Die Kita im Sozialraum: Was man aus der Geschichte von Mia lernen kann
Von Stefan Lenz, Friedhelm Peters und Denise Ziegler
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Über dieses E-Book
In "Die Kita im Sozialraum" geht es um die Idee, dass Kinder nicht schon in jungen Jahren aus Einrichtungen verwiesen werden (müssen), weil sie als nicht mehr zumutbar gelten und so ganz früh eine Erfahrung des Scheiterns machen. Dazu müssen sich alle Kitas in einer Region gemeinsam auf den Weg machen, Konkurrenzen abbauen und ein kooperatives Modell entwickeln und pflegen. Das Buch beginnt mit der (fiktiven) Geschichte von Mia, die schon früh Scheitern erlebt hat. Sie zeigt auf, was solche Erfahrungen auslösen können.
Beim Konzept "Kita im Sozialraum" müssen gleichzeitig die bisherigen Strukturen der Kita angepasst und die geltenden Routinen verändert werden, und es bedarf eines veränderten Denkens und Handelns der Fachkräfte. Es braucht Akteur:innen, die für die Idee brennen. Nur dann kann das Konzept "Kita im Sozialraum" funktionieren. Und daher dieses Buch, das vor allem Fachkräfte in Kindertagesstätten erreichen und motivieren will, sich auf den Weg zu machen.
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Buchvorschau
Die Kita im Sozialraum - Stefan Lenz
EINLEITUNG
Mit dem vorliegenden Buch möchten wir vor allem Fachkräfte in Kindertagesstätten ansprechen. Es geht darum, das Konzept „Kita im Sozialraum kennenzulernen. „Kita im Sozialraum
ist Variante und Teil einer sozialraumorientierten Kinder- und Jugendhilfe. Das vorliegende Buch resultiert aus einem Modellprojekt, das von der Stiftung Aktion Mensch gefördert wurde. Dabei wurde das Konzept einer sozialräumlichen Kinder- und Jugendhilfe auf Kindertageseinrichtungen übersetzt und in der Praxis weiterentwickelt. Es geht um die Idee, dass Kinder nicht schon in frühen Jahren aus Einrichtungen verwiesen werden (müssen), weil sie für die Einrichtungen als nicht mehr zumutbar gelten. Kein Kind soll schon in frühen Jahren erleben, in der Einrichtung nicht erwünscht zu sein und dadurch eine Erfahrung des Scheiterns zu machen.
Es handelt sich im Folgenden um Erfahrungen, die in der Praxis gewonnen wurden. Im ersten Modellprojekt¹ stand noch die Optimierung einzelner Kitas im Vordergrund; die Kitas, die im Modellverbund mitmachten, sollten für alle Kinder ein guter und aushaltender Ort sein können. Dieser an sich naheliegende Gedanke, dem vermutlich zunächst alle Kita-Mitarbeitende überall zustimmen (würden), hatte jedoch im Projekt teilweise einen unerwünschten Nebeneffekt: Hatte sich herumgesprochen, dass in dieser oder jener Kita auch „schwierige Kinder untergebracht werden können, beeinflusste das das Belegungsverhalten von Eltern und Fachkräften. Erschwerend kam hinzu, dass, sobald in irgendeiner Kita ein Kind aus Sicht der dortigen Fachkräfte als schwierig galt, die Tendenz bestand, dieses Kind in die vermeintlich besser für „die Schwierigen
geeignete Kita zu schicken. Beides zusammengenommen und fortgesetzt würde dazu führen, dass es gegen alle Absichten plötzlich „Kitas für Schwierige gäbe. Hierdurch wurde deutlich, dass der Gedanke, eine einzelne Kita zu „optimieren
, doch nicht so gut ist. Daraufhin ist die Idee eines sozialräumlichen Vorgehens entstanden. Das heißt, dass sich alle Kitas in einer Region gemeinsam auf den Weg machen, Konkurrenzen abbauen und ein kooperatives Modell – auch gegenseitiger Unterstützung – entwickeln und pflegen. Davon will dieses Buch sprechen.
Das Buch beginnt mit einer Geschichte über Mia. Der Text beschreibt einen Ausschnitt aus dem fiktiven Lebenslauf von Mia, die schon früh Scheitern erlebt hat. Er zeigt auf, was solche Erfahrungen auslösen können. Mias Lebenslauf ist von uns konstruiert, aber fußt auf Erfahrungen aus der Praxis, sodass er eben nicht so ganz fiktiv ist. Es ist eine Anreicherung von vielen Eindrücken aus der Berufspraxis. Allerdings sind Ort und Name(n) frei erfunden. Die Geschichte soll dazu dienen, die Idee zu verstehen, die hinter unserer Arbeit steht. Nach der Geschichte wird in einem weiteren Teil des Buches das Konzept „Kita im Sozialraum erläutert. Wie jedes Konzept enthält es bestimmte Kernelemente, die jede Region unter ihren je gegebenen Rahmenbedingungen allerdings für sich selbst umsetzen muss. Dabei wird in dem Buch auch die Problematik beschrieben, dass viele Ideen des Konzepts „Kita im Sozialraum
von einer einzelnen Fachkraft in einer Kita gar nicht allein realisiert werden können. Es handelt sich vielmehr um ein Projekt, das die gesamte Kita – als Organisation – betrifft. Im Idealfall müssen gleichzeitig die bisherigen Strukturen der Kita angepasst und die geltenden Routinen verändert werden. Aber allein die abgewandelten Strukturen bringen noch keine wesentlichen Veränderungen. Dazu bedarf es eines veränderten Denkens und Handelns der Fachkräfte. Es braucht Akteur:innen, die für die Idee brennen. Nur dann kann das Konzept „Kita im Sozialraum" funktionieren. Und daher dieses Buch.
Wir würden uns wünschen, dass dieses Buch Ihnen Anregungen vermittelt, aber begreifen Sie es nicht als Gebrauchsanweisung oder Bauanleitung für Ihre pädagogische Praxis. Es handelt sich eher um eine grundsätzliche Idee, ein offenes Programm. „Kita im Sozialraum ist keine Franchise-Unternehmung. Die Bedingungen der Kinder- und Jugendhilfe in der Republik sind sehr unterschiedlich. Dies hängt vom Bundesland, von Landesgesetzen, vom Landkreis, von Personen und leider auch von der finanziellen Leistungsfähigkeit und -willigkeit einer Kommune ab. Aber auch Beharrungstendenzen der Träger, die ihre „Pfründe
sichern wollen, wirken hemmend. Dies steht einer Kooperation mitunter im Weg. Die Kooperation und Transparenz zwischen den Einrichtungen bzw. Diensten, zwischen Kita und Hilfen zur Erziehung ist ein wesentlicher Teil des Erfolgsrezepts von „Kita im Sozialraum. Dabei geht es nicht um Kooperation nach dem Motto, Kooperation oder Vernetzung an sich ist gut, weil „modern
und allseits gefordert, sondern um Kooperation mit einem klaren inhaltlichen Bezug und konzeptionellen Kern. Im Mittelpunkt stehen die Kinder (und deren Familien) sowie die – gemeinsame, sozialräumliche – Entwicklung einer Praxis, die mehr Handlungsmöglichkeiten für alle Beteiligte generiert.
Es würde uns freuen, wenn Sie Ideen aus dem Buch für die Weiterentwicklung Ihrer Arbeit in Ihrer Region nutzen könnten. Es bedarf unter Umständen eines langen Atems, ein solches Reformprojekt gelingt nicht „über Nacht" – aber es lohnt sich!
1)Das erste Modellprojekt (2015–2018), das auch von der Aktion Mensch gefördert wurde und ebenfalls als Praxisentwicklungsprojekt angelegt war, suchte die sozialräumliche Kooperation von Kindertagesstätten, Hilfen zur Erziehung und Allgemeinem Sozialen Dienst in fünf Regionen innerhalb Deutschlands zu verbessern. Vgl. dazu: Peters/Lenz/Kannicht/Düring/Röttger 2018.
„DU WIRST SCHON NOCH SEHEN, WAS DU DAVON HAST"
Mia, 18 Jahre
„Was ist denn jetzt schon wieder?, ruft Katrin über den Flur. Sie ist genervt, der Tag war einfach nicht der ihre. Katrin arbeitet in einer Wohngruppe für acht Jugendliche, die nicht mehr zu Hause leben bzw. wohnen können, wollen oder zeitweilig nicht sollen. Offiziell nennt sich das „Hilfen zur Erziehung
. Katrins Tag hat schon doof angefangen, da sich die Bewerberin Ulrike als Totalflop herausgestellt hat. Anschließend hat die Schule angerufen, da eine Jugendliche nicht zum Unterricht erschienen ist. Während ihr dies alles durch den Kopf geht, läuft sie zu dem Zimmer, aus dem der Lärm kam. Es ist das Zimmer von Mia. Diese ist gerade dabei, ihre gesamte Einrichtung in Kleinteilen aus dem Fenster zu werfen. Katrin stöhnt und geht auf Mia zu. Mia ist seit vier Wochen in der Wohngruppe, aber das Team hat bisher keinen richtigen Zugang zu ihr bekommen können. Katrin nimmt sie an der Schulter und schaut sie verzweifelt an. Wie durch ein Wunder hält Mia inne und bricht plötzlich in Tränen aus. Sie setzen sich aufs Bett und Mia beginnt, ihre Geschichte von klein auf zu erzählen.
Wie durch ein Wunder hält Mia inne und bricht plötzlich in Tränen aus.
Mia wuchs in einem kleinen Ort auf
Mias Eltern betrieben seit