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In tiefen Wassern
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eBook166 Seiten1 Stunde

In tiefen Wassern

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Über dieses E-Book

«Eine unheimliche Schauernovelle im Stile des Horror-Altmeisters H.P. Lovecraft»

 

Kurz nach dem zweiten Weltkrieg bemannt der Kriegsveteran Philipp Hawkins den abgelegenen Leuchtturm St. Matthews vor der sturmumtosten Küste Schottlands. Was als einfacher Auftrag beginnt, entwickelt sich zunehmend zu einem kräftezehrenden Albtraum.
Tote Fische werden in Massen angeschwemmt, vor der Küste läuft ein Schiff auf Grund und durch alte Aufzeichnungen erfährt Hawkins: Das verrufene Gemäuer ist schon seit Jahrzehnten Schauplatz unheimlicher Vorkommnisse. Und er ist nicht der erste Wärter, der dem finsteren Geheimnis der Insel auf der Spur ist – aber er wird vielleicht der letzte sein.


Denn etwas ist in den Tiefen des Meeres erwacht…

SpracheDeutsch
HerausgeberCyrusBooks
Erscheinungsdatum13. Juni 2021
ISBN9798201330712
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    Buchvorschau

    In tiefen Wassern - Chris Bucher

    TEIL 1

    ST. MATTHEWS

    1.

    Liebste Gladys,

    Ich habe die Stelle bekommen! Der zuständige Beamte, ein dünner Kerl namens Donal MacLachlan, hat sie mir nach längerem hin und her dann doch noch angeboten, nachdem er sich zuerst zögerlich gezeigt hatte. Als ich ihm von Dir und Deinen Umständen erzählt habe, zeigte er sich dann doch menschlich und meinte, wir vom Krieg gezeichneten müssen doch auch einen Silberstreif am Horizont sehen können. Er hat uns beglückwünscht und Dir, liebste Gladys, Gratulationen und beste Wünsche für deine baldige Niederkunft ausrichten lassen. Ehrlicherweise muss ich Dir gestehen, dass mir dieser kleine Mann mit seiner Rundglasbrille und seinen zarten, beinahe weibischen Händen zuerst zutiefst zuwider war. Du kennst meine Abneigung gegen Schreibtischküken und dieser MacLachlan war die Personifizierung all dessen. Trotzdem darf und muss ich mich dankbar zeigen für das Angebot und abgesehen von der Distanz, die deswegen zwischen uns gebracht wird, freue ich mich doch in erheblichem Masse, die Aufgabe als Wächter des Leuchtturms von St. Matthews übernehmen zu dürfen. So sehr freue ich mich sogar darüber, dass ich es MacLachlan verzeihe, dass meine erste Aufgabe ein Botengang ist, den jeder Postbote ausführen könnte (und vermutlich auch sollte, denn gemäss MacLachlan ist der Brief, den ich überbringen soll, von höchster Bedeutung). Ich soll morgen zum Nachbarort Port Lock reisen, eine kleine Hafenstadt, wie sie nur die dunkelsten und verlassensten Nischen der schottischen Küste hervorbringen kann, und dort einen Father Callahan ausfindig machen, dem ich dann den anvertrauten Brief überreichen soll. Schade, ist er versiegelt (mit einem eigenartigen Siegel, es zeigt kein Wappen oder Initialen, sondern eine merkwürdige Abfolge von Linien), sonst hätte ich vielleicht einen flüchtigen Blick auf den Text geworfen, denn ich werde das Gefühl nicht los, dass ich Teil des Inhalts dieses Briefes bin.

    Sei’s drum. Vielleicht spricht auch der misstrauische Soldat aus mir, der hinter jedem Blick und jeder Handlung eine Falle und einen Verrat wittert, wie Du mir oft – und oft zurecht! – unterstellst.

    Ich schreibe diesen Brief auf einem fleckigen Holztisch im Hedwig’s Inn, einer verlebten und russigen Kaschemme in einer schmalen Gasse in Corleigh. Es würde Dir hier gefallen. Der Ton ist rau, die Musik (tolle Musiker haben die hier!) laut, das Bier stark. Vielleicht gönne ich mir noch ein Glas Lock Whisky, eine Marke, die in einer Destillerie unweit von hier gebrannt wird (wenn man denn dem Prospekt glauben soll, der speckig und durch Feuchtigkeit aufgedunsen auf dem Tisch liegt). Wenn das alles vorbei ist, werden wir uns Ausflüge an solche Orte leisten, Gladys.

    Von tiefstem Herzen bin ich der Überzeugung, dass uns das gut tun wird, Gladys. Dir, mir und auch dem kleinen Leben, das unter Deiner Brust gedeiht. Ich sehe tatsächlich einen Silberstreif für uns. Die dunklen Stunden sind nicht nur für Europa und die Welt vorbei, sondern auch für uns. Wir stehen diese Monate der Trennung durch und werden uns dann – so Gott will – im Frühjahr in die Arme fallen und neu beginnen können. Ich freue mich auf das Leben als Hirte in unserem kleinen Cottage.

    Es wird wunderschön werden.

    In tiefster Liebe,

    Philipp

    2.

    Liebste Gladys,

    Ich schreibe Dir nun vor meiner Abreise nach St. Matthews noch ein letztes Mal vom Festland aus. Ich bin gestern Abend hier in Port Lock angekommen. Ein alter, klappernder Bus, der schon vor dem Krieg auf den Schrottplatz gehört hätte, hat mich von Corleigh aus über enge Kurven und steilen Hängen der Küste entlang in dieses Kaff gebracht. Du weisst, wie sehr ich Küstenstädtchen liebe, aber Port Lock ist definitiv kein Ort, wo wir einen romantischen Sommerurlaub verbringen sollten. Schon von weit her sieht man den dunklen Rauch, der aus Schornsteinen von Fabriken und Wohnhäusern qualmt und sich wie eine schmutzige Decke über den Ort legt. Man taucht bei der Ankunft quasi in diesen Nebel ein und wähnt sich ein paar Jahrzehnte in der Zeit zurückversetzt. Leider in keine schöne Zeit. Die windschiefen und ungepflegten Häuser sind von Wind, Wetter und Gischt zerrüttet und verzogen, die rauen Sturmböen, die an Holz und dem mageren Gestrüpp zerren, sorgen für ein garstiges Klima. Wären mir nicht hin und wieder ein paar grimmige Fischer und grantigen Frauen begegnet oder ein paar klapperige Autos durch die im Matsch versinkenden Strassen getuckert, man hätte dieses nach Fisch und Verfall riechende Loch für eine Geisterstadt halten können.

    Ich fand besagten Father Callahan bei der Kirche, die als einziges Gebäude in diesem Ort eine gewisse Würde ausstrahlt. Sie ist in keinster Weise ein prachtvolles Gebäude, aber eines, zu dem man wenigstens eine gewisse Sorge trägt. Sie steht inmitten eines runden Platzes, auf dem auch einige verlassene Marktstände darauf warten, gefüllt und bemannt zu werden. Über allem hier liegt ein penetranter Gestank nach Salz und Fisch. So stark, dass es sogar mir unangenehm wird. In der Kirche hingegen bringt einen der beissend-würzige Geruch nach Weihrauch zum Husten. Father Callahan ist ein alter, würdevoller Geistlicher von hohem Wuchs und mit blasser Haut. Seine Augen sind ebenso grau wie das Haar an seinen Schläfen. Trotz seines klerikalen Amtes strahlt er die erhabene Strenge eines schlachterprobten Generals aus. Der linke Ärmel seiner Soutane ist leer und in der Mitte zur Schulter hin hochgeknöpft. Fehlende Gliedmassen sind mir nicht unbekannt, auch nicht bei Geistlichen. Wie du weisst, finden tapfere Soldaten nach Kriegen nicht selten Trost in den Armen Gottes. Trotzdem erweckte etwas beim Anblick dieses Mannes Unbehagen in mir. Ich stellte mich dem Mann als neuer Wächter von St. Matthews vor und überreichte ihm den Brief, den MacLachlan mir tags zuvor überreicht hatte. Father Callahan bedankte sich mit rauer Stimme und wünschte mir alles Gute bei der Arbeit draussen auf der Insel. Er wies mich darauf hin, dass der Bootsmann Benjamin Cuttler meine Überfahrt wie auch später meine wöchentlichen Lieferungen übernehmen werde. Wir verabschiedeten uns mit einem kräftigen Händedruck. Ein letztes Mal blickte ich auf den leeren Ärmel des Priesters.

    »Wir alle haben unsere Opfer erbracht, Mr. Hawkins«, sagte der Geistliche schliesslich und liess mich stehen.

    Meine Unterkunft war ein bescheidenes kleines Gästehaus mit Meerblick. Der Inhaber war verschroben, wortkarg aber nicht unhöflich. Ruhe fand ich hier dennoch keine, denn die Fabrik neben meinem Schlafzimmer – sie stellt Fischkonserven her und verströmt dementsprechend einen üblen Geruch – rattert und rumort rund um die Uhr, der Vorarbeiter brüllt mit rauer Stimme und unflätiger Sprache seinen Mitarbeitern über den Maschinenlärm hinweg unentwegt Befehle zu. Ein unangenehmer Zeitgenosse. Was kann ich mich glücklich schätzen, meine Arbeit in Ruhe und Abgeschiedenheit ausführen zu können, auch wenn das bedeutet, monatelang von Dir getrennt zu sein, liebste Gladys. Unsere letzte Umarmung, unser Abschiedskuss liegt erst sechs Tage zurück und doch sehnt sich mein ganzer Körper nach dir. Mein Herz wird schwer beim Gedanken daran, Dich für drei Monate nicht sehen zu können. Aber ich werde Dir bei jeder sich bietenden Gelegenheit schreiben und solche werde ich auf St. Matthews trotz aller Arbeit wohl genügend haben.

    Ich kann ihn übrigens von meinem Zimmer aus sehen! Da draussen in der Ferne, mitten im Ozean steht er auf seinem felsigen Thron und leuchtet mit seiner drehenden Laterne alle naselang in mein Zimmer. Ich freue mich darauf, diese kleine Insel mit dem ihrem Leuchtturm bald mein Zuhause nennen zu können. Erstens kann ich dann diesen grässlichen Ort verlassen und zweitens bringt mich jeder Tag, den ich auf St. Matthews verbringe, näher zu Dir. Ich schreibe diese Zeilen im Licht der Abenddämmerung und werde mir wohl noch ein kleines Abendbrot gönnen, obwohl mir davor graust, die hiesige Küche kosten zu müssen, bevor ich mich dann zu Bett begebe. Morgen früh, wenn die Ebbe einsetzt und das Wasser ruhiger wird, werde ich – so Gott will – nach St. Matthews gebracht.

    Gib auf Dich acht und beglücke Popsy mit ein paar Streicheleinheiten in meinem Namen.

    In Liebe,

    Dein Philipp

    3.

    Liebste Gladys,

    Nachdem ich mich nun ein klein wenig auf St. Matthews eingelebt habe, finde ich endlich die Zeit, um Dir zu schreiben. Du kannst Dir dieses Fleckchen Erde kaum vorstellen. Diese karge Felsinsel mit dem halb verwitterten Leuchtturm wirkt wie ein pittoresker Albtraum, ein Motiv, das den Maler Caspar David Friedrich zu einem weiteren Meisterwerk hätte inspirieren können. Wenn ich an der steilen Küste stehe und über das wogende Meer nach Süden blicke, fühle ich mich selbst wie der Wanderer über dem Nebel. Verstehe mich nicht falsch, mir gefällt es hier, es ist eine völlig neue Erfahrung für mich, so grundverschieden zu den anderen Leuchttürmen, die ich in den Jahren vor dem Krieg bewirtschaftet habe. St. Matthews ist bei Flut unmöglich zu erreichen, die Wellen branden von allen Seiten gegen die schroffen Klippen, die gut und gerne zwanzig Meter aus dem Wasser ragen. Allein die Fahrt hierher war abenteuerlich.

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