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Deutschsein für Anfänger: Integration ist meine Pflicht
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eBook267 Seiten3 Stunden

Deutschsein für Anfänger: Integration ist meine Pflicht

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Über dieses E-Book

Integration ist kein Zuckerschlecken, aber machbar, wenn man es will. Emitis Pohl wollte es - und hat es geschafft. Heute ist die gebürtige Iranerin Inhaberin einer erfolgreichen Werbeagentur, verheiratet und Mutter von zwei Töchtern. "Die deutsche Grammatik ist immer noch mein Feind", lacht sie, "aber Deutschland ist meine zweite Heimat geworden." (Emitis Pohl) Allerdings: Die Silvesternacht in Köln, die Übergriffe auf Frauen durch Migranten - Emitis Pohl war mit ihren Töchtern und Familie hautnah mittendrin. Es hat sie entsetzt. Als Perserin sagt sie: "Wir brauchen mehr Druck auf Zuwanderer. Ohne klare Regeln geht es nicht!"
SpracheDeutsch
HerausgeberFontis
Erscheinungsdatum4. Okt. 2016
ISBN9783038487807
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    Buchvorschau

    Deutschsein für Anfänger - Emitis Pohl

    Kapitel 1

    Noch einmal Papas Prinzessin

    Es war diese Zeit, als Raider noch nicht Twix hieß. Es waren die 80er, ich war zwölf, wir hörten Michael Jackson und Madonna, waren das erste Mal verliebt, und an meine Füße kamen nur Nikes oder Chucks.

    Wenn man mich heute fragen würde: «Emitis, was willst du noch erleben?», dann wäre meine Antwort klar: Noch einen Tag Kindheit im Iran. Damals, als es noch unbeschwert war, als Papas Prinzessin. Damals, bevor alles anders wurde und mein Alltag plötzlich von Bombenalarm, Toten und Taschenkontrollen bestimmt wurde.

    Wenn ich heute erzähle, ich stamme aus dem Iran, dann haben die meisten Menschen sofort Bilder von Krieg im Kopf. Sie denken automatisch an verschleierte Frauen, an Unterdrückung, Terroristen und Atomprogramme. Das ist auch nicht verwunderlich angesichts der täglichen Nachrichten und dem wenigen Wissen, das auch in deutschen Schulen über die Zeiten vermittelt wird, als Persien noch Persien war, so wie ich es liebte.

    Meine frühen Erinnerungen sind sehr romantisch, vermutlich auch beschönigt aus der Perspektive eines verwöhnten Einzelkindes reicher Eltern. Aber was ich sagen will: Es gab einen Iran, von dem man schwärmen kann. Einen Iran, in dem die Frauen sich rausputzten, High-Heels und Nagellack auf offener Straße trugen. Niemals wäre meine Mutter ungeschminkt aus dem Haus gegangen – oder unfrisiert. Mama hatte immer hellblond gefärbte lange Haare, sie war immer edel, immer chic.

    Es ist tatsächlich so, dass mich bis heute immer wieder Freunde von damals, die inzwischen in Australien oder den USA leben, oder auch aus dem Iran anschreiben. Teilweise haben wir uns erst nach Jahren wiedergefunden, tatsächlich über Facebook. Manchmal sind sie nicht sicher, ob ich es bin, ich habe ja heute einen anderen Nachnamen als damals. Sie schreiben mich an mit der Frage: «Bist du nicht die Emitis mit der blonden Mama, die immer sehr gut gekleidet war?» Es war sozusagen ihr Markenzeichen, unglaublich elegant, gutaussehend und blond zu sein mitten in Teheran. Eine stolze Perserin eben.

    Es war ein Iran, in dem ich in einen französischen privaten Kindergarten ging und im Teenageralter die gleiche Popmusik hörte wie die Gleichaltrigen zu der Zeit in Europa oder den USA. Von diesem Iran will ich erzählen, von meiner Heimat, die mich immer noch mit ein bisschen Wehmut begleitet.

    Ich fürchte, ich war ein verzogenes, schreckliches Einzelkind. Die Deutschen sind mit Wurst groß geworden, ich mit Kaviar im Iran. Wir hatten ihn immer ganz selbstverständlich im Kühlschrank, so wie heute für meine Töchter das Nutella auf dem Tisch steht. Erst später in Deutschland, als ich einmal in einem Laden den Preis von so einer Dose Kaviar sah, habe ich begriffen, wie teuer das ist.

    Mein Vater bringt mir bis heute noch manchmal Kaviar aus dem Iran mit. Ich esse ihn dann zum Frühstück, während mein Mann und die Kinder dabei den Kopf schütteln und behaupten, dass ich dekadent sei. Dabei bin ich dann nur die kleine Emitis von damals in den 70ern und 80ern. Meine Familie war wohlhabend, mein Vater ist Geschäftsmann und Verbandsfunktionär und war zu jener Zeit einer der größten Zahnmedizin-Importeure.

    Wir waren immer wohlhabend, aber keine Neureichen, wie man so schön sagt. Solche gab es auch im Iran, und heute gibt es sogar noch mehr davon. Diejenigen, die durch politische Beziehungen plötzlich zu Geld gekommen waren und über Nacht sehr wohlhabend wurden. Die hatten teilweise keine Manieren. Mein Vater hatte sein ganzes Geld selbst erarbeitet. Sein Vater starb, als mein Papa sieben Jahre alt war. Seitdem musste er sich um seine Mutter und um seine Brüder kümmern. Er war immer gewohnt zu arbeiten und hat sich sein Vermögen selbst geschaffen.

    Schon damals, als ich ein kleines Mädchen war, flog er auf seinen Geschäftsreisen in die ganze Welt, in die USA, nach Europa. Er war jedes Jahr mindestens acht bis zehn Mal weg: Italien, Frankreich, Deutschland, in der Schweiz und den USA, überall.

    Lange vor meiner endgültigen Ausreise nach Deutschland habe ich dieses Land schon mehrfach als Touristin im Urlaub besucht. Fast jedes Jahr machten wir hier Ferien. Im Iran gab es drei Monate Sommerferien, und so waren meine Mutter und ich damals jeden Sommer in verschiedenen Ländern Europas und den USA auf Reisen. Schon damals sei ich so neugierig gewesen, sagt meine Mutter. Im Park in Deutschland habe ich versucht, mit deutschen Kindern zu kommunizieren. Versucht, die Sprache zu lernen, wenigstens ein paar Brocken, und hab mich mit Händen und Füßen verständigt.

    Als dann später der Krieg ausbrach, war mein erster Gedanke: nach Deutschland. Gebettelt habe ich bei meinen Eltern darum. Ich hatte dieses Land schon als Kind in guter Erinnerung, obwohl ich ja auch in anderen Ländern Europas gewesen war.

    In Teheran besaß unsere Familie ein großes Haus, in dem die ganze Großfamilie unterkam. Es lag an einer großen Straße, die mir heute vermutlich kleiner vorkommen würde, aber als Kind erscheint einem alles riesig. Mittags brachte mich der private Schulbus nach Hause, wir wurden jeden Tag an der Haustür abgeholt und später auch wieder heimgebracht.

    Bevor ich eingeschult wurde und bevor die Revolution kam, war ich damals in einem privaten französischen Kindergarten. Wir mussten alle Uniform tragen, das war so üblich, ein bisschen wie in den englischen Schulen. Im ersten Jahr hatten wir rotkarierte Kleidchen an, im zweiten Jahr dann grünkarierte mit weißen Krägen, das sah richtig niedlich aus. Wir hatten katholische Nonnen als Betreuerinnen, mitten in Teheran! Heute kann man sich das nicht mehr vorstellen, damals war das überhaupt kein Problem.

    Wir haben schon im Kindergarten Französisch und Italienisch gelernt. Sogar Weihnachten mussten wir mit den Nonnen feiern und englische Weihnachtslieder dabei singen. Nach der Revolution wurden der Kindergarten und auch die Schule dann geschlossen, und wir mussten alle auf die staatlichen Schulen wechseln.

    Kam ich heim, stürmte ich die Treppe hoch. Vorbei an dem schmiedeeisernen Tor, den langen Flur nach hinten an der Garage vorbei ins Haus. In der ersten Etage wohnte die Mutter meines Vaters zusammen mit dem jüngeren Bruder von Papa. Eine Etage höher mein älterer Onkel mit seiner Frau und meinen beiden Cousinen, ganz oben dann ich mit meinem Vater und meiner Mutter. Ich rannte also vorbei an der Tür zum Garten, bei dessen Anblick der Ausstatter eines Kinderspielplatzes vor Neid erblassen würde.

    Und meine Cousinen taten dies regelmäßig, denn alles dort gehörte mir. Nur mir. Die Tischtennisplatte, die vielen Fahrräder, der Basketballkorb. Mein Vater hatte es alles für mich gekauft. Zwar durften meine Cousinen es mitbenutzen, sie hassten mich aber dafür, dass ich alles bekam und sie immer teilen mussten. Und ich war eine verzogene Göre, die das auch noch genossen hat. Die die importierten Schokoriegel, die mein Vater mir von seinen Reisen mitbrachte, lieber angebissen in den Mülleimer warf, als auch nur einen einzigen mit den «blöden Cousinen» zu teilen.

    Mein Gott, ich muss manchmal unausstehlich gewesen sein. Das bestätigen mir übrigens auch meine persischen Freundinnen bis heute. «Emi, weißt du noch, du hast uns nicht in dein Zimmer gelassen. Wir durften nur von der Türschwelle auf deine Barbie-Sammlung schauen.» Oh ja, ich hab doch nicht jeden in mein Zimmer gelassen, in mein Reich mit meinen Sachen. Nachher fassen die das auch noch alles an! Das ging ja gar nicht!

    Heute können wir darüber lachen. Heute, fast dreißig Jahre später und mit den Erfahrungen, die ich gemacht habe in dieser Zeit, bin ich auch eine andere geworden, und so haben manche dieser Freundschaften von damals erstaunlicherweise bis heute gehalten. Obwohl sie meine Barbies nicht anfassen durften. Aber ja, es stimmt, ich war ein verwöhntes Einzelkind und wohnte in einem riesigen Spielzeugparadies.

    Wenn ich aus der Schule kam, rannte ich also die Treppe hoch und blieb oft schon vor unserer Türe auf einer Stufe sitzen, um meine Hausaufgaben zu machen. Schnell musste es gehen, denn einmal oben angekommen, wollte ich mit meinen Sachen spielen.

    Wir wohnten in der obersten Etage mit Ausblick über die Stadt, noch höher gelegen war nur die typische flache Dachterrasse des Hauses. Alle Häuser dort waren ähnlich gebaut. Im Sommer konnte man oben feiern, grillen und in der Sonne liegen, im Winter bauten wir Schneemänner auf dem Dach. Unsere Wohnung war geräumig, wir hatten eine Haushälterin. Meine Mutter war zwar eine typische Hausfrau, trotzdem hatten wir noch eine Hilfe zur Hand, die putzte und kochte und die Wäsche machte, und meine Mutter wischte ihr immer noch einmal hinterher.

    Damit bin ich, um das mal vorwegzunehmen, das krasse Gegenteil meiner Mutter geworden. Ich habe nichts von den hausfraulichen Fähigkeiten geerbt. Hausarbeit vermeide ich bis heute, so gut es geht. Andere Gewohnheiten verdanke ich dann aber doch meiner persischen Heimat.

    Gastfreundschaft zum Beispiel. In unserem großen Wohnzimmer in Teheran fanden mindestens zweimal die Woche Partys mit Freunden statt. Man hat damals noch gefeiert, man hat auch noch getrunken. Ich erinnere mich an viel Spaß und gute Laune. In meinen Fotoalben finden sich viele Bilder von damals, den Festen und den Freunden meiner Eltern. Ich sehe heute noch die Couch vor mir, die Sessel und in der Mitte des Couchtisches dieses Telefon aus den 70er Jahren.

    Mein Zimmer war ungelogen ungefähr fünfzig Quadratmeter groß. Es war riesig – und es war voll. Die Vorliebe für große Kleiderschränke, in denen alles immer passend sein muss, scheine ich aus Teheran mitgebracht zu haben. Ich hatte immer auch die passende Tasche und die passenden Schuhe zu einem Outfit; das habe ich bis heute beibehalten.

    Es gab nichts, was ich nicht hatte. Meine Schminkkommode, meine Regale, alles war voll mit den Dingen, die mein Vater mir von seinen Reisen mitbrachte oder die ich mir auf Reisen selbst gekauft hatte. Ich hatte eine Snoopy-Sammlung, Hello Kitty, ich sammelte Radiergummis in verschiedenen Farben und Formen, Heftchen, Stifte, Blöcke. Und in der Mitte des Zimmers waren Barbie und Ken zu Hause. Ich besaß sozusagen die komplette Barbie-Kollektion. Schlösser, Autos, Pferde, was immer man sich vorstellt. Ich glaube, ich hatte wirklich alles, was man sich wünscht als Kind.

    Zusätzlich zu den Barbies hatte ich natürlich noch Puppen. Eine davon war meine Lieblingspuppe. Ich habe sie «Katharina» genannt, sie war blond und hatte blaue Augen. Die habe ich auch an meine Tochter weitergereicht. Ich muss aber gestehen, ein paar von den Barbies habe ich immer noch, und bis heute dürfen nicht einmal meine Töchter sie haben. Ich hüte sie gut verpackt als Erinnerungsschatz.

    Bis heute erzählt mein Vater die Geschichte, wie er mir damals, als ich zwei Jahre alt war, aus New York ein Kleidchen mitgebracht hatte. Er war in dem berühmten Kaufhaus «Saks» an der 5th Avenue einkaufen gewesen. Das Ding ist so groß und teuer, dass die Schuh-Abteilung eine eigene Postleitzahl besitzt. Dort hatte er mir ein Kleidchen für tausend Dollar erstanden. Heute sagt er: «Du hast es nur einmal angezogen und innerhalb von Minuten deinen Geburtstagskuchen mit den Fingern am Kleid abgewischt und alles vollgeschmiert.» Aber es kam ja nicht darauf an …

    Meine Geburtstagsfeste waren genauso übertrieben groß wie alles andere. Fünfzig bis sechzig Kinder waren immer eingeladen, und abends kamen dann noch die Erwachsenen. Das war ein Ritual, es war normal.

    Später, als ich größer war, habe ich meinem Papa, bevor er auf Reisen ging, ausführliche Anweisungen geschrieben, was er alles mitzubringen hatte. Ich habe ganze Listen zusammengestellt aus dem Otto-Katalog. Ja, dem Otto-Katalog aus Deutschland. Mein Vater brachte ihn immer von dort mit, denn das Zeug gab es ja im Iran nicht zu kaufen. Und damit er mir ja nicht das Falsche mitbringt, hab ich ihm dann schön fein säuberlich aus dem Katalog ausgeschnitten, was er in Europa besorgen soll.

    Ich möchte nicht wissen, was die deutschen Verkäufer immer gedacht haben, wenn dieser Perser in der Spielzeugabteilung von Kaufhof auftauchte mit ausgeschnittenen Otto-Katalog-Bildern.

    Insgesamt muss man zusammenfassen: Es war alles sehr, sehr übertrieben. Wenn meine Kinder heute Geburtstag haben, dann müssen sie eine Wunschliste machen, und wir entscheiden dann, was sie davon vielleicht haben können. Keine Sorge, sie leiden nicht, und sie haben mehr, als sie brauchen. Wir sind großzügig, vom Smartphone bis zum Kanada-Aufenthalt. Aber Wünsche werden in der Regel zu bestimmten Anlässen erfüllt.

    Ich brauchte bei meinem Vater keinen Wunschzettel. Das war ein Fremdwort für mich. Wenn ich etwas wollte, dann hab ich es bekommen. Als ich vier oder fünf Jahre alt war, gingen wir einmal sonntags spazieren und kamen an einem Spielzeugladen vorbei, und da stand diese Traum-Puppe im Schaufenster. Es war Sonntag, der Laden geschlossen, und ich lag entsprechend strampelnd und schreiend auf dem Boden, weil ich nicht haben konnte, was ich

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