Der persische Orden und andere Grotesken
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Über dieses E-Book
Anton Pavlovich Chekhov
Anton Pavlovich Chekhov (1860-1904) was a Russian playwright and short-story writer who is considered to be one of the greatest writers of all time. His career as a playwright produced four classics, and his best short stories are held in high esteem by writers and critics. Along with Henrik Ibsen and August Strindberg, Chekhov is often referred to as one of the three seminal figures in the birth of early modernism in the theatre.
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Buchvorschau
Der persische Orden und andere Grotesken - Anton Pavlovich Chekhov
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ANTON TSCHECHOW
Der Persische Orden
und andere Grotesken
Mit
acht Holzschnitten
von
W. N. MASSJUTIN
1922
Welt-Verlag / Berlin
Deutsch von Alexander Eliasberg
Alle Rechte vorbehalten
Copyright by the Welt-Verlag 1922
Gedruckt bei Otto v. Holten, Berlin C.
Der Persische Orden
In einer der diesseits des Urals gelegenen Städte verbreitete sich das Gerücht, daß dieser Tage im Hotel »Japan« der persische Würdenträger Rachat-Chelam abgestiegen sei. Dieses Gerücht machte auf die Bürger nicht den geringsten Eindruck: ein Perser ist angekommen, was ist denn dabei? Nur das Stadthaupt Stepan Iwanowitsch Kuzyn wurde, als er vom Sekretär des Magistrats über die Ankunft des Orientalen erfuhr, nachdenklich und fragte:
»Wohin reist er denn?«
»Ich glaube, nach Paris oder nach London.«
»Hm! … Ist also ein großes Tier?«
»Das weiß der Teufel.«
Als das Stadthaupt aus dem Magistrat heimgekommen war und zu Mittag gegessen hatte, wurde es wieder nachdenklich und dachte diesmal bis zum Abend durch. Die Ankunft des vornehmen Persers intrigierte ihn außerordentlich. Er glaubte, das Schicksal selbst habe ihm diesen Rachat-Chelam gesandt und endlich sei der günstige Augenblick zur Verwirklichung seines sehnlichsten und leidenschaftlichsten Wunsches gekommen. Kuzyn besaß nämlich schon zwei Medaillen, den Stanislaus-Orden III. Klasse, die Denkmünze des Roten Kreuzes und das Abzeichen des »Vereins zur Rettung Schiffbrüchiger«; außerdem hatte er sich ein Anhängsel für die Uhrkette machen lassen, das ein mit einer Gitarre gekreuztes goldenes Gewehr darstellte und das, aus dem Knopfloch seines Uniformrocks heraushängend, aus der Ferne wie etwas Besonderes aussah und als ein Ehrenzeichen angesehen werden konnte. Es ist bekannt, daß je mehr Orden und Medaillen einer hat, er um so mehr weitere haben möchte, – das Stadthaupt wollte aber schon längst den Persischen Sonnen- und Löwenorden haben, er wollte es leidenschaftlich, wahnsinnig. Er wußte sehr gut, daß man zur Erlangung dieses Ordens weder kämpfen, noch Gelder für Waisenanstalten spenden, noch ein Ehrenamt bekleiden muß, sondern bloß einer günstigen Gelegenheit bedarf. Nun schien es ihm, daß diese Gelegenheit eingetreten sei.
Am anderen Tag, um die Mittagsstunde, legte er alle seine Ehrenzeichen und die Uhrkette an und begab sich ins Hotel »Japan«. Das Schicksal war ihm günstig. Als er das Zimmer des vornehmen Persers betrat, war jener allein und unbeschäftigt. Rachat-Chelam, ein riesengroßer Asiate mit einer langen Schnepfennase und hervorstehenden Glotzaugen, saß, einen Fez auf dem Kopfe, auf dem Fußboden und wühlte in seinem Koffer.
»Entschuldigen Sie gütigst die Belästigung«, begann Kuzyn mit einem Lächeln. »Habe die Ehre, mich vorzustellen: erblicher Ehrenbürger und Ritter verschiedener Orden, Stepan Iwanowitsch Kuzyn, der Bürgermeister dieser Stadt. Ich halte es für meine Pflicht, in Ihrer Person den Vertreter einer uns sozusagen freundnachbarlichen Großmacht zu begrüßen.«
Der Perser wandte sich um und murmelte etwas in einem sehr schlechten Französisch, das wie Klopfen von Holz gegen Holz klang.
»Die Grenzen Persiens«, fuhr Kuzyn in seiner vorher zurechtgelegten Ansprache fort, »berühren eng die Grenzen unseres ausgedehnten Vaterlandes, und die gegenseitigen Sympathien bewegen mich daher, Ihnen unsere Solidarität auszusprechen.«
Der vornehme Perser erhob sich und murmelte wieder etwas, in seiner hölzernen Sprache. Kuzyn, der keine fremden Sprachen beherrschte, schüttelte den Kopf, um ihm zu bedeuten, daß er nichts verstehe.
– Wie soll ich mit ihm reden? – dachte er sich. – Es wäre gut, einen Dolmetscher kommen zu lassen, aber es ist eine heikle Angelegenheit, und vor Zeugen kann ich darüber nicht gut sprechen. Der Dolmetscher wird es in der ganzen Stadt ausposaunen. –
Und Kuzyn fing an, alle Fremdworte zusammenzukramen, die er aus den Zeitungen wußte.
»Ich bin Stadthaupt …« stammelte er. »Das heißt, Lord-Maire … Municipalé … Wui? Komprené?«
Er wollte durch Worte und Mienenspiel seine gesellschaftliche Stellung erklären und wußte nicht, wie es zu machen.