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Erwachsenwerden mit Sprachentwicklungsstörung und AVWS: Erfahrungsbericht und Ratgeber
Erwachsenwerden mit Sprachentwicklungsstörung und AVWS: Erfahrungsbericht und Ratgeber
Erwachsenwerden mit Sprachentwicklungsstörung und AVWS: Erfahrungsbericht und Ratgeber
eBook301 Seiten2 Stunden

Erwachsenwerden mit Sprachentwicklungsstörung und AVWS: Erfahrungsbericht und Ratgeber

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Über dieses E-Book

Erfahrungsbericht und Ratgeber
Das Ziel des Buches ist es, Kindern mit Sprachentwicklungsstörungen und AVWS (Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung) sowie ihren Eltern zu helfen, den langen und oft schwierigen Weg ins Erwachsenenalter gemeinsam bestmöglich zu gehen.

Das Besondere: Mutter und Tochter erzählen jeweils aus ihrer Sicht, wie sie die Zeit zwischen den ersten Anzeichen einer Sprachentwicklungsstörung mit AVWS im Kleinkindalter und dem Berufseintritt im jungen Erwachsenenalter erlebt haben.

Praktischer Nutzen: Die Erfahrungsberichte werden durch Ratschläge, praktisch erprobte Tipps, hilfreiche Adressen und Zusatzinformationen über Fördermöglichkeiten und gesetzliche Regelungen u. a. ergänzt.

Medizinische Grundlagen: Zum besseren Verständnis der Störungen werden die medizinischen Grundlagen gut verständlich vorgestellt.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum20. Mai 2021
ISBN9783753474540
Erwachsenwerden mit Sprachentwicklungsstörung und AVWS: Erfahrungsbericht und Ratgeber
Autor

Heike Tuchen-Ott

Dipl.-Wirtschaftsingenieurin (FH) für Verlagswesen, Mutter von drei erwachsenen Töchtern. Setzt sich seit 20 Jahren intensiv mit dem Thema Sprachbehinderung auseinander. Sie begleitet und unterstützt ihre jüngste Tochter dabei, die vielen Herausforderungen einer unsichtbaren Behinderung zu meistern. Mit diesem Buch möchte sie einen Beitrag zur Aufklärung über SSES und AVWS leisten.

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    Buchvorschau

    Erwachsenwerden mit Sprachentwicklungsstörung und AVWS - Heike Tuchen-Ott

    Heike Tuchen-Ott

    Dipl.-Wirtschaftsingenieurin (FH) für Verlagswesen, Mutter von drei erwachsenen Töchtern. Setzt sich seit 20 Jahren intensiv mit dem Thema Sprachbehinderung auseinander. Sie begleitet und unterstützt ihre jüngste Tochter dabei, die vielen Herausforderungen einer unsichtbaren Behinderung zu meistern. Mit diesem Buch möchte sie einen Beitrag zur Aufklärung über SSES und AVWS leisten.

    Ulrike Ott

    Jahrgang 1998, drei ältere Schwestern. Sie hat seit ihrem 2. Lebensjahr die Diagnose Sprachentwicklungsstörung und seit ihrem 17. Lebensjahr die Diagnose AVWS. Sie besuchte eine Sprachheilschule und machte an Regelschulen Mittlere Reife und Fachabitur. Nach einer abgeschlossenen Ausbildung zur Finanzwirtin ist es ihr wichtig, ihre Erfahrungen an andere Betroffene weiterzugeben.

    Vorwort der Autorinnen

    Meine Tochter Ulrike leidet an einer Sprachentwicklungsstörung und einer Auditiven Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung (AVWS). Sie ist heute 22 Jahre alt. In den verschiedenen Elternforen sehe ich täglich, wie sich Eltern von Kindern mit SSES genauso hilflos, unwissend und allein gelassen fühlen, wie wir all die Jahre. Deshalb haben wir uns dazu entschlossen, dieses Buch zu schreiben. Es ist ein Erfahrungsbericht und Ratgeber zugleich.

    Noch immer wissen viel zu wenig Menschen, was es für den Betroffenen bedeutet, eine Sprachentwicklungsstörung und/oder AVWS zu haben. Ulrikes größter Wunsch ist es, einfach nur „normal" zu sein. Diese Normalität, trotz des aufgezwungenen Sonderwegs, zu ermöglichen, war immer eines meiner Ziele als Mutter. Wie schwierig das ist, ist ein zentrales Thema unseres Buches.

    Den betroffenen Eltern und ihren Kindern möchten wir mit unserer Geschichte zeigen, dass manches geht, was zunächst undenkbar scheint, aber auch welche Hürden zu überwinden sind. Es ist schwer, auf diesem langen Weg nicht zu verbittern, nicht anzuklagen und vor allem nicht aufzugeben. Wir haben immer versucht, auch aus den negativsten Ereignissen noch einen positiven Nutzen zu ziehen. Und tatsächlich waren es manchmal gerade die unerfreulichen Erfahrungen, die eine neue Tür aufgestoßen haben.

    Natürlich existieren immer unterschiedliche Wege zum (Förder-)Ziel und es gibt für jeden Menschen einen guten Weg, der gemeinsam gefunden werden kann. Unsere Erfahrung zeigt auch, dass der (Förder-)Erfolg stark von den beteiligten Personen und deren Grundhaltung zu Menschen mit Behinderungen abhängt. Deshalb wünschen wir uns sehr, dass nicht nur Betroffene und deren Eltern unser Buch lesen, sondern auch Ärzte, Berater, Lehrer, Ausbilder, Therapeuten…

    Zum Aufbau des Buches

    Im ersten Teil werden die medizinischen Grundlagen kurz vorgestellt, die für das Verständnis einer Sprachentwicklungsstörung und einer AVWS wichtig sind.

    Im Hauptteil erzählen wir dann, jeweils in eigenen Worten, wie wir die Zeit von den ersten Auffälligkeiten im Kleinkindalter bis zum Berufseinstieg im jungen Erwachsenenalter erlebt haben. Um die Sprachproblematik zu verdeutlichen, wurden Ulrikes Texte nahezu unbearbeitet übernommen. Sie sind kursiv gedruckt. Die Kapitel entsprechen den jeweiligen Lebensphasen. Am Ende eines jeden Kapitels finden Sie einen kritischen Rückblick und eine Sammlung von Hinweisen, Informationen, hilfreichen Adressen und Literaturverweisen, die zu den Fragen der beschriebenen Lebensphase passen.

    Der dritte Teil des Buches enthält eine Sammlung von zusätzlichen Informationen zu Themen, die für uns in all den Jahren wichtig waren.

    Mit unserem Buch möchten wir dazu beitragen, die schwierige Situation anderer Menschen mit Sprachentwicklungsstörungen/AVWS und deren Eltern zu erleichtern.

    April 2021

    Heike Tuchen-Ott und Ulrike Ott

    Geleitwort

    Inklusion – eigentlich sollte man doch annehmen, dass Kinder und Jugendliche mit einem Handicap in unserer Gesellschaft gut angenommen werden, Chancen haben, Informationen, Begleitung und Unterstützung für die Familien gewährleistet sind und die jungen Menschen in der Schul- und Ausbildungszeit, im Einstieg in das Berufsleben das notwendige Verständnis und die entsprechende Rücksichtnahme erfahren. So stellt man sich den Einstieg in ein selbstbestimmtes Leben vor.

    Ist es nicht so? Nein! Die Erfahrungen von Ulrike und ihrer Familie zeigen, dass es kein Automatismus ist, problemlos und schnell an notwendige Informationen und Hilfen zu kommen. Häufig waren viel Energie, unglaubliches Eigenengagement und zum Teil auch Glück erforderlich, um weitere Schritte zu erkämpfen.

    Was für Ulrikes Mutter sehr kräftezehrend und oft frustrierend war, hinterlässt auch seine Spuren bei Ulrike. Wie schafft es eine junge Frau, trotz vieler Unwegsamkeiten, vieler Erlebnisse wie Missachtung und Ignoranz ihrer Person, viel Frust, weiter ihren Weg zu gehen und an sich zu glauben? Wie schaffen es junge Menschen wie Ulrike, ihre Behinderung anzunehmen, damit umzugehen, ihre eigene, eine positive Identität zu entwickeln?

    Als ich Ulrike kennengelernt habe, war sie am Anfang der 11. Klasse des Berufskollegs. Eine zurückhaltende junge Frau. Fast 4 Jahre habe ich Ulrike und ihre Mutter als Mitarbeiterin des Sonderpädagogischen Dienstes für junge Menschen mit Hörschädigung und Sprachbehinderung in allen schulischen Belangen beraten und unterstützt. Ich habe erlebt, wie hart Ulrike gearbeitet hat, um trotz ihrer Behinderung ihr selbst gestecktes Ziel zu erreichen. Zu sehen, wie viel mehr ein Mensch mit Behinderung investieren muss, immer wieder an seine Grenzen kommt, in den Weg gelegte Steine überwindet und so die Fachhochschulreife sowie einen Berufsabschluss als Finanzwirtin erfolgreich absolviert, verdient aus meiner Sicht großen Respekt.

    Dieses Buch zeigt die vielen Seiten, die eine Familie mit einem Kind, das an einer Sprachentwicklungsstörung und AVWS leidet, erlebt hat. Es erzählt von Sorgen, Ängsten, von Anstrengung und fortwährendem, zeitlebens begleitendem Üben, Üben, Üben - von Ulrike und ihrer Mutter. Es zeigt auch die Schwierigkeit für diese junge Frau, ihre Behinderung anzunehmen und trotzdem weiter an sich selbst zu glauben.

    Es ist ein wichtiges Buch für alle Familien mit ähnlichen Schicksalen, aber auch für Lehrer, Arbeitgeber sowie weitere Berufsgruppen im sozialen und medizinischen Bereich. Ein Buch für diejenigen, die Menschen mit Sprachbehinderung und AVWS begleiten, unterstützen und vor allen Dingen VERSTEHEN wollen.

    Ein Buch, das Mut macht und Wege aufzeigt.

    Gabriele Ulshöfer, Beratungslehrerin

    Inhaltsverzeichnis

    VORWORT DER AUTORINNEN

    GELEITWORT

    MEDIZINISCHE GRUNDLAGEN

    1. WAS IST EINE SPRACHENTWICKLUNGSSTÖRUNG?

    2. WAS IST EINE AUDITIVE VERARBEITUNGS- UND WAHRNEHMUNGSSTÖRUNG (AVWS)?

    ERFAHRUNGSBERICHT UND HINWEISE FÜR BETROFFENE

    3. DIE ERSTEN DREI JAHRE

    3.1 Erste Auffälligkeiten in Alltagssituationen

    3.2 Erste Untersuchungen und Therapien

    3.3 Auswirkungen auf die familiäre Situation

    3.4 Im Rückblick betrachtet

    3.5 Hinweise für andere betroffene Eltern

    4. KINDERGARTENALTER

    4.1 Wahl des Kindergartens

    4.2 Erinnerungen an die Kindergartenzeit

    4.3 Familiensituation

    4.4 Kontrolluntersuchung mit fast 4 Jahren

    4.5 Kontrolluntersuchung mit fast 5 Jahren

    4.6 Logopädische Therapie

    4.7 Ergotherapie

    4.8 Entscheidung für die spätere Schule

    4.9 Im Rückblick betrachtet

    4.10 Hinweise für andere betroffene Eltern

    5. GRUNDSCHULALTER

    5.1 Sprachheilschule als Grundschule

    5.2 Erinnerungen an die Sprachheilschule

    5.3 Freizeit

    5.4 Familiensituation - Geschwister

    5.5 Übergang auf eine Regelschule

    5.6 Im Rückblick betrachtet

    5.7 Hinweise für andere betroffene Eltern

    6. REALSCHULE

    6.1 Realschulklassen 5 bis 7: Ein guter Einstieg

    6.2 Erinnerungen Realschule: Klasse 5 bis 7

    6.3 Klasse 8 und 9: große Herausforderungen

    6.4 Gedanken zum „Anderssein"

    6.5 Lernen an der Realschule

    6.6 Der Einfluss der Lehrer

    6.7 Sprachliche Entwicklung

    6.8 Freizeit

    6.9 Soziale Entwicklung

    6.10 Erinnerungen Realschulzeit: Klasse 10

    6.11 Realschulklasse 10: Das Prüfungsjahr

    6.12 Im Rückblick betrachtet

    6.13 Hinweise für andere betroffene Eltern

    7. BERUFSKOLLEG

    7.1 Berufskolleg Wirtschaftsinformatik

    7.2 Erinnerungen an die Zeit im Berufskolleg

    7.3 Fahrschule

    7.4 Abschlussprüfungen für das Fachabitur

    7.5 Entscheidung für den späteren Beruf

    7.6 Im Rückblick betrachtet

    7.7 Hinweise für andere Betroffene

    8. BERUFSAUSBILDUNG

    8.1 Blockunterricht an der Finanzschule

    8.2 Lernen an der Finanzschule

    8.3 Persönliches Budget in der Ausbildung

    8.4 Praktische Ausbildung im Finanzamt

    8.5 Erinnerungen an die praktische Ausbildung

    8.6 Ende der Ausbildung

    8.7 Beziehung Mutter – Tochter

    8.8 Begleitung durch die Eltern

    8.9 Im Rückblick betrachtet

    8.10 Hinweise für andere Betroffene

    9. EINSTIEG IN DIE BERUFSTÄTIGKEIT

    9.1 Das „Bewährungsjahr" im Finanzamt

    9.2 Erinnerungen an das „Bewährungsjahr" im Finanzamt

    9.3 Arbeitslosigkeit

    9.4 Selbsthilfegruppen

    9.5 Bestätigung der Diagnose AVWS

    9.6 Auswirkungen der Diagnose AVWS

    9.7 Meine Wünsche für die Zukunft

    9.8 Berufliche Zukunftsperspektiven

    9.9 Im Rückblick betrachtet

    9.10 Hinweise für andere Betroffene

    INFORMATIONEN UND HILFESTELLUNGEN FÜR BETROFFENE

    10. ZUSÄTZLICHE INFORMATIONEN (A – Z)

    10.1 Arbeitsmarkt, Beratung und Begleitung

    10.2 AVWS, Anzeichen

    10.3 AVWS, Hilfen und Infos

    10.4 Behindertengrad, Feststellung

    10.5 Bewerbung Ausbildungs- und Arbeitsplatz

    10.6 Eingliederungshilfen Ausbildung/Arbeitsleben

    10.7 Fördereinrichtungen und Beratung

    10.8 Nachteilsausgleich in der Schule

    10.9 Pflegegrad

    10.10 Selbsthilfegruppen

    10.11 Sprachentwicklungsstörung, Anzeichen

    10.12 Sprachentwicklungsstörung, Hilfen

    DANKE SAGEN WIR

    Medizinische Grundlagen

    1 Was ist eine Sprachentwicklungsstörung?

    Bei der normalen Sprachentwicklung gibt es eine große individuelle Variationsbreite. Sie verläuft bei jedem Kind unterschiedlich schnell, weshalb man in den ersten 3 Lebensjahren bei Auffälligkeiten von einer Sprachentwicklungsverzögerung (Late Talker) spricht.

    Definition

    Die Fachleute sind sich einig, dass ein sprachgesundes Kind sich im Alter von 4 Jahren in seiner Muttersprache grammatikalisch korrekt und gut verständlich ausdrücken kann. Es hat keine Probleme, andere zu verstehen. Erst wenn dies nicht der Fall ist, sollte man von einer Sprachentwicklungsstörung sprechen.

    Bei einer Sprachentwicklungsstörung unterscheidet man (AWMF-Leitlinie 2016):

    Spezifische Sprachentwicklungsstörungen (SSES), auch umschriebene Sprachentwicklungsstörung (USES) genannt, bei ihnen lassen sich keine Ursachen für die Störung nachweisen. (Viele Wissenschaftler verwenden den Begriff SSES. Wir auch.)

    Sprachentwicklungsstörungen (SES) im Zusammenhang mit anderen Erkrankungen, die die Störung erklären können

    Andere Störungen des Sprech- und Spracherwerbs, z. B. Redeflussstörungen wie Stottern

    Bei der Spezifischen Sprachentwicklungsstörung (SSES) beginnt das Kind im Vergleich zu gleichaltrigen Kindern auffallend spät mit dem Sprechen. Auch die weitere Sprachentwicklung ist langsam und kann stagnieren. In schweren Fällen spricht das Kind gar nicht. Die gesprochene Sprache und das Sprachverständnis des Kindes liegen deutlich unter seinem sonstigen Entwicklungs- und Intelligenzniveau. Dabei hat das Kind keine körperlichen oder psychischen Erkrankungen, die die Sprachentwicklungsstörung erklären könnten.

    Häufigkeit

    In der Fachliteratur liegen die Angaben über die Häufigkeit von Sprachentwicklungsstörungen zwischen 2 und 15 %. Die meisten Studien gehen von 6 – 8 % aller Kinder aus. Dabei fällt auf, dass Jungen etwa doppelt so häufig betroffen sind wie Mädchen.

    Mögliche Ursachen

    Man geht heute davon aus, dass die Spezifische Sprachentwicklungsstörung angeboren ist und multifaktoriell vererbt wird. Vermutlich sind mehrere Gen-Orte an der Störung beteiligt. Dazu passt auch, dass die Störung in manchen Familien gehäuft auftritt. Umwelteinflüsse, z. B. eine zu geringe Sprachanregung des Kindes durch sein familiäres Umfeld, reichen als alleinige Ursache der SSES nicht aus.

    Symptome

    Die Störung führt zu einer unzureichenden Verarbeitung von Sprache im zentralen Nervensystem. Kinder mit SSES fallen in der Regel schon im Alter von 2 Jahren auf. Die Symptome sind individuell unterschiedlich und hängen vom Ausmaß der Störung ab.

    Typische Anzeichen bis zu einem Alter von 24 Monaten:

    Besorgnis enger Bezugspersonen bzgl. der Sprachentwicklung

    Später bzw. ausbleibender Beginn des Sprechens

    Keine oder nur einzelne selbstkreierte Wörter, z. B. Nunu für Schokolade

    Erste Wörter deutlich später als mit 15 Monaten

    Weniger als 50 Wörter produktiv (Late Talker)

    Keine Wortkombinationen mit 24 Monaten

    Typische Anzeichen bis zu einem Alter von 36 Monaten:

    Verlangsamter Verlauf oder Stagnation der Sprachentwicklung

    Kein Aufholen bis zu einem Alter von 36 Monaten

    Nur Ein- bis Zweiwortäußerungen

    (Quelle: AWMF-Leitlinie „Diagnostik von Sprachentwicklungsstörungen" 2016, AWMF-Register-Nr. 049/006)

    40 – 75 % der Kinder mit SSES haben auch im weiteren Leben Schwierigkeiten mit dem Umgang und der Verarbeitung von Sprache. Sie verstehen sprachlich vermittelte Informationen schlechter, was in der Regel auch das Lernen in der Schule erschwert. Das Risiko, eine Lese- und Rechtschreibstörung zu entwickeln, ist bei den betroffenen Kindern erhöht. Manche entwickeln auch eine Aufmerksamkeitsstörung oder eine Störung des Sozialverhaltens. Alle diese Faktoren haben in der Regel deutliche negative Auswirkungen auf die schulische Laufbahn des Kindes, sie erschweren die spätere Berufswahl und den Einstieg in die Berufstätigkeit.

    Diagnostik

    Beim Verdacht auf eine Störung der Sprachentwicklung ist eine differenzierte interdisziplinäre Diagnostik notwendig. Zur Diagnostik und zur Abgrenzung anderer Ursachen gehören eine ausführliche Befragung der Eltern über die Vorgeschichte (Anamnese) sowie medizinische, psychologische und sprachtherapeutische/logopädische Untersuchungen. Eine Hörprüfung steht immer am Anfang der medizinischen Diagnostik, um körperliche Ursachen der gestörten Sprachentwicklung auszuschließen. Erst danach erfolgt die Sprachdiagnostik. Die einzelnen Untersuchungen werden zu unterschiedlichen Zeitpunkten durchgeführt. Sie richten sich individuell nach den Symptomen des Kindes. Das Ausmaß der Störung kann durch spezielle Testverfahren ermittelt werden. Eine sichere Diagnose ist aber erst möglich, wenn das Kind mindestens 4 Jahre alt ist.

    Bei der Diagnostik und der Betreuung der betroffenen Kinder und ihrer Eltern ist eine gute Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen den beteiligten Berufsgruppen in den Sozialpädiatrischen Zentren (SPZ) und in spezialisierten Kinderkliniken (Pädaudiologie, Neuropädiatrie, Entwicklungsneurologie, Kinder- und Jugendpsychiatrie) wichtig.

    Das Ziel aller diagnostischen Maßnahmen besteht darin, jedes Kind bzw. seine Eltern individuell zu beraten, die Betroffenen optimal zu fördern und ggf. eine störungsspezifische Therapie (z. B. eine spezielle Sprachtherapie oder ein frühpädagogisches Förderprogramm) einleiten zu können.

    Therapiemöglichkeiten

    Für die Spezifische Sprachentwicklungsstörung gibt es keine Behandlung, die die Ursachen heilen kann. Im Rahmen individuell abgestimmter Therapiemaßnahmen können jedoch sprachliche Symptome und Defizite abgeschwächt und Kompensationsstrategien erlernt werden.

    Dazu gehören z. B.:

    Gezielte Sprachförderung ab dem Kleinkindalter (Frühförderung)

    Intensive Sprachtherapie (Logopädie)

    Ergotherapie (Förderung von Wahrnehmung, Merkfähigkeit, Handlungsplanung, psychischer Stabilität, Geschicklichkeit u.a.)

    Sprachfördernde Begleitung durch die Eltern

    Eine ausführliche Beratung der Eltern ist sehr wichtig, damit sie lernen, mit der Sprachentwicklungsstörung ihres Kindes umzugehen und ihr Kind gezielt im Alltag zu fördern.

    Auch wenn die Diagnose einer Sprachentwicklungsstörung nach der derzeitigen Lehrmeinung erst ab dem Alter von 4 Jahren sicher gestellt werden kann, sollten notwendige Therapien möglichst früh beginnen. Eine frühe Sprachtherapie in Verdachtsfällen, z. B. bereits im 2. und 3. Lebensjahr, kann die sprachlichen Leistungen des Kindes nachweisbar verbessern und mögliche psychosoziale Folgen der Störung mildern (Dannenbauer 2001, 2002).

    Prognose

    Obwohl die meisten betroffenen Kinder im Jugendalter von Außenstehenden als unauffällig wahrgenommen werden, bestehen weiterhin sprachliche Defizite wie z.B. eine nichtflüssige Sprache, Mehrfachansätze beim Erklären, Wortfindungsprobleme und ein eingeschränktes Verständnis von komplexeren Texten und Diskussionen (Dannenbauer 2002). Insbesondere wenn die Jugendlichen und jungen Erwachsenen Aufgaben bewältigen müssen, die von der täglichen Routine abweichen, zeigt sich das tatsächliche Ausmaß der sprachlichen Defizite (Schöler et al. 1998 zit. nach Dannenbauer 2002).

    „Es wäre illusionär, zu erwarten, dass sich spezifische Sprachentwicklungsstörungen einfach auswachsen‘" (Dannenbauer 2002). Man muss vielmehr damit rechnen, dass sich die spezifischen Sprachentwicklungsstörungen im Erwachsenenalter in unterschiedlichem Ausmaß fortsetzen werden.

    Literatur

    AWMF-Leitlinie „Diagnostik von Sprachentwicklungsstörungen (SES), unter Berücksichtigung umschriebener Sprachentwicklungsstörungen (USES), AWMF-Register-Nr. 049/006 vom 16. 12. 2016, https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/049-006l_S2k_Sprachentwicklungsstoerungen_Diagnostik_2013-06-abgelaufen_01.pdf, (Stand: 24. 9. 2020)

    Dannenbauer F. M. (2001): Chancen der Frühintervention bei spezifischer Sprachentwicklungsstörung. Die Sprachheilarbeit Jg. 46, 103-111

    Dannenbauer F. M. (2002): Spezifische Sprachentwicklungsstörung im Jugendalter. Die Sprachheilarbeit Jg. 47, 10-17

    Deutscher Bundesverband für Logopädie e. V. (dbl), https:/www.dbl-ev.de/logopaedie/stoerungen-bei-kindern/stoerungsbereiche/sprache/sprach-entwicklungsstoerungen (Zugriff: 24. 9. 2020)

    Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), https:/www.gesundheitsinformation.de/umschriebeneentwicklungsstoerungen-in-der.2666.de.print?all_backgrounds=0&all_details=0&all_lexicon, erstellt am 4. Dezember 2019

    Schöler H., Fromm W., Kany W. (1998): Spezifische Sprachentwicklungsstörung und Sprachlernen. Heidelberg: Edition Schindele

    2 Was ist eine Auditive Verarbeitungs- und

    Wahrnehmungsstörung (AVWS)?

    Die Abgrenzung zwischen einer Auditiven Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung (AVWS) und einer Sprachentwicklungsstörung ist schwierig. „Es ist unklar, ob AVWS Teil einer Sprachentwicklungsstörung sind oder ein eigenständiges Störungsbild darstellen. Oft werden sie erst im Verlauf einer Sprachentwicklungsstörung bemerkt." (Bundesverband für Logopädie e.V., Homepage)

    Definition

    Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen (AVWS) sind Störungen der Verarbeitung und Wahrnehmung gehörter Informationen (z. B. Laute, Silben, Wörter). Dabei sind zentrale Prozesse des Hörens gestört. Das Hörorgan selbst funktioniert normal. Das heißt: „Menschen mit AVWS hören normal, verstehen aber das, was sie hören, nicht richtig oder anders." (BBW Leipzig, Leben mit AVWS).

    Man unterscheidet zwei Formen:

    Bei der spezifischen AVWS ist lediglich die Verarbeitung und Wahrnehmung von gehörten Informationen beeinträchtigt. Dies ist bei 2 – 3 % der betroffenen Kinder der Fall.

    Bei der unspezifischen Form ist die AVWS mit anderen Störungen kombiniert, z. B. mit Aufmerksamkeitsstörungen, Sprachentwicklungsstörungen, Lese-Rechtschreib-Störungen oder Beeinträchtigungen des Kurzzeitgedächtnisses. Diese Störungen müssen im Rahmen der Diagnostik ebenfalls untersucht werden. Nur wenn die

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