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Vor dem großen Knall
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eBook187 Seiten2 Stunden

Vor dem großen Knall

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Über dieses E-Book

An Svalas Schule wird für ein grosses Theaterprojekt geprobt, das schwedische und ausländische Schüler zusammenführen soll. Doch mit dem Beginn der Proben geschieht eine Reihe gefährlicher Sabotageakte: Ein Brand im Probenraum und verschiedene Unfälle. Wer steckt dahinter? Eigentlich müsste Svala für die Abschlussprüfung lernen, doch mit viel Mut und Geschickt beginnt sie der Spur der Täter zu folgen. Dabei bringt sie sich immer wieder selbst in Gefahr - Dieser schwedische Krimi hält seine Spannung bis zum Ende aufrecht und thematisiert auf begabte Weise unterschiedliche Problematiken, die auch an Schulen im deutschsprachigen Raum zu finden sind.
SpracheDeutsch
HerausgeberSAGA Egmont
Erscheinungsdatum15. Jan. 2016
ISBN9788711465783
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    Buchvorschau

    Vor dem großen Knall - Emma Vall

    Vall

    Feuer

    Der Geruch von Schweiß und Staub zog durch die Luft. Beim genaueren Hinschauen konnte man erkennen, wie sich die Ringe im Luftzug leicht bewegten. Die Sprossenwand warf gestreifte Schatten an die Wand. An der aufgestellten Gummimatte hockte eine Person, deren Rücken durch das lange Anlehnen feucht geworden war. Wenn die Turnhalle leer war, schien die Zeit stillzustehen. Doch die Morgendämmerung wich allmählich einem neuen Tag, und wenn bald der Schultag begann, würde alles immer noch genauso hoffnungslos sein wie zuvor. Länger sitzen zu bleiben war unmöglich. Die Gummisohlen quietschten, als sich die Füße gegen den Boden stemmten und sich der steife Körper mühsam hochhievte. Unter dem Basketballkorb lagen zu kleinen Bällen zerknüllte Papiere. Wichtige Schreiben von der Rektorin. Zum Brüllen. Worte ohne Inhalt und Bedeutung.

    Die Schuhe hinterließen schwarze Striche auf dem Boden, um den der Sportlehrer solche Angst hatte. Die neue Regelung würde zur Folge haben, dass noch viel mehr solcher Striche den Turnhallenboden verunstalteten. Aber das schien niemanden zu kümmern.

    Warum nicht das Unvermeidliche beschleunigen? Alle aufrütteln, sie wecken, nicht feige ausweichen. Der Schweiß auf dem Rücken wurde kühl. Steife Finger und rote Hände sammelten das zusammengeknüllte Papier auf. Es könnte bald heiß werden hier, unerträglich heiß. In den Umkleideräumen stand eine Kiste mit liegen gebliebenen Kleidungsstücken, die zusammen mit dem Papier gut brennen würden.

    Das war nur eine erste Warnung. Ein schwelendes Anzeichen von Unzufriedenheit.

    Die Clique aus Dalen

    Svala rannte über die Straße in Richtung Schulhof. Als sie noch bei ihrem Bruder Pétur im Malmgårdsvägen gelebt und jeden Morgen die U-Bahn genommen hatte, war es ihr leichter gefallen, pünktlich zu sein. Jetzt, seit sie um die Ecke wohnte, kam sie fast immer erst auf den letzten Drücker.

    Nesima und ihre Clique schlenderten über den Handelsvägen. Sie schienen alle Zeit der Welt zu haben. Hasim kickte seine Zigarette in Svalas Richtung. Seit Anfang der neunten Klasse waren dies ihre neuen Mitschüler. Svala wusste, dass sie sich Mühe geben sollte, sie zu mögen, aber das tat sie nicht. Birgitta Knapp, die neue Rektorin, hatte die Idee gehabt, dass die Jugendlichen aus Enskede-Dalen mit den Jugendlichen in Alt-Enskede zusammen unterrichtet werden sollten. Integration nannte sie das und hatte trotz aller Proteste rund dreißig Schülerinnen und Schüler aus der Dalen-Siedlung in die Enskede-Schule aufgenommen.

    Zu Péturs Schulzeit waren diejenigen Schüler, die nicht schwedisch aussahen oder ungewöhnliche Namen hatten, fast alle Adoptivkinder gewesen. Svala musste an Lisa denken, die ihren chilenischen Namen absolut nicht benutzen wollte. Es gab auch ein paar, deren Eltern Einwanderer waren, aus Ungarn oder Italien, und deren Familien schon lange in Schweden lebten. Und dann gab es natürlich Svala und Pétur selbst, mit ihrer isländischen Mutter Aisa. Aber Einwanderer aus den anderen skandinavischen Ländern wurden sowieso als Schweden angesehen, hatte Svala festgestellt. Wären ihre Eltern aus der Türkei oder dem Iran hergekommen, hätte sie größere Schwierigkeiten gehabt.

    Sie wusste, dass sie sich bemühen sollte, Nesima, Hasim und die anderen näher kennenzulernen, jedenfalls bis zum Ende des Schuljahres halbwegs mit ihnen klarzukommen. Aber sie ging ihnen aus dem Weg. Wenn sie ehrlich war, hatten ihr in der letzten Zeit manche Situationen in der Schule Angst gemacht. Hass lag in der Luft.

    In ihrem neuen Zimmer unter dem Dachfirst im Stora-Gungans-Väg, wo nur ein Bett, ein kleiner Schreibtisch und ein großer, alter dunkelroter Samtsessel Platz fanden, hatte sie ein Zitat an die Wand gepinnt. Es stammte von Nietzsche: »Wer einst den Blitz zu zünden hat, muss lange Wolke sein!«

    Im letzten Sommerhalbjahr hatte sie sich beinahe wie ein Blitz gefühlt. Als sie nach der Scheidung ihrer Eltern mit Pétur zusammenwohnte und nach ein paar Anfangsschwierigkeiten gut allein zurechtgekommen war. Damals hatte sie das Wolkenhafte eine Zeit lang hinter sich gelassen und war sie selbst gewesen.

    Jetzt bin ich wieder eine Wolke, dachte Svala, eine kleine, wollige Wolke, die keiner sieht. Sie hatte zumindest eine Ahnung davon, was es hieß, als Blitz einzuschlagen. Sie wusste, wonach sie sich sehnte.

    Heute ging sie voller Vorfreude zur ersten Stunde. Ihr Englischlehrer Satya Dipraborty, genannt Dip, kam aus Indien. Er war schwer in Ordnung. Vor einem Jahr war er neu an ihre Schule gekommen, voller Engagement und mit unzähligen Plänen. Svala freute sich über die Anmerkungen, die er ihr unter ihre Englischaufsätze schrieb. Unter ihren Schwedischaufsätzen standen immer nur herablassende Kommentare, dass sie nichts als Teenagergeschwätz zu Papier brächte. Dip dagegen nahm ihre Texte ernst. Endlich bekam sie auch in Englisch eine Eins.

    Mama war von der Idee der neuen Rektorin natürlich begeistert gewesen: »Endlich lässt sich diese verstaubte Schule mal was Sinnvolles einfallen«, hatte Aisa gesagt, als Svala ihr von den neuen Mitschülern erzählt hatte. Svala hatte ihr gegenüber bisher kein Wort darüber verloren, wie anstrengend sie die Neuen fand. Sie schämte sich für diese Gefühle.

    Andererseits hatte sie Aisas psychologische Erklärungen satt. Es nervte sie total, dass sich Nesima im Klassenzimmer ständig unterhielt, dass Fatimah immer so sauer guckte, Sozan so frech war, Hasim so selbstherrlich und Ali so faul. Die Integration, von der die Rektorin geträumt hatte, fand nicht statt. Stattdessen bildeten die Dalener eine feste Gruppe. Auf dem Schulhof passierten eine Menge Dinge, von denen die Lehrer keine Ahnung hatten.

    Svala ging nun langsamer, um hinter Nesima, Hasim und den anderen zurückzubleiben. Sie wollte nicht mit anhören, wie man ihr »Scheißschwedennutte« hinterherrief. Einmal hatte sie zurückgeschrien – mit der Folge, dass die Dalener ihr danach bei jeder Begegnung den Finger zeigten und sie als Rassistin beschimpften.

    Svala spürte, wie die Wut in ihr hochstieg, und rannte impulsiv an der Clique vorbei auf den Schulhof, um rechtzeitig zum Unterricht zu kommen und sich nicht mit ihnen durch das Gedränge im Treppenhaus schieben zu müssen.

    Nach Englisch war Schwedisch an der Reihe. Britt Magnell stand am Pult und trommelte nervös mit den Fingern auf die Tischplatte. Die Lehrerin verabscheute, dass die Ordnung, die sie in der Klasse durchgesetzt hatte, von den lauten neuen Schülern zerstört wurde, denen die festen Regeln, die in ihrer Stunde herrschten, egal waren. Eine kleine Gruppe von Lehrern hatte an der Schule lange den Ton angegeben. Das war allgemein bekannt. Neben Britt Magnell gehörte der Französischlehrer Magnus Smedjegård dazu, der mit seiner Ironie und seinen fiesen Tests die Schüler in Angst und Schrecken versetzte, und außerdem der Mathematiklehrer Göran Svanberg, der den Schülerinnen nie in die Augen sah, sondern nur auf die Brüste.

    Svala hatte Aisa nie von alldem erzählt. Eltern wollten nicht an ihre Schulzeit erinnert werden. Sie wollten die Schrecken von damals vergessen, sie wollten nicht wissen, wie die Lehrer ihre Macht ausnutzten, sobald sich die Tür zum Klassenraum schloss. Beim Elternabend saßen Lehrer und Eltern lächelnd da und taten so, als wäre alles in bester Ordnung. Mit Aisa war es genauso.

    Seit sie aus Island zurückgekehrt war, um sich um Svala zu kümmern, hatte sich vieles verändert, doch längst nicht so, wie Svala gedacht hatte. Dies war ihr letztes Schuljahr auf der Gesamtschule und Aisa nervte sie die ganze Zeit damit, wie wichtig es war, dass Svala gute Noten bekam, um aufs Gymnasium wechseln zu können. Aber seit Svala letzten Winter allein mit Pétur zusammengewohnt hatte, war sie daran gewöhnt, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln. Damals waren Aisa und auch Jan, Svalas und Péturs Vater, weggezogen, um sich selbst zu verwirklichen.

    Svala ging jetzt ihre eigenen Wege, obwohl es ihr das Leben hätte leichter machen können, dass sich Aisa nach ihrer Rückkehr wieder um alles kümmerte. Aber Svala hatte beschlossen, nicht wieder zum Kind zu mutieren. Aisa war erstaunt, dass Svala Wäsche wusch, sauber machte und Essen kochte. Auf diese Weise konnte Svala gut ihre Selbstständigkeit unter Beweis stellen.


    »Diese Schwedischstunde fällt aus, stattdessen sollen sich alle Schüler von der siebten bis zur neunten Klasse in der Schulkantine versammeln. Rektorin Birgitta Knapp wird über ein neues Projekt informieren, mit dem dieses Schuljahr abgeschlossen wird.« Britt Magnell verzog angewidert die Lippen.

    Matilda imitierte die verhasste Lehrerin, indem sie Svala mit gespitzten Lippen anguckte. Svala kicherte.

    »Gleich kommt es«, flüsterte sie.

    Magnell wandte sich wieder an die Klasse.

    »Bevor ich gehe, möchte ich euch daran erinnern, dass dies euer letztes Schuljahr auf der Gesamtschule ist. Die meisten von euch können es sich nicht leisten, einen Gang herunterzuschalten, nur weil es langsam auf die Ferien zugeht. Das Schuljahr dauert noch einen ganzen Monat und eure Noten stehen noch lange nicht fest.«

    Svala und Matilda wechselten einen Blick.

    »Dumme Kuh«, murmelte Hasim hinter ihnen.

    Doch seine Worte gingen in dem Lärm unter, mit dem die Schüler aus dem Klassenzimmer stürmten. Svala und Matilda schlenderten langsam über den Schulhof zur Kantine.

    »Hast du dich schon für ein Gymnasium entschieden?« Matilda warf einen besorgten Blick auf Svala, die mit dem Kopf schüttelte.

    »Und du?«

    »Nee, meine Eltern wollen, dass ich aufs naturwissenschaftliche gehe, aber das ist was für verdammte Streber. Markus nimmt den Schwerpunkt Gesellschaftskunde. Meinst du, das wär was für mich?«

    Svala gab keine Antwort, ihr hing das Thema Markus zum Hals raus. Sie vermisste die frühere Vertrautheit mit Matilda.

    Sie quetschten sich mit an einen Tisch, an dem es noch freie Stühle gab. Im ohrenbetäubenden Stimmengewirr, das die Kantine erfüllte, rang Birgitta Knapp vergeblich um Aufmerksamkeit. Schließlich erhob sich Ville Hedlund, der Hausmeister, und pfiff so laut durch die Finger, dass es einem die Gehörgänge freiputzte. Es wurde schlagartig still.

    »Danke. Wie allgemein bekannt ist, hatten wir im letzten Schuljahr Probleme mit Sachbeschädigung und Mobbing. Aber wir unternehmen alles, um ein Schulleben zu verwirklichen, auf das wir stolz sein können. Damit wir einander besser kennenlernen, auch über die ›Klassengrenzen‹ hinweg sozusagen, sind uns Gelder für ein spannendes Projekt bewilligt worden. In den Wochen bis zu den Sommerferien widmen wir uns dem Theater. Manche Unterrichtsstunden fallen aus, damit in der Turnhalle geprobt und Schauspielunterricht gegeben werden kann. Wir werden mit Szenen aus Shakespeares ›Romeo und Julia‹ arbeiten. Katja Kallin wird das Projekt leiten. Sie inszeniert gleichzeitig ›Romeo und Julia‹ in einem Zirkuszelt im Margaretapark; auch hier werden Schüler und Lehrer unserer Schule mitarbeiten. In meinen Augen ist dies eine große Chance für uns alle, negative Denkmuster zu überwinden und eine offene Atmosphäre an unserer Schule zu erzeugen. Ergreift sie, im Interesse von uns allen.«

    Svala schnappte nach Luft. Katja Kallin! Katja, die Svala im letzten Jahr auf Tynningö kennengelernt hatte. Sie lehnte sich auf dem unbequemen Stuhl zurück. Vielleicht würden die letzten Monate auf der Enskede-Schule sogar ganz erträglich werden. Svala interessierte sich fürs Theaterspielen und Katja war total nett.

    Plötzlich unterbrach das Geheul des Feueralarms die Rede der Rektorin. Die Schüler sahen sich teilnahmslos an und zeigten keinerlei Reaktion. Es kam gelegentlich vor, dass der Feuermelder losging, aber das war fast immer falscher Alarm oder eine Übung. Nur hin und wieder brannte ein Papierkorb. Aber jetzt trieben die Lehrer sie bis auf den Schulhof. Hier draußen wurde das Geheul immer unerträglicher. Matilda und Svala ließen sich auf dem Asphalt nieder, während um sie herum die Lehrer versuchten, die Schüler im Klassenverband zu sammeln.

    »Das mit dem Theater klingt super!«

    Matilda guckte Svala desinteressiert an. »Nee, find ich nicht. Ist doch eher peinlich.«

    Svala lehnte sich zurück. Auf die Arme gestützt, sah sie zum Himmel hoch. Als jemand aufschrie, zuckte sie zusammen.

    »Aus der Turnhalle kommt Rauch! Es brennt!«

    Im selben Moment waren Sirenen zu hören und die Feuerwehr brauste auf den Schulhof. Alle Schüler und Schülerinnen sammelten sich in Gruppen vor der Turnhalle und starrten mit offenen Mündern auf das Spektakel.

    »Das ist ja ein richtig guter Tag heute!« Svala hörte Nesimas hämische Stimme hinter sich. Die übrige Clique lachte. Dann zogen sie ab.

    »Shit, ich hab sie so satt, diese Haltung.« Matilda sah ihnen zornig hinterher. Doch dann grinste sie und fügte hinzu: »Aber wenn man es genau bedenkt, hat sie ja recht: Wer hat schon was gegen eine abgefackelte Turnhalle?«

    Doch das Feuer war bald gelöscht und der Schultag ging weiter wie üblich. Auf dem Weg in den

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