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Zeitschrift Polizei & Wissenschaft: Ausgabe 3/2020
Zeitschrift Polizei & Wissenschaft: Ausgabe 3/2020
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eBook174 Seiten1 Stunde

Zeitschrift Polizei & Wissenschaft: Ausgabe 3/2020

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Über dieses E-Book

Kompetentes Handeln basiert allgemein auf der Kombination
praktischer Erfahrung und wissenschaftlicher Erkenntnisse.
Grundlage hierfür ist die Kommunikation und Diskussion
zwischen Wissenschaftlern und Praktikern. Dies gilt ganz
besonders für eine moderne Polizei.
Die Zeitschrift Polizei & Wissenschaft bietet die Möglichkeit
zur wissenschaftlichen Kommunikation polizeirelevanter
Themenbereiche. Sie versteht sich als Schnittstelle zwischen
Wissenschaft und Polizei. Durch ihre interdisziplinäre
Ausrichtung werden unterschiedlichste wissenschaftliche
und praktische Perspektiven miteinander vernetzt. Dazu
zählen insbesondere die Bereiche Psychologie, Rechtswissenschaft,
Soziologie, Politikwissenschaft, Medizin,
Arbeitswissenschaft und Sportwissenschaft. Aber natürlich
wird auch polizeirelevantes Wissen der Disziplinen genutzt,
die nicht klassisch mit dem Begriff Polizei verknüpft sind,
wie z.B. Wirtschaftswissenschaften, Sprachwissenschaften,
Informatik, Elektrotechnik und ähnliche.
Polizei & Wissenschaft regt als breit angelegtes Informationsmedium
zur Diskussion an und verknüpft Themenbereiche.
Sie erscheint vierteljährlich und geht mit ihrer interdisziplinären
Interaktivität über einen einseitigen und fachlich
eingeschränkten Informationsfluss hinaus. Dazu nutzt sie
die Möglichkeiten des Internets und fördert durch die
Organisation von Veranstaltungen auch eine direkte
Kommunikation.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum22. Juni 2020
ISBN9783866766501
Zeitschrift Polizei & Wissenschaft: Ausgabe 3/2020

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    Buchvorschau

    Zeitschrift Polizei & Wissenschaft - Verlag für Polizeiwissenschaft

    Ergebnisse einer Befragung von Studierenden an der Polizeiakademie Niedersachsen in Bezug auf das Thema Suicide by Cop

    Helen Behn

    Einleitung

    Das Thema Tötungen von Personen durch Polizeibeamte¹ im Zusammenhang mit dem Phänomen Suicide by Cop (SbC) ist ein in Deutschland wenig beachtetes. Studien aus Deutschland, die sich mit der Phänomenologie der provozierten Tötung auseinandersetzen, lagen bis zum Jahr 2019 nicht vor. Vereinzelt finden sich Medienberichte über Vorfälle von (möglichen) Fällen des Suicide by Cop² sowie persönliche Berichterstattungen durch betroffene Polizeibeamte.³ Während sich der Forschungsstand vor allem aus anglo-amerikanischen, zum Teil auch skandinavischen Studien ergibt,⁴ liegen deutschsprachige Ausarbeitungen vor, die diese Ergebnisse in erster Linie zusammenfassend darstellen, jedoch keine empirischen Studien sind.⁵

    Zusammenfassung

    Im Beitrag werden die zentralen Ergebnisse der schriftlichen Befragung von 556 Polizeianwärtern der Polizeiakademie Niedersachsen zum Thema Suicide by Cop (SbC) und der möglichen Viktimisierungsfolgen präsentiert. Es zeigte sich, dass 64,4 % der Befragten keine Kenntnis über das Phänomen hatten (Rücklauf: 64 %). Spezifischer wurde nach der persönlichen Hemmschwelle gefragt, von der Schusswaffe Gebrauch zu machen. Über 50 % der Befragten schätzten die Hemmschwelle als sehr hoch bzw. eher hoch ein. 43,2 % befürchteten persönliche Viktimisierungsfolgen, die dazu führen, nicht mehr unbeschwert den Beruf ausüben zu können. Die Ergebnisse verdeutlichen die Wichtigkeit des bisher in der Polizeiausbildung nicht verankerten Themas.

    Suizid, Suicide by Cop, Befragung, Polizeianwärter, Schusswaffengebrauch, PTBS, Viktimisierungsfolgen.

    Abstract

    The article presents the main results of the survey of 556 police cadets (students) at the Police Academy of Lower Saxony on the subject of suicide by cop (SbC) and the possible consequences of victimization. It was shown that 64. 4 % of those who had been questioned had no knowledge of the phenomenon at all (response rate: 64 %) As a more specific question they were asked about the personal inhibition threshold for using the firearm. More than 50 % of the respondents estimated the inhibition threshold as very high or rather high. 43.2 % feared personal consequences of victimization, which would lead to the fact that there could occur problems to work as a policeofficer The results illustrate the importance of the topic that has not yet been anchored in police training.

    suicide, suicide by cop, police assisted suicide, empirical study, police cadets, lethal force, PTBS, victimization.

    Die erste empirische deutsche Studie, die Pilotstudie, wurde durch die Autorin im Zeitraum vom Jahr 2018 bis zum Jahr 2019 durchgeführt. Methodisch wurden mittels einer Justizaktenanalyse in erster Linie Erkenntnisse zu situations- und personenbezogenen Faktoren von (Verdachts-) Fällen des SbC aus Deutschland (Niedersachsen) gewonnen. Ebenso wurden Motivlagen aus den deutlich als SbC-Fälle zu determinierenden Fällen extrahiert sowie die Art der justiziellen Erledigungen analysiert.⁶ Viktimologische, präventive und polizeitaktische Aspekte wurden zunächst nicht vertieft berücksichtigt. Weitere Forschung ist geplant (s. u.).

    Das Thema Suicide by Cop rückte aufgrund des Mangels empirischer Studienergebnisse aus dem deutschsprachigen Raum und der nicht regulären Thematisierung im Curriculum der Polizeiakademie Niedersachsen (PA) zunächst ab dem Beginn der Tätigkeit der Autorin als Dozentin im Jahr 2015 in das Interesse. Seit dem genannten Jahr konnte das Thema wiederkehrend im Rahmen eines Wahlpflichtmoduls in den Fokus gesetzt werden. In diesem Rahmen ergab sich im Frühjahr 2019 erstmals die Möglichkeit, in einem Wahlpflichtkurs ebenfalls empirisch zu arbeiten (schriftliche Befragung von 556 Studierenden des ersten Studienjahrgangs an der Polizeiakademie Niedersachsen, Standort Oldenburg⁷), während im Hintergrund die o. a. Studie durch Fertigstellung des Forschungsberichtes ihren Abschluss fand. Der Wahlpflichtkurs bot durch einen großzügigen Stundenumfang (60 Stunden, 25 mitwirkende Studierende, von denen fünf überwiegend in den empirischen Teil vertieft mit eingebunden waren),⁸ die Möglichkeit, auf Grundlage der Gütekriterien der empirischen Sozialforschung eine derartige Qualität zu gewährleisten, dass die empirischen Ergebnisse als valide angesehen werden können.

    Aufgrund der o. a. Forschungslücken zum Thema SbC können die nachfolgend beschriebene Studie und ihre Ergebnisse ebenso als Mehrwert im Sinne eines Pilotprojektes angesehen werden. Das Hauptaugenmerk des Beitrages liegt auf der Darstellung der Befragungsergebnisse und nicht auf grundlegenden Aspekten zum Thema SbC.⁹ Nachfolgend werden einleitend, als Einführung in die Thematik, Basisinformationen kurz skizziert.

    Begrifflichkeiten

    Die (versuchte) Handlung eines SbC stellt Kriminalität dar. Dies begründet sich u. a. darin, dass der Polizeibeamte in der Regel bedroht (u. a. § 241 StGB), ggfs. verletzt (u. a. §§ 223, 224 StGB) wird. Des Weiteren liegt Kriminalität vor, da der Polizeibeamte (letale) Gewalt gegen die ihn provozierende Person (u. a. §§ 223, 224, 212 StGB) anwendet, auch wenn diese in der Regel gerechtfertigt sein wird.

    Der Begriff Suicide by Cop ist der gängigste, der im Kontext der beschriebenen Handlungen verwendet wird. Pinizzotto et al. verwenden diesen ebenfalls und weisen durch die Wahl ihrer Definition darauf hin, dass eben auch Versuchshandlungen unter den Begriff zu subsumieren sind.¹⁰ Conner beschreibt das Phänomen wie folgt: „Suicide by Cop is an act whereby a person presents a threat to a police officer in order to compel the officer or officers to use deadly force to stop that threat. The result is a suicide at the hands of a police officer.¹¹ Durch verschiedene Autoren werden weitere Begrifflichkeiten verwendet. So ist ein anderer, in der wissenschaftlichen Literatur verwendeter Ausdruck für derartige Handlungen police-assisted suicide. Hierbei handelt es sich um „eine Selbsttötung, bei der die Person die Handlung mit Hilfe eines Polizisten durchführt.¹² Analog der Definition von Conner beschreiben Mohandie/Meloy das Kriminalitätsphänomen als „Suicide by cop (SBC) is a method of suicide that occurs when a subject engages in behavior which poses an apparent risk of serious injury or death, with the intent to precipitate the use of deadly force by law enforcement against the subject […].¹³ Der ebenfalls teils synonym genutzte Begriff victim-precipitated homicide beschreibt die Handlung eines Opfers, das ein bestimmtes Ereignis initiiert oder beeinflusst, das in der Folge zum Tod führt. Wolfgang, der in verschiedenen SbC-Studien als der Wissenschaftler zitiert wird, der sich Ende der 1950er Jahre als erster mit dem Thema der provozierten Tötung wissenschaftlich auseinandergesetzt hat, benutzt in seiner Auseinandersetzung mit dem Begriff „victim-precipitated criminal homicide eine Definition, die die provozierende Person als Opfer dastehen lässt.¹⁴

    Die Verwendung dieser Begrifflichkeit im Zusammenhang mit dem Phänomen Suicide by Cop wird kritisiert, da die handelnden Polizeivollzugsbeamten als Verdächtige (Täter, nicht im juristischen Sinne) dargestellt werden und die suizidierte Person als Opfer angesehen wird.¹⁵ Dieser Kritik wird durch die Autorin gefolgt und die provozierende Person als Täter (ebenfalls nicht im juristischen Sinne) und der provozierte Polizeibeamte als Opfer definiert. Dass Opferfolgen auf beiden betroffenen Seiten und darüberhinausgehend (bei Dritten) entstehen, ist unbestritten.¹⁶

    Diese Determinierung ist insofern wichtig, da bei der Befragung der Studierenden vor allem mittels der Frage 13 („Es kommt zu einem Suicide by Cop durch dich. Kannst du dir vorstellen, nach einem solchen Vorfall zukünftig unbefangen als PVB deinen Dienst zu versehen? Antwortmöglichkeiten „ja und „nein", s. u.) potenziell viktimologische Erkenntnisse gewonnen wurden.

    Methodisches Vorgehen

    In der Auftaktveranstaltung des Wahlpflichtkurses (13.02.2019) wurden grundlegende thematische Aspekte zum Thema SbC und zur empirischen Sozialforschung vermittelt. Alle Mitglieder des Wahlpflichtkurses (25 Personen) hatten auf Grundlage der gelehrten Inhalte die Aufgabe, zur nächsten Veranstaltung eine Frage zu formulieren, die sie in die Befragung mit einfließen lassen möchten. Zudem sollte die Begründung für die Aufnahme formuliert werden. Diese Fragen wurden am 19.02.2019 in der zweiten Veranstaltung zusammengetragen und kategorisiert. Es stellten sich hierbei Schwerpunkte heraus, die in der Folge die Themenschwerpunkte des Fragebogens bilden sollten: Themenkomplex 1 (Suizid), Themenkomplex 2 (SbC), Themenkomplex 3 (demografische Fragen).

    Insgesamt umfasste der Fragebogen 16 Fragen (14 themenspezifische, zwei demografische Fragen), die bewusst auf einen zweiseitigen Bogen (ein Blatt!) gestaltet wurden, um einerseits die Befragung zeitlich in einem begrenzten Rahmen belassen zu können und dabei eine möglichst ansprechend hohe Rücklaufquote zu erzielen. Andererseits sollte die Auswertung für die sich erstmalig mit der Empirie beschäftigen Studierenden übersichtlich bleiben. Aufgrund dessen wurde überwiegend die Form der geschlossenen Fragestellung¹⁷ gewählt. Hinsichtlich der Art der Antwortauswahl waren in einigen Fragen Mehrfachnennungen möglich. Bei den geschlossenen Fragen mit Antwortvorgaben und nur einer Antwortmöglichkeit erfolgte durch die Wahl einer vierstufigen Skaleneinteilung¹⁸ das Vorbeugen eines Antwortverhaltens mit der sog. „Tendenz zur Mitte", zu der Befragte neigen können, um den kognitiven Aufwand beim Antworten zu reduzieren. Dieses reduktive Verhalten wird auch im Zusammenhang mit der sog. Zustimmungstendenz (Akquieszenz) diskutiert.¹⁹

    Unabhängig davon sind methodische Verzerrungen, nicht nur hinsichtlich des Antwortverhaltens nicht auszuschließen. Beispielhaft stehen hierfür trotz des Pretests (s. u.) Unverständlichkeiten einzelner Fragen oder Antworten/Antwortmöglichkeiten, Antwortverhalten im Sinne sozialer Erwünschtheit und/oder Gruppendynamiken während des Ausfüllens des Bogens im Studiengruppenverband.²⁰

    Der Pretest wurde in einem Hörsaal eines dritten Studienjahrganges durchgeführt.²¹ In diesem Vorgehen begründet sich ein methodisches Defizit, weil es sich hierbei nicht um Studienanfänger handelt, sondern um Studierende, die kurz vor dem Studienabschluss standen. Diese hatten, anders als die Befragten, im Rahmen ihres Studiums bereits Praxisphasen absolviert und waren somit u. U. in diesen mit dem Thema SbC polizeipraktisch in Berührung gekommen, wenngleich dies nicht besonders wahrscheinlich sein dürfte. Es war also davon auszugehen, dass diese vertieftes themenspezifisches Wissen hatten. Verständnisprobleme hinsichtlich der Fragestellung lagen erwartungsgemäß bei der Pretestgruppe nicht vor. Dass der Fragebogen nicht bei Studierenden des ersten Jahres im Pretestverfahren angewandt wurde, begründet sich darin, dass der gesamte Jahrgang miteinbezogen werden sollte. Die Anwendung des Fragebogens erwies sich als geeignet. Die Dauer der Beantwortungszeit belief sich auf maximal sieben Minuten. Unter Berücksichtigung dieser Angaben wurde ein entsprechendes Anschreiben²² formuliert und dieses mit der entsprechenden Anzahl der Fragebögen

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