gestikulierend: »Das sah ja übel aus. Wo kommen Sie denn plötzlich her? Alles okay? Was war das für ein Leuchten am Himmel?«

    Der Kommissar befreite sich fluchend aus dem verwickelten Stoff und schnallte sich den Rucksack ab, als wäre er voller ekliges Getier.

    »Weg mit dem Zeug, helfen Sie mir! Nu machen Sie schon! Ich … bin Polizist. Schnell! Fahren Sie mich zur nächsten Polizeiwache!«

    Der Autofahrer war so von der Situation überrumpelt, dass er dem Kommissar glaubte und nicht erst einen Beweis für seine Behauptung, wie etwa einen Dienstausweis, verlangte. Er half Schmied, den Schirm zusammenzurollen und im Auto auf der Rückbank zu verstauen. Dann setzen sich beide in den Wagen und brausten immer schneller werdend in die nächste Stadt.

    Kapitel 2

    Auf einer grün schimmernden Wiese stand eine große Eiche. Sie hatte einen gesunden braunen Stamm und ein grünes Blätterkleid. Es gab keine hängenden Stromleitungen oder Windkrafträder, die das Landschaftsbild verschandelten. Man sah nirgendwo Straßen oder Häuser. Weder Wolken am Firmament noch weitere Bäume waren zu sehen. Der Himmel selbst schien in endloser Ferne zu sein. Dies war nicht die Realität. Dies war Taylors Traum. Er hatte ihn so geformt.

    Mit Erreichen des 15. Lebensjahres erfuhr Taylor Turner, dass er anders war als seine Mitschüler. Er konnte nicht nur in fremde Träume hineinspringen, diese manipulieren und kontrollieren, sondern ebenso materielle Gegenstände aus den Träumen stehlen. Durch die Euphorie, Gott zu spielen, brachte er beide Welten durcheinander, sodass Traum und Realität miteinander verschmolzen.

    »Du fehlst mir, mein Freund!«, sagte Taylor traurig und kniete unter dem Baum.

    In seinen Händen hielt er einen abgeschnittenen Kopf. Der restliche Körper lag leblos daneben.

    Taylor hatte sich diesen Ort als Ruhestätte ausgesucht. Hier blieb der Leichnam fürs Erste liegen, ohne dass er jemals gefunden werden konnte.

    »Weißt du Hank«, sagte er zu seinem toten Freund, dessen Gesicht, abgesehen von der Leichenblässe, den Eindruck vermittelte, er würde normal schlafen, »seit genau einem Monat bist du schon tot und immer wieder komme ich zu dir. Wir haben uns gar nicht so lange gekannt, aber in der kurzen Zeit eine Menge durchgemacht. Weißt du noch, wie du damals an meiner Tür geklingelt hast? Ich dachte, es wäre der Pizzalieferant. Stattdessen standest du vor der Tür und … hieltst mir deine Waffe an die Stirn! Damals hätte ich mir fast vor Angst in die Hosen gemacht. Damals … heute weiß ich es besser. Du hättest mich nie verletzen wollen! Du wolltest mich beschützen. Leider konnte ich dir nicht helfen, als du ... ich kam nicht rechtzeitig! Es …«

    Er balancierte den Kopf auf einer Hand, wischte sich die Tränen aus den Augen, legte die zweite Hand wieder unter den Kopf und schluckte trocken.

    »Diese Bilder werde ich nicht mehr los! Jedes Mal wenn ich bei dir bin, kommen sie wieder hoch. Lung Pao hat dir vor meinen Augen den Kopf abgeschnitten. Diesen Moment werde ich niemals vergessen. Oh wie ich ihn hasse!«

    Lung Pao war ein Mönch aus Tibet. Er war wie Hank und Taylor ein Traumspringer, und Taylor hoffte, ihn bald zu finden. Bis jetzt waren sie sich nur in den Träumen begegnet. Seit Wochen bereitete sich Taylor vor, Pao in der realen Welt zu treffen.

    Auch Pao jagte den Traumspringer. Er wollte ihn töten. Der Mönch erhoffte sich, durch Taylors Tod, seine Kräfte zu gewinnen und dadurch mehr Macht zu erlangen.

    Diese tödliche Erfahrung erfuhr zuvor Taylors Kumpel Hank, der sich zwischen beiden Traumspringern stellte und durch Paos Klinge den Tod fand.

    Seine Hände fingen an zu schwitzen und zu zittern. Taylor legte den Kopf behutsam neben den toten Körper und nickte dem Korpus respektvoll zu. Langsam stand er aus seiner knienden Position auf. Das Aufstehen fiel ihm schwer.

    Im letzten Kampf wurde er von Lung Pao mit einem kurzen Silberschwert attackiert. Er hatte es ihm mit voller Wucht in die Seite gestoßen.

    Mit schmerzverzerrtem Gesicht sah Taylor nach oben. Es schneite.

    Schwarze Flocken rieselten auf die, wie mit hellen Adern durchzogenen Blättern, und bedeckten die Wiese und den Leichnam.

    Seitdem Pao ein Loch in die Traumwelt von meinem Klassenlehrer geschossen hatte, schneit es überall! Warum schneit es? Warum ist der Schnee schwarz?

    Taylor war es bisher nicht gelungen, die Ursache oder die Lösung des Problems zu finden.

    »Ich muss gehen, aber ich komme bald wieder!«, bemerkte er und schloss die Augen. Es gab ein Geräusch, dass die Luft zu zerreißen schien und Taylor war verschwunden.

    Gleichzeitig hörte der Ort auf zu existieren.

    Taylor öffnete die Augen und sah in ein braunes Augenpaar.

    »Guten Morgen!«, sagte seine Freundin Lisa und streichelte ihm verschlafen über die Wange.

    »Morgen! Hast du schön geschlafen?«, fragte er und durchfuhr mit seiner Hand ihre braune Lockenpracht.

    Sie nickte und streckte sich genüsslich.

    Er atmete tief durch und stand auf.

    »Ich würde mich auch gerne strecken, Lisa.«

    »Es tut immer noch weh, oder? Willst du nicht zu einem Arzt damit?«

    »Nein!«, konterte Taylor forsch und bemerkte sofort seinen Tonfall.

    »War nicht so gemeint, Lisa. Entschuldige bitte. Du weißt doch, es geht nicht. Ich kann damit zu keinem Arzt gehen. Die stecken mich doch in Quarantäne oder Schlimmeres! Wenigstens waren die Fäden der genähten Wunde selbstauflösend, und eine Woche nach der kleinen Operation waren sie weg.«

    »Ja, das fand ich auch gut, aber ich habe davor keine Angst«, erwiderte Lisa, stand vom Bett auf und hob vom Boden ihr schwarzes Höschen auf, »sonst würde ich nicht hin und wieder mit dir schlafen!«

    Taylor grinste.

    »Ja … und ich genieße es jedes Mal. Okay, manchmal zwickt die Wunde schon ...«

    »Sag das noch mal und wir hören auf zu vögeln!«, drohte sie und bekam einen ernsten Gesichtsausdruck.

    »Nein, alles gut«, erwiderte er und gestikulierte mit der Hand, »Ich denke auch nicht, dass es ansteckend ist. Mir geht’s ja schon besser und … egal, ich geh ins Bad. Machst du zur Abwechslung mal Frühstück?«

    »Ja, kann ich machen. Hau schon ab!«, sagte sie grinsend und gab ihm einen Klaps auf den nackten Hintern.

    Während Lisa in Taylors Küche das Frühstück zubereitete, begutachtete er sich im Badspiegel. Er betrachtete sich und fuhr sich durch seine schwarzen zerzausten Haare.

    Wie sagte doch der Arzt in der Notfallambulanz von Omaha, als er meine Stichwunde sah? Sowas habe ich noch nie gesehen. Der Arzt hatte schon viele Verletzungen behandelt, aber eine wie meine jedenfalls nicht. Genauso die Ärztin, die dabei stand und die Krankenschwester waren da ratlos.

    Taylors Wunde war keine normale Stichverletzung. Dort, wo mittlerweile eine Narbe entstanden war, hatte sich seit dem Angriff wenig verändert. Immer noch war der Rand um die Verletzung bläulich violett. Sie hatte eine Größe von knapp fünf Zentimetern. Von der Wunde aus verteilten sich Linien unterhalb der Hautschicht, die wie Blitze in einer warmen Sommernacht zuckten. Sie sahen aus wie normale Adern unter der Haut, doch es waren keine.

    Taylor fuhr mit den Fingern über die Adern, so wie es der behandelnde Arzt Dr. Servator getan hatte. Er spürte ein Kribbeln. Es fühlte sich an wie Stromschläge von einem elektrischen Weidezaun.

    Er blies durch die geschürzten Lippen und nahm von der Ablage einen schwarzen Marker. Diesen hatte der Arzt ihm mitgegeben, damit er alle paar Tage an die Enden der zuckenden Linien einen Punkt setzen konnte. So war es ihm möglich zu beobachten, ob sie zurückgingen oder sich weiter auf dem Körper verteilten.

    »Keine Veränderung!«

    Er wusch sich am Waschbecken, zog sich an und ging in die Küche.

    »Und?«, fragte Lisa und goss zu frisch getoasteten Brötchen aromatisch duftenden Kaffee in die Tassen.

    »Keine Veränderung. Die Linien sind immer noch von der Wunde ausgehend fünfzehn Zentimeter lang.«

    »Na ja, wenigstens keine Verschlechterung!«, sagte sie mit einer beruhigenden Art und lächelte.

    »Ja, erinnerst du dich noch, als er mich wegen der Blutvergiftung fragte?«

    »Hm …, er hat dich voll komische Sachen gefragt!«, sagte sie und biss herzhaft in ihr Wurstbrötchen.

    »Na ja, er wollte nur auf Nummer sichergehen. Ich hatte an dem Tag kein Fieber, Herzfrequenz und Puls waren auch soweit normal und Schüttelfrost hatte ich auch nicht.«

    »Genau, danach hörte er deine Bronchien ab und auch da fand er nichts. Dann wollte er wissen, wie du ins Krankenhaus kamst, ob du wüsstest, wo du dich im Moment befindest und Datum und Wochentag.«

    »Das konnte ich ihm alles beantworten!«

    »Oja, als er wissen wollte, ob es Mittwoch war, da hast du ihn voll angefaucht!«

    »Ich war genervt, aber dann gab er zu, dass ich keinerlei Symptome einer… einer ...«

    »Sepsis! So hieß das. Sepsis!«

    »Eben, ich hatte keine Sepsis«, entgegnete er ihr und schmierte sich eine Brötchenhälfte mit Erdnussaufstrich. »Als die meine Wunde behandelten, da hat das Zeug zum Desinfizieren vielleicht gebrannt. Das kann ich dir sagen, Lis`!«

    »Glaub ich. Nachher bei den Fotos für die Arztakten hast du auch voll gezuckt.«

    »Das war komisch. Jedes Mal wenn der Blitz die Wunde stark erhellte, spürte ich ein Ziehen. Als fände die Wunde es unangenehm, fotografiert zu werden.«

    »Denkst du immer noch, die haben was in der Blutprobe gefunden, die sie dir abgenommen hatten?«

    Taylor goss sich eine zweite Tasse Kaffee ein und wiegte seinen Kopf hin und her.

    »Glaub ich nicht. Sonst hätten die mich längst auf der ganzen Welt gesucht. Ich habe manchmal mit Kreditkarte bezahlt. Die wissen also wer ich bin, und die Behörden können dadurch schnell meine Adresse rausfinden!«

    »Denkst du, es war ratsam nach deiner Behandlung sofort abzuhauen?«

    »Das war klug und ich bereue es nicht. Ich bin mir sicher, sie hätten mich bestimmt gerne dabehalten. Wie der Doc gesagt hatte, haben die so eine Wunde noch nie gesehen. Ich wollte aber nicht als Versuchskaninchen enden. Ich weiß, dass die Wunde nicht von dieser Welt ist, aber ich will nicht im Krankenhaus versauern. Ich kann mich wie in den letzten Wochen auch zu Hause ausruhen!«

    »Wir hatten Glück, dass die Ärzte nicht die Polizei gerufen haben. Stell dir vor, Taylor, was hätten wir denen erzählen sollen?«

    »Ja, das war gut so. Der Arzt wollte wissen, ob einer von uns die Angreifer identifizieren konnte. Nur gut, dass alle ‚Nein‘ sagten! Ich denke, dass wegen des Schneechaos an dem Tag die Notfallambulanz fast aus den Nähten platzte. Der Doc war also gezwungen, mich schnell zu verarzten und die Liege wieder frei zu machen für den nächsten Notfall! Wir hatten nochmal Glück gehabt! Du hattest in dem Moment deine Hand an dein Kinn gehalten, so konnte der Arzt die Würgemale, die Pao dir zugefügt hatte, nicht erkennen. Aber seit diesem Tag hast du keine Schmerzen mehr, oder?«

    »Nein, nach ein paar Tagen nach dem Angriff ging es mir wieder besser! Und dir geht’s wieder gut, abgesehen von deiner Stichwunde?«

    »Ja, sie ist ja relativ gut verheilt. Nur noch diese ... seltsamen … Anomalien drum herum!«

    Lisa wurde ernster und hob mahnend ihren Finger.

    »Dank dem Zureden deiner Eltern und mir hast du dich in den letzten Wochen geschont und bist endlich fitter!«

    »Ja ich weiß!«

    »Du wolltest dich sofort nach Lhasa begeben, ohne viel nachzudenken und ohne einen Plan in der Tasche zu haben!«

    »Ja, ihr hattet Recht!«

    »Du hast doch mit eigenen Augen gesehen, was dieser Wahnsinnige mit deinem Kumpel angestellt hat!«

    Mit dieser Aussage hatte Lisa einen wunden Punkt getroffen. Taylor sah resigniert in seine leere Kaffeetasse.

    Beide schwiegen für einen Moment.

    »Warst du heute Nacht wieder bei ihm?«

    Taylor nickte stumm.

    »Brachte dir der letzte Besuch wenigstens neue Erkenntnisse?«, wollte Lisa von ihm wissen.

    »Nein, leider nicht!«

    »Versteh mich nicht falsch, Taylor, aber … fängt er nicht langsam an zu verwesen? Es ist doch ein menschlicher Körper, oder nicht?«

    Taylor schluckte.

    »Irgendwie schon. Als ich ihn heute Nacht besuchte, da war der Körper völlig blass. Ich glaube es fängt langsam an. Je öfter ich zu ihm gehe, desto schneller beginnt er zu verwesen. Ich muss mir bald was einfallen lassen.«

    »Meinst du, jemand vermisst ihn? Freunde oder Familie?«

    »Vielleicht, vielleicht auch nicht. Ich weiß ehrlich gesagt fast gar nichts von ihm. Ich denke oft, ich mach mir auch was vor. Ich hab nicht viel von ihm, nur …«

    Taylor stand vom Tisch auf und ging zum Wohnzimmertisch. Dort nahm er zwei Gegenstände und brachte sie mit.

    »Hier, das sind die zwei Dinge, die ich bei Hank gefunden hatte. Ich hab großen Respekt vor den Toten, daher hab ich ihn, auch wenn es komisch klingt, als er tot da lag gefragt, ob ich in seine Taschen schauen darf.«

    »Ja ich weiß«, erwiderte Lisa und nickte verständnisvoll, »das eingeschweißte Stück Papier. Was steht da nochmal drauf?«

    »Es fehlt der Anfang des Satzes. Hier steht lediglich; …du siehst, dass es kein normaler Traum war, bekommst du von mir diesen Brief. Das war‘s. Mehr steht da nicht drauf!«

    »Ja, aber es ist eingeschweißt. Also muss es für Hank eine Bedeutung gehabt haben. Er verpackte es wasserdicht und trug es mit sich herum. Vielleicht ist es nur ein Fetzen Papier, aber es hat seine Bedeutung!«

    »Na hoffentlich finden wir raus, welche!«

    Taylor schob das Stück zur Seite und griff nach dem zweiten Gegenstand.

    »Oh Mann, Taylor!«

    »Was?«

    »Das schwarze Stück Stoff da …«

    »Ich weiß, es ist auch nicht von dieser Welt, aber ich kann es bestimmt besser gebrauchen als Hank und …«

    »Bestimmt, aber … ich hab ein wenig Angst davor. Sieh mal!«

    Lisa griff nach dem handtellergroßen Stück schwarzen Stoff. Die eine Seite war normal und fühlte sich samtweich an. Die andere war mysteriös. Ein Sog war zu spüren.

    »Wegen des Stoffes hier hast du keine Duschbrause mehr!«, sagte Lisa vorwurfsvoll.

    »Ja, deswegen gehst du auch nicht mehr bei mir duschen!« Taylor grinste.

    »Ja wie denn auch? Die Erfindung war so lange geil, wie sie da war. Wer kann schon von sich behaupten, dass er in einer Dusche war, wo die Duschbrause ohne Wasserschlauch funktionierte. Als wäre die Duschbrause an einer Art WLAN angeschlossen. Anstatt kabellos Signale zu übertragen, schickte sie von einem komischen schwarzen Kasten, der in deiner Dusche hing, schlauchlos Wasser in die Duschbrause!«

    »Ja, es war eine geile Erfindung«, stimmte Taylor ihr zu, »nur leider geriet sie außer Kontrolle und Hank fand keinen anderen Ausweg als sie in diesem Stück Stoff verschwinden zu lassen!«

    »Vielleicht besser so. Dein ganzes Wohnzimmer war halb unter Wasser deswegen!«

    »Es hat lange gedauert, bis die Sanierungsfirma meine und die Nachbarswohnung unten drunter wieder trocken gelegt hatte!«

    »Aber du hast immer noch keine intakte Dusche. Wie lange willst du noch ohne leben?«

    »Ehrlich gesagt, wenn ich duschen will, gehe ich, wenn ich träume in meine Traumerinnerung zu der Zeit, wo die Dusche noch intakt war. Ich muss nur daran denken, dass ich in der realen Welt mich nackt in die Dusche setze und in den Traum springe.«

    »Warum das?«

    »Weil ich im Traum pitschnass werde und die Nässe in der Realität auch auf meiner Haut entsteht. Ich werde von innen heraus nass. Beim ersten Mal wachte ich in meinem durchnässten Bett auf. Kannst du dich noch daran erinnern? Ich kann dir sagen, ich musste mein komplettes Bett wieder trocken legen.«

    »Ja, ich erinnere mich, das war vor ein paar Wochen. Wir mussten auf der Couch pennen!«

    »Keine Sorge, es ist keine Lösung für die Ewigkeit. Ich werde die Dusche reparieren lassen. Problem ist nur, dass ich mir noch keine gute Ausrede hab einfallen lassen, wenn die Sanierungsfirmen fragen, was der schwarze Kasten dort soll oder wo die andere Dusche hin ist. Na ja … ich denk mir schon was aus!«

    Lisa nickte und sie frühstückten schweigend weiter.

    Danach räumte Taylor ab und Lisa fragte, während sie ins Bad schlurfte: »Und? Freust du dich auf den Besuch bei deinen Eltern?«

    »Ja schon«, antwortete Taylor und folgte ihr, »bin mal gespannt, wie es meinem Vater geht. Er klagt immer noch, wenn ich mit ihm telefoniere, über einen metallischen Geschmack im Mund.«

    »Metallisch … so wie Blut?«

    »Ja, bis jetzt konnten seine Ärzte nicht herausfinden, was er hat. Hoffentlich geht’s ihm bald besser!«

    »Hoffentlich!«, stimmte Lisa ihm zu und packte ihren Kram zusammen.

    Sie zogen sich an und Lisa gab ihm einen Knuff in die Seite.

    »Sag mal, wann erzählen wir deinen Eltern, dass wir nicht zusammen sind? Ich kann deine Mutter gut leiden. Mit George komm ich auch klar! Ich will deine Eltern nicht anlügen.«

    »Du meinst, sie sollen erfahren, dass wir nur eine Affäre haben?«, fragte Taylor und hob skeptisch die Augenbrauen.

    »Ja, genau das! Ich will deine Eltern nicht anlügen müssen, wenn ich gefragt werde, ob ich es mit dir ernst meine oder sowas, verstehst du?«

    »Ich bin lieber ungebunden und frei und … so wie es im Moment zwischen uns ist, so finde ich es okay!«

    »Ja … geht mir auch so. Meine Eltern mögen dich auch sehr. Wir erzählen es ihnen wenn … wenn der Moment günstig ist!«

    Sie nickte.

    Sie verließen die Wohnung und betraten den Aufzug, der sie in die Tiefgarage des Gebäudes fuhr. Unten angekommen hielt Lisa ihm ihre offene flache Hand entgegen.

    »Darf ich fahren?«, fragte sie euphorisch, als sie vor Taylors getunten roten Dodge Ram Geländewagen standen.

    »Ja, okay! Ich weiß, bei dem Ungetüm wirst du immer schwach, nicht wahr?«

    »Du hast einige Sachen aus Träumen gestohlen, aber dieses Baby hier … ist das Geilste, was du je stehlen konntest!«

    Taylor ließ die Autoschlüssel in Lisas Hand fallen, setzte sich auf den Beifahrersitz und fuhr langsam mit der flachen Hand über das Armaturenbrett.

    Er seufzte.

    »Leider ist der Professor tot und ich kann nicht

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