Phänomenologie einer Strafsache
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Es werden die vielfältigen Mittel und Methoden dargestellt, die es erlauben, Tötungsdelikt von Suizid zu unterscheiden. Sie geben dem Kriminalisten das notwendige Handwerkszeug, um eine etwaige Todeszeitbestimmung vornehmen zu können und zeigen die vielfältigen Möglichkeiten der Kriminaltechnik sowie Rechtsmedizin auf. Dieses Grundlagenwissen ist eine der Grundvoraussetzungen, um Kapitalverbrechen effektiv aufklären zu können.
Ein Lehrbuch für Kriminalistik, Jura und Rechtsmedizin. Diese Ausgabe basiert auf der 3., überarb. Auflage der Printausgabe.
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Buchvorschau
Phänomenologie einer Strafsache - Manfred Lukaschewski
Dr. Manfred Lukaschewski
Phänomenologie einer Strafsache
Kriminalistik in Theorie und Praxis
3
E-Book, erschienen 2021
ISBN: 978-3-95949-492-2
1. Auflage
(bezieht sich auf 3. überarbeitete Print Auflage)
Copyright © 2021 MAIN Verlag,
Eutiner Straße 24,
18109 Rostock
www.main-verlag.de
www.facebook.com/MAIN.Verlag
order@main-verlag.de
Text © Dr. Manfred Lukaschewski
Umschlaggestaltung: © Marta Jakubowska, MAIN Verlag
Umschlagmotiv: © depositphotos 43552093
E-Book Distribution: XinXii
www.xinxii.com
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Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Tatort
3. Spurenbegriffe
3.1. Spuren
3.2. Spurenkomplexe
3.3. Trugspuren
3.4. Fingierte Spuren
3.5. Spurenverursacher
3.6. Spurenträger
4. Spuren – eine theoretische Betrachtung
5. Spuren – besondere Aspekte
6. Spuren – Komplexität von Vergleichsmaterial
7. Vernehmung von Beschuldigten/Zeugen im Rahmen des „Ersten Angriffs"
7.1. Fehlerquellen bei der Wahrnehmung
7.2. Suggestivfragen
7.3. Falsche Geständnisse
8. Thanatologie
8.1. Agonie
8.2. Phasen des Sterbens
8.3. Todesdefinitionen
8.3.1. Klinischer Tod
8.3.2. Hirntod
8.3.3. Individualtod
8.3.4. Biologischer Tod
8.3.5. Vita minima, Vita reducta
9. Natürlicher und/oder unnatürlicher Tod
9.1. Klassifizierung der Todesart – der rechtliche Blick
9.2. Klassifizierung der Todesart – der medizinische Blick
10. Hinweise für zu Tod führende Erkrankungen
10.1. Befunde bei der Untersuchung des Leichnams
10.2. Feststellungen durch Auffindesituation
10.3. Feststellungen durch Befragung
11. Mögliche Anhaltspunkte für einen nicht natürlichen Tod
11.1. Befunde bei der Untersuchung des Leichnams
11.2. Feststellungen durch die Auffindesituation
11.3. Feststellungen durch Befragung
12. Suizid
12.1. Suizid durch außergewöhnliche Tötungsarten
12.2. Suizid durch Erdrosseln
12.3. Suizid durch Ertrinken
12.4. Suizid durch scharfe oder stumpfe Gewalt
12.5. Suizid durch Stromwirkung
12.6. Suizid im Kraftfahrzeug
12.7. Suizidmerkmale beim Erhängen
12.8. Suizidversuch
12.9. Suizidvortäuschung
13. Untersuchung von Suiziden
13.1. Der einfache Suizid
13.2. Der gemeinsame Suizid
13.3. Der kombinierte Suizid
13.4. Der demonstrative Suizid
13.5. Der erweiterte Suizid
14. Zusammenwirken von Staatsanwaltschaft – Kriminalpolizei
14.1. Notwendige Erstmaßnahmen
14.2. Rechtliche Grundlagen
15. Sichere Todeszeichen
15.1. Supravitale Reaktionen – frühe Leichenveränderungen
15.1.1. Mechanische Erregbarkeit der quergestreiften Muskulatur
15.1.2. Elektrische Erregbarkeit der quergestreiften Muskulatur
15.1.3. Erregbarkeit der Schweißdrüsen
15.1.4. Augenhintergrund
15.1.5. Trommelfell
15.2 Totenflecke (Livores)
15.3. Totenstarre (Rigor mortis)
15.4. Abnahme der Körpertemperatur
15.5. Spezielle Leichenveränderungen
15.5.1. Vertrocknungen
15.5.2. Tierfraß
16. Fortgeschrittene Leichenveränderungen
17. Die äußere Leichenschau (gem. § 87, Abs. 1 StPO)
17.1. Besondere Leichenschaukonstellationen
17.1.1. Tod bei ärztlichem Heileingriff
17.1.2. Tod im staatlichen Gewahrsam
17.1.3. Tod im Badezimmer
17.1.4. Thesaurus zum Tod im Badezimmer
17.1.5. Kindesmisshandlung
17.2. Tod durch Erhängen
18. Delikt
18.1. Rechtsgrundlagen
18.2. Tatbestand
18.3. Rechtswidrigkeit
18.4. Schuld
19. Traumata und Todesursachen
19.1. Unmittelbar tödliche Traumata (primäre Todesursachen)
19.2. Sekundäre Todesursachen
20. Vitale Reaktionen
20.1. Blutungen
20.2. Embolien
20.3. Befunde am Respirations- und Magen-Darm-Trakt
21. Wunden
22. Zeichen posttraumatisch erhaltener Handlungsfähigkeit
23. Traumatologie
23.1. Verletzungen durch stumpfe Gewalt
23.2. Verletzung durch scharfe Gewalt
23.2.1. Schnittwunden
23.2.2. Stichwunden
23.3. Halbscharfe Gewalt
23.4. Erdrosseln
23.5. Erwürgen
23.6. Erhängen
23.6.1. Verlauf des Erhängens
23.6.2. Vorgetäuschter Suizid durch Erhängen
23.7. Äußeres und Inneres Ersticken
23.8. Ertrinken
23.9. Thermische Schädigungen
23.9.1. Verbrühungen
23.9.2. Verbrennungen
23.9.3. Unterkühlung
23.10. Elektrischer Strom
24. Schussverletzungen
24.1. Schwerpunkte bei der Untersuchung von Schussverletzungen(nähere Erläuterungen im Kapitel „Kriminalistische Ballistik")
24.2. Einschuss
24.3. Schusstypen
24.4. Einteilung der Schussentfernung
24.5. Spezielle Schussverletzungen
24.5.1. Schrotschussverletzungen
24.5.2. Verletzungen durch Schreckschusswaffen
24.5.3. Verletzungen durch Luftdruckwaffen
24.5.4. Pfeilschussverletzungen
24.5.5. Explosionsverletzungen
24.6. Todesursachen bei Schussverletzungen
24.7. Spurenauswertung am Ereignisort
25. Forensische Toxikologie
25.1. Giftmord
25.2. Tod im Badezimmer
25.3. Tod in Kranken-/Pflege-/Alteneinrichtungen
25.4. Tod im Säuglings-/Kleinkindalter
25.5. Tod mit konkurrierenden Ursachen
25.6. Tod durch Gewalteinwirkung nach vorangegangener toxischer Bewusstseinsbeeinträchtigung
25.7. Symptome bei Intoxikationen
25.7.1. Zentrales Nervensystem (ZNS)
25.7.2. Motorisches System
25.7.3. Respiratorisches System
25.7.4. Kardiovaskuläres System
26. Die Funktion der Kriminaltechnik
26.1. Suche und Sicherung von Tatspuren
26.2. Die Sicherung des Beweiswertes materieller Beweismittel
26.3. Das Untersuchungsspektrum der Kriminaltechnik
27. Spezielle Aufgabengebiete der Kriminaltechnik
27.1. Abdrücke durch Hautausscheidungen
27.1.1. Daktyloskopische Spuren
27.1.1.1. Die anatomisch-physiologischen Grundlagen der Daktyloskopie
27.1.1.2. Grundmuster
27.1.1.3. Weiße Linien
27.1.1.4. Terminuspapillarleisten und Deltalagen
27.1.1.5. Minuzien
27.1.1.6. Poren
27.1.1.7. Kanten
27.1.1.8. Modale Informationselemente
27.1.1.9. Leichendaktyloskopie
27.1.1.10. Daktyloskopische Merkmale und ihr Identifizierungswert
27.1.2. Ohrabdruckspuren
27.2. Forensische Chemie/Physik
27.3. Werkstoffprüfung in der kriminalistischen Anwendung
27.4. Trassologie
27.5. Kriminalistische Ballistik
27.6. Signalementslehre
27.7. Aufgaben der kriminalistischen Schriftuntersuchung
27.8. Dokumentenuntersuchung
27.9. Kriminalistische Akustik
27.10. Kriminalistische Biologie
27.10.1. Ausgewählte biologische Spuren
28. Kindesmisshandlung
28.1. Stumpfe Gewalt
28.2. Thermische Verletzungen
28.3. Schüttel-Trauma-Syndrom (STS)
28.4. Besondere Formen der Kindesmisshandlung
29. Kindesmissbrauch
30. Kindestötung
30.1. Schutzeinlassungen der Kindtöterin
30.2. Tödliche Misshandlung von Kindern
30.3. Körperliche Vernachlässigung mit Todesfolge
31. Forensische Osteologie
31.1. Liegezeit
31.2. Hinweise auf die Identität
31.3. Verletzungsspuren
ANHANG I
ANHANG II
ANHANG III
ANHANG IV
ANHANG V
ANHANG VI
ANHANG VII
ANHANG VIII
ANHANG IX
ANHANG X
Quellenverzeichnis
Bildnachweis
1. Einleitung
Die Praxis zeigt, dass keineswegs jedem mit der Bearbeitung von Strafsachen befassten Kriminalisten die praktische Polizeiarbeit am Tatort eines Kapitalverbrechens hinlänglich geläufig ist.
Dies gilt insbesondere für den jungen, noch berufsunerfahrenen Kriminalisten, der ohne eine gewisse Orientierungshilfe kaum in der Lage sein wird, seinen Aufgaben am Tatort gerecht zu werden.
1994 kam es durch einen verhängnisvollen Beschluss des Berliner Senats zur Abwicklung der Sektion Kriminalistik an der Humboldt-Universität zu Berlin. Die gelieferte Begründung
– kein Bedarf –
ist anerkanntermaßen objektiv nicht nachvollziehbar.
Mit dieser Abwicklung wurde die akademische Ausbildung von Fachleuten auf dem Gebiet der Kriminalitätsbekämpfung gleich mit abgewickelt, sodass es derzeit in Deutschland bezüglich der Leitung komplexer Prozesse in der Kriminalitätsbekämpfung keinen adäquaten Nachwuchs gibt.
Zweifelsfrei steht fest, dass der Diplom-Kriminalist die Arbeit der Spezialisten nicht ersetzen kann.
Zweifelsfrei steht aber auch fest, dass seine Fachkenntnis im juristischen, kriminaltechnischen, medizinischen, psychologischen und psychiatrischen Bereich einen erheblichen Ermittlungsvorsprung gewährleisten. Diplom-Kriminalisten sind aufgrund ihrer fundierten Ausbildung in der Lage, bereits anhand des vorgefundenen Spurenbildes Schlüsse zu ziehen, die es ermöglichen, die notwendigen Ermittlungshandlungen zielgerichtet einleiten zu können.
Die Inaugenscheinnahme der Ausbildungsinhalte im Fachgebiet Kriminalistik an den Fachhochschulen Deutschlands erlauben den Schluss, dass kein Absolvent dieser Bildungseinrichtungen in der Lage ist, den komplexen Anforderungen gerecht zu werden. Diese Absolventen sind darauf angewiesen, sich das notwendige Wissen nach der Methode
– learning by doing –
anzueignen und dabei auf die Unterstützung erfahrener Kollegen (die Zahl derer mit akademischer Ausbildung sinkt naturgegeben) angewiesen.
Jeder erfahrene Kriminalist weiß um die Wichtigkeit des sogenannten Ersten Angriffs. Fehler oder Versäumnisse in dieser Phase sind nur schwer, wenn nicht niemals, auszubessern. Junge Kollegen, die zum ersten Mal zu einem Gewaltverbrechen eingesetzt werden, werden mit dieser Situation zwangsläufig nur schwer zurechtkommen. Unter Umständen sehen sie zum ersten Mal in ihrem Leben einen menschlichen Leichnam.
Ohne entsprechende Bildung der Kriminalisten in der praktischen kriminalpolizeilichen Arbeit, der Kriminaltechnik und der anderen Kriminalwissenschaften, aber auch in der Rechtsmedizin ist eine erfolgreiche Verbrechensbekämpfung deutlich erschwert, wenn nicht gänzlich unmöglich.
2. Tatort
Neben der in § 9 StGB enthaltenen gesetzlichen Definition des „Orts der Tat sind in der kriminalistischen Fachliteratur eine Vielzahl unterschiedlichster Begriffe gebräuchlich, die nach Meinung des jeweiligen Verfassers erklären sollen, was unter dem Begriff „Tatort
zu verstehen ist.
Ein Tatort ist ein Ereignisort, an dem eine Straftat vollständig oder in einzelnen bestimmenden Begehungselementen verübt wurde, also der Ort, an dem der Täter gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen oder an dem der zum Tatbestand gehörende Erfolg eingetreten ist oder nach der Vorstellung des Täters eintreten sollte. Dieser Begriff sollte immer Anwendung finden, wenn der Verdacht einer Straftat begründet ist.
Bei Mittäterschaft ist es der Ort, an dem auch nur einer der Mittäter gehandelt hat.
Bei mittelbarer Täterschaft ist es der Ort der Einwirkung des Tatmittlers als auch der Wirkungsort des bestimmenden Hintermannes, also des mittelbaren Täters selbst.
(Definition des Autors)
All diese Umschreibungen treffen mehr oder weniger umfassend den Kern der Sache; eine einheitliche kriminalistische Definition gibt es jedoch nicht. Dabei kommt dem Tatort gerade bei Kapitalverbrechen ein besonders hoher Stellenwert zu.
Nach kriminalistischer Erfahrung kann als Tatort der Ort bezeichnet werden, an dem der Täter vor, während und nach der Tat gehandelt hat oder gehandelt haben müsste und dabei zur Verbrechensaufklärung geeignete Spuren hinterlassen hat.
3. Spurenbegriffe
3.1. Spuren
Sind im kriminaltechnischen Sinne sichtbare oder latente materielle Veränderungen, die im Zusammenhang mit der Tat entstanden sind und zu deren Aufklärung beitragen können.
3.2. Spurenkomplexe
Mehrere, z.B. am bekleideten und mit Klebeband gefesselten Opfer vorhandene unterschiedliche kriminaltechnische Spuren, wie Textilfaser-, DNA-, Haar-, Material- und daktyloskopische Spuren.
3.3. Trugspuren
nicht im Zusammenhang mit der Tat entstandene Spuren. Sie können sich am Opfer als DNA- und Textilfaserspuren oder in der Umgebung als daktyloskopische Spuren befinden. Sie sind tückisch und können die Ermittlungen leicht in die falsche Richtung führen, weshalb es wichtig ist, sie frühzeitig zu erkenn und auszuscheiden.
Geschieht das nicht, könnten sie im weiteren Verlauf des Ermittlungsverfahrens (EV) zu fatalen Folgen führen – man denke nur an eine durch eine Trugspur ausgelöste verdachtsunabhängige Reihenuntersuchung.
Typische Verursacher von Trugspuren sind, vom Geschädigten abgesehen, z.B. Auffinder des Opfers, Nachbarn, Neugierige, Rettungskräfte, Polizei- und Kriminalbeamte, die den Tatort ohne Spurenschutz betreten haben.
**Achtung: Die gefährlichsten Spuren sind die selbst gelegten!**
3.4. Fingierte Spuren
vom Täter in der Absicht verursacht, von sich abzulenken bzw. eine Straftat vorzutäuschen.
Angetroffen wird z.B. ein vermeintlicher Raubmordtatort mit entsprechendem Spurenbild. Tatsächslich kann aber auch ein Täter mit enger Beziehung zum „Mord-Opfer" den Tatort entsprechend verändert haben, um von sich abzulenken.
Bei diesem Tätertyp wird nicht selten ein derart von Trauer geprägtes Verhalten festzustellen sein, dass ein Einbeziehen dieser, ggf. auch noch tatortberechtigten Person in den Kreis der Tatverdächtigen für den unerfahrenen Ermittlungsbeamtengeradezu absurd erscheint.
**Achtung: Fingierte Spuren sind nicht mit Spuren zu verwechseln, die als Situationsfehler beschrieben werden!**
3.5. Spurenverursacher
können Menschen, Tiere, Gegenstände oder auch die Umwelt sein. Durch wechselseitige Übertragung kann ein Spurenverursacher auch Spurenträger sein.
Auch wenn die Spur am Tatort in einem relevanten Bereich gefunden und gesichert wurde, muss der Urheber nicht zwingend der Täter gewesen sein. Bis zum Gegenbeweis sollte deshalb immer nur vom Spurenverursacher gesprochen werden.
**Achtung: In diesem Zusammenhang kommt der Tatortabsicherung eine besondere Bedeutung zu. Neben den tatsächlich berechtigten Personen (Staatsanwalt, Ermittlungsbeamte, Spurensicherung) kommen häufig Pseudo-Berechtigte (örtliche „Würdenträger" { etwas spöttisch als Spurenvernichtungskommission bezeichnet }) hinzu, die auf Grund ihrer Position grundlos davon ausgehen, den Tatort ebenso inspizieren zu dürfen.**
3.6. Spurenträger
Menschen, Gegenstände (z.B. auch Pflanzen) oder im Einzelfall auch Tiere, an denen sich eine Spur befindet.
Falls möglich, sollte der Spurenträger immer im Original gesichert und so schnell wie möglich der Untersuchungsstelle zugeleitet werden.
Ist die nicht möglich, ist eine akribische Beschreibung und die fotografische Dokukentation unabdingbar.
Spuren können in Formspuren (z.B. daktyloskopische Spuren, Werkzeugspuren, Schusswaffenspuren), Materialspuren (z.B. Schmauchspuren, Faserspuren), Situationsspuren (z.B. Verteilungsmuster von Blutspuren, Blutschatten) und Gegenstandsspuren ((z.B. Beweismittel, Raubgut,), also Gegenstände, die bei einer Durchsuchung gefunden werden oder vom Täter am Tatort zurückgelassen wurden, unterteilt werden.
Es muss darauf hingewiesen werden, dass keine Spurenart nur für sich selbst betrachtet werden kann. Es gibt immer mehr oder weniger komplexe Zusammenhänge.
4. Spuren – eine theoretische Betrachtung
Eine herausragende Position der kriminalistisch relevanten materiellen Erscheinungen stellen die kriminalistischen Spuren dar.
Sie sind relativ beständige Ergebnisse von Wirkungen, die im Zusammenhang mit einem kriminalistisch relevanten Ereignis eingetreten sind und Informationen über dieses Ereignis gespeichert enthalten.
Die Unterscheidung zwischen direkt wahrnehmbaren und latenten Spuren hat erhebliche praktische Bedeutung.
So ist der optischen Wahrnehmung des Menschen nur elektromagnetische Strahlung im Bereich von etwa 4000 bis etwa 8000 nm („sichtbares Licht") zugänglich.
Die Erweiterung dieser natürlichen (durchschnittlichen) Grenzen der sinnlichen Wahrnehmung des Menschen für die Zwecke der Spurensuche geschieht durch die Inanspruchnahme naturwissenschaftlicher Verfahren, Methoden und Mittel.
Der Grenzverlauf zwischen Wahrnehmbarkeit und Latenz von Spuren hängt aber nicht nur von den physiologischen Durchschnittswerten der Wahrnehmungsfähigkeit in den einzelnen Sinnessektoren ab, sondern auch von den individuellen Besonderheiten des einzelnen Menschen ab.
Im übrigen lassen sich viele der als latent bezeichneten Spuren durch einfachste Verfahren wahrnehmbar machen (z.B. durch Betrachten einer polierten Fläche, die „latente" Fingerabdrücke aufweist, unter einem bestimmten Winkel, Einsatz von Schräglicht).
Auf eine in ihrer Bedeutung innerhalb der kriminalistischen Praxis kaum zu überschätzende Kategorie muss mit Nachdruck hingewiesen werden: auf die sogenannten Mikrospuren.
Ihre Bedeutung ergibt sich nicht zuletzt daraus, dass ihr Zustandekommen für den Täter unvermeidlich erfolgt und sie für ihn selbst latent bleiben, so dass er praktisch keine Möglichkeiten zur nachträglichen Spurenvernichtung (im Sinne einer Verschleierungshandlung) hat, während sie grundsätzlich für den Kriminalisten auffindbar und mit hohem Informationswert auswertbar sind.
Ein weiterer Aspekt darf an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben. Auf Grund ihrer Struktur sind Mikrospuren allerdings auch die ersten Spuren, die durch direkte oder indirekte Umwelteinflüsse (unprofessionelles Vorgehen der Ermittlungsbeamten, klimatische Einflüsse, Handlungen durch andere beteiligte Personen) an Aussagewert verlieren, in besonders drastischen Fällen als Spuren für immer verloren gehen.
Für den Prozess der Entstehung der materiellen Beweise offenbaren sich allgemeine Gesetzmäßigkeiten:
Es existiert eine gesetzmäßige Wiederholbarkeit der Entstehung von materiellen Beweisen.
(Wenn z.B. ein Schuß abgefeuert wird, so prägen sich auf der Hülse, die durch den Druck der Pulvergase gegen den Stoßboden gepresst wird, die Eigenschaften des Mikroreliefs dieses Stoßbodens auf, während sich auf dem Geschossmantel beim Durchtritt durch den Lauf die Züge und Felder und ihr Mikrorelief widerspiegeln.
Dies geschieht gesetzmäßig und wiederholbar.
Zwischen den Taten und Aktionen des Täters und dem Eintreten des kriminellen Resultats derartiger Handlungen besteht ein gesetzmäßiger Zusammenhang.
(So ist das kriminelle Resultat einer vorsätzlich begangenen tödlichen Schussverletzung z.B. die Existenz der Schusswaffe und der entsprechenden Munition)
Die Entstehung eines Beweissystems aus einzelnen Beweisen, von Beweisketten, in denen jeder Beweis nicht isoliert, sondern in Verbindung mit anderen Beweisen existiert, ist gesetzmäßig.
Das Verschwinden von Beweisen ist gesetzmäßig. Die Beständigkeit (Dauerhaftigkeit in der Zeit) von materiellen Spuren ist relativ und hängt von vielen Faktoren ab.
Prinzipiell gilt, dass möglichst alle vorhandenen Spurenarten gesucht und gesichert werden, vorrangig natürlich solche, mit deren Hilfe eine Identifizierung des Täters ermöglicht wird.
Bei der Spurensuche und -sicherung sind sowohl der Entstehungsmechanismus jeder Spur als auch ihre Stellung im gesamten Handlungsablauf festzustellen.
Von besonderer Bedeutung sind dabei Spurenüberkreuzungen. Dabei ist zu beachten, dass beide Spuren einer Überkreuzung von unterschiedlicher Art sein können.
Die gedankliche Rekonstruktion des möglichen Vorgehens des Täters erlaubt die Feststellung, wo sich Spuren befinden müssen. (ist dies dann nicht der Fall, ist es bereits ein deutlicher Hinweis auf die kriminelle Vorgehensweise des Täters {kriminelle Energie})
**Achtung: Es ist falsch, bei einem bestimmten Spurenaufkommen auf die weitere Spurensuche zu verzichten, weil sie als zu zeitaufwendig eingeschätzt wir, mit größeren Schwierigkeiten verbunden ist oder sie als überflüssig betrachtet wird.
Auch wenn nicht alle Spuren ausgewertet werden sollten, können sich bei der weiteren Suche und Sicherung wichtige Hinweise auf den Täter ergeben.**
Von besonderer Bedeutung ist die Dokumentation des Tatortes und der Lage der zu sichernden Spuren, da mit ihrer Hilfe auch nach mehreren Jahren noch Sachverhalte beweiskräftig rekonstruierbar sein müssen (Tatortfotografie – Übersichts-, Nah- und Detailaufnahmen)
5. Spuren – besondere Aspekte
Erste Maßnahme, insbesondere bei Tatorten von Kapitalverbrechen, ist die Sicherung von Faserspuren, da diese besonders anfällig für Veränderungen und Zerstörungen sind. Auf Grund der Tatsache, dass Faserspuren mit dem bloßen Auge nicht oder nur sehr selten wahrnehmbar sind, ist eine großflächige Sicherung relevanter Tatortbereiche erfolgversprechend. Da dieses Vorgehen jedoch zugleich zu einer Beeinträchtigung anderer Spurenarten führen kann, muss dabei mit größter Sorgfalt vorgegangen werden. Gegebenenfalls ist sogar im Rahmen einer Prioritätenabwägung zu entscheiden, welchen Spuren als mutmaßlich aussagekräftiger bzw. wahrscheinlicher der Vorzug zu geben ist.
Besonderes Augenmerk ist auf die Sicherung von Kontaktspuren an Personen und Leichen zu richten. Hierzu sollte zunächst ein möglichst frühes Abkleben aller unbekleideten Bereiche (Hände, Arme, Gesicht) erfolgen, bei Personen (Tatverdächtigen, Opfern oder sonstigen Beteiligten) soweit möglich noch vor dem Verlassen des bzw. dem Abtransport vom Tatort.
Bei Leichen sollte dies unbedingt vor Inaugenscheinnahme und damit verbundener (Lage-)Veränderung durch einen Mediziner abgeschlossen sein.
**Man muss dem Kriminalisten einer Morduntersuchungskommission auf Grund seiner hohen Qualifikation (und diese muss auf Grund der Ausbildungsstandards in der Bundesrepublik zum gegenwärtigen Zeitpunkt im hohen Maße angezweifelt werden) zugestehen, bei Offensichtlichkeit des Todes (Leichenflecken, Totenstarre, Autolyse, Fäulniserscheinungen, Dekomposition), also dann, wenn ärztliche Hilfsmaßnahmen von vornherein ausgeschlossen werden können, den Einsatzzeitpunkt des Arztes festzulegen!**
An Tatorten, an denen Blut geflossen ist, kann das Vorhandensein latenter Blutspuren nie ausgeschlossen werden. Deren Suche und Sicherung erfordert einen besonderen Aufwand. Durch den notwendigen Einsatz chemischer Mittel, die mit anderen Spuren interagieren können, ist die Suche und Sicherung latenter Blutspuren erst nach Abschluss der übrigen Spurensuche durchzuführen.
Die große Aussagekraft daktyloskopischer Spuren bei einem vergleichsweise geringen Untersuchungsaufwand begründen deren hohen kriminalistischen Stellenwert. Aus diesem Grund werden sie in einem besonderen Kapitel explizit behandelt.
6. Spuren – Komplexität von Vergleichsmaterial
Das Ergebnis vergleichender kriminaltechnischer Untersuchungen hängt nicht nur von der Qualität und Beschaffenheit der Spuren, sondern nicht unerheblich auch vom Umfang und Qualität der zur Verfügung stehenden Vergleichmaterialien (Untersuchungsmaterial, mit gleichen Gruppenmerkmalen, wie die entsprechende Spur, das für die Feststellung oder den Ausschluss einer Identität im Prozess der kriminalistischen Identifizierung erforderlich ist.
Vergleichsmaterial wird meist im Ergebnis der Hinweise aus der Spurenauswertung oder aus entsprechenden Sammlungen gewonnen) ab.
**Achtung: strikte Trennung von Spuren- und Vergleichsmaterial! Das gilt sowohl während des Transports, der Aufbewahrung und während der Untersuchung selbst.**
Weitere wichtige zu beachtende Aspekte sind:
die Eindeutigkeit der Herkunft des Vergleichsmaterials
seine Zweckbestimmtheit
die ausreichende Menge und Qualität
die Vergleichbarkeit
seine relative Unveränderlichkeit
seine Vollständigkeit
Damit die Eindeutigkeit der Herkunft nachgewiesen wird, ist die exakte Bezeichnung des Objekts, von dem das Vergleichsmaterial stammt, erforderlich.
So muss z.B. die Identität einer Person, von der Vergleichsmaterial gesichert wird, feststehen.
Mit der Zweckbestimmtheit des Vergleichsmaterials wird ausgedrückt, dass nur das Material gesichert wird, das für das Erreichen des spezifischen und exakt zu formulierenden Untersuchungsziels benötigt wird und das am besten für die entsprechenden vergleichenden Untersuchungen geeignet ist.
Die Möglichkeit der Sicherung in ausreichender Menge und Qualität ist nicht immer vom Kriminalisten beeinflussbar. Als allgemeine Regel gilt, dass nie weniger Vergleichs- als Spurenmaterial zu sichern ist und dass die Menge des Vergleichsmaterials um so größer sein sollte, je geringer die des Spurenmaterials ist.
Die Vergleichbarkeit erfordert, dass bei der Schaffung von Vergleichsmaterial darauf geachtet wird, dass dabei Bedingungen herrschen, die denen zum Zeitpunkt der Spurenentstehung weitgehend analog sind.
Die Unveränderlichkeit des Vergleichsmaterials erfordert die Anwendung solcher Mittel und Verfahren, die zu seiner dauerhaften Fixierung bzw. Konservierung geeignet sind. Beeinträchtigungen z.B. durch Austrocknung und damit zusammenhängende Größenveränderungen sowie Veränderungen infolge von Belichtung, Oxidation, Fäulnisbildung u.ä. Müssen vermieden werden.
Die Forderung nach Vollständigkeit des Vergleichsmaterials verlangt, dass ausgehend vom komplexen Zusammenhang und der