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GegenStandpunkt 2-21: Politische Vierteljahreszeitschrift
GegenStandpunkt 2-21: Politische Vierteljahreszeitschrift
GegenStandpunkt 2-21: Politische Vierteljahreszeitschrift
eBook297 Seiten3 Stunden

GegenStandpunkt 2-21: Politische Vierteljahreszeitschrift

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Über dieses E-Book

In Kapitel IV unserer Abhandlung der „Konkurrenz der Kapitalisten“, die untersucht, wie sich die Unternehmen in ihrem Konkurrenzkampf die Gesetze „des Kapitals“ aufzwingen, die Karl Marx in seinem Hauptwerk analysiert, sind wir bei der Konkurrenz ums Monopol angekommen. Es handelt sich um ein bemerkenswert höchstes Stadium der Konkurrenz, in dem die Antagonisten den Erfolg ihres Unternehmens durch Ausschaltung der Konkurrenz zu gewährleisten suchen. Der Kredit in Form der Aktiengesellschaft tut hier seinen segensreichen Dienst – bis hin zur Krise, in der alles in Überfluss vorhanden ist – Waren, Kapital, Arbeitskräfte – aber kein Geschäft sich mehr lohnt.

Was Deutschland bewegt: Der Wahlkampf im Corona-Jahr nimmt Fahrt auf. Total spannend, was heißt das für die christdemokratische Kanzlerinnenpartei und die designierten Nachfolger für die höchste Machtposition in der Republik? Frische Konkurrenz, die richtig Lust aufs Ausüben von Regierungsgewalt versprüht und die wirklich alles besser zu machen verspricht, kommt derweil von grüner Seite… So geht’s dahin; und die Meinungsmacher der Republik befassen sich und ihr Publikum noch eine Weile mit den letzten Fragen der innerherrschaftlichen Konkurrenz, bevor sich das Volk dann im Herbst frei und geheim entscheidet, von wem es am liebsten regiert werden will.

Was Deutschland nicht bewegt: Fortschritte in einem Machtkampf anderer Art, der in der Republik immerzu und pausenlos stattfindet, nämlich der, den das Kapital gegen die Lohnarbeit im Lande führt. Mit und ohne Verweis auf Corona setzt zum Beispiel der deutsche Automobil-Musterkonzern neue Maßstäbe in Sachen Lohn, Leistung und Beschäftigung, die die Gegenseite zu schlucken hat, wenn sie überhaupt weiterbeschäftigt werden will. Die diesbezüglich erzielten Fortschritte dokumentieren wir in unserer Chronik über ein Jahr Arbeit bei Daimler.

Brasilien und sein Bedarf nach souveräner Gewalt
Seit bald drei Jahren regiert der Populist Jair Bolsonaro in Brasilien. Die Generäle der Streitkräfte haben den ehemaligen Armeehauptmann, jahrelangen Hinterbänkler und radikalen Rechten ausgesucht und ihm bei den letzten Wahlen zur Macht verholfen. Bolsonaro sollte der Mann sein, der das Land aus der Wirtschaftskrise führen, die Politik von vaterlandslosen Elementen jeder Couleur säubern und das durch Krise und Korruptionsskandale aufgeregte Volk hinter seinem fanatisch antilinken Kurs einigen sollte.

Dauerkriegsschauplatz Libyen
Wenn das Thema Libyen in der deutschen Öffentlichkeit zum Gegenstand von Meldungen, Kommentaren, Hintergrundexpertisen wird, dann gibt es in aller Regel nichts Erfreuliches zu berichten: Seit nunmehr zehn Jahren tobt, auf- und abflauend, ein Krieg mit unübersichtlich vielen inneren Beteiligten und einer Reihe von auswärtigen – wie vermeldet wird, nicht nur befugten – Unterstützermächten. Letztere halten mit Geld und Waffen nicht nur den Krieg am Laufen, sondern veranstalten in größeren Abständen Konferenzen an unterschiedlichen Orten, verkünden im Anschluss ihren festen Willen, den Krieg zu beenden, von dem sie so auch offiziell zu Protokoll geben, dass es ihrer ist, und berufen sich dabei allesamt auf hohe, wenn auch teilweise unterschiedliche weltpolitische Prinzipien und Regeln. Nach der zum je eigenen Interesse jedes Mal erstaunlich gut passenden diplomatischen Auslegung der Resultate dieser Treffen schreiten sie dann zur praktischen Anwendung der jeweiligen Vereinbarungen, was genauso regelmäßig in den Fortgang der Auseinandersetzungen mündet.
SpracheDeutsch
HerausgeberGegenstandpunkt
Erscheinungsdatum18. Juni 2021
ISBN9783962214494
GegenStandpunkt 2-21: Politische Vierteljahreszeitschrift

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    Buchvorschau

    GegenStandpunkt 2-21 - GegenStandpunkt Verlag München

    Inhaltsverzeichnis

    Was Deutschland bewegt

    Chronik des Corona-Wahljahres 2021

    I. Die Maskenaffäre – ein Auftakt nach Maß

    II. Zwei Landtagswahlen – ein Ergebnis

    III. Merkel entschuldigt sich – wofür?

    1.

    2.

    3.

    IV. Kanzlerinnenwahlverein ohne ‚Kanzlerbonus‘ sucht Ersatz

    Das Dilemma der Union

    Laschet vs. Söder

    V. Die Grünen vs. C-Parteien in Sachen Kandidatenkür: Punktsieg für die Partei der Achtsamkeit im Umgang mit der Macht

    VI. Wahlkampf kurz und bündig

    Die AfD – „Deutschland. Aber Normal."

    Die Grünen – „Deutschland. Alles ist drin."

    Die FDP – „Nie gab es mehr zu tun."

    Was Deutschland nicht bewegt

    Ein Jahr Arbeit bei Daimler

    Februar ’20

    Entlassungen zur Rettung gefährdeter Gewinne

    März ’20

    Arbeit passgenau ab- und wieder anschalten – Common Sense in der Krise

    April ’20

    „Arbeitszeiten, die zum Leben passen", zum Zweiten

    Loswerden, ohne zu entlassen – von der Hoheit über den Arbeitsvertrag

    Juli ’20

    Maßloses Leiden an der Sozialpartnerschaft …

    … und seine produktive Bewältigung

    November ’20

    Aktiver Standortvergleich vs. Aktivismus des Verglichen-Werdens

    Februar ’21

    Entlassungen zur Sicherung der gestiegenen Gewinne

    März ’21

    Von den Leistungen und Freiheiten des Zeitlohns

    Flexibilisierung als Flächentarifvertrag

    Unsicherheit als Betriebsvereinbarung – oder: keine betriebsbedingten Kündigungen …

    April ’21

    Usw.

    BVerfG klärt Rechtslage i. S. Erderwärmung Der Klimawandel braucht mehr Generationengerechtigkeit

    I. Sache und Recht: Über die Verwandlung von Betroffenheit durch die Klimakrise in verletzte Freiheitsrechte

    II. Sache und Demokratie: Klimaschutz als Ausweis der Machtbefähigung

    Die Konkurrenz der Kapitalisten *)

    Kapitel IV

    Wachstum durch Zentralisation von Kapital: Der Konkurrenzkampf um die Überwindung der Konkurrenz

    § 19 Konzentration von Kapital in einer Hand

    1. Größe des Kapitals: das Überlebensmittel eines Unternehmens, weil die Waffe, die andere von der Benutzung des Marktes und seiner Zahlungsfähigkeit ausschließt

    2. Wachstum vor und statt Konkurrenz? Oder danach und ohne? Auf jeden Fall ist das Kapital anderer als Schranke ausgemacht, die wegmuss

    3. „Kampf" um Anlagesphären

    4. Monopol – Expropriation

    § 20 Der Kampf um die Verfügung über den Markt

    1. Strategien der Überwindung der freien Konkurrenz

    2. Beiträge des Handelsgewerbes zum Kampf um Kontrolle über den Markt

    3. Hoheit, ungestört, über den Preis der Arbeit

    4. Die exklusive Sicherung des Marktes, die man haben will, ist das nicht

    § 21 Der Staat: Hüter eines Kapitalstandorts

    Im Innern

    1. Der Einspruch des Staats gegen Kartelle, Monopolbildung und dergleichen: Grundsätze und Praxis

    2. Lizenz für den Machtkampf zwischen den Klassen

    Nach außen

    1. In seiner Eigenschaft als ‚Handelsnation‘ korrigiert sich der Staat in seiner antimonopolistischen Wirtschaftspolitik

    2. Im Licht der Monopolkonkurrenz auf den Weltmärkten identifiziert und verwirft der Staat falsche Rücksichtnahmen sozialer Art

    § 22 Die Verschmelzung von Kapital und Kredit

    1. Um das Bedürfnis nach Kapitalgröße zu verfolgen, braucht es nicht nur wegen solchen staatlichen Zuspruchs keinen Kampf in dem Sinn. Der Kredit tut da bessere Dienste

    2. Die Aktie und ihre Gesellschaft

    3. Die Börse

    4. Das Unternehmen als Spekulationsobjekt; die modernen Fusionen

    5. Kein Ende der Konkurrenz, sondern Vor- und Zusatzveranstaltungen

    6. Statt Verfügung über den Markt Gleichgültigkeit gegen ihn …

    7. … Krise

    Bolsonaros Kampf um die Neukonstitution der brasilianischen Herrschaft

    Brasilien und sein Bedarf nach souveräner Gewalt

    I. Die nationale Auftragslage und die staatspolitische Verantwortung des Militärs

    II. Bolsonaro – der berufene politische Exekutor des nationalen Standpunkts

    Die brasilianische Herrschaft

    1. Demokratie ohne ausreichend souveräne Gewalt – Kapitalismus ohne ausreichenden Beitrag zur nationalen Größe

    2. Die verhasste volksfreundliche Alternative: Subventionierte Staatswirtschaft und soziale Volkseinheit

    3. Das rechte Gegenprogramm für freies Regieren

    Das brasilianische Volk

    1. Ein bevormundetes Volk braucht eine neue Freiheit – überall viel moralischer Erziehungsbedarf

    2. Ein anständiges Leben in der Konkurrenzgesellschaft – für jeden und für Brasilien

    3. Die ertragreiche Symbiose mit den evangelikalen Kirchen

    III. Eine offene Beziehung – das Militär und sein unbequemer Präsident

    Öl-, Migrations- und Terror-Hotspot und Dauerkriegsschauplatz:

    Europas shithole country Libyen feiert seinen Zehnten – unter reger internationaler Beteiligung

    I. Libyen-Krieg 2011: Noch ein Ordnungskrieg zerstört noch ein Stück imperialistischer Ordnung

    II. Europas Mächte betreuen ihr Zerstörungswerk als Objekt ihrer Interessen und imperialistischen Ordnungsansprüche

    1. Europa sichert seine Interessen an dem kaputten Land

    a) Öl und Gas

    b) Flüchtlingsabwehr

    c) Terrorabwehr

    2. Europas ambitionierte Mächte bestehen auf ihrer exklusiven Zuständigkeits- und Weisungskompetenz

    a) Politische und rechtliche Vorgaben für die innerlibyschen Auseinandersetzungen …

    b) … und ihre Wirkung: Verallgemeinerung und Politisierung aller Gegensätze im Land

    III. Multilaterale Rivalitäten neuer Art

    1. Arabische Mächte mutieren zu Subjekten rivalisierender regionalstrategischer Ambitionen und machen Libyen zu deren Schauplatz

    2. Die Türkei betreibt an Libyen ihren strategischen Unvereinbarkeitsbeschluss mit dem europäischen Vormachtanspruch übers Mittelmeer

    3. Russland pflanzt sich als unhintergehbare Macht ins libysche Kriegsgeschehen, um die Berücksichtigung seiner Interessen dort und seines Machtstatus überhaupt zu erzwingen

    *) Eine Übersicht der bisher erschienen Paragraphen der „Konkurrenz der Kapitalisten" findet sich im Internet unter: gegenstandpunkt.com/konkurrenz-der-kapitalisten .

    Was Deutschland bewegt

    Chronik des Corona-Wahljahres 2021

    I. Die Maskenaffäre – ein Auftakt nach Maß

    So ein Mist – für die C-Parteien: Staatsanwälte ermitteln gegen einen Abgeordneten der Partei wegen Verdacht auf Bestechlichkeit. Nicht irgendeine, sondern bei der Einschleusung falscher Atemmasken zu falschen Preisen in den Corona-Abwehrkampf der Nation. Was für ein Skandal. Dann ein starker Verdacht gegen ein anderes CDU-MdB, von einem östlichen Potentaten für seine Imagepflege gekauft worden zu sein. Aufklärung darüber, inwiefern das schlimm sein soll, ist mit der Aufdeckung der Sache – schwer investigativ – schon vorbei. Dann die nächste Millionen-Euro-Affäre um einen CSU-Mann aus der alten Amigo-Riege wegen Rechtsberatung für einen weiteren dubiosen Atemmasken-Lobby-Einsatz, recherchiert durch Deutschlands nimmermüde Skandalaufdeckungscrew.

    Und jetzt? Der Schaden ist eingetreten. Doch der eine Mann wäre nicht CDU-CSU-Fraktionsvorsitzender, der andere nicht CSU-Chef geworden, wüssten sie nicht eine brauchbare Verwendung für die frischen Peinlichkeiten. Sie beschwören die Gefahr eines Glaubwürdigkeitsverlusts für Partei, Politik & Demokratie, um sie abzuwenden. Mit einer Maßnahme, die so lächerlich ist, dass die Comedians der Nation herzlich darüber lachen können; und dabei so wirksam, wie es in der bundesdeutschen Politik zur Sitte gehört: Den Mitgliedern der Fraktion wird eine Unterschrift unter das Bekenntnis abverlangt, immer sauber geblieben zu sein. Und das ultimativ. Sodass keiner sich drücken kann. Ähnliches in Bayern: ein knallharter Anstandskodex, vom Chef persönlich neu aus der Versenkung geholt. Den schwarzen Schafen bleibt nichts als sich zu verkrümeln...

    Sagen wir mal so: Wenn Glaubwürdigkeit nichts weiter wäre als der aus persönlichen guten Erfahrungen gewonnene Befund, dass jemand im Großen und Ganzen eine ehrliche Haut ist, dann hätte sie in der Sphäre unpersönlicher, von öffentlichen Personen repräsentierter und exekutierter Herrschaftsverhältnisse nichts verloren. In einem demokratisch regierten bürgerlichen Gemeinwesen ist aber das Gegenteil der Fall. Da steht ‚Glaubwürdigkeit‘ für den Schein, politische Herrschaft wäre nichts als ein sachgerechter, an Werten orientierter, im Zweifelsfall selbstloser Dienst der Mächtigen an den Bürgern; und die Mächtigen wären mit ihrem eigenen Anstand die leibhaftige Beglaubigung und Garantie der Dienstbarkeit politischer Herrschaft. Dieser Schein lebt davon, dass kein zurechnungsfähiger Bürger darauf hereinfällt, aber jeder Wahlberechtigte ihn erstens fordert und zweitens gerne ein Urteil darüber fällt, ob die Heuchelei, die er seinen Politikern abverlangt, ordentlich inszeniert ist. Für solche Inszenierungen sind Skandale eine gute Gelegenheit. Die auszunutzen gehört zum Berufsbild des Politikers; wer daran scheitert, kann seine Karriere vergessen. Die Chefs der christlichen deutschen Demokratie haben sich da zum Auftakt des großen Wahljahrs ganz gut bewährt.

    II. Zwei Landtagswahlen – ein Ergebnis

    Nämlich wieder einmal, in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, in Grün und Rot, männlich und weiblich, also ganz divers, ein und dasselbe: Eine gesittete Wählerschaft teilt sich ihre Millionen freier Voten aus unerforschlichen statistischen Gründen, immerhin hilfreich angeleitet durch Serien von Meinungsumfragen, punktgenau so ein, dass die amtierende Herrschaft gerade so gewinnt. Wenn es anders ausgeht, dann hat das zuständige Kollektivsubjekt, ‚der Wähler‘, sich nicht richtig regiert gefühlt. Was in Notstandszeiten, egal ob wirklichen oder bloß ausgerufenen – ausgerufen werden sie vor der Wahl von den Regierenden eigentlich immer –, allemal bedeutet: Sie finden, zu wenig regiert worden zu sein. Das ist den beiden Landeseltern in Deutschlands Südwesten nicht passiert. Die maßgeblichen Chefs waren in ihrer Eigenschaft als tonangebende Figuren hinreichend präsent und auffällig.

    Dieser Triumph des Amtsbonus wäre für die regierende C-Gruppe im Bund ein verheißungsvoller Einstieg ins Bundestagswahljahr gewesen, wenn die amtierende Kanzlerin ihre Partei und ihre möglichen parteieigenen Nachfolger nicht in die peinliche Rolle einer Ansammlung von ‚lahmen Enten‘ abgedrängt hätte. Aber das ist ein Thema für ein anderes Kapitel.

    III. Merkel entschuldigt sich – wofür?

    Wie es sich für eine lebendige Demokratie gehört: Längst ist die mit viel Sachverstand gewälzte Frage, wie die Pandemie am besten zu bekämpfen, die Dynamik der dritten Welle zu durchbrechen oder wenigstens zu verlangsamen sei, in den Händen der deutschen Politik zur veritablen Machtfrage herangereift. Die Bundesregierung ringt in einigen ‚Bund-Länder-Treffen‘ mit den Landesfürsten um Deutschlands Pandemiekurs 2021; letztere bestehen dabei auf der Autonomie ihrer Regionalmacht, mit der sie, gemessen an den ‚Notbremse‘-Plänen des Bundes, hauptsächlich destruktiv in Erscheinung treten. So geht es dahin, bis es Ende März, nach einem nächtlichen Kompromiss über zwei zusätzliche Ruhetage rund um das alljährliche Gedächtnis des Leidens, Sterbens und der Auferstehung Jesu, zu einem nach Auskunft ihrer Liebhaber in der Demokratie höchst ungewöhnlichen Vorgang kommt: Die oberste Chefin der Nation gesteht ein, einen politischen Fehler begangen zu haben, und bittet ihr Publikum um Verzeihung.

    „Ich habe mich zu diesem kurzen Pressetermin entschlossen, weil ich heute Vormittag entschieden habe, die notwendigen Verordnungen für die am Montag vereinbarte zusätzliche Osterruhe ... nicht auf den Weg zu bringen, sondern sie zu stoppen. Um es klipp und klar zu sagen: Die Idee eines Oster-Shutdowns war mit bester Absicht entworfen worden, denn wir müssen es unbedingt schaffen, die dritte Welle der Pandemie zu bremsen und umzukehren. Dennoch war die Idee der sogenannten Osterruhe ein Fehler. Sie hatte ihre guten Gründe, war aber in der Kürze der Zeit nicht gut genug umsetzbar, wenn sie überhaupt jemals so umsetzbar ist, dass Aufwand und Nutzen in einem halbwegs vernünftigen Verhältnis stehen... Und auch um ein Zweites klipp und klar zu sagen: Dieser Fehler ist einzig und allein mein Fehler, denn am Ende trage ich für alles die letzte Verantwortung. Qua Amt ist das so, also auch für die am Montag getroffene Entscheidung zur sogenannten Osterruhe. Das habe ich den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten vorhin auch in einer kurzen Videokonferenz erläutert und darüber auch die Vorsitzenden der Fraktionen im Deutschen Bundestag informiert. Und es ist mir wichtig, das auch hier zu sagen: Ein Fehler muss als Fehler benannt werden und vor allem muss er korrigiert werden, und wenn möglich, hat das noch rechtzeitig zu geschehen. Gleichwohl weiß ich natürlich, dass dieser gesamte Vorgang zusätzliche Verunsicherung auslöst. Das bedauere ich zutiefst, und dafür bitte ich alle Bürgerinnen und Bürger um Verzeihung. Diese zusätzliche Verunsicherung bedauere ich umso mehr, als wir uns, dabei bleibt es leider, mitten in der durch die Mutation ausgelösten dritten Welle der Pandemie befinden ... und ich bin zutiefst davon überzeugt: Wir werden das Virus gemeinsam besiegen. Der Weg ist hart und er ist steinig, er ist von Erfolgen, aber auch von Fehlern und Rückschlägen gekennzeichnet. Aber das Virus wird langsam, aber sicher seinen Schrecken verlieren." (Merkel am 24.3.21)

    In dem Gemisch aus Häme und Respektsbekundungen, die Merkels Erklärung in Politik und Öffentlichkeit hervorruft – je nachdem, welches Lager der ewigen Nörgler am Pandemiemanagement der Regierung sich jeweils äußert –, sollte der wirkliche Gehalt der Entschuldigungsrede der Kanzlerin nicht ganz untergehen:

    1.

    Worin ihr Fehler bestanden hat, was die Kanzlerin sich daher vorzuwerfen hat und was sie sich deshalb auch nur vorwerfen lässt, definiert sie mit ihrer Selbstkritik. Die bezieht sich explizit nicht auf ihren Befund, dass weitere Beschränkungen, wie die „mit bester Absicht entworfene" Osterruhe sie vorgesehen hatte, „ihre guten Gründe" haben, also weiter dringend geboten sind, sondern einzig auf die Frage von deren Durchsetzbarkeit: Die klipp und klare Unbezweifelbarkeit und Verbindlichkeit des nächtlich ausgehandelten Kompromisses erschien ihr kurz darauf zweifelhaft, nachdem alle möglichen Lobbys vermeintlich oder wirklich betroffener Interessengruppen und für die Um- und Durchsetzung der Osterruhe zuständige politische Instanzen ihren Unwillen, den Beschluss mitzutragen, sowie die Beschreitung des Rechtsweges angekündigt hatten.

    Die Kanzlerin weiß, was sie falsch gemacht hat: Sie verbucht es als ihre ganz persönliche Verfehlung, sich auf einen derart angreifbaren und sich schnell als praktisch schlecht „umsetzbar" erweisenden Kompromiss „in der Kürze der Zeit" mit den Länderchefs überhaupt eingelassen zu haben. Indem sie unterstreicht, damit der in ihrem Amt liegenden Verantwortung nicht gerecht geworden zu sein, stellt sie klar, was das Amt von ihr verlangt: Nichts, was sie an Entscheidungen mitträgt, darf irgendwie uneindeutig sein; was sie entscheidet, muss als unhinterfragbare Ansage die Souveränität beglaubigen, die sie als Kanzlerin beansprucht. Es reicht nicht, das Richtige, das Vernünftige nur zu wollen und für es einzutreten – als Bundeskanzlerin muss sie es verbindlich festlegen können und festlegen. Was ist es sonst auch wert: In der freiheitlichen Gesellschaft, der sie vorsteht und der jede geistige Bevormundung fremd ist, ist die Verbindlichkeit von noch so gut gemeinten Verhaltensregeln anders als durch die praktische Bevormundung durch befugte Machtfiguren nun einmal nicht zu haben. Für einen kurzen politischen Moment, das hat die Kanzlerin sich allein vorzuwerfen, ist sie dieser von ihr zu verkörpernden Einheit aus dem Willen, das Richtige zu tun, und der Macht, es auch durchsetzen zu können, nicht gerecht geworden.

    2.

    Das passiert ihr nicht noch einmal, und deshalb folgt die fällige Korrektur auch „rechtzeitig" auf dem Fuße: Den gemeinsamen politischen Beschluss nimmt sie und nur sie allein mit ihrem demonstrativen Akt der Selbstkorrektur zurück – die lieben „Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten" degradiert sie dabei ebenso wie ihre Fraktionskollegen zum Publikum einer „kurzen Videokonferenz". Dem Format der Ministerpräsidentenkonferenz erteilt sie noch am selben Tag eine Absage –

    „Für mich ist dieser Montag mit diesen Beratungen, mit den langen Pausen und dem andern auch eine Zäsur. Und da kann es jetzt nicht einfach so weitergehen." (Merkel bei Anne Will) –

    und stellt öffentlich eine nach allen Regeln der parlamentarischen Regierungskunst reformierte Neufassung der zurückgenommenen Beschränkungen in Aussicht. Entscheidend an ihrem zweiten, korrigierten Anlauf ist dann genau das: Merkel macht von ihrer Macht endlich gebührend Gebrauch, stärkt mittels einer Reform des Infektionsschutzgesetzes die Kompetenzen des Bundes gegenüber den Ländern in Fragen der Umsetzung der ‚Notbremse‘ und erschwert damit den Landesfürsten, ihr mit ihren ganzen Sondervorbehalten das Durchregieren weiter zu vermiesen und sie zu fragwürdigen Zugeständnissen zu bewegen.

    Ein paar der gedeckelten Landesväter aus der Unionsriege versuchen zwar noch, sich an das Mea Culpa der Kanzlerin anzuhängen – „Ich habe mit abgestimmt, ich habe auch diesen Fehler gemacht." (Günther) –, um mit der verstreuten Asche etwas von der hohen politischen Verantwortung auch auf ihre Häupter herabrieseln zu lassen. Doch bei diesem durchschaubaren Manöver lässt Merkel sogar ihre designierten Nachfolger Söder und Laschet ziemlich hängen, deren landesväterliche Führung doch das Sprungbrett ins Kanzleramt sein sollte. Der Machtbeweis der Kanzlerin gerät den Anwärtern auf ihre Nachfolge nicht zum Vorteil: Sie sind nicht mit verantwortlich, sondern Teil des Problems, das die Kanzlerin bei der Wahrnehmung ihrer Verantwortung ausgemacht hat. Sie stehen zusammen mit allen anderen „Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten" im Abseits und brauchen sich noch nicht einmal zu entschuldigen.

    3.

    Auch die Bitte um Verzeihung behält die Kanzlerin also sich allein vor. Interessant ist, bei wem sie sich für was genau entschuldigt hat. Adressat ihrer Bitte ist niemand Geringeres als die Gesamtheit der „Bürgerinnen und Bürger", die der Sache nach nichts als das Objekt der umkämpften Pandemiepolitik sind. Die bittet Merkel auf ihre unverwechselbar höflich-distanzierte Art um Verzeihung – für die bei ihnen sicherlich entstandene Verunsicherung. Sie hat, wie es sonst doch überhaupt nicht ihre Art ist, den Schein einer Alternative zum alternativlosen Regierungshandeln zugelassen. Das tut ihr leid. Dem Volk sagt sie damit auf den Kopf zu, was ihm gebührt, wie sehr es nämlich ein Recht auf eine souveräne Führung hat, die mit ihrem Handeln immerzu und in jeder Situation glaubwürdig den Anschein vermittelt, immer alles richtig zu machen.

    *

    Alles in allem eine klippe Klarstellung der Kanzlerin an alle, die genau aufgepasst haben: Eine klare Hierarchie der Macht und eine für das Volk glaubwürdig souveräne Führungsfigur – das braucht es zur Rettung der Volksgesundheit.

    IV. Kanzlerinnenwahlverein ohne ‚Kanzlerbonus‘ sucht Ersatz

    Die deutsche Kanzlerin stellt mit ihrer Entschuldigung und der Reform des Infektionsschutzgesetzes praktisch klar, dass eine gescheite Pandemiepolitik, die dem Willen des deutschen Volks gerecht wird, entscheidend von der flächendeckenden Verbindlichkeit ihres unangezweifelten Machtworts abhängt. Als Regierungschefin steht sie persönlich dafür ein, dass die Bundesregierung die sachkundige Bewältigung der Corona-Krise voll im Griff hat. Im demokratischen Regelfall wäre das vor der anstehenden Bundestagswahl glatt eine wunderbare Nachricht für ihre Partei, wenn Merkel nicht schon vorab angekündigt hätte, für eine Wiederwahl nicht mehr zur Verfügung zu stehen. Sie mutet der CDU/CSU damit den ganz eigenen Widerspruch zu, als Regierungspartei die Regierungschefin beerben

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