Swami Lakshmanjoo: Die geheimen Lehren des Kashmir Shivaismus
Von John Hughes
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Über dieses E-Book
Swami Lakshmanjoo war die unbestrittene Autorität der ältesten tantrischen Traditionslinie. Zu seinen Füßen saßen alle großen Lehrer der östlichen Weisheitstradition, die später selbst einflussreiche spirituelle Persönlichkeiten wurden.
John Hughes veröffentlicht in diesem kleinen Juwel erstmals jene wahrhaft „esoterischen Lehren“, die der Swami nur seinem engsten Schülerkreis anvertraute. Damit liegt auch im Westen ein authentischer Zugang zu jener geheimnisvollen Überlieferung vor, die im Verborgenen die gesamte asiatische Spiritualität maßgeblich geprägt hat.
Ein Meisterschlüssel zum Tantra, der sich vor allem jenen erschließen wird, die dieses Buch mit dem Herzen zu lesen vermögen!
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Buchvorschau
Swami Lakshmanjoo - John Hughes
John Hughes
Swami Lakshmanjoo
Die geheimen Lehren des Kashmir Shivaismus
titleISBN 978-3-96861-270-6
1. Auflage 2014
© der deutschen Ausgabe:
2014 Aquamarin Verlag GmbH
Voglherd 1 • D-85567 Grafing
www.aquamarin-verlag.de
Originaltitel: Self Realization in Kashmir Shaivism
© 1994 State University of New York Press, Albany
ISBN Printausgabe 978-3-89427-671-3
ISBN eBook 978-3-96861-270-6
Inhalt
Vorwort
Danksagung
Einführung
Textinhalte
I. Fünfzehn Verse der Weisheit
II. Vorträge über die Praxis
III. Eingang in die höchste Wirklichkeit
IV. Vorträge über Disziplin
V. Geheime Kenntnis der Kuṇḍalinī
Anmerkungen
Dieses Buch
ist meiner geliebten
Denise
gewidmet
Vorwort
Nach einem offensichtlichen Dahinschwinden verdanken wir es ihm, dass die mündliche Tradition zuverlässig erneuert worden ist, da der Swami, ein hochgelehrter Pandit, aber auch wahrer yogin und jñānin, intuitiv das gelebt hat, was die alten Śaiva Meister aus Kaschmir, besonders Abhinavagupta, ans Licht brachten.
Lilian Silburn¹
Ich erinnere mich lebhaft an den Tag, an dem ich Ende der Sechzigerjahre als Student auf Paul Reps Buch stieß, das den Titel trug, Zen Flesh, Zen Bones. Dieser überzeugende Klassiker findet auch heute noch großen Zuspruch. Abgesehen von der feinfühligen Wiedergabe der einhunderteins wunderbaren Zen-Geschichten, prägte sich mir besonders der Bericht über seinen Besuch im Kaschmir Valley ein, das wegen der Schönheit seiner Gebirgslandschaft als die „Schweiz Indiens" bekannt wurde. Dort fand er einen seiner Meinung nach wichtigen Zen-Text, das Vijñāna Bhairava Tantra, eine Kernschrift des Shivaismus. Ich erinnere mich, dass mich Reps Wiedergabe dieses kurzen, tiefgreifenden Textes, den er aufgrund der darin beschriebenen Praxis „Zentrierung" nannte, faszinierte und in seltsamer Weise erhob. Mehr noch nahm mich die Beschreibung seiner Begegnung mit dem Heiligen gefangen, der ihn in den Text einführte und diesen erläuterte – Swami Lakshmanjoo. Wenn ich heute die Zeilen erneut lese, erfasst mich dieselbe emotionale, intellektuelle und spirituelle Anziehungskraft, die mich schließlich zu weiteren Studien der indischen Philosophie veranlasste. Reps beginnt:
Die unsagbare Schönheit Kaschmirs oberhalb von Srinagar durchwandernd, stieß ich auf die Einsiedelei von Lakshmanjoo. Der Blick schweift über grüne Reisfelder, die Gärten von Shalimar und Nishat Bagh und Lotos umsäumte Seen. Wasser strömt von einem Berggipfel herab.
Hier empfängt mich Lakshmanjoo, hoch gewachsen, stattlich und strahlend. Hier lässt er mich an jenen alten Lehren teilhaben… Er widmet sein Leben deren Ausübung.²
Es war meine erste Begegnung mit diesem außergewöhnlichen Shiva-Heiligen.
Swami Ram, Swami Lakshmanjoos Großmeister
Ein geistiger Magnet im Tal von Kaschmir
Während meiner Studienjahre verfolgte ich genau die Entwicklungen der modernen Hindu Tradition. Wieder trat Lakshmanjoo in mein Blickfeld, als mir bewusst wurde, dass eine Reihe von hinduistischen spirituellen Lehrern, wie Swami Muktananda Paramahamsa und Maharishi Mahesh Yogi, diesem Shiva-Meister bei ihren Reisen nach Kaschmir ihre Aufwartung machten. Obwohl der Schwerpunkt meiner Forschung auf dem Advaita-Vedānta lag, das ich sorgfältig studiert hatte, wurde ich mir in zunehmendem Maße eines nichtdualen kaschmirischen Shivaismus als Ausdruck einer tiefer gehenden mystischen Verwirklichung bewusst. Das klassische Advaita erreicht Nicht-Dualität durch die Verneinung der Realität einer objektiven Existenz, die von ihrem statisch konzipierten Absoluten ausgeschlossen ist. Er trachtet letztlich nach einem Zustand der Isolation (kaivalya) im reinen Geist, von dem aus die Welt ausgelöscht ist. Der Shivaismus hingegen bietet einen energischeren Nichtdualismus, bei dem das Universum als das sich in dynamischer Bewegung befindende göttliche Selbst anerkannt und erfahren wird. Dies erlaubt es dem Shiva-Yogi, sich des Unendlichen als einer lebendigen, vibrierenden Realität auf der Ebene der Sinne zu erfreuen.³
Im Laufe meiner weiteren Studien der Literatur des kaschmirischen Shivaismus fiel mir auf, dass Lakshmanjoos Name immer wieder in den Einleitungen, Widmungen und Fußnoten der Arbeiten von Schülern unterschiedlicher Sprache auftauchte, die diesem Meister, wie kurz auch immer, ihren Dank bekundeten. Zu den westlichen Schülern des Shivaismus, die bei Lakshmanjoo studierten, gehören die verstorbene Lilian Silburn und ihr Kollege André Padoux, die beide auf eine ausgezeichnete Karriere als Gelehrte des Tantrismus am Centre National de la Recherche Scientifique, Paris, blickten; Alexis Sanderson, derzeitige Spaulding Professorin für östliche Religion und Ethik an der Oxford University, und Mark S. G. Dyczkowski, ein jüngerer bedeutender Gelehrter des Shivaismus, verbunden mit der Sampurnananda Sanskrit University, Benares. Weitere Südasien-Gelehrte, die zu Lakshmanjoos Ishvara Ashram am Ufer des Dal-See pilgerten, sind die Professoren Harvey P. Alper, G.G. Arapura, Bettina Bäumer, Gerald J. Larson und K. Sivaraman. In Indien selbst wurde Lakshmanjoo in der heiligen Stadt Benares von einem erlesenen Kreis hinduistischer Gelehrten hoch geachtet. Auf der Suche nach einem tieferen Verständnis des Shivaismus und seiner Praxis reisten einige von ihnen zu seinem Ashram. Zu dieser Gruppe tantrischer Gelehrter gehörten Pandit Rameshwar Jha und Thakur Jaideva Singh, letzterer bekannt für seine wertvollen Übersetzungen der kaschmirischen Shivaismus-Texte. Über viele Jahre hin pflegten diese beiden Gelehrten den Sommer in Kashmir zu verbringen, um bei Lakshmanjoo zu studieren.⁴
Silburn, die ihr Leben dem hinduistischen Tantrismus widmete, erstellte mehrere wichtige Übersetzungen und Studien der kaschmirischen Śaiva-Texte, wie Kuṇḍalinī: The Energy of the Depths.⁵ In Vorbereitung auf ihre Übersetzungen studierte sie mit Lakshmanjoo in einem Zeitraum von über zwanzig Jahren während ihrer Aufenthalte in Kaschmir. Im Laufe dieser Zeit betrachtete sie Lakshmanjoo als ihren „Meister in der Wissenschaft von Bhairava [höchste Wirklichkeit]".⁶ Die Beschreibung ihres ersten Aufenthalts in Kaschmir vermittelt etwas von ihrem Empfinden für diesen Ort und ihre Beziehung zu Swamiji:
1948 reiste ich zum ersten Mal nach Indien und begegnete in Kaschmir Swami Lakshmanjoo. Er half mir, das Śivasūtra, seine Kommentare und auch die Spandakārikā und das Vijñānabhairava, die ich zu übersetzen versucht hatte, zu verstehen.
In jenem Jahr lebte ich in seiner Nähe in einer verlassenen Lehmhütte auf den unbewohnten Hügeln, die den Dal-See überragen, dem die terrassenförmig angelegten Gärten von Nishat entgegen streben. Ich lebte mehrere Monate alleine im Herzen dieser außergewöhnlichen Landschaft, in der das kahle Felsengebirge, das sanfte Licht und die oft leicht nebelige Stille des Sees miteinander verschmolzen und eine Harmonie und einen Frieden schufen, deren Tiefe mit der Gegenwart der Śaiva-Meister geschwängert zu sein schien, die diesen Ort wahrscheinlich häufig aufsuchten.⁷
Swami Ram, Swami Lakshmanjoos Mutter und Vater
In Anerkennung des großen Gewinns, an Lakshmanjoos umfassendem Wissen der Tantra-Tradition teilhaben zu dürfen, brachte Silburn ihre tiefe Dankbarkeit für seine unermüdliche Unterstützung ihrer Arbeit zum Ausdruck.⁸
Seine zahlreichen Reisen nach Kaschmir führten dazu, dass Pandit Rameshwar Jha eine tiefe Verehrung für Swamiji entwickelte, dessen spirituellen Kräften er bestimmte geistige Erkenntnisse zuschrieb, derer er sich erfreute. Dies schlug sich in seiner „Hymne an den Präzeptor" (guru-stuti) nieder, einem Sanskrit Gedicht, in dem er Lakshmanjoo und seine Ahnenreihe von Meistern überschwänglich pries. So heißt es: „Ich werfe mich dem göttlichen Lakṣmaṇa zu Füßen, Nektar für [meine] Augen, dessen glorreiche Macht als der erhabene Lord Śiva der Intellekt nicht zu erfassen vermag. Der Segen seines mitfühlenden Blicks lässt mich hier mit der Gestalt des Universums leuchten."⁹ An anderer Stelle in dieser Hymne bringt Jha seine Überzeugung zum Ausdruck, dass Lakshmanjoo eine Reinkarnation von Lakṣmaṇagupta, einem guru von Abhinavagupta¹⁰, gewesen sei. Obwohl nicht alle Schüler Lakshmanjoos seine Meinung teilen (einige ziehen es vor, ihren Meister als Abhinavagupta selbst zu betrachten), wird diese Hymne immer noch täglich von seinen Anhängern in Kaschmir und andernorts gesungen.
Das Ausmaß seiner Dankbarkeit und Achtung gegenüber Lakshmanjoo lässt sich an den Widmungen ermessen, die Jaideva Singh seinen Übersetzungen vorausschickte. Singh schrieb, Lakshmanjoo habe „ihm die Augen geöffnet. Stundenlang ging er mit Swamiji, den er als den „Wortführer des Śaivāgama
betrachtete, die Texte Wort für Wort durch, bevor er sie zur Veröffentlichung freigab. Singhs Übersetzung der Pratyabhijñāhṛdayam ist „mit tiefem Respekt Svāmī Lakṣmaṇa Joo gewidmet, dem ich alles, was ich über die Pratyabhijñā-Philosophie weiß, verdanke.¹¹ Als Singh bei Lakshmanjoo studierte, war er in seinen Siebzigern, ein angesehener Gelehrter, der bereits über ein halbes Dutzend Bücher verfasst hatte. Dennoch, so heißt es, schenkte er den Lehren dessen, den er offensichtlich als seinen spirituellen Lehrer betrachtete, ehrfürchtige Aufmerksamkeit. „Es war ein bewegender Anblick
, berichtet Dyczkowski, „diesen feinen alten Mann mit der Einfachheit eines kleinen Kindes vor seinem verehrten Lehrer sitzen zu sehen."¹² Ein Foto von Singh gemeinsam mit Lakshmanjoo erscheint nach der Titelseite in der indischen Ausgabe seiner Übersetzung von Abhinavaguptas Parātrīśikāvivaraṇa.¹³
Die wohl lebendigste Schilderung der Begegnung zwischen einem Schüler und Lakshmanjoo stammt von Dyczkowski, der ab Mitte der Siebzigerjahre viel Zeit mit Swamiji verbrachte. Sein Bericht vermittelt ein wenig von der Anziehung, die Lakshmanjoo auf eifrige Schüler des Tantrismus ausübte: „Swamiji pflegte früh am Morgen aufzustehen und wir, seine wenigen westlichen Schüler, versuchten, so gut wir konnten, an Swamijis unsagbarer Tiefgründigkeit teilzuhaben. Seine Erläuterungen der großen Werke der kaschmirischen Meister – Abhinavagupta, Utpaladeva und Kṣemarāja – versetzten uns jedes Mal in Erstaunen."¹⁴
Gelehrter und praktizierender Mystiker
In solchen Aussagen mag die Antwort auf die Frage liegen, warum nahezu alle Gelehrten, die sich ernsthaft für den nichtdualen Shivaismus interessierten, ins Kashmir Valley pilgerten, um eine Zeit lang bei Lakshmanjoo zu studieren. Drei Faktoren mögen erklären, warum Swamiji für Tantra-Schüler so wichtig war.
Erstens: Seine wissenschaftliche Ausbildung und Leistung unterscheiden ihn von dem typischen Yogi oder Swami. In der heutigen Zeit besitzen Hindu Mönche gewöhnlich kaum Sanskrit-Kenntnisse. Obwohl dies natürlich ihre spirituelle Entwicklung nicht schmälert, ist eine Auseinandersetzung mit den klassischen Texten in der Originalsprache nur begrenzt möglich, was zur Folge hat, dass sie mit der akademischen Kommentar-Literatur noch weniger vertraut sind. Auch wenn über Lakshmanjoos Leben und Ausbildung nur wenige Angaben vorliegen, wird klar, dass es sich um einen echten, durchaus erfolgreichen Gelehrten gehandelt hat. Silburn muss während ihrer langen Lehrzeit wohl Gelegenheit gehabt haben, etwas über den Hintergrund ihres Lehrers zu erfahren. Sie bemerkt: „Sehr früh traf er die Entscheidung, sein Leben dem Trika zu widmen. Er studierte Texte und Manuskripte unter der Anleitung von zwei der besten paṇḍits der Zeit, Hara Bhaṭṭa Shāstrin und Rājānaka Maheśvara, und erlangte auf diese Weise ein tiefgründiges und umfassendes Wissen in allen Bereichen der kaschmirischen Śaiva-Philosophie und Mystik. Angesichts Lakshmanjoos Sprachkenntnissen bemerkt sie: „Er verfügt über eingehende und zuverlässige Sanskrit-Kenntnisse und eine umfassende Gelehrsamkeit im Hinblick auf die verschiedenen kaschmirischen Śaiva-Systeme. Zu wiederholten Malen wurden mir in der Vergangenheit seine Übersetzungen und Interpretationen besonders schwieriger Passagen von dem herausragenden Indologen, dem verstorbenen Louis Renou, bestätigt.
¹⁵ Bemerkenswert an dieser Aussage ist die Tatsache, dass Silburn selbst eine