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Die Ansiedler in Kanada
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eBook358 Seiten4 Stunden

Die Ansiedler in Kanada

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Über dieses E-Book

Im Jahre 1794 schickt sich die englische Familie Campbell, die in der Heimat Not und Unglück zu leiden hat, zur Niederlassung in Kanada an. Vor dem Hintergrund der kanadischen Wildnis bauen sich die Campbells in der Neuen Welt eine neue Existenz auf. In ihrer neuen Heimat in Ontario haben sie eine Reihe von Schwierigkeiten zu bewältigen und viele Abenteuer durchzustehen, bis sie sich in der Fremde etabliert haben und sie zu ihrem neuen Zuhause geworden ist. Eine spannende Lesefreude für Jung und Alt und ein sehr interessantes und lesenswertes Dokument über die Siedlergeschichte in Kanada, das den Vergleich mit einem literarischen Meisterwerk wie James Fenimore Coopers Lederstrumpf-Roman "Die Ansiedler" nicht zu scheuen braucht!-
SpracheDeutsch
HerausgeberSAGA Egmont
Erscheinungsdatum25. Dez. 2015
ISBN9788711447703
Die Ansiedler in Kanada
Autor

Frederick Marryat

Frederick Marryat (1792-1848) was an English naval officer and novelist. Born in London, Marryat was raised in a prominent merchant family by Joseph Marryat, a member of Parliament, and his American wife Charlotte. He joined the Royal Navy in 1806 as a midshipman on the HMS Imperieuse, serving under Lord Cochrane. Throughout his naval career, he served on several ships and was present at battles against the French fleet off the coast of Spain. On the HMS Spartan, he fought in the War of 1812 and participated in raids on New England. After the war, he worked as an inventor and artist, patenting a new lifeboat and making a famous sketch of Napoleon on his deathbed in Saint Helena. He retired from the Royal Navy in 1830 to pursue a career as a professional writer, producing nautical novels and finding success with Mr. Midshipman Easy (1836). He frequently based his stories on his own experiences and earned a reputation as a member of Charles Dickens’ influential literary circle. His novels of adventure on the high seas would inspire countless storytellers, including Mark Twain, Ernest Hemingway, and Joseph Conrad.

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    Buchvorschau

    Die Ansiedler in Kanada - Frederick Marryat

    Saga

    I.

    Es war im Jahre 1794, als eine englische Familie sich zur Niederlassung in Kanada anschickte. Diese Provinz war uns von den Franzosen abgetreten, welche sie seit 30 Jahre kolonisierten. Eine Ansiedlung in Kanada war zu jener Zeit eine andere Sache, als in unseren Tagen. Die Transportschwierigkeiten und die damit verknüpften Gefahren waren bedeutend, denn noch hatte man keine Dampfschiffe, um gegen den Strom der Flüsse zu fahren und gegen die Stromschnellen anzukämpfen; noch hatten die Indianer ganze Teile von Kanada inne; wilde Tiere verheerten das Land; Europäer waren in geringerer Zahl vertreten, deren größerer Teil aus Franzosen bestand, die mißvergnügt darüber waren, daß die Engländer das Land erobert hatten. Eine Anzahl englischer Kolonisten war bereits eingetroffen und hatte sich auf verschiedenen Farmen niedergelassen, doch da die französischen Ansiedler die besten Landstriche Unterkanadas besaßen, sahen sich die neuen Ankömmlinge genötigt, nach Oberkanada zu gehen; dort war der Boden zwar besser, allein die Entfernung von Quebec und Montreal eine so beträchtliche, daß sie, ganz auf Selbsthilfe angewiesen, fast ohne Schutz dastanden.

    Mr. Campbell war von gutem Herkommen, doch da sein Vater — als Sproß eines jüngeren Zweiges der Familie — nicht reich war, wurde Mr. Campbell für den Beruf eines Wundarztes erzogen. Nachdem er die Hospitäler absolviert, ließ er sich selbständig nieder und galt schon nach wenigen Jahren für einen in seinem Fache besonders tüchtigen Mann. Seine Praxis wuchs und noch vor dem dreißigsten Jahre verheiratete er sich. Er besaß eine Schwester, die nach dem Tode beider Eltern bei ihm lebte. Etwa fünf Jahre nach seiner eigenen Verheiratung bewarb sich ein junger Mann um sie, der zwar nicht reich war, aber wegen seines tadellosen Charakters und guter Aussichten ihr Jawort erhielt. Miß Campbell vertauschte ihren Namen mit dem einer Mrs. Percival und verließ das Haus ihres Bruders, um ihrem Gatten zu folgen. Schnell schwand die Zeit und nach Verlauf von zehn Jahren sah sich Mr. Campbell als vielbeschäftigter Arzt und als Haupt einer größeren Familie, denn seine Frau hatte ihn mit vier Knaben beschenkt, von denen der jüngste erst wenige Monate zählte.

    Obwohl so glücklich in den eigenen Verhältnissen, wurde Mr. Campbell von einem harten Schlage betroffen. Es war der Verlust seiner Schwester Mrs. Percival, an der er innig gehangen hatte. Ihr Tod war von Umständen begleitet, die ihn um so trauriger erscheinen ließen, denn vor ihrem Hinscheiden fallierte das Geschäft, dessen Teilhaber ihr Mann gewesen war; letzterer verfiel infolge vieler Arbeit und Sorgen in ein heftiges Fieber, das mit seinem Tode endigte. In tiefster Trauer wurde die Witwe, die ihre zweite Entbindung erwartete, mit ihrem ersten Kinde, einem zweijährigen Mädchen, in das Haus ihres Bruders gebracht, der mit seiner Gattin sein möglichstes tat, um sie zu trösten. Doch sie hatte durch den Verlust ihres Mannes zu schwer gelitten, ihre Kräfte waren erschöpft, und sie starb bald darauf, nachdem sie einer zweiten Tochter das Leben geschenkt. Mr. und Mrs. Campbell nahmen die beiden Waisen in ihre Obhut und erzogen sie mit den eigenen Kindern.

    So lagen die Dinge, als ein unerwartetes, aber willkommenes Ereignis eintrat.

    Mr. Campbell war von seinen ärztlichen Besuchen heimgekehrt und saß nach dem Mittagessen im Kreise seiner Familie. Man hatte nach der Kinderfrau geklingelt, damit sie die beiden kleinen Mädchen und den jüngsten Knaben herunterbringen sollte, als der Postbote anklopfte und einen Brief mit einem großen schwarzen Siegel überbrachte.

    Mr. Campbell öffnete ihn und las folgendes:

    Mein Herr!

    Wir beehren uns Ihnen mitzuteilen, daß nach dem am 19ten vergangenen Monats erfolgten Ableben Mr. Sholto Campbells auf Wexton-Hall in Cumberland die von demselben hinterlassenen Güter an Sie als den nächsten des Geschlechtes gefallen sind, da man von dem ursprünglichen Erben seit zwanzig Jahren nichts gehört hat. Derselbe ist mutmaßlich zur See oder in Ostindien umgekommen. Wir bitten demnach, Sie als die ersten zur Erlangung eines Einkommens von 14 000 Lstr. jährlich beglückwünschen zu dürfen. Ein Testament ist nicht gefunden worden, und man hat sich vergewissert, daß ein solches von dem verstorbenen Mr. Sholto Campbell niemals gemacht worden ist. Wir haben daher den persönlichen Nachlaß versiegelt und erwarten Ihre Bestimmungen. Noch fügen wir hinzu, daß, falls Sie geschäftlichen Rat bedürfen und mit solchem nicht bereits versehen sein sollten, Sie nur zu gebieten haben über Ihre

    gehorsamsten Diener

    Harvey, Paxton und Co.

    „Was hast du nur, mein Lieber?" rief Mrs. Campbell, die in ihres Gatten Miene die ungewöhnliche Erregung bemerkt hatte.

    Mr. Campbell antwortete nicht, sondern reichte seiner Frau den Brief.

    Mrs. Campbell las ihn und legte ihn auf den Tisch. „Nun, meine Liebe?" fragte Mr. Campbell.

    „Ein unerwartetes Ereignis! versetzte Mrs. Campbell bedachtsam. „Oft habe ich daran gedacht, daß wir dem Unglücke gegenüber gewappnet sein müßten. Ich hoffe zu Gott, daß wir ebenso gut gerüstet sind, das Glück zu empfangen — die bei weitem schwerere Aufgabe, mein lieber Campbell.

    „Du hast recht, Emilie, erwiderte Campbell, „wir sind glücklich und waren es schon lange.

    „Dieser Reichtum kann unser Glück nicht vermehren, lieber Mann; ich weiß, er wird nur unsere Sorgen vergrößern; doch laß uns ihn, in der Hoffnung, das Glück anderer damit fördern zu können, mit Dankbarkeit empfangen."

    „Sehr richtig, Emilie; wir müssen unsere Pflicht im Leben auf dem Platze tun, auf den Gott uns gestellt hat. Bisher durfte ich meinen Mitmenschen in meinem Berufe nützen, und wenn ich künftig nicht mehr mein warmes Bett verlasse, um ihre Leiden zu lindern, so werde ich die Mittel besitzen, ihnen in anderer Weise zu helfen. Wir dürfen uns nur als Diener dessen ansehen, der uns diesen Reichtum geschenkt hat!"

    „Nun spricht mein Gatte, wie ich es von ihm voraussetzte, rief Mrs. Campbell und erhob sich, ihn zu umarmen. „Wer so wie du empfindet, kann niemals zu reich sein.

    Mr. Campbell nahm Wexton Hall in Besitz und lebte dort in einer Weise fort, die seinem vermehrten Einkommen entsprach; er ließ keine Gelegenheit vorübergehen, Gutes zu tun, wobei seine Frau ihn bereitwillig unterstützte. Mrs. und Mr. Campbell wurden schon nach drei bis vier Jahren als ein Segen für die Gegend angesehen, denn sie förderten die Gewerbe, unterstützten die Bedürftigen, trösteten die Unglücklichen, errichteten Armenhäuser und Schulen, sie taten, was in ihrer Macht stand, um Wohlstand und Glück aller derer zu sichern, die im Umkreise vieler Meilen von Wexton Hall lebten. Als Mr. Campbell das Gut übernahm, befand es sich in vernachlässigtem Zustande und es mußten große Summen hineingesteckt werden, wodurch der Wert des Gutes sehr erhöht wurde.

    Auf diese Art wurde Mr. Campbells großes Einkommen nützlich und vorteilhaft verwandt. Natürlich änderten sich mit dem Wechsel der Vermögenslage auch die Zukunftspläne für seine Kinder. Henry, der Älteste, der für den Beruf seines Vaters bestimmt gewesen war, wurde einem Privatlehrer übergeben und später auf das Kolleg geschickt. Alfred, der zweite Knabe, hatte sich zum Seemanne entschieden und war an Bord einer Fregatte gegangen. Die beiden jüngsten Knaben, von denen der eine, Percival, über zwei Jahre, der andere, John, erst wenige Monate alt war, als der Vater die Erbschaft antrat, blieben zu Hause und wurden von einem jungen Pfarrer unterrichtet. Für Mary und Emma Percival, die sich als hübsche und gescheite Mädchen entwickelten, wurde eine Erzieherin angestellt. Zehn Jahre befand sich Mr. Campbell bereits im Besitze des Gutes, als ihn eines Tages Mr. Harvey besuchte, der Chef jener Firma, die ihm damals seine Erbschaft angekündigt hatte. Er kam, um ihm mitzuteilen, daß jemand aufgetaucht sei, der sich für den Sohn des verstorbenen rechtmäßigen Erben ausgebe, und die Absicht hege eine Klageschrift gegen ihn einzureichen, um das Besitztum für sich zu fordern. Mr. Harvey äußerte, daß er es für seine Pflicht hielte, Mr. Campbell hiervon in Kenntnis zu setzen, er der Sache aber keinerlei Bedeutung beilege, die sich aller Wahrscheinlichkeit nach als Betrug irgend eines Winkeladvokaten herausstellen würde, der auf einen Vergleich rechnete. — Er bat Mr. Campbell, sich keinesfalls zu beunruhigen und versprach, so bald er Näheres höre, sogleich Mitteilung darüber zu machen. Da Mr. Harvey die Angelegenheit so leicht nahm, erwog auch Mr. Campbell dieselbe kaum weiter in Gedanken und erwähnte sie nicht einmal seiner Frau gegenüber.

    Doch noch waren keine drei Monate verstrichen, als er von seinem Sachverwalter einen Brief erhielt, worin dieser ihn benachrichtigte, daß die Forderung des Landgutes betrieben würde, und er ihm leider mitteilen müsse, daß die Sache schlecht aussehe. Die Gegenpartei würde Mr. Campbell zu einer beträchtlichen Zahlung nötigen. Der Sachverwalter erbat sich Verhaltungsmaßregeln, versicherte indessen von neuem, daß er das ganze nur als einen, wenn auch geschickt eingefädelten Erpressungsversuch ansehen könne.

    Mr. Campbell sandte ein Antwortschreiben, worin er seinen Anwalt zu jeder nötigen Vorsichtsmaßregel und allen damit verbundenen Kosten ermächtigte. — Obwohl jetzt selbst besorgt, beschloß er nach reiflicher Überlegung seiner Frau nichts davon zu sagen. Er fürchtete sie zu beunruhigen und hielt es für das beste, sie noch in Unwissenheit zu lassen.

    II.

    Nach Verlauf einiger Monate wandte sich Mr. Harvey an Mr. Campbell, um zu melden, daß der Anspruch der Gegenpartei, weit entfernt davon, betrügerisch zu sein, wie er es angenommen, so klar wäre, daß er die schlimmsten Ergebnisse befürchte. Es stelle sich heraus, daß jener Erbe Mr. Campbells Rechten voranstand, sich in Indien verheiratet und dort verstorben sei; auch sei der Beweis vorhanden, daß die Ehe giltig gewesen, und der jetzt auftretende Kläger sein Sohn sei. Freilich könne Mr. Campbell, wie Mr. Harvey bemerkte, die Rückerstattung des Besitztums noch für einige Zeit hinausschieben, doch werde er es wahrscheinlich übergeben müssen.

    Nach Empfang dieses Schreibens begab sich Mr. Campbell zu seiner Frau und teilte ihr mit, was seit einigen Monaten im Werke war.

    Nachdem Mrs. Campbell den Brief gelesen, versetzte sie: „Es hat den Anschein, lieber Mann, daß wir berufen wurden, ein Eigentum in Besitz zu nehmen und viele Jahre hindurch zu behalten, das einem anderen gehört. Wir werden aufgefordert, es dem rechtmäßigen Besitzer zu übergeben. Du fragst mich um meine Meinung. Jetzt, wo wir die Berechtigung der Klage erkennen, müssen wir so handeln, wie wir in gleichem Falle wünschen müßten, daß man gegen uns verführe."

    „Das heißt, meine Liebe, wir müssen das Gut ohne Prozeß übergeben. — Dies war auch mein Gedanke, als ich Mr. Harveys Brief las. Aber hart ist es, als Bettler dazustehen!"

    „Es ist hart, lieber Mann, doch ist es der Wille der Vorsehung. Wir empfingen das Besitztum in der Voraussetzung, daß es unser Eigen sei; ich hoffe, wir haben es nicht mißbraucht während der Zeit, wo es uns anvertraut war, und da es dem Himmel gefällt, es uns wieder zu nehmen, so laß uns wenigstens die Befriedigung haben, gewissenhaft und gerecht zu handeln. Für alles weitere wollen wir auf Gottes Hilfe vertrauen."

    „Ich werde Mr. Harvey mitteilen, versetzte Mr. Campbell, „daß ich zwar so lange prozessiert hätte, als die Klage für zweifelhaft angesehen werden konnte; jetzt aber, wo er mich benachrichtigt, daß mein Gegner der rechtmäßige Erbe ist, möge er das gerichtliche Verfahren einstellen, da ich willens bin, den Besitz sofort abzutreten.

    „Tue dies, mein Lieber, erwiderte seine Frau, indem sie ihn umarmte. „Wir mögen arm sein, doch ich hoffe, wir werden uns trotzdem glücklich fühlen.

    Mr. Campbell schrieb an seinen Anwalt, versiegelte den Brief und sandte einen Reitknecht damit zur Post.

    Sobald der Diener die Türe hinter sich geschlossen hatte, bedeckte Mr. Campbell sein Antlitz mit beiden Händen.

    „Es ist eine schwere Prüfung, sagte Mrs. Campbell und nahm die Hand ihres Gatten, „aber du hast deine Pflicht getan.

    „Ich sorge nicht um mich, ich denke an meine Kinder."

    „Sie müssen arbeiten, versetzte Mrs. Campbell; „die Arbeit ist das größte Glück.

    „Ja die Knaben mögen durchkommen, aber die armen Mädchen! Welcher Wechsel wird es für sie sein."

    „Ich hoffe, Campbell, sie sind nicht so schlecht erzogen, um ihn nicht mit Frohsinn zu erdulden, und hierdurch für uns beide eine Quelle des Trosts zu werden. Außerdem sind wir vielleicht doch nicht Bettler."

    „Das hängt von unserm Gegner ab. Er kann alle rückständigen Renten verlangen, in diesem Falle sind wir noch schlimmer daran als Bettler. Doch Gottes Wille wird geschehen!"

    „Es bleibt uns die Hoffnung, versetzte Mrs. Campbell in heiterem Tone, „laß uns das beste hoffen.

    „Wie wenig wissen wir, was zu unserm Besten dient, bemerkte Mr. Campbell. „Wäre dieser Grundbesitz nicht an uns gefallen, hätte ich als Wundarzt aller Wahrscheinlichkeit nach gut für meine Kinder sorgen können; jetzt macht mich jene scheinbare Wendung zum Glücke arm. Ich bin zu alt, um meinen Beruf wieder aufnehmen zu können. Du siehst, was uns und jedermann als das glücklichste Ereignis unseres Lebens dünkte, hat sich als das Gegenteil erwiesen.

    „Soweit unsere begrenzte Anschauung der Dinge uns zum Urteil befähigt, bestätige ich dies, versetzte Mrs. Campbell, „doch wer weiß, was geschehen wäre, wenn wir die Güter behalten hätten. Unserm Blicke ist alles verborgen. Er handelt, wie Er es für uns am besten hält, und wir müssen es hinnehmen ohne Murren. Komm, Liebster, laß uns ins Freie gehen; die frische Luft wird dir die heiße Stirne kühlen.

    Zwei Tage nach diesem Gespräch traf ein Brief von Mr. Harvey mit der Nachricht ein, daß er Mr. Campbells Entschluß, ohne Prozeß auf das Besitztum zu verzichten, kundgegeben habe. Die Antwort des Gegners sei höchst ehrenwert, indem jener erkläre, daß es nicht in seiner Absicht liege, irgendwelche Ansprüche auf frühere Einkünfte zu erheben, und er Wexton Hall noch ein Vierteljahr Mr. Campbell und seiner Familie zur Verfügung stelle, damit derselbe seine Dispositionen treffen, über seine Einrichtung verfügen könne, etz.

    Der Inhalt dieses Briefes erleichterte Mr. Campbells bedrücktes Gemüt, da er jetzt seine künftigen Mittel übersehen konnte. Dankbar erkannte er das ehrenwerte Verhalten des neuen Besitzers an, der keine Entschädigung für bezogene Einkünfte verlangte, wodurch Mr. Campbell in äußerste Armut versetzt worden wäre. Er schrieb an Mr. Harvey und bat um Angabe der Prozeßkosten, damit dieselben berichtigt werden könnten.

    Nach drei Tagen erhielt er die Rechnung, begleitet von einem Schreiben, worin Mr. Harvey ihm mitteilte, daß der neue Besitzer sich zu seinem großmütigen Benehmen bewogen gefühlt habe teils dadurch, daß Mr. Campbell das Eigentum so bereitwillig aufgegeben habe, sobald die Berechtigung der Klage anerkannt worden sei, teils durch die Kenntnisnahme, wie sehr sich das Gut während der zehn Jahre, die er es besessen, gehoben habe.

    Dies zu hören, war sehr befriedigend für Mr. Campbell, doch die Prozeßkosten erwiesen sich als bedeutend, denn sie beliefen sich auf mehrere Tausend Pfund.

    Mr. Campbell warf die Papiere verzweifelt auf den Tisch. „Wir sind trotzdem zu Grunde gerichtet, meine Liebe", sagte er traurig.

    „Das wollen wir nicht hoffen, versetzte Mrs. Campbell. „Wir wissen jetzt das Schlimmste und müssen es klar ins Auge fassen.

    „Es fehlen mir gegen tausend Pfund zur Bezahlung dieser Rechnung."

    „Das mag sein, erwiderte Mrs. Campbell, „aber wir haben noch die Möbel und Wagen, diese sind sicherlich weit mehr wert.

    „Doch wir haben noch andere Rechnungen zu bezahlen, das vergißt du."

    „O nein, ich habe sie alle gesammelt; sie betragen nur etwa dreihundert Pfund. Doch wir haben keine Zeit zu verlieren, Liebster, und müssen Mut zeigen."

    „Was rätst du denn, Emilie?", fragte Mr. Campbell.

    „Wir müssen jede unnötige Ausgabe vermeiden; unsere Einrichtung muß sofort aufgegeben werden. Laß morgen früh unser Dienstpersonal kommen und teile ihm mit, was geschehen ist. Heute abend werde ich es den beiden Mädchen und Miß Paterson sagen, die natürlich entlassen werden muß, da wir nicht länger eine Gouvernante halten können. Wir müssen uns auf die Köchin, das Hausmädchen, den Diener und einen Stallknecht beschränken, der nach den Pferden sieht, bis diese verkauft sind. Schreibe an Mr. Bates, den Auktionator und kündige ihm den Verkauf unseres Mobiliars an. Ferner mußt du an Henry schreiben; er kann nicht länger auf dem Kolleg bleiben. Wir haben Zeit, unsere Zukunftspläne zu überlegen."

    Dieser verständige Rat fand Mr. Campbells Billigung. Miß Paterson war sehr betrübt, als Mrs. Campbell ihr die Nachricht mitteilte. Mary und Emma bemitleideten auf’s tiefste ihre gütigen Pflegeeltern, ohne an sich zu denken. Sobald sie erfuhren, was geschehen, eilten beide zu Mr. Campbell, fielen ihm um den Hals und erklärten, daß sie alles tun würden, was in ihrer Macht stände, um ihn glücklich zu machen und daß sie, wenn es nötig wäre, vom Morgen bis in die Nacht für ihn arbeiten wollten.

    Am folgenden Tage wurde die Dienerschaft im Eßzimmer versammelt und durch Mr. Campbell von dem Geschehenen und der Notwendigkeit ihrer sofortigen Entlassung in Kenntnis gesetzt. Ihr Lohn wurde allen ausbezahlt, bevor sie das Zimmer verließen, was unter vielen Kundgebungen des Bedauerns geschah. Miß Paterson erbat die Erlaubnis, noch einige Tage als Freundin im Hause bleiben zu dürfen.

    „Gott sei Dank, dies ist vorüber, rief Mrs. Campbell, nachdem das Personal entlassen war. „Es ist mir eine wahre Erleichterung.

    „Onkel, hier ist ein Brief von Alfred, sagte Emma ins Zimmer tretend. „Er ist in Portsmouth eingetroffen und schreibt, daß der Befehl gekommen sei, das Schiff sofort abzulohnen. Sein Kapitän ist für ein Schiff mit fünfzig Geschützen bestimmt und beabsichtigt, ihn mitzunehmen. Er denkt in wenigen Tagen hier zu sein und —

    „Und was, mein Kind?" fragte Mrs. Campbell.

    „Er meint, daß seine Zeit kurz bemessen ist, doch hofft er, ihr werdet nichts dagegen haben, wenn er zwei seiner Kameraden mitbringt."

    „Armer Junge, wie leid tut es mir, daß er enttäuscht wird, versetzte Mr. Campbell. „Du mußt ihm schreiben Emma, und ihm mitteilen, was geschehen ist.

    „Ich muß ihm schreiben, Onkel?"

    „Ja, liebe Emma, schreibe du es ihm, entgegnete Mrs. Campbell. „Onkel und ich haben jetzt viel zu besorgen.

    „Wenn du es wünschest, werde ich es tun", sagte Emma, deren Augen sich mit Tränen füllten.

    „Mr. Bates, der Auktionator, wünscht Sie zu sprechen, Sir", meldete der Diener.

    „Laß ihn hereinkommen", befahl Mr. Campbell.

    Mr. Bates, der Auktionator, erschien und übergab einen Brief; man nötigte ihn Platz zu nehmen, während er das Schreiben las. Dasselbe war von Mr. Douglas Campbell, dem neuen Besitzer des Gutes, an Mr. Bates gerichtet, der gebeten wurde, bei Mr. Campbell anzufragen, ob er gewillt sei, die Hauseinrichtung nach dem Taxwerte zu verkaufen. Wenn dies der Fall sei, so ersuche er Mr. Bates, den Wert in freigebiger Weise zu bestimmen und für ihn in Rechnung zu stellen."

    „Dies ist sehr schätzenswert von Mr. Douglas, bemerkte Mrs. Campbell. „Sicherlich hast du nichts dagegen, lieber Mann.

    „Durchaus nichts; übermitteln Sie Mr. Douglas meinen besten Dank für seine Güte, und wenn Sie, Mr. Bates, bereits morgen oder übermorgen die Sachen taxieren könnten, so würde es mir besonders angenehm sein."

    „Es soll geschehen, Sir", erwiderte Mr. Bates, indem er sich verabschiedete.

    Sobald die Abschätzung beendigt, war Mr. Campbell imstande, einen Überschlag von dem zu machen, was ihm verblieb; es stellte sich heraus, daß sich die ganze Summe auf 1700 bis 1800 Pfund belief.

    III.

    Es mag seltsam erscheinen, daß Mr. Campbell, nachdem er zehn Jahre lang im Besitz des Gutes gewesen war, keine größere Summe erspart hatte. Indessen findet dieser Umstand volle Erklärung. Erstens war das Gut in schlechtem Zustande, als Mr. Campbell es übernahm, er benutzte daher einen großen Teil seines Einkommens, um es zu verbessern; zweitens hatte er eine beträchtliche Summe zur Errichtung von Armenhäusern und Schulen verwandt, gute Werke, die er nicht aufschieben mochte, da er sie als religiöse Pflichten ansah. Die Folge davon war, daß er erst ein Jahr, bevor der Anspruch auf das Gut geltend gemacht wurde, angefangen hatte, für seine jüngeren Kinder zu sparen, und da der Landsitz damals 2000 Pfund jährlich mehr brachte als zu der Zeit, wo er ihn übernahm, hatte er beschlossen, jedes Jahr 5000 Pfund zurückzulegen, was einmal bereits geschehen war. Diese Summe und mehr noch war indessen für die enormen Gerichtskosten aufgegangen, und so war er um Hunderte ärmer als zu der Zeit, wo ihm der Grundbesitz zufiel. Am Tage nach der Abschätzung traf der älteste Sohn Henry ein. Er schien sehr niedergeschlagen, mehr noch als seine Eltern und alle, die ihn kannten, es von ihm erwartet hatten. Doch war dies eher seinem Gefühle für die Eltern, als für sich selbst zuzuschreiben.

    Zwischen Mr. und Mrs. Campbell fanden viele Beratungen über ihre Zukunftspläne statt, doch es fiel ihnen nichts ein, was versprechend für sie gewesen wäre. Sie wußten nicht, wohin sie mit 1600 bis 1700 Pfund gehen, und was sie unternehmen sollten. Mr. Campbell wußte, daß er bei der Rückkehr zu seinem früheren Berufe keine Chancen haben würde, seine Familie zu erhalten. Henry konnte eine Anstellung bekommen, doch paßte er nur zum Juristen oder zum Prediger, aber wie sollten sie so lange für ihn sorgen, bis er auf eigenen Füßen stand? Alfred, der jetzt Steuermann war, konnte sich freilich selbst erhalten, wenn auch nicht ohne Schwierigkeiten; auch hatte er wenig Aussicht auf Beförderung. Außerdem waren noch zwei Knaben und die schnell heranwachsenden Mädchen da, kurz eine Familie von acht Personen. Eine so geringe Summe in Wertpapieren anzulegen, würde nutzlos sein, da sie von den Zinsen nicht leben konnten. Was sollten sie also mit dem Gelde beginnen? Wieder und wieder erwogen sie die Sachlage, und jeden Abend legten sie ihr Haupt bekümmert auf die Kissen. Sie waren bereit, Wexton Hall zu verlassen, wußten aber nicht, wohin sie ihre Schritte lenken sollten, wenn es geschah. So schwankten sie, bis ihr Sohn Alfred eintraf, der, sobald sein Schiff abgelohnt worden war, in die Arme seiner Eltern eilte.

    Als die erste Freude des Wiedersehens vorüber war, sagte Mr. Campbell: „Es tut mir leid, daß ich deinen Kameraden kein Vergnügen bereiten konnte."

    „Sie empfinden dasselbe Bedauern um euretwillen wie ich. Doch wie es nun einmal ist — so ist es und daran kann nichts geändert werden; darum müssen wir es von der besten Seite ansehen. — Wo aber sind Henry und die Basen?"

    „Sie sind im Park, Alfred, geh nur zu ihnen, sie erwarten dich mit Ungeduld."

    „Das werde ich tun, Mutter, adieu für eine halbe Stunde", sagte Alfred, indem er seine Mutter nochmals küßte und dann hinaus eilte.

    „Seine Laune ist keinesfalls getrübt, bemerkte Mrs. Campbell. „Gott sei gedankt dafür.

    Alfred war bald bei seinem Bruder und seinen Basen, und nachdem das Umarmen und Küssen vorüber war, erkundigte er sich nach dem Stand der Angelegenheit seines Vaters.

    Henry, der sehr niedergeschlagen war, sagte: „Mary und Emma, vielleicht geht ihr hinein; ich möchte gern mit Alfred allein sprechen."

    „Du bist entsetzlich mutlos, Henry, bemerkte Alfred, als die Basen sie verlassen hatten. „Stehen die Sachen denn so schlecht?

    „Unserm Vater ist nur die geringe Summe von etwa 1700 Pfund geblieben, doch was mich quält, ist folgendes:

    Als ich auf dem Kolleg war, geriet ich in eine Schuld von 200 Pfund, die ich zu Weihnachten abtragen wollte. Vater warnte mich immer, mit meinen Ausgaben das von ihm Bewilligte zu überschreiten und er glaubt auch nicht, daß ich es getan habe. Nun kann ich den Gedanken nicht ertragen, das Kolleg auf diese Weise zu verlassen, während es ein schwerer Schlag für den armen Vater sein wird, von seinem geringen Überreste noch 200 Pfund abzugeben, um meine Schuld zu decken. Dies macht mich so unglücklich. Ich kann mich nicht entschließen, es ihm zu sagen, weil ich überzeugt bin, daß er so ehrenwert ist, die Summe sofort zu bezahlen. Ich weiß wirklich nicht, was ich tun soll. Den ganzen Tag über mache ich mir Vorwürfe und des Nachts kann ich nicht schlafen. Ich bin sehr leichtsinnig gewesen, doch hoffe ich, du wirst dich in meine Lage versetzen können. Ich habe auf deine Ankunft gewartet, weil ich glaube, du könntest Vater die Sache besser mitteilen, denn mir ist, als müßte ich vor Scham und Ärger dabei sterben."

    „Nun schau, Henry, versetzte Alfred, „der Polizei durch die Finger zu laufen, wie wir Seeleute es nennen, ist etwas ganz Alltägliches, und alles in allem tatest du kein so großes Unrecht, da du die Mittel zu haben glaubtest, die Schulden zu bezahlen. Drum nimm es dir nicht so zu Herzen. — Daß du deine rechte Hand dafür geben würdest, es nicht getan zu haben, so wie die Dinge jetzt liegen, glaube ich dir; doch hat es keinen Zweck, sich darüber zu grämen. Ich habe meinen Dreijahressold bekommen und die Prisengelder für die letzten achtzehn Monate; das beträgt 250 Pfund, die ich dem Vater geben wollte, jetzt wo er auf dem Trockenen sitzt; doch kommt es nun auf eins heraus, ob ich es dir gebe, um deine Schulden zu bezahlen, oder ihm, damit er sie für dich bezahlt. So, hier ist das Geld; nimm davon, was du brauchst, und gib mir zurück, was übrig bleibt. Der Vater weiß nicht, daß ich das Geld habe und braucht es auch nicht zu wissen; das macht die Rechnung quitt, und er fährt ebensogut dabei.

    „Ich danke dir, lieber Alfred. Du weißt nicht, wie du mir das Herz erleichtert hast. Jetzt kann ich dem Vater wieder in’s Gesicht blicken."

    „Das wirst du hoffentlich; wir an Schiffsbord beunruhigen uns nicht mit so zarten Gefühlen, Henry. Ich würde ihm schon längst die Wahrheit gesagt haben und es nicht auf dem Herzen behalten. Wäre das Unglück vor unserer letzten Kreuzfahrt geschehen, hätte ich mich genau in deiner Lage befunden; denn ich hatte eine Schneiderrechnung so lang wie ein Fregattenwimpel und besaß in meiner Tasche nicht so viel, um das Frühstück für eine Maus zu kaufen. Doch nun laß uns wieder hineingehen und vergnügt sein, um die anderen etwas aufzumuntern."

    Sobald der Diener nach dem Tee das Zimmer verlassen hatte, gab Mr. Campbell, der sich vorher mit seiner Frau darüber besprochen hatte, eine offene Darlegung der ihnen gebliebenen Mittel.

    Er erklärte, daß er in

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