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Kämpfe und Wahrheiten: Der Dolch des Propheten, II. Teil
Kämpfe und Wahrheiten: Der Dolch des Propheten, II. Teil
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eBook433 Seiten5 Stunden

Kämpfe und Wahrheiten: Der Dolch des Propheten, II. Teil

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Über dieses E-Book

Im Jahre 1188 bleibt dem jungen Tempelritter Falko nach der Rettung seines adeligen Vaters aus einem Kerker keine Möglichkeit, in das geliebte Kloster zurückzukehren. Henry de Fontes und Malik al Charim, die Todfeinde seiner Familie, drohen nicht nur seine Angehörigen endgültig zu vernichten, sondern auch das gesamte Heilige Land zu zerstören.
Falko muss erkennen, dass sowohl die eigenen Vorfahren als auch deren Gegner ihre Ziele untrennbar mit seinem Leben verknüpft haben. Bald wird er zur letzten Hoffnung der Menschen im Orient. Dabei offenbaren sich gefährliche Fragmente einer Herkunft, die man sorgsam vor ihm verborgen hatte. Als auch der arabische Heerführer Saladin in die Auseinandersetzungen eingreift, muss er die Herausforderung annehmen.
Gleichzeitig suchen Christen und Moslems fieberhaft weiter nach der Bundeslade und zwei anderen mächtigen Geheimnissen, die die Welt aus den Angeln zu heben vermögen. Falko wird zum Mittelpunkt unheilvoller Verwicklungen, aus denen er auch seine geliebte Elisabeth nicht heraushalten kann.
Immer mehr wird die Vergangenheit zur Gegenwart …
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum19. Dez. 2016
ISBN9783741877544
Kämpfe und Wahrheiten: Der Dolch des Propheten, II. Teil

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    Buchvorschau

    Kämpfe und Wahrheiten - Ralf-Erik Thormann

    Kapitel 1

    Auf dem Rückweg zur Festung versuchte ich, mir so viel wie möglich von der Gegend einzuprägen.

    Jenseits des grünen Tales ritten wir durch eine Landschaft, die sich wenig von der kargen und menschenfeindlichen Gegend unterschied, durch die Arabicus uns hergeführt hatte. Mein Vater erzählte, dass es immer wieder von weithin unbekannten Wasserstellen gespeiste Oasen gab. Lagen sie geschützt oder günstig, entstand manchmal mehr als ein grüner Flecken daraus – so etwa im Tal der Festung oben in den Bergen oder in der Ebene des Anwesens meiner Eltern. Derartige Stellen wurden schnell in Besitz genommen und waren heiß umkämpft. Manche entwickelten sich zu Handelsposten. In der Wüste gab es viele solcher Quellen, aber die meisten blieben ausschließlich den Nomaden bekannt.

    Wir machten einen Umweg, um eine dieser Oasen zu besuchen. Raimund hatte darum gebeten, alter Erinnerungen wegen. Vorsichtshalber trug er ein Beduinentuch, wie üblich bei den Arabern so um den Kopf gewickelt, dass nur ein Sehschlitz frei blieb.

    Es wäre fatal, wenn ihn jemand erkennen sollte!

    Andererseits mochte ich ihm den Wunsch auch nicht abschlagen. Die Zeit im Kerker war lang gewesen. Außerdem wusste niemand, was die Zukunft brachte. Der Ausflug würde schon niemandem schaden.

    Die Wache schloss auf, und unsere Gruppe ritt gemächlich weiter.

    Am Ziel angekommen, tränkten wir zuerst die Pferde.

    Anschließend blieben drei Männer bei ihnen zurück; alle anderen schlenderten mit uns an den Zelten und Hütten vorbei.

    Die Bewohner hatten nicht viel zum Leben, nutzten aber sämtliche zur Verfügung stehenden Möglichkeiten. Mit den Reisenden ließ sich immer Geld verdienen. Die brauchten Wasser und kauften Kleinigkeiten, sobald der Durst gelöscht war. An sämtlichen Hütten und Zelten gab es kleine Stände. Obst, Brot, Zaumzeug, bunte Tücher – man bekam alles für die Weiterreise.

    Raimund sog den Anblick regelrecht auf. Er wirkte konzentriert und sah sich jede Kleinigkeit genau an. Manchmal war unter dem Tuch ein tiefes Durchatmen zu hören. Ich fragte nicht, aber augenscheinlich gab es mehr als eine Erinnerung an alte und schöne Zeiten, die zurückkam, während wir weiterliefen. Die Oase wirkte nicht sonderlich groß. Schnell hatten wir ihr Ende erreicht, drehten um und hielten uns Richtung Brunnen. Noch etwas trinken, die Wasserbeutel füllen – dann stand der Ritt nach Matlahat bevor.

    Am Brunnen zwängten Raimund und ich uns in eine lange Schlange. Gefahr schien nicht im Verzug zu sein. Außerdem konnten wir kaum darauf hoffen, die Wasserstelle irgendwann allein für uns zu haben. Dazu blieb der Andrang zu groß. Vorsichtshalber verharrten zwei Leibwächter eine Mannslänge von uns entfernt; die anderen Gefährten sicherten die Umgebung. Während die Menschen geduldig dem nächsten vollen Eimer aus der Tiefe entgegenstarrten, beobachtete ich eine junge Frau zwischen Raimund und mir, die einen schreienden Säugling auf dem Arm hielt. Unermüdlich versuchte sie, ihn durch Wiegen und leise Worte zu beruhigen. Der Versuch, das Gesicht des Kindes zu sehen, zog für einen Augenblick meine gesamte Aufmerksamkeit auf sich.

    In diesem Moment spürte ich von hinten eine leichte Berührung. Jemand in der Schlange der Wartenden hatte wohl einen Schritt zu weit nach vorne gemacht. Instinktiv drehte ich mich um die eigene Achse und machte mit den Armen eine Abwehrbewegung von unten nach oben. Dabei stieß ich die Frau an, und der Säugling begann sofort wieder zu schreien. Die Wachen und Raimund drehten sich herum und griffen zu den Waffen, ohne genau zu sehen, was passiert war. Ich schalt mich einen Narren.

    Welch überzogene Reaktion! Durch diese Ängstlichkeit schrie ein Kind!

    In den Gedanken hinein folgte blanke Erstarrung. Die wild rudernden Arme trafen eine Männerfaust direkt vor meinem Bauch!

    Ein Attentäter!

    Neben uns fiel gleichzeitig ein Nomade zu Boden. Der Mörder hatte ihn wohl umgestoßen, um sein Opfer erreichen zu können – mich. Dabei war es zu der Berührung gekommen. Sie hatte mir das Leben gerettet! Das Messer schoss seinem Ziel entgegen. Instinktiv schlug ich die geballte Faust zur Seite und umklammerte sie dann.

    Nicht wie im Kloster!

    Bei dem Mordanschlag damals hatte der Attentäter genauso vor mir gestanden, als er zustieß. Nicht noch einmal, jetzt, wo sich gerade das Schicksal zum Guten wendete!

    Vor mir tauchte ein buntes Beduinentuch auf. Der Meuchelmörder hatte es so um den Kopf geschlungen, dass lediglich ein Sehschlitz frei blieb. Zusammengekniffene Augen starrten kalt herüber, während der Fremde verbissen versuchte, die Hand mit dem Messer zu befreien. Er war größer, schwerer und auch stärker. Mit aller Kraft versuchte ich vergeblich, die Waffe aus der behaarten Faust zu drehen und gleichzeitig mit der anderen Hand meinen Dolch zu ziehen.

    Ich bekam die eigene Waffe lediglich noch aus dem Gürtel. Mit der freien Hand packte der Unbekannte meinen Unterarm und hielt ihn fest. Von oben drückte er sein Messer nun herunter, während ich mich von unten zuzustoßen bemühte. Raimund versuchte verzweifelt, in den Kampf einzugreifen. Die Angst, zusehen zu müssen, wie der einzige Sohn umgebracht wurde, verzerrte sein Gesicht fürchterlich. Immer wieder setzte er an, um uns auseinanderzuziehen. Genauso oft riss mich der Attentäter ohne sichtbare Anstrengung hoch und stellte meinen Körper wie einen Schutzschild vor Raimund. Ich war dagegen machtlos, während wir weiter ineinander verkrallt zusammenhingen. Blanke Todesangst kam von tief unten aus den Eingeweiden herauf. Ringend torkelten wir durch die umstehenden Menschen, fielen hin und standen wieder auf, ohne einander loszulassen. Die Leibwache umringte uns längst, bereit, sofort zuzuschlagen, sobald sich eine Möglichkeit ergab. Doch dazu kam es nicht. Der Unbekannte und ich kämpften zu nahe miteinander. Als wir an den Brunnen taumelten, schlug er meine Faust kräftig auf die Kante der Umrandung. Schmerzerfüllt ließ ich den Dolch fallen. Sofort griff er mit der zweiten Hand zu, um seinen Waffenarm zu befreien. Aus der Not heraus versuchte ich, ihn am Burnus nach unten in den Brunnen ziehen.

    Unmöglich!

    Der Mann war nicht nur deutlich kräftiger, sondern auch eingeölt. Die gesamte Kleidung, seine Arme – nirgendwo ließ er sich richtig greifen oder lange festhalten. Überall rutschte man ab. Äußerst mühsam konnte ich die Hand mit dem Dolch weiterhin umklammern, während er sich gegen den Sturz in die Tiefe wehrte. Hier ging es weder um Geschick oder Kniffe, sondern allein um rohe Gewalt!

    Wir taumelten vom Brunnen zurück. Mit aller Macht versuchte der Angreifer, mir das Messer in die Brust zu stoßen. Seinen Arm herunterdrückend, brachte ich ihn unverhofft durch eine Drehung zu Fall. Dabei riss er mich mit um. Im Fallen streckte ich mich seitwärts. Kaum eine Armlänge entfernt lag mein Dolch!

    Im Liegen zog mich der Mörder scheinbar mühelos mit einer Hand heran und stach zu. Der Umgang mit einem Spielzeug konnte kaum schwerer sein! Mühsam wich ich der Attacke aus und trat ihn weg. Überdeutlich gingen mir endgültig die Kräfte aus. Meine Niederlage war unabwendbar!

    Das war kein einfacher Choleriker, der irgendeine Beleidigung rächte. Der Unbekannte hier hatte den Angriff genauestens vorbereitet. Mehr noch – er war sich seines Erfolges dermaßen sicher, dass er sein Opfer selbst inmitten dessen eigener Männer ermorden wollte!

    Welche Überheblichkeit!

    Ich torkelte hoch. Sofort stand mein Gegenüber ebenfalls wieder. Dem Schlag in das verhüllte Gesicht folgte ein Hechtsprung zur Seite, und dann hielt ich wieder den eigenen Dolch. Eine Täuschung mit der linken Hand, dazu eine Körperfinte, und schon stieß die Klinge von oben auf den Attentäter herunter. Geschickt verhinderte er jedoch einen Treffer und griff wieder zu. Wie ein Kind wurde ich vor ihm hergeschoben.

    Der Mann ließ sich einfach nicht bezwingen!

    Krachend schlug mein Rücken kurz darauf gegen den Stamm einer Palme. Schwindel setzte ein, und auch der Atem blieb weg. Benommen zog der Blick in die Höhe.

    Jetzt war es soweit!

    Mühelos richtete er den keuchenden Körper vor sich hoch auf. Eine würgende Hand an der Gurgel drückte mich gleichzeitig erbarmungslos an den Baum. Ein befriedigtes Grunzen zeigte deutlich, was nun folgen sollte. Während eine Hand mich hochhielt, zog die andere hastig das Messer für einen kraftvollen Stoß zurück. Einen Wimpernschlag, bevor die Waffe vorschoss, rammte ich ihm mit letzter Kraft in den Unterleib. Vielleicht entsprang das Knirschen nur der Einbildung eines völlig Erschöpften, der auf den Tod wartete … Mit einem lauten Gurgeln brach er zusammen. Schwer atmend beugte ich mich über den Ohnmächtigen und trat sein Messer weg. Die Leibwache stürzte mit gezogenen Schwertern heran.

    »Nicht töten! Wir brauchen ihn lebend. Er muss Antworten geben!«

    Ich reagierte nicht. Meine Lunge schien zu platzen. Das Blut pochte in den Ohren, und der Schwindel nahm nicht ab. Sämtliche Knochen im Leib taten weh. Vier Wachen hatten mich umringt und ließen kaum eine halbe Armlänge Platz zwischen uns. Der Schrecken war ihnen maßlos in die Glieder gefahren. Alle umstehenden Menschen starrten angsterfüllt herüber, doch wir ignorierten sie. Die anderen Leibwächter hatten den weiterhin bewusstlosen Attentäter gefesselt und bewachten ihn ein Stück abseits des Brunnens.

    Maßlose Wut kochte hoch. Hörte es denn nie auf? Ich würde dem Treiben gleich ein Ende bereiten! Wenn der Mann zu sterben bereit war, konnte man ihm dabei helfen! Vorher musste er jedoch reden!

    Blanker Hass ergriff mich und ließ keinen anderen Gedanken mehr zu. Ohne die anderen zu beachten, riss ich den Mörder hoch, legte ihn quer über ein Pferd und stieg wortlos auf. An den Gardisten vorbei galoppierten wir in die Wüste. Außer Sichtweite hielt ich an und warf den mittlerweile zu Bewusstsein Gekommenen auf den Boden. Nach dem Entfernen des Tuches zeigte sich ein ausdrucksloses Gesicht, das scheinbar ohne jede Angst einer ungewissen Zukunft entgegensah. Der anschließende Blick auf seine Unterarme brachte Gewissheit. Unlesbare Zeichen, von unten nach oben eintätowiert, deren Bedeutung nur Eingeweihte kannten.

    Ein fidawi, ein Angehöriger der Mördergruppe der Assassinen!

    Also war er gekommen, um gezielt ein einzelnes Opfer zu töten!

    So erschreckend der Gedanke vordergründig schien, folgte ihm doch schnell ein erleichtertes Durchatmen. Der Angriff allein auf mich zeigte, dass die Sekte von der Freiheit Raimunds noch nichts wusste, sonst hätten sie wenigstens zwei Attentäter geschickt!

    Meine Geduld war am Ende.

    Schon bei den Zisterziensern auf Malta hatte man mich aus einem unbekannten Grund umzubringen versucht. Seitdem waren Monate vergangen, und nichts stellte sich mehr so dar wie früher. Nun, im Orient, mitten in der Wüste und scheinbare Ewigkeiten später, kämpfte ich immer noch gegen einen unbekannten Feind, ohne zu wissen, warum. Dieser Mann musste Antworten bringen, um jeden Preis!

    Keine Rücksicht mehr, auch wenn eine derartige Einstellung gegen alles im Kloster Gelernte und jede Moral verstieß! Ansonsten würde ich der nächste Tote sein!

    Her mit den Lederriemen, die das Gepäck am Sattel hielten!

    Der Gefangene sah mich fast höhnisch an, als ich vor ihn trat. Scheinbar fürchtete er sich nicht vor dem Kommenden.

    Nun war es an der Zeit für einen speziellen Teil der Templerausbildung …

    Mein Vater und die Wachen galoppierten heran. Raimund sprang vom Pferd. Seine Augen zogen sich zu schmalen Schlitzen zusammen.

    »Was habt Ihr vor?«

    Der Tonfall des Älteren klang bedrohlich. Er missbilligte deutlich, was ich vorhatte!

    »Schweigt und reitet zurück zur Festung, alter Mann! Ihr seid hier überflüssig! Es sind nun allein Antworten auf die Frage nötig, warum ich erneut umgebracht werden sollte. Der Assassine hat sie zu geben, sonst steht ihm ein langer Tag bevor!«

    »Nicht foltern, Falko! Bringt keine Schande über unsere Familie!«

    »Beim ersten Attentat existierte die noch nicht!«

    »Nun habt Ihr eine und seid unseren Werten verpflichtet. Unterlasst Euer Vorhaben! Wir schicken den Gefangenen zur Festung. Dort wird er reden, ohne dass Ihr Euch schuldig macht!«

    Raimund verhinderte auch den geringsten Widerspruch, indem er mich einfach zur Seite schob. Die Wachen lösten sämtliche Verschnürungen außer den Fesseln und hoben den Assassinen in den Sattel. Es durfte keine Entzweiung mit meinem Vater geben, kaum dass wir uns gefunden hatten! Mürrisch ließ ich also die Männer gewähren, obwohl mir der Sinn nach Anderem stand.

    Wir ritten eilig zurück zur Festung.

    Nurim runzelte nur die Stirn und bekam einen finsteren Gesichtsausdruck, als er den Assassinen sah.

    Ein herrischer Wink brachte sofort einige Soldaten heran. Sie rissen den Gefangenen vom Pferd und warteten auf den nächsten Befehl. Die Menschen auf dem Platz hinter den Mauern schwiegen. Alle wussten anscheinend um das Bevorstehende. Nurims Auftreten unterdrückte auch den geringsten Zweifel. Der Fatimidenanführer würde sich gegen jeden Widerspruch durchsetzen!

    Raimund verharrte einen Moment, griff dann aber nicht ein und schwieg eisern. De Moncadrieuxs Freund schien das gleiche Problem wie ich in der Wüste zu haben. Sollte er sich mit einem seiner engsten Angehörigen wegen eines Mörders überwerfen? Noch dazu vor der Bevölkerung Matlahats, die absolute Einigkeit für den weiteren Kampf dringend benötigte?

    Finstere Blicke zwischen Nurim und Raimund zeigten deutlich, dass sie unterschiedlicher Ansicht über die Befragung von Gefangenen waren. Keiner der beiden wich bei diesem stillschweigenden Kräftemessen. Regungslos standen sie voreinander. Die schweigende Auseinandersetzung von Gesicht zu Gesicht wurde dafür umso heftiger ausgetragen. Mein Großvater unterbrach den Zweikampf, indem er das Wort ergriff.

    »Es passiert trotzdem, ob mit oder ohne Eure Zustimmung, Raimund! Ihr seid wie ein Sohn für mich, deshalb lasse ich nicht die mindeste Rücksicht gegenüber jemandem walten, der dem Mann meiner Tochter oder unserer Familie an das Leben will! Wenn die Möglichkeit ungenutzt verstreicht, Informationen von diesem Hund zu bekommen, werden die Mordversuche an Falko nie enden und irgendwann erfolgreich sein! Auch Ihr seid dann eines der nächsten Ziele! Überlegt Euch, wer später noch leben soll – Euer Sohn oder ein verschonter Assassine!«

    Der Angesprochene schwieg lange und nickte schließlich nur deutlich. Als hätten sie darauf gewartet, brachten die Soldaten den Gefangenen weg.

    Nun ging es darum, Antworten zu erhalten!

    Jedem in der Festung blieb bewusst, dass der Attentäter keineswegs vom Himmel gefallen war.

    Wenn der Assassine mich in der Oase unweit der Festung hatte aufspüren können, würden bald schon andere folgen. Unser Versteck und das Leben sämtlicher Menschen hier waren in Gefahr! Die undichte Stelle, von der Broderik vor der Abreise auf Malta gesprochen hatte, arbeitete nach wie vor und dies gut. Oder existierte in Matlahat ebenfalls ein Verräter?

    Gedankenverloren stierte ich auf eine Ecke des Platzes, wo unentwegt Gruppen von Soldaten übten. Man sah deutliche Fortschritte. Mittlerweile kämpften alle mit scharfen Waffen. Trotzdem schenkten sie sich nichts bei den Auseinandersetzungen. Die Bogenschützen hatten die Entfernungen vergrößert und benutzten kleinere Zielscheiben. Jeder gewonnene Tag verbesserte unsere Aussichten auf Erfolg.

    Wenn ich dann noch lebte …

    Scheinbar gab es keinen Flecken auf der Welt, der ausreichend Schutz vor einem dieser Mörder bot!

    »Nicht sorgen, Falko! Der Gefangene wird reden, und anschließend beenden wir die Jagd auf Euch!«

    Mein Großvater legte beruhigend den Arm um meine Schultern. Unwillkürlich folgte eine abwehrende Bewegung. Ich blieb dem Fatimidenanführer nach wie vor kaum wohlgesonnen nach seinem Ausbruch, trotz der Entschuldigung. Er ließ sofort los, als ihm der Widerstand bewusst wurde.

    »Gibt es weiterhin Schwierigkeiten zwischen uns? Jegliches Missverständnis schien doch geklärt. Was verlangt Ihr noch an Wiedergutmachung?«

    »Es ist vorbei! Trotzdem lassen sich nach dem Geschehenen manche schwarzen Gedanken nicht einfach zur Seite schieben!«

    Ich betrachtete ihn streng und forschend an. Nurim hielt dem Blick stand.

    »Ihr habt Recht mit Euren Überlegungen. Ich würde genauso denken. In Eurem Alter wäre ich wohl fortgeritten. Aber das Bleiben spricht für die Reife meines Enkels! Was machen wir beiden nun? Ohne weitere Möglichkeit vermag ich mich kaum zu beweisen. Ansonsten wird mein Jähzorn so gut wie möglich beherrscht.«

    »Genau das ist zu wenig!«

    »Soll ich mich in diesem Alter noch völlig ändern? Unmöglich!«

    »Nur darum unmöglich, weil Ihr es nicht versucht. So bekommt niemand Vertrauen!«

    Er lächelte ernst.

    »Falko, diese Festung konnten wir allein deshalb aufbauen und versteckt halten, weil vor allem Anderen etwas stand – Vertrauen!

    Meine Anhänger gingen damals blind davon aus, dass ich die richtigen Entscheidungen treffen und ihnen ein Leben in Ruhe und Sicherheit bringen würde. Heute ist die stillschweigende Verpflichtung beherrschend, dass durch mich ihr Ziel erreicht wird – Rache an Malik al Charim!

    Ich dagegen erwartete von Anfang an einfach nur, dass sie mir folgen und nichts durch Verrat zerstören, insbesondere als ihre Zahl sich endlich wieder vergrößerte. Gegenseitiges Vertrauen war sowohl bei den Menschen in Matlahat erfolgreich als auch während meines ganzen Lebens. Ohne diese Grundeinstellung selbst nach einem Fehler werdet Ihr ein einsames Leben ohne Freunde vor Euch haben, Enkel!«

    »Ihr hättet mich vor kurzem umgebracht, wenn der Wille einen Weg gefunden hätte!«

    »Die Strafe dafür erhalte ich seitdem jeden einzelnen Moment neu. Meine Frau meidet mich, sämtliche weiblichen Angehörigen haben sich abgewandt und Eure Onkel reden mit mir ausschließlich über den bevorstehenden Kampf. Selbst meine Enkel sehe ich kaum noch. Die gesamte Familie hat mich ausgeschlossen! Und Euch verliere ich jetzt ebenfalls endgültig! Wollt Ihr mein Leben, wenn dafür unsere Familie zusammenbleibt? Nach dem Sturz Malik al Charims gehört es Euch!«

    Ich sah ihn verächtlich an.

    »Ihr seid wie sämtliche Männer in diesem Land! Immer schnell dabei, Fehler zu machen, um danach theatralisch den eigenen Tod anzubieten. Ich kenne es anders. Vorher nachzudenken ist äußerst sinnvoll – dann muss man anschließend nicht freiwillig zum Sühneopfer werden. Worte!«

    Er stampfte zwei Schritte zurück, riss den Dolch aus dem Gürtel und richtete ihn gegen sich.

    »Worte? Ihr glaubt, dass ich bloß rede? In diesem Fall fordert mein Leben ein, jetzt und hier!«

    »Mäßigt Euch. Ihr wollt sühnen? Wirklich Buße tun? In diesem Fall gehen wir sofort zu Eurem Schwiegersohn. Erzählt ihm, was Ihr warum getan habt!«

    Blankes Entsetzen spiegelte sich in Nurims Gesicht.

    »Nein! Niemals! Die Situation ist schon schlimm genug!«

    »Gedenkt Ihr Euch zu drücken? Doch nur Worte wie ein leises Pfeifen im Wind? Erzählt Raimund, weshalb der Großvater seinem einzigen Sohn etwas antun wollte! Unterwerft Euch danach dem Urteil des Schwiegersohnes, unabhängig von dessen Reaktion! Das ist Strafe genug und hilft der gesamten Sippe!«

    »Dann bricht sie endgültig auseinander!«

    »Vielleicht, vielleicht auch nicht. Im Zweifelsfall ist das der Preis für Euer Verhalten! Ein Mann von Ehre steht ein für den begangenen Fehler!«

    »Nein, wir gefährden alles!«

    »Nicht wir, nur Ihr!

    Bedenkt noch etwas Anderes. In solch einer Stimmung ist niemand ein guter Anführer! Die Gedanken kreisen ausschließlich um die zerstrittenen Angehörigen. Dadurch bedingte Fehler sind unbedingt tödlich! Unterwerft Euch dem Urteil Raimunds! Anschließend bleibt die Sicherheit, zumindest alles versucht zu haben. Ansonsten seid Ihr ein Feigling. An der Seite eines solchen Mannes verweigere ich jedweden Kampf! Somit betrifft das endgültige Verlassen nicht nur Matlahat!

    Mein Ziel ist erreicht – Raimunds Befreiung! Warum sollte anschließend meine Hilfe jemandem zugutekommen, der mich umzubringen vorhatte?

    Ich besaß vorher keine Familie, dann bleibt es jetzt eben auch dabei! Entscheidet Euch!«

    Intensive Blicke schossen herüber, so flehend wie aggressiv. Der Araber in ihm zog den Freitod der Demütigung vor. Als Patriarch wusste Nurim allerdings, dass es keine Wahl gab, wenn die Familie nicht ihre inneren Bande verlieren sollte!

    Langsam und mit verkniffenem Gesicht drehte er sich um und suchte mit den Augen meinen Vater. Der stand ein Stück entfernt und beobachtet uns, wohl deutlich spürend, dass das Gespräch kaum junge Pferde betraf. Zögernd ging Nurim auf ihn zu.

    »Raimund, auf ein Wort. Schenkt mir einen Moment Eurer Zeit!«

    Der Angesprochene nickte, und die beiden entfernten sich Richtung Haupthaus. Meine Großmutter schlenderte geradezu heran. Sie schien das Ganze mitbekommen zu haben.

    »Hat Euer Großvater den Mut gefunden, den Vorfall zu gestehen? Erzählt er Raimund davon?«

    Ich berichtete von dem Gespräch, und sie strahlte.

    »Gott sei Dank! Endlich muss der Sultan einmal den unteren Weg gehen! Sämtliche Angehörigen schneiden ihn, bis er für seinen Fehler gebüßt hat. Für alle ist es noch aus einem anderen Grund gut, dass Ihr wieder da seid. Vorher hatte kein Mensch den Mut, sich ihm dermaßen entgegenzustellen. Ihr bewirkt viel Gutes, Falko!

    Seit mehr als 20 Jahren ist unsere Familie nie mehr komplett zusammengekommen – bis zu Eurem Eintreffen. Mit dem Tod Eurer Mutter wurde auch der Lebensfaden der gesamten Sippe zerschnitten. Und nun erscheint Ihr, und alles wird wie früher! Gott wendet sich uns wieder zu!«

    Unversehens versank ich in ihren Armen. Welch ein Glück, hier zu sein!

    Später zogen wir uns zurück, tranken Tee und redeten.

    Meine Großmutter war eine feine Frau, gebildet und an jeglicher Art von Unterhaltung interessiert. Mitten in das Gespräch hinein schlug jemand laut an die Tür. Mein Vater und Großvater platzten herein. Der Jüngere war zornesrot, aber gefasst, der Ältere dunkelrot vor Wut. Er polterte sofort los.

    »Ich habe alles erzählt! Erst wollte Raimund einen Sühnekampf, dann folgte ein anderer Entschluss. Der Starrsinnige verzeiht mir, wenn ich sämtlichen Angehörigen ausführlich berichte und danach um Entschuldigung bitte. Wird sie ausnahmslos akzeptiert, sorgt er dafür, dass unsere Familie mich wieder aufnimmt. Außerdem soll ich für die Zeit nach der Machtübernahme die gesamte Nachfolge regeln und ihm helfen, seine eigenen Verwandten und Falko zusammenzubringen!«

    Aliya lächelte siegessicher. Sie ließ einen Diener kommen, der die Familie zusammenrufen sollte. Raimund zwinkerte mir zu. Er wirkte äußerst angespannt. Es war sicher nicht leicht gewesen, den alten Dickkopf zu beeinflussen und dabei die eigene Wut zu unterdrücken. Aber nur so konnte er weitere Dinge auf den Weg bringen, die der gesamten Familie halfen.

    Mir wurde klar, warum man Raimund früher als Diplomaten hoch geschätzt hatte …

    Kurz darauf versammelten sich unsere Angehörigen, auch die Kinder.

    Die Türen waren verschlossen, die Diener weggeschickt worden.

    Der Fatimidenanführer schien durch die Hölle zu gehen. Der Gedanke, selbst die eigenen Enkel um Nachsicht bitten zu müssen, blieb für ihn offensichtlich unerträglich. Sobald die Anwesenden saßen, berichtete er mit leiser Stimme von dem Vorgefallenen. Als Nurim geendet hatte, wanderten seine Augen fast hilfesuchend umher. Ernste Gesichter musterten den Ältesten, aber jedwede Zuwendung unterblieb.

    Eine Entschuldigung fehlte noch!

    Nachdem er sie ausgesprochen hatte, lief niemand auf den Kopf. Zwar gaben sämtliche Anwesenden einzeln kurze Antworten dazu ab, aber eine Verweigerung blieb aus. Als auch der Letzte zugestimmt hatte, lasteten sämtliche Blicke auf mir. Ich nickte, stand auf und reichte Nurim die Hand. Dazu nahm ich Raimund in den Arm. Alle jubelten. Unvermittelt stürzten sie auf uns los, als sei eine große Last von ihnen gefallen. Ich musste an die Worte meiner Großmutter denken …

    Ein großes Knäuel von Menschen umarmte sich und hielt einander fest. Ich fühlte mich wie bei unserem ersten Treffen.

    Raimund hatte Erfolg gehabt! Die Familie war wieder vereint!

    In den Trubel hinein klopfte es. Nasim öffnete. Ein Diener berichtete, dass der Assassine zu reden bereit wäre. Nurim löste sich aus dem Pulk und blickte fragend zu seinem Schwiegersohn hinüber. Der bedeutete ihm, mitkommen zu wollen. Als sie zur Tür gingen, lief ich hinterher. Rüde wurde mir verdeutlicht, dass mein Verbleib hier zu sein hätte. Das Kommende wäre kaum für alle Augen bestimmt, insbesondere nicht für die Angehörigen!

    Erstaunlich, wie schnell die beiden Verwandten wieder zusammengefunden hatten, als sei nie etwas passiert!

    Familienbande …

    Ich beließ es dabei und ging hinaus. Wenn man mir schon die Teilnahme an der Befragung verwehrte, dann aber doch wohl nicht die Kontrolle der Soldaten!

    Die Bogenschützen übten nach wie vor, bei den Kämpfern wurde gerade ein weiterer Verwundeter abtransportiert, und die Flüche der Reiter über die schweren christlichen Rüstungen hallten nach wie vor laut über den Platz.

    Arabicus saß mit einigen Alten abseits und erklärte auf einem ausgebreiteten Ziegenfell Truppenbewegungen. Raimunds Freund winkte herüber, hatte aber keine Zeit für ein Gespräch. Leise setzte ich mich auf einen verwitterten Stein und sah zu.

    Die Ausbildung war hervorragend. Malik al Charim würde Matlahat nicht so einfach überrumpeln können, selbst wenn er weitaus mehr Soldaten zur Verfügung hatte als wir. Das jedoch genau blieb unser größtes Problem!

    Mir kam ein Gedanke.

    Die schnell zusammen gerufenen Ausbilder zeigten bereits bei den ersten Worten völliges Unverständnis. Eisern blieb ich bei meiner Meinung und setzte die passenden Befehle rigoros durch. Geraume Zeit später erst hatten sich die, nach denen geschickt worden war, versammelt. Danach warfen die niederen Anführer mannigfaltige Flüche herüber. Arabicus unterbrach seine Unterweisung und hörte ihrem Schimpfen fassungslos zu. Er konnte es nicht glauben. Ich hatte sämtliche Frauen der Festung zusammenrufen lassen, um sie ab sofort wie die Männer an jeglichen Waffen ausbilden zu lassen!

    Dies war mein Todesurteil!

    Ein islamisches Land, in dem ein Christ Frauen zu Kämpfern machte!

    Die Kriegskunst war von jeher den stolzen Männern vorbehalten. Wie konnte der Enkel des Anführers es wagen, jegliche Traditionen zu brechen?

    Auch unter den Soldaten brach tumultartiger Lärm los, als sie hörten, was ich den Frauen laut erklärte. Sämtliche Krieger schwangen ihre Waffen und standen kurz davor, mich anzugreifen. Wütend schlugen die Einheiten mit allem, was Krach machte, aufeinander und schrien sich die Kehlen heiser. Arabicus brüllte über den Platz, aber zum ersten Mal schien er kaum Wirkung zu erzielen.

    Die Tumulte ignorierend, stieg ich die Treppe zum Haupthaus hinauf. Links vor mir standen die Frauen, rechts davon die tobenden Gruppen der Soldaten. Ich versuchte erst gar nicht, sie zur Ruhe bringen, sondern hob allein den Arm und wartete. Der Lärm ebbte nur langsam ab.

    »Männer und Frauen von Matlahat, seid ruhig! Die folgenden Worte fallen nur einmal! Hier steht nicht irgendein Christ, sondern jemand aus Eurer Mitte. Lange verschollen, ist er nun wieder da. Ich trage so wenig Schuld daran wie Ihr, dass mein bisheriges Leben woanders stattfand. Die darauf fußende unterschiedliche Ausbildung hilft jetzt jedoch den Bewohnern unseres Tals. Nutzen wir diesen Vorteil gemeinsam für den Sieg! Jammert also nicht über Änderungen oder darüber, wie schwer Ihr es unter mir habt. Dies rettet sowohl unser aller Leben als auch Matlahat!

    Das Volk der Fatimiden besteht nur noch aus Wenigen, deshalb tragen unsere Frauen ab sofort ebenfalls Waffen! Sie werden das Bergtal schützen, während die Soldaten kämpfen.

    Ihr habt die Wahl: Sämtliche Männer ziehen gegen den Feind und gewinnen, während die Heimat durch die Frauen gesichert ist. Oder aber unsere Krieger teilen sich. Die eine Hälfte bleibt in Matlahat, und die andere geht unter, weil sie allein zu schwach ist. Wir kämpfen und siegen alle zusammen! Ansonsten sehen die Frauen und der Christ zu, wie die Männer erst die Schlacht und danach die Heimat verlieren. Wollen wir von Malik al Charim vernichtet werden, nur weil eiserner Stolz jede Neuerung verhindert?

    Entscheidet Euch – jetzt! Weiterhin die alten Regeln oder lieber den Sieg?«

    Nach meinen Worten herrschte Stille. Ich hatte jeglichen Grundsatz in seinen Festen erschüttert. Die Männer mussten sich erst fassen. Arabicus riss die Arme hoch.

    »Den Sieg!«

    Jubel brandete auf. Matlahats Bewohner wiederholten immer wieder den kurzen Aufschrei und lärmten mit den Waffen. Bogen schlugen auf Köcher, Schwerter auf Schilde.

    Die Menge hatte eine eindeutige Entscheidung getroffen!

    Ich teilte die Frauen in Gruppen ein und wies sie den Ausbildern zu, während der frühere Mönch zusätzliche Führer für die Krieger bestimmte.

    Als jeder seinen Platz gefunden hatte und die Übungen weitergingen, ließ ich mich nieder und beobachtete die Frauen. Auf einmal setzten sich links und rechts zwei Schatten dazu – Raimund und Nurim!

    »Nicht schlecht, Falko. Ein Christ bringt die Moslems dazu, umzudenken! Ihr werdet sie führen, und alle werden Euch vertrauen! Das bedeutet den Sieg!«

    Mein Vater ließ unüberhörbare Wertschätzung bei diesen Worten mitschwingen. Von der anderen Seite kam die Stimme des alten Fatimiden.

    »Was macht Ihr mit unseren Kriegern? Sie fressen Euch buchstäblich aus der Hand!«

    Ein breites Lächeln war in drei Gesichtern zu sehen. Es herrschte eine Stimmung wie bei unserer ersten Begegnung. Jegliche Probleme waren endgültig beseitigt.

    »Trotzdem spielt Ihr mit dem Feuer, wenn die Frauen auf die gleiche Stufe gestellt werden wie die Männer!«

    »Unter den herrschenden Bedingungen bestehen für mich keinerlei Unterschiede zwischen denen, die in der Lage sind, eine Waffe zu führen. Bei einer Niederlage gehen alle Menschen in Matlahat unter – ungeachtet des Geschlechts!

    Wenn wir gewinnen wollen, wird jeder Arm benötigt, der helfen kann!

    Die Fatimiden sind anders als ihre Gegner, also verhalten sie sich auch im Kampf entsprechend. Durch die Ausbildung der Frauen ergibt sich ein weiterer Vorteil. Sollte Matlahat überfallen werden, wird die Verwunderung der Angreifer übergroß sein!«

    Nurim grinste verschmitzt bei meinen Worten. Fast vergnügt sahen wir dem Treiben auf dem Platz zu.

    Sämtliche Frauen sollten zuerst an den Bögen ausgebildet werden, dann an den Langbögen, schließlich an den anderen Waffen. Vielleicht reichte die Zeit noch für eine Vertiefung der Schulungen. Die Krieger wirkten nach wie vor konsterniert, während sie ihre Übungen fortsetzten. Es unterliefen ihnen plötzlich dermaßen viele Fehler, dass Arabicus eingriff. Sorgte neue Konkurrenz etwa für Unsicherheit?

    Die Ausbilder erhöhten das Tempo, damit die Gruppen sich wieder konzentrierten.

    Unsere neuen Kämpfer gingen die ersten Lektionen mit großem Eifer an. Sie schienen sich der einzigartigen Situation bewusst zu sein. Noch nie hatten wohl in diesem Land Frauen neben Männern Waffen getragen, um später die gemeinsame Heimat zu verteidigen!

    Ein Diener flüsterte Nurim etwas ins Ohr. Der winkte Raimund und mir.

    »Unser Gefangener hat geredet. Die benötigten Antworten liegen vor, aber viele weitere werden folgen. Lasst uns dorthin gehen, wo man ungestört reden kann. Hier hören zu viele Ohren mit!«

    Im Haupthaus angekommen, suchten wir einen kleinen Raum in der ersten Etage auf, der eine dicke Tür und kein Fenster hatte. Mein Großvater berichtete fast aufgeregt.

    »Der Mann ist eindeutig ein Assassine. Er erhielt den Mordauftrag direkt vom Alten vom Berge, nachdem die Gruppe im französischen Kloster von Souviommes keinen Erfolg gehabt hatte. Seit Eurer Flucht von dort werdet Ihr überall gesucht. Der Gefangene hatte Arabicus und seinen Begleiter bei der Ankunft im Hafen von Askalon entdeckt, die Spur aber wieder verloren. Daraufhin wartete er bei Raimunds Gefängnis. Nach dessen Entkommen folgte der Mörder Euch hierher und nutzte die erste Gelegenheit für ein Attentat.

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