Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Mutterliebe: Meine Kindheit unter Pädophilen, das große Vergessen und meine Heilung
Mutterliebe: Meine Kindheit unter Pädophilen, das große Vergessen und meine Heilung
Mutterliebe: Meine Kindheit unter Pädophilen, das große Vergessen und meine Heilung
eBook205 Seiten2 Stunden

Mutterliebe: Meine Kindheit unter Pädophilen, das große Vergessen und meine Heilung

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Es schien ihr, als sei alles in bester Ordnung. Sie studierte, arbeitete, heiratete, bekam Kinder – ein völlig normales Leben. Doch dann holte sie – ausgelöst durch eine Begegnung – die Erinnerung ein. Schritt für Schritt wagte sie sich, ihre Kindheit auszugraben. Begleitet von Therapien legte sie eine Vergangenheit offen, die schlimmer nicht sein konnte: Ihre eigenen Eltern dienten sie einem Pornoring an, dem honorige Menschen bis hin zu Professoren und Pfarrern mit ihren gutbürgerlichen Fassaden angehörten. Jahre des Leidens und des massenhaften sexuellen Missbrauchs wurden Alltag für sie. Besonders schmerzlich: Der Verrat durch die eigene Mutter, von der sie sich einen letzten Halt erhofft hatte. Totales Vergessen war die einzige Überlebensstrategie. Irgendwann machte die Autorin zu. Nichts ging mehr in ihren Kopf. Die Erinnerung verschwand. Die Vergangenheit war ausradiert. Das sicherte ihr Funktionieren. Doch das Unbewusste arbeitete in ihr und holte sie als Erwachsene wieder ein. Die Autorin schildert ihre schmerzhafte Geschichte, ihre posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) und ihren Weg zur Heilung in diesem Buch – das Resultat eines jahrelangen Kampfes.
Dieses Buch ist eine öffentliche Selbstbehauptung gegenüber den Männern und Frauen, von denen sie als Kind missbraucht worden ist. Es ist Zeugnis ihrer emotionalen Überwindung des Horrors. Gleichsam ist dieses Buch ein schonungsloser Appell: Stärker zu sein, sich aus dem Abgrund zu erheben und sich seine eigene Rolle im Leben zu geben, die man verdient hat.

Ein Überlebensbericht. Fast unerträglich. Doch gleichzeitig so voller Hoffnung: Am Ende ist es die eigene Entscheidung, wie das Leben weitergeht.
SpracheDeutsch
HerausgeberOmnino Verlag
Erscheinungsdatum20. Aug. 2020
ISBN9783958941533
Mutterliebe: Meine Kindheit unter Pädophilen, das große Vergessen und meine Heilung
Autor

Anonyma Anonyma

Die Autorin lebt heute mit Ihrer Familie in Nordwesteuropa und ist voll berufstätig. Die Psychotherapie begleitet sie noch durch den Alltag. Berufl ich und privat hat sie ihren Frieden gefunden. Den Mut, die noch lebenden Täter von damals zu konfrontieren, hat sie bisher nicht. Dinge nach 30 Jahren juristisch aufzuarbeiten, ist schwierig und zudem strafrechtlich auch gar nicht mehr möglich. Rache würde niemandem helfen, auch den Opfern nicht. Zum Schutz ihrer Privatsphäre haben Verlag und Autorin beschlossen, das Buch anonym zu veröffentlichen.

Ähnlich wie Mutterliebe

Ähnliche E-Books

Beziehungen für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Mutterliebe

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Mutterliebe - Anonyma Anonyma

    Impressum

    Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

    http://dnb.d-nb.de abrufbar.

    ISBN: 978-3-95894-152-6 (Print) / 978-3-95894-153-3 (E-Book)

    Lektorat: Viktoria Urmersbach

    © Copyright: Omnino Verlag, Berlin / 2020

    Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, der fotomechanischen und digitalen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten.

    E-Book-Herstellung: Open Publishing GmbH

    Inhalt

    Geleitwort

    Vorwort: Eine Neuordnung des Lebens

    Mein ganz normales Leben 2011

    Das Jahr 2012

    Innerlich verändert

    Banalitäten mit Birgit und Nadine – Sommer 2012

    Die Einladung

    Frohes neues Jahr 2013!

    Die Erlösung

    Die Ernüchterung

    Warten und noch ein Sturz

    Therapie – und vorher eine Gartenparty

    Sommerurlaub

    Was ist los mit mir?

    Zusammenbruch

    Das kleine Mädchen: ich?

    PTBS

    Intrusionen

    Das Telefonat

    Die Hölle: Alltag mit Posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS)

    Ein Schwur und das Zimmer

    Das Trauma: das missbrauchte Kind

    Das Spiel geht los

    Noch mehr Vernichtung

    Hyperinsulinismus

    Auf dem Fußboden

    Der Heizungskeller

    Endlich Wut

    Und der Vater? Der doch nicht!

    Mein Therapeut

    Spurensuche und die guten Menschen in meinem Leben

    Ein gefährliches Wochenende

    Hygieneartikel und wie man sie wieder vergisst

    Der Stuhl, die Befreiung

    Neuanfang mit Hindernissen

    Maya

    Maya, immer noch

    Konfrontation

    Konfrontation und Abgrenzung

    Neue Bilder, neue Schmerzen

    Der Wochenmarkt

    Bitte keinen Tango

    Die Genesung

    Die Expedition

    Die Justiz: ihre Ohnmacht und meine Meinung dazu

    Nachwort

    Danke

    Geleitwort

    Die Autorin dieses Buches ist mir persönlich bekannt. Was für ein Mut, ein solches Buch zu verfassen, sich mit der Gewalterfahrung dieser entsetzlichen, sich über ein ganzes junges Leben hinziehenden Unmenschlichkeit nicht nur zunächst unmittelbar als Opfer, sondern danach in der Therapie und schließlich nochmals dokumentarisch im Buch auseinanderzusetzen!

    Zu schreiben, dem Grauen heute endlich eine Sprache und (trotz aller anfänglichen Scham) eine Öffentlichkeit zu geben, ist für die Patientin eine enorme Selbst-Verge-wisserung: Ich bin dem unberechenbaren Zugreifen der Gewalttäter*innen nicht mehr ohnmächtig ausgeliefert.

    Dies war sie als Kind und Jugendliche – stumm, entmenschlicht, nicht begreifen könnend, was die eigenen Eltern und das kirchliche Umfeld ihr antun. So war sie es wieder am Anfang der Therapie: Ihre „grundsolide Verfassung" (so empfand sie es) war zuvor über anderthalb Jahre durch den einen oder anderen alltäglichen Trigger brüchig geworden, und eine unerklärliche innere Unruhe begann sie zu treiben. Schließlich brachen durch einen alltäglichen Zufall die perfekt verschlossenen Erinnerungen auf, lösten in ihr emotionale Verwirrung aus und überschwemmten sie mit Bilderfluten. Erst über die Therapie gewann sie über vielfältige Wege eine eigene Perspektive auf Täter*innen und Geschehen und konnte zu einer eigenen inneren Haltung finden.

    Das Buch ist ein Mutmacher, nicht (mehr) zu schweigen und nach einer Sprache zu suchen. Wer schweigt, bleibt mit allem allein. Doch birgt das Schweigen ein Dilemma: Vom Schweigen leben nicht nur die Schänder- und Täter*innen, durch Schweigen (über-)lebt auch das Opfer. Gerade anhaltend Traumatisierte haben verinnerlicht, dass das soziale Umfeld nichts mit den Geschehnissen zu tun haben will, es steht weder als Schutz, noch als Halt, noch zur Verarbeitung des Erlebten zur Verfügung. Wohin kann sich denn das Opfer wenden, wenn die eigenen Eltern zu den Tätern gehören?

    Das geschändete Kind blieb einsam und unverstanden. Darüber hinaus wurde ihm gesagt – oder es entwickelte in seiner Ohnmacht selbst die Vorstellung –, es sei selbst schuld daran. So lag die einzige Chance zum Überleben in der Abspaltung der traumatisierenden Erfahrungen: Bei der Patientin blieben sie über 15 Jahre abgespalten, vom „normalen" Lebensalltag vollkommen abgeschnitten. Dies sicherte der Autorin nicht nur das Überleben und die weitere seelische Reifung, sondern auch eine unbeschädigte parallele Erfahrungswelt: Die Zuneigung anderer Menschen konnte geglaubt und angenommen werden, Konflikte konnten ausgetragen werden, innere Gewissheiten guter Beziehungen wurden gebildet. So war ein „normales" Leben möglich: ein erfolgreiches Studium, Freundschaften, Sexualität, die Gründung einer Familie.

    Dieser zunächst hilfreiche Selbstschutz, der die Opfer überleben lässt, ist jedoch nicht von Dauer. Im vorliegenden Buch beschreibt die Autorin sehr genau, wie dieser Schutz brüchig wurde und der Entwicklungsprozess in ihr begann. Typisch dabei ist das Erleben, dass etwas mit ihr geschieht: „Es geschah mit mir, ich bin nicht aktiv losgegangen, die Unruhe hat mich getrieben."

    Die Therapie begann mit dem Schwierigsten: einen geschützten, Halt gebenden Beziehungsraum um uns zu schaffen, in der das Schweigen sich lösen und Unsagbares gesagt werden kann. Der Anfang war eine enorme Belastung für die Patientin: Warum sollte sie ausgerechnet mir vertrauen, wenn sie noch nicht einmal ihren Eltern vertrauen konnte? Es war der unglaublichen Resilienz der Patientin zu verdanken, dass sie in diesem Entwicklungsprozess nicht aufgab, sondern neben all dem Umbruch, der Wiederkehr und Überflutung des Erlebten Kurs hielt. Die Autorin konnte dem Therapeuten anfangs nur glauben, dass das, was jetzt begann, nicht nur bloße Wiederkehr des Erlebten war, das nochmals wie ein Film ablief. Sie konnte ihm zunächst nur glauben, dass jetzt das „Sprechen in den gemeinsamen Raum unserer Beziehung hinein, (egal ob mit Worten, durch somatische Symptome, durch Gesten, Bilder, oder Szenen) der Beginn eines langwierigen Umstrukturierungsprozesses ist, in dem das bisher Abgekapselte zumindest teilweise in ihre Persönlichkeit integriert werden sollte. Dies ist die „Landkarte des Therapeuten. Die Autorin bemerkte erst durch zunehmende innere Ruhe, dass sich in ihrem Innern etwas veränderte, eine Art positive Gewissheit sich bildete.

    Mit diesem Prozess begann für die Autorin eine dynamische, teilweise bedrohliche und heikle Lebensphase, in der bisherige Sicherheiten neu definiert werden mussten. Bisher als selbstverständlich Geglaubtes wurde vergiftet, es war die Vertreibung aus dem vermeintlichen, auf Abkapselung (Dissoziation) gegründeten Paradies. Sichere Orte mussten deshalb neu und bewusst hergestellt werden: War z.B. das Familienleben bisher unproblematisch, „automatisch" sicher, so wurde plötzlich die körperliche Nähe zu den Kindern schwierig und die Sexualität mit dem Partner unerträglich. Hier wurde das eigene Zimmer zum neuen sicheren Ort. Die Sicherheit im Alltagsleben schwand, weil vergangene Bilder (Intrusionen) sich einmischten: Hier wurde die Kanzlei zum sicheren, intrusionsfreien Ort. Im Laufe der Therapie entstanden neue Sicherheiten, Gewissheiten, und das Gift schwand wieder aus den Beziehungen.

    Ich bin noch immer sehr bewegt, wie die Patientin, die als Kind und Jugendliche in ihrer unmittelbaren Umgebung nicht die geringste liebevolle Zuwendung erfuhr, deren einziger verlässlicher Halt in Familie und sozialem Umfeld in perverser Weise darin bestand, dass sie regelmäßigen Ritualen von Dehumanisierung und sexueller Gewalt ausgesetzt war, wie diese Patientin Kraft und Vertrauen gefunden hat, sich der therapeutischen Bearbeitung ihres Leids zu unterziehen. Die Jahre der gemeinsamen Bearbeitung waren für die Patientin wie für den Therapeuten sehr bewegend und fordernd. Viele Menschen haben zum Gelingen beigetragen: auf Seiten der Patientin ihre Familie und ihre Freunde, die trotz harter Zeiten zu ihr gehalten und sie mitgetragen haben, auf Seiten des Therapeuten die langjährigen Kolleg*innen seiner Supervisionsgruppe.

    Die Leser*in nimmt teil an einem Wachstumsprozess. Zu erleben, wie der sehr verletzte Teil der Person – oder anders formuliert: das geschändete innere Kind – zu sprechen beginnt, gehört, wahrgenommen und schließlich als eigener innerer Teil der Persönlichkeit angenommen wird und zur Ruhe kommt, rührt mich auch nach dreißig Jahren therapeutischer Arbeit an. Ein solches heilendes Wachsen selbst zu erfahren bzw. daran teilzuhaben, ist für die Patientin und für den Therapeuten die Ermutigung, das auftauchende Gewalt- und Vernichtungsszenario in mikroskopischen Schritten überhaupt ausdrückbar und dann mitteilbar zu machen. Dies immer wieder zu erfahren, ist für beide der innere Motor, in den mitunter sehr schwierigen Phasen weiterzumachen und all das Grausame der inneren und zwischenmenschlichen Verarbeitung zugänglich zu machen.

    Ich danke der Autorin, dass ich an ihrem Wachstum beteiligt sein durfte.

    Dr. G. (Psychotherapeut)

    22.12.2019

    Vorwort: Eine Neuordnung des Lebens

    Dieses Buch ist auf dem Boden einer wahren Geschichte entstanden: meiner Geschichte. Es erzählt einen Lebensweg. Ich will zeigen, wie man Mut und Liebe zum Leben auch nach schlimmen Erlebnissen wiederfinden kann.

    Die Namen von Örtlichkeiten und Personen wurden für dieses Buch verändert. Sollten Sie doch Ähnlichkeiten mit sich oder Ihrer Umgebung entdecken, sind diese rein zufällig und nicht beabsichtigt.

    Ich widme dieses Buch meinem Mann und meinen Kindern, die ich wieder gelernt habe zu lieben, ihnen zu vertrauen und die all die harte Zeit zu mir gestanden haben.

    Mein Mann leistete in all diesen Monaten wirklich Großartiges: Er lief nicht weg, sondern stand zu mir. Wie er all das gemeistert hat, ist mir bis heute unklar. Viele andere Partner hätten bestimmt das Handtuch geworfen – er nicht! Er stand diese ganz schlimme Zeit durch und verlor dabei nie den Respekt vor mir, obwohl ich dafür so viele Anlässe gab. Die Gabe, seiner Frau in letzter Konsequenz so sehr zu vertrauen, besitzen nicht viele Menschen.

    Ich widme dieses Buch meinem Therapeuten, der mir durch unglaubliche Zuverlässigkeit zeigte, dass es Menschen gibt, die einen nicht verstoßen, wenn es schwierig wird, die da sind, wenn man es nicht allein schafft, die einem Grenzen setzen, wenn man sie braucht.

    Ich widme dieses Buch allen Menschen, die von schlimmen Traumata heimgesucht wurden, um ihnen ganz laut zuzurufen:

    Ihr seid nicht der Grund, warum das Leben so hart ist zu euch – euch ist viel aufgebürdet worden, wovon es sich zu befreien gilt.

    Nur Mut zum Frei-Werden! Ihr seid so wertvoll!

    Mein ganz normales Leben 2011

    Ich war damals 37 Jahre alt, hatte vor acht Jahren geheiratet, mein Studium der Rechtswissenschaften war abgeschlossen. Mein Mann und ich hatten drei Kinder: sieben, vier und zwei Jahre alt. Meine Promotion war abgeschlossen und ich war Teilhaberin einer gut situierten Kanzlei im Großraum Karlsruhe geworden. Mein Mann, gebürtiger Schwede, Musiker, lebte seit über 20 Jahren in Deutschland, er war wohl mindestens so deutsch wie wir, nur dass er das natürlich nie zugegeben hätte.

    Alles in allem konnten wir von uns behaupten, dass wir eine glückliche Familie waren: mit Kindern, die unser Leben bereicherte, unsere Nächte kürzer machten und unsere Freizeit kräftig umgestaltet hatten. Vor drei Jahren waren wir in unser Eigenheim gezogen, nachdem unsere kleine Mietwohnung mit steigender Bewohnerzahl aus den Fugen zu platzen drohte. So weit, so gut. 2011 schien mein Leben auf soliden Füßen zu stehen und auch ich fühlte mich wie mit einem gutem Fundament ausgestattet – privat und beruflich.

    Mein Mann Sören war damals 52 Jahre alt, spielte Violine und schlug sich mit privaten Aufträgen und Kompositionen durch. Sören war ein begnadeter Koch und ein wirklich guter Vater und Ehemann. Ich war, wie schon erwähnt, Rechtsanwältin, liebte Sport und den Garten, wahrscheinlich als Kontrast zu all dem Schriftverkehr in meinem Berufsleben. Unser Sohn Alex war sieben Jahre alt und ein richtig fauler Grundschüler, dafür aber sehr liebenswert und eher nachdenklich. Tina, unsere Mittlere, war fünf und brummte ihr letztes Jahr im Kindergarten ab, ein echtes Energiebündel. Und dann war da noch unsere Kleine, Maya, zwei Jahre alt. Sprechen brauchte sie gar nicht erst zu lernen – ihre Geschwister wussten längst, was sie wollte, bevor sie das Wort überhaupt versucht hatte auszusprechen. Unsere Ehe und unser Familienleben waren wirklich solide, friedlich und auch vertraut. Streit oder Misstrauen kamen nicht vor. Wir waren zufrieden mit dem, was wir hatten: Unseren kleinen Wohlstand hatten wir erarbeitet und wussten ihn auch zu schätzen.

    Die Jahre des Studiums und als Angestellte waren harte Jahre für uns alle mit vielen, vielen Überstunden und Arbeitsverträgen von höchstens zwei Jahren Laufzeit, meist aber noch kürzer. Dazwischen die Schwangerschaften und Geburten der Kinder mit nur minimaler beruflicher Pause, um den Anschluss im beruflichen Wettbewerb nicht zu verlieren, und natürlich, um uns als Familie zu ernähren. Obwohl mir Sören immer mit Rat und Tat zur Seite stand und half, wo er konnte, war und blieb ich Haupt- oder Alleinverdienerin. Aber mit Druck hatte ich gelernt umzugehen. Manchmal kam es mir vor, als ob meine Energie unerschöpflich wäre: die Arbeit, all die Wochenenden und Nächte, in denen ich nie aus der Kanzlei nach Hause kam und danach alle Pflichten, die einem in einer jungen Familie begegnen, dazwischen noch der Bau unseres Hauses und immer wieder Ängste und Bewerbungs- bzw. Vertragsverlängerungsstress bei den kurzen Arbeitsverträgen. Die berufliche Verantwortung wuchs ständig, dazu kamen rasch hintereinander drei zu ernährende Familienmitglieder. Nur die Gehälter blieben so bitter niedrig, dass wir irgendwann kaum mehr Luft zum Atmen hatten. Das Geld reichte hinten und vorne nicht mehr und noch mehr Überstunden brachten wenig Entlastung.

    Trotz alledem wollte meine Energie nicht enden und in den spärlichen Lücken meines Alltags ging ich viel laufen oder schwimmen. Beim Laufen war ein Marathon schon das selbstverständliche Mindestmaß geworden. Irgendwann konnte ich diese Ausbeutung vonseiten der Arbeitgeber all dieser Großkanzleien nicht mehr ertragen. Ich übernahm zusammen mit einem Kollegen, den ich schon aus meinen beruflichen Anfängen kannte, die Kanzlei eines Kollegen, der sich zur Ruhe setzen wollte und einen Verkauf anbot. Obgleich die Selbständigkeit zunächst ein finanzielles Wagnis war mit wieder neuen Schulden, fühlte ich mich dennoch freier und konnte meinen Fleiß und mein Engagement nun für mich und meinen Kollegen einsetzen und musste nicht mehr zu ausbeuterischen Konditionen irgendwelcher Vorgesetzter arbeiten. Ich arbeitete nun noch härter. Auch im Sport packte ich noch ein wenig mehr Ehrgeiz obendrauf. Aber das Wagnis schien sich auszuzahlen, denn schon im ersten Jahr meiner Selbständigkeit entspannte sich unsere finanzielle Lage. Die Kredite für unser Haus und die Kanzlei waren zu bewältigen und wir fingen wieder an zu leben. Vorbei waren die Zeiten, als ich mit 60 Euro in der Tasche im Supermarkt stand und grübelte, wie wir alle davon eine Woche satt werden sollten. Am Ende meines ersten Geschäftsjahres sagte ich mir das erste Mal in meinem Leben so etwas wie: „Du

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1