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Petra und der Reiterhof
Petra und der Reiterhof
Petra und der Reiterhof
eBook869 Seiten10 Stunden

Petra und der Reiterhof

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Über dieses E-Book

Dies ist die Gesamtausgabe der Petra-Reihe mit 6 spannenden Pferdegeschichten um das Mädchen Petra, ihre Pferde, ihre Freunde und die Abenteuer, die sie gemeinsam erleben.Die folgenden 6 Geschichten sind in diesem Band enthalten: "Mein Pferd gibt es nur einmal", "Ein Traumpferd für Petra", "Überraschung auf dem Reiterhof", "Rette die Reitschule, Petra!", "Die besten Reiterfreunde" und "Petra und der Fohlenfrühling".Ein charmantes Lesevergnügen für eingefleischte Pferdefans von gestern, von heute und alle, die es noch werden wollen.Tulla (Torbjörg) Hagström wurde 1951 in Schweden geboren. Seit den 70'er Jahren ist sie als Schriftstellerin aktiv und hat u.a. viele Kinder- und Jugendbücher verfasst, darunter die Geschichten um das Mädchen Petra und ihre Freunde vom Reiterhof. Allerdings entstanden auch autobiografische Werke zum Thema Pferde - so schrieb sie z.B. einen Roman, in dem sie sich an ihr erstes Pony erinnert.-
SpracheDeutsch
HerausgeberSAGA Egmont
Erscheinungsdatum20. Feb. 2018
ISBN9788711786772
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    Buchvorschau

    Petra und der Reiterhof - Torbjörg Hagström

    www.egmont.com

    Petra Mein Pferd gibt es nur einmal

    Petra hat eine Idee

    Petra schloß die Augen. Der Wind blies ihr angenehm ins Gesicht, und sie spürte die rhythmischen, gleichmäßigen Bewegungen ihres Ponys unter sich. Plötzlich aber wurde sie von Angst ergriffen. Sie hatte das Gefühl, direkt auf eine Mauer zuzureiten. Wie schrecklich war es, nichts sehen zu können!

    Petra öffnete die Augen wieder; sie konnte einfach nicht anders. Der Weg war noch immer frei und ohne jedes Hindernis, und das unheimliche Gefühl verschwand ebenso rasch, wie es gekommen war.

    „Jetzt reicht es, Svala!" sagte sie zu ihrem Pony und ließ es am langen Zügel gehen.

    Es müßte möglich sein, Astrid reiten zu lassen, dachte Petra. Wenigstens auf der Reitbahn. Erst kürzlich, während eines Ausritts, war ihr der Einfall gekommen. Sie fand ihn so phantastisch, daß sie ihn selbst ausprobieren mußte. Erst dann wollte sie die freudige Botschaft Astrid verkünden. Denn Astrid war blind.

    Petra konnte das sehnsüchtige Gesicht des blinden Mädchens nicht vergessen. Sie wollte ihr so schrecklich gern helfen, reiten zu lernen.

    Svala ging noch immer am langen Zügel. Nun endete der Wald, und der Pfad ging in einen alten, grasbewachsenen Fahrweg über. Er führte zu dem Hügel mit dem roten Bauernhof, in dem Petra lebte.

    „Jetzt können sie jeden Augenblick hier sein, Svala. Worauf habe ich mich da nur eingelassen? Wenn es nun nicht klappt?"

    Auf dem Hof stieg sie vom Pferd. Noch war niemand gekommen; so brachte Petra ihr Pony vorerst in die Box zurück. Die Sonne schien durchs Stallfenster und zeichnete ein Lichtviereck auf den Boden. Die Sommerferien hatten gerade begonnen.

    „Mach mir jetzt keine Schande, hörst du?" sagte Petra.

    Die kleine Stute benahm sich fast immer gut, wenn sie von Petra selbst geritten wurde. Doch man konnte nicht wissen, ob es mit einer wildfremden Reiterin im Sattel ebenso sein würde. Svala war ja nur an eine einzige Reiterin gewöhnt, da Petra keine Geschwister hatte; und die meisten ihrer Schulfreundinnen wohnten ziemlich weit entfernt.

    Trotzdem fühlte sich Petra nie einsam. Ihr Pony war der beste Freund, den sie sich wünschen konnte, und sie fühlte sich auf dem Hof zusammen mit ihren Eltern und all den Tieren wohl. Und wenn sie einmal den Wunsch hatte, jemanden zu besuchen, war ja immer Svala da, um sie hinzubringen. Das gab Petra ein unbeschreibliches Gefühl von Freiheit. Ihre Mutter hatte es schon lange aufgegeben, zu kontrollieren, wohin sie ritt.

    Petra ritt seit ihrem siebten Lebensjahr. Damals wohnte ein pensionierter Rittmeister in der Nähe. Er hatte drei Pferde und gab den Kindern der Umgebung zu seinem eigenen Vergnügen Reitunterricht. Vier Jahre lang war Petra eine seiner eifrigsten Schülerinnen gewesen, doch dann wurde die kleine Reitschule zu anstrengend für den Rittmeister, und er verkaufte alle seine Pferde. Petra war so verzweifelt gewesen, daß ihre Eltern ihr zum Trost Svala kauften. Das Pony war damals zwar erst vier Jahre alt und noch kaum richtig eingeritten. Doch für Petra war es sofort das beste Pferd der Welt.

    Petra warf einen Blick durch das Stallfenster, aber der Hofplatz war noch immer leer. Seufzend wandte sie sich um, schaltete das Transistorradio ein, das sie aus einem bestimmten Grund mit in den Stall genommen hatte, und setzte sich auf einen umgestürzten Eimer, um zu warten.

    Petra Granberg war ziemlich kräftig gebaut, doch nicht größer als die meisten anderen fünfzehnjährigen Mädchen. Ihr dichtes goldbraunes Haar reichte genau bis zu den Schultern. Es war ziemlich widerspenstig und ließ sich mit Kamm und Bürste kaum bändigen. Petra trug ein hellrotes Hemd, das am Hals offenstand, dunkelblaue Jeans und abgetragene Turnschuhe.

    Sie ahnte schon jetzt, daß diese Sommerferien anders als alle bisherigen werden sollten. Das hing mit der neuen Reitschule zusammen. Ein Herr Verelius hatte sie zusammen mit einer Reitlehrerin gegründet, die Karin hieß. Der Stall war eine umgebaute Scheune auf Herrn Verelius’ Grundstück. Es war noch nicht ganz einen Monat her, seit die Reitschule eröffnet wurde, und doch fand Petra bereits, daß sie sowohl die Pferde als auch die Reitschüler schon recht gut kannte.

    Als sie noch klein war, ging sie einzig und allein wegen der Pferde in die Reitschule des alten Rittmeisters. Doch nun war ihr der neue Reitstall auch wegen der anderen Schüler wichtig. Sie war nie besonders viel mit ihren Freunden zusammen gwesen, doch hier gab es plötzlich eine Menge neuer Kameradinnen und Kameraden, die alle das gleiche Hobby hatten wie sie.

    Petra hatte selbst einige Reitstunden genommen und die neuen Pferde ausprobiert. Oft ritt sie auch mit Svala zum Stall. Sie stand auch gern am Zaun, wenn das Wetter schön war, um den anderen beim Reiten zuzuschauen und sich mit den neuen Freunden zu unterhalten.

    Und gerade an einem solchen Tag, als sie einem Anfängerkurs zusah, kam die Reitlehrerin zum Zaun, um sich mit Petra und den beiden Töchtern von Herrn Verelius, Agneta und Charlotte, zu unterhalten. Die beiden waren Zwillinge und nur ein Jahr älter als Petra. Sie war ihnen schon oft auf ihren Ausritten begegnet, doch hatte Petra die Schwestern nie näher kennengelernt. Es lag wohl daran, daß sie immer das unbestimmte Gefühl hatte, als würden Agneta und Charlotte auf sie herabsehen. Weshalb, wußte Petra nicht genau. Doch die beiden hatten eine Art, sie von ihren rassigen Vollblutpferden herab zu mustern, als hielten sie Svala für kein richtiges Pferd und Petra für keine richtige Reiterin.

    Die Zwillinge selbst waren sehr gute Reiterinnen, und damit hielten sie auch nicht hinter dem Berg. Sie erzählten gern von ihren Heldentaten bei Turnieren, und die meisten Reitschüler bewunderten sie grenzenlos.

    Der Anfängerkurs war beinahe beendet, als eine Dame und ein Mädchen auf den Zaun zukamen. Das Mädchen hielt einen kleinen weißen Stock in der Hand, und Petra merkte, daß sie blind war.

    „Guten Tag. Ich bin Frau Johanson, Lenas Mutter, sagte die Dame zur Reitlehrerin. „Und das ist Astrid, meine älteste Tochter. Ich wollte einmal vorbeikommen und sehen, ob Lena Fortschritte beim Reiten macht.

    „Oh, es geht recht gut, erwiderte Karin, die Reitlehrerin. „Es gibt nur wenige Anfänger, die so leicht lernen wie sie. Und sie ist auch kein bißchen ängstlich. Sie nickte anerkennend zur Reitbahn hinüber.

    Die neunjährige Lena saß auf Rex, dem Pferd der Reitlehrerin. Rex war ein großer, schwerer und kraftvoller Fuchs. Doch Karin war selbst ungewöhnlich groß, so daß sie ein Pferd von diesem Format brauchen konnte. Rex war sieben Jahre alt. Er hatte schon ziemlich viel Preise gewonnen; also konnte er nicht so plump sein, wie er aussah, wenn er beim Anfängerkurs über die Bahn trottete.

    „Oh, das freut mich aber! sagte Frau Johanson. „Lena spricht jetzt den ganzen Tag von nichts anderem als von Pferden, und deshalb hat Astrid auch Lust bekommen, es mit dem Reiten zu versuchen – wenn das möglich ist …

    „Will sie Reitstunden nehmen?" fragte Agneta, eine von den Zwillingen, verblüfft.

    Karin überlegte. „Privatstunden wären in diesem Fall wohl am besten, zumindest anfangs, sagte sie. „Es hat wohl keinen Sinn, Ihre Tochter sofort in eine gewöhnliche Anfängergruppe zu stecken.

    „Nein, da geht sowieso schon alles drunter und drüber, warf Charlotte, Agnetas Zwillingsschwester, ein. „Viele, die zwei gesunde Augen haben, reiten so, daß man sie für blind halten könnte.

    „Aber es gibt leider eine Schwierigkeit, fuhr Karin fort, ohne Charlottes Einwurf zu beachten. „Ich fürchte, es besteht vorläufig noch keine Möglichkeit, Privatstunden abzuhalten. Wir haben nur vier Übungspferde, meines mitgerechnet, und die sind mit den Reitstunden voll ausgelastet.

    „Gibt es keine speziellen Gruppen für Behinderte?" fragte Frau Johanson.

    „Nein, aber vielleicht wird es eines Tages soweit sein, wenn wir mehr Pferde haben."

    „Und wann bekommen Sie neue Pferde?" Diese Frage kam von Astrid, die zum erstenmal den Mund auftat.

    Man merkte deutlich, daß sie und Lena Schwestern waren. Beide hatten die gleiche schmale, feingliedrige Gestalt, dasselbe kindliche Gesicht und die gleiche scheue Stimme. Die Schwestern hatten klarblaue Augen, langes glattes Haar und Stirnfransen, doch Lena war blond und Astrid dunkel.

    „Wir werden vielleicht noch in diesem Sommer ein neues Pferd kaufen, erwiderte Karin ausweichend. „Aber wir wollten erst einmal sehen, wie der Reitstall im Winter läuft, ehe wir uns an eine Vergrößerung wagen.

    „Ach!" Astrids Enttäuschung spiegelte sich deutlich in ihrem Gesicht wider.

    „Durch den Zirkel wechseln, absitzen!" rief Karin zur Reitbahn hinüber.

    Dann wandte sie sich wieder an Astrid und fuhr fort: „Aber du kannst gleich einmal ausprobieren, wie es ist, auf einem Pferd zu sitzen, wenn du willst. – Charlotte, würdest du Astrid ein paar Runden auf Troll herumführen?"

    „Ja, gut."

    „Troll ist ein braves kleines Fjordpferd", fügte Karin hinzu.

    Astrid nickte. Ihre Schwester hatte ihr bereits von Troll und den anderen Pferden erzählt.

    „Sie möchte so furchtbar gern reiten lernen. Frau Johanson seufzte, als Astrid, Charlotte und Troll sich über die große Reitbahn bewegten. „Ich hatte wenig Hoffnung, daß es gehen würde, doch Astrid hat nicht nachgegeben, bis ich ihr versprach, es wenigstens zu versuchen. Sie sagt, es gibt viele Blinde, die reiten.

    „Die konnten vielleicht schon reiten, ehe sie blind wurden, meinte Karin. „Ist Ihre Tochter blind geboren?

    „Nein. Es passierte, als sie acht Jahre alt war … Sie ist ein paar Jahre lang zur Blindenschule gegangen, aber im Herbst werde ich sie selbst zu Hause unterrichten. Ich bin von Beruf Lehrerin, und nun habe ich Astrids wegen die Blindenschrift gelernt."

    Petra tat es leid, daß Astrid und ihre Mutter keine bessere Antwort bekommen hatten. Das ernsthafte Mädchen, das um jeden Preis reiten lernen wollte, hatte tiefen Eindruck auf sie gemacht. Konnte Karin wirklich keine Zeit für eine einzige Privatstunde in der Woche erübrigen? Daß es vielleicht eines Tages einen Kurs für Behinderte geben würde, war kein besonderer Trost für das blinde Mädchen.

    Als Petra am nächsten Tag auf ihrem Pony ritt, versuchte sie sich vorzustellen, wie einem zumute ist, wenn man nichts von seiner Umgebung sieht. Dabei war ihr ein Einfall gekommen. Wenn man vier verschiedene Lautsignale in den vier Ecken der Bahn anbrachte, konnte ein blinder Reiter genau hören, wo er gerade war.

    Weder Petra noch die Reitschule hatten entsprechende Lautsignale, doch es ging sicher ebensogut mit einigen Tonbandgeräten.

    Ein paar Tage später traf sie Lena im Stall und faßte den Entschluß, einen Versuch zu wagen.

    „Hallo, Lena! War das nicht deine Schwester, die reiten lernen möchte?" fragte sie ohne Umschweife.

    „Ja, genau, sagte Lena. „Dir gehört doch dieses wunderschöne schwarze Pony, nicht?

    „Svala, ja. Du kannst deiner Schwester ausrichten, daß sie eine Reitstunde auf meinem Pferd bekommen kann, wenn sie will."

    „Wenn sie will?! Oh, sie wird begeistert sein!" stieß Lena überrascht hervor.

    Erst als sie sich schon über den Termin für die erste Stunde geeinigt hatten, kamen Petra Zweifel an ihrem Einfall. Sie fragte sich, ob Astrid es schaffen würde, ob Svala mitmachte und ob sie selbst zur Reitlehrerin taugte. Sie hatte ja noch nie den Versuch gemacht, zu unterrichten, und erinnerte sich nicht einmal mehr daran, wie es war, Anfängerin zu sein. Und ihre Mutter trug nicht gerade dazu bei, daß Petra sich sicherer fühlte.

    „Ich finde es schön von dir, daß du Astrid helfen willst, hatte Frau Granberg gesagt. „Aber ich frage mich, ob es wirklich vernünftig ist, das Mädchen bei einer Sache zu unterstützen, die sie vielleicht gar nicht schaffen kann.

    Nun saß Petra auf dem umgestülpten Eimer und wartete auf Astrid. Hatte sie sich zuviel vorgenommen? Würde sie es schaffen, einem blinden Mädchen das Reiten beizubringen? Sie, die noch nicht einmal versucht hatte, einen Anfänger mit gesundem Sehvermögen zu unterrichten? Und wie würde Svala sich verhalten?

    Sicherheitshalber stellte Petra das Radio ab, um besser hören zu können, wenn sich ein Wagen näherte. Svala bewegte träge den Schwanz, und eine Fliege surrte gegen die Fensterscheibe.

    Plötzlich fuhr Petra auf.

    „Jetzt höre ich ein Auto, Svala. Sie kommen!"

    Die erste Reitstunde

    Astrid war so aufgeregt, daß ihr fast übel war. Lena saß neben ihr auf dem Rücksitz des Wagens und redete munter über alles mögliche, doch ihre Schwester hörte nicht zu.

    Sie dachte nur daran, daß sie endlich reiten durfte. Was sie am meisten beunruhigte, war die Vorstellung, daß sie sich diese Chance vielleicht selbst verderben würde. Wenn es sehr schlecht ging, würde sie es wohl kaum noch einmal versuchen dürfen. Sie hatte gehört, daß es schwierig ist, beim Reiten das richtige Gleichgewicht zu finden; also mußte sie sich wirklich zusammennehmen, damit es einigermaßen klappte.

    Zuerst hieß es natürlich einmal, aufs Pferd hinaufzukommen. Charlotte in der Reitschule hatte sie einfach auf plumpe Weise in den Sattel bugsiert. Diesmal aber war Astrid entschlossen, schneller zu sein, so daß keiner sie mehr wie ein Kind hochzuhieven brauchte.

    „Tja, jetzt sind wir am Ziel", sagte ihre Mutter und parkte den Wagen.

    Ein schwacher Fliederduft war das erste, was Astrid bemerkte, als sie aus dem Auto stieg. Sie sah das rote Haus und die prächtigen Blumenbeete zu beiden Seiten der Auffahrt nicht; auch nicht die gelbe Katze, die auf frisch geputzten weißen Pfoten über den Hof spazierte.

    Gleich darauf erklang Petras Stimme. „Hallo! War’s schwierig, den Weg zu finden?"

    Während der Begrüßung spürte Astrid plötzlich etwas Lebendiges, das sich gegen ihr Bein schmiegte. Sie bückte sich und strich mit den Fingerspitzen über einen dichten, seidenweichen Pelz.

    „Ist das eure Katze?" fragte sie.

    „Ja, unser Kater – Kurre heißt er", erwiderte Petra.

    „Habt ihr mehr Tiere? Außer Svala, meine ich?"

    „Klar, mehrere tausend", versetzte Petra ernsthaft.

    „Jetzt machst du aber Spaß", sagte Astrid unsicher.

    „Nein, gar nicht. Aber die meisten davon sind natürlich Bienen."

    „Ja, ich glaube, ich habe ein paar Bienenkörbe bemerkt, als wir am Garten vorbeifuhren", warf Frau Johanson ein.

    „Ach, ich dachte zuerst, du meinst tausend Kühe oder sowas!" Astrid lachte nervös.

    „Nein, wir haben leider nur sechs Kühe, dazu noch Kälber und Jungkühe, aber um so mehr Schafe. Wollen wir jetzt Svala aus dem Stall holen und anfangen? Ich bin gerade eine Weile mit ihr geritten, damit sie nicht allzuviel Temperament entwickelt."

    Petra führte ihr Pony auf den Hof. Gerade da kam Frau Granberg aus dem Haus.

    „Guten Tag, sagte sie, „ich bin Petras Mutter. Trinken Sie eine Tasse Kaffee mit mir, während die Mädchen reiten?

    Frau Johanson nahm das Angebot an, und Astrid, Lena und Petra blieben allein mit dem Pony zurück.

    „Wie sieht Svala aus?" fragte Astrid.

    Von Lena wußte sie eine Menge über die Pferde der Reitschule, doch ihre Schwester hatte ihr noch wenig von Svala erzählt.

    „Sie ist kohlrabenschwarz, mit weißen ‚Strümpfen‘ an den Hinterbeinen und einem kleinen Stern auf der Stirn, erklärte Petra. Da Astrid offenbar mehr hören wollte, fuhr sie fort: „Sie hat feine schlanke Beine, eine breite Stirn, kluge Augen und ein kleines Maul. Und sie ist ungefähr einsvierzig hoch.

    Astrid hatte eine Hand auf die Brust des Ponys gelegt. Nun ließ sie die Finger langsam über den Pferdehals gleiten, ergriff die Zügel, ging ein paar Schritte zur Seite und tastete mit der anderen Hand nach dem Steigbügel, fand ihn jedoch nicht.

    „Hier", sagte Petra und gab ihn ihr in die Hand.

    „Danke."

    Astrid bekam den Fuß in den Steigbügel und tastete nach dem Bügelriemen. Dann versuchte sie, sich hochzuschnellen. Sie hatte das zu Hause mit Lenas Hilfe am Treppengeländer geübt. Nun mußte sie ein wenig mit den Armen nachhelfen, um hochzukommen, doch es war nicht so schwer, wie sie geglaubt hatte. Die erste Schwierigkeit war überwunden. Endlich saß sie im Sattel!

    Petra half ihr, die Steigbügelriemen etwas zu kürzen. Plötzlich spürte Astrid, daß sich etwas an ihrem Fuß bewegte.

    „Was ist das?" fragte sie und zog den Fuß ängstlich zurück.

    „Das war nur Svala. Sie hat dich ein bißchen beschnuppert, beruhigte sie Petra. „Svala wollte wohl sehen, wer da auf ihrem Rücken sitzt. Ich bin ja seit mehreren Jahren die einzige, die sie reitet.

    Lieber Himmel! dachte Astrid. Das hieß mit anderen Worten, daß Svala nicht an Anfänger gewöhnt war. Doch sie hatte ja keine Wahl. Sie mußte dieses Pferd reiten, wenn sie überhaupt reiten wollte.

    „Ich führe sie, bis wir zur Bahn kommen", sagte Petra und griff nach den Zügeln.

    „Zur Reitbahn?" echoten Lena und Astrid ungläubig.

    „Ja, das ist ein Teil unserer Schafweide, erklärte Petra. „Ein kleines, ebenes Stück Wiese am Waldrand. Weil ich dort manchmal Dressur reite, hat mein Vater einen Zaun als Grenze zwischen der Bahn und dem Rest der Weide aufgestellt. Ich habe sogar ein eigenes Gatter bekommen.

    Sie ließen den Hof hinter sich und folgten dem grasbewachsenen Fahrweg, der an den Wiesen entlangführte. Die Luft war voller Vogelgezwitscher, und dazwischen erklang lautes Blöken von der Weide.

    Astrid senkte die Fersen und versuchte so aufrecht im Sattel zu sitzen, wie sie nur konnte. Es war schön, auf Svalas Rücken hin und her geschaukelt zu werden; trotzdem war sie froh, daß Petra die Zügel hielt. Plötzlich machte das Pony halt.

    „Jetzt stehen wir vor dem Gatter, sagte Petra. „Die Bahn ist ungefähr 20 × 40 Meter, und es macht nichts, wenn du vergißt, abzubiegen. Svala läuft sowieso nicht gegen den Zaun. Sie bleibt stehen, wenn ihr etwas im Weg ist. Von unserem Standplatz aus hast du die Schafweide zur rechten Längsseite der Bahn und den Wald zur linken. Ich mache das Transistorradio an und stelle es in die linke Ecke, damit du wenigstens hören kannst, wo eine der Ecken ist.

    „Ich habe selbst ein kleines Tonbandgerät zu Hause, das mit Batterie läuft, erwiderte Astrid. „Das hätte ich ja mitbringen können, dann wären zwei Ecken markiert gewesen.

    „Dann bringst du es eben nächstes Mal mit", sagte Petra unwillkürlich.

    Astrid horchte auf. Nächstes Mal? Das bedeutete ja, daß sie mehr als nur eine Reitstunde bekommen konnte. Sofort fühlte sie sich sehr viel besser, und ihre Aufregung verringerte sich.

    Zuerst durfte sie im Schritt am Zaun entlangreiten. Petra erklärte, was sie mit Händen und Füßen tun mußte und wie man richtig im Sattel sitzt. Das Pony ging folgsam vorwärts und bog in den Ecken der Bahn von selbst ab. Während der ganzen Zeit lauschte Astrid auf das Radio, um sich zu orientieren. Sie versuchte zu erraten, wie weit es bis zur nächsten Ecke war. Es war nicht leicht, aber es machte ihr Spaß.

    „Das Lämmchen da scheint uns zuzusehen", sagte Lena plötzlich.

    „Ja, das ist Däumling, erwiderte Petra. „Eines unserer Mutterschafe bekam im Frühling drei Lämmer. Aber die Milch reichte nur für zwei, so daß ich das kleinste mit dem Fläschchen füttern mußte. Es war damals so winzig, daß ich es Däumling taufte. Eine Zeitlang konnte es prima zwischen allen Zaunlatten durchkriechen, aber jetzt ist es zu groß dafür. Es ist mir wie ein kleiner Hund überallhin gefolgt.

    „Ist es dir auch nachgelaufen, wenn du geritten bist?" fragte Astrid.

    „Nein. Svala hat es einmal gebissen; seitdem hat sich Däumling immer in sicherer Entfernung gehalten."

    Plötzlich merkte Astrid, wie das Pony stehenblieb und zu erstarren schien.

    „Svala!" rief Petra scharf.

    Im gleichen Augenblick begann der Sattel so gewaltig zu schaukeln wie ein Ruderboot auf hoher See. Svalas Hinterhufe wirbelten durch die Luft und trafen einen Zaunpfahl, der mit scharfem Krach entzweibrach. Astrid hörte ein erschrockenes Blöken, das sich rasch in der Ferne verlor.

    Dann machte Svala einen Ruck, blieb von neuem unvermittelt stehen und bewegte sich eifrig vor und zurück. Verzweifelt klammerte sich Astrid am Sattel fest. Scheute das Pony? Oder machte es Luftsprünge? Astrid wußte es nicht, doch sie fühlte sich wie ein Klecks Butter auf einer heißen Kartoffel. Jeden Augenblick konnte sie abgeworfen werden.

    „Ruhe, Svala, beruhige dich doch!"

    Petras Stimme war nun direkt neben Astrid. Was war nur geschehen? Astrid war vor Schreck wie gelähmt.

    „So, jetzt … komm nur!"

    Petra stieß die Worte wie unter einer gewaltigen Anstrengung hervor. Plötzlich machte Svala einen Riesensatz vorwärts, und Astrid hörte ein Krachen. War Petra gefallen? Nun stand das Pony wieder ruhig da.

    Astrid klammerte sich noch immer krampfhaft am Sattel fest, während sie mit den Füßen nach den Steigbügeln angelte. Sie hatte nicht gewußt, daß Svala so erschreckend stark war. Sie fühlte sich völlig hilflos. Das Pony konnte ja alles mögliche mit ihr anstellen!

    „Was ist passiert?" keuchte sie.

    „Svala hat nach Däumling ausgeschlagen und ist mit dem Huf im Zaun steckengeblieben, erklärte Petra. „Ich mußte ihr helfen, wieder loszukommen. Hoffentlich wird ihr das eine Lehre sein.

    „Warum hat sie denn ausgeschlagen?" fragte Lena.

    „Svala haßt Däumling. Ich glaube fast, sie ist eifersüchtig, weil ich mich so viel mit dem kleinen Wollknäuel beschäftigt habe."

    „Aber sie hat das Lämmchen doch hoffentlich nicht getroffen?" Astrids Stimme klang ängstlich.

    „Ich glaube nicht. Mal sehen, ob Däumling etwas fehlt … Nein, soweit ich sehen kann, ist er ganz munter."

    „Hat dein Pony den Zaun zerbrochen? fragte Astrid. „Es klang jedenfalls so.

    „Ach, es war nur ein morscher Pfosten. Man kann leicht einen neuen einsetzen. Wollen wir weitermachen?"

    „Aber ich falle aus dem Sattel, wenn Svala wieder ausschlägt!"

    „Du hast dich doch wunderbar gehalten, widersprach Petra. „Und Däumling ist zu den anderen Schafen zurückgelaufen. Also gibt’s für Svala keinen Grund mehr, wütend zu werden.

    „Könntest du sie jetzt führen? bat Astrid. „Wenigstens für kurze Zeit.

    „Ja, wenn du willst. Dann können wir ausprobieren, wie’s mit dem Traben geht."

    Traben! Astrid spürte, wie sich ihr Magen angstvoll zusammenkrampfte, doch sie sagte nichts. Sie mußte einfach reiten lernen und wollte sich nicht fürchten. Keiner durfte wissen, welche Angst sie hatte – nicht einmal Lena!

    Petra gab sich alle Mühe, zu erklären, was ein Reiter beim Trab zu tun hätte, doch Astrid schaffte es nicht, den richtigen Takt zu finden. Sie hopste nur auf und ab, und ihre Hände zerrten am Zügel, bis Petra danach griff, damit sich die ruckartigen Bewegungen nicht auf Svalas weiches Maul übertrugen. Dann aber fiel ihr plötzlich etwas ein.

    „Lena, würdest du Svala eine Zeitlang führen?"

    Lena übernahm die Zügel, während Petra zurücktrat und Astrid im Takt mit Svalas Schritten abwechselnd hochstemmte und niederdrückte.

    „Auf – nieder, auf – nieder, kommandierte sie und fügte nach einigen Minuten hinzu: „So, versuch es jetzt selbst.

    Astrid kam zwar noch ein paarmal aus dem Takt, hatte nun jedoch begriffen, wie man es machte.

    „Ist es so richtig?"

    „Ja, prima! rief Lena. „Manche brauchen viele Stunden, ehe sie mit dem Leichttraben zurechtkommen.

    Natürlich hob sich Astrid noch immer zu hoch aus dem Sattel, doch sie schaffte es so gut, wie man es von einem Anfänger nur erwarten konnte.

    Nach der Reitstunde kehrten sie zum Stall zurück.

    „Wie sattelt man ab?" fragte Astrid.

    Petra erklärte es ihr mit viel Geduld. Astrid durfte Svala auch die Trense abnehmen, obwohl sie selbst daran zweifelte, ob sie beim nächsten Mal noch wissen würde, wie man das machte.

    „Soll ich Svala in die Box bringen?" fragte Lena.

    „Nein, ich wollte sie auf der Kälberweide grasen lassen, erwiderte Petra. „Ihr könnt euch beide auf ihren Rücken setzen, während ich sie hinführe. Wenn ihr wollt natürlich.

    „Ohne Sattel?"

    „Ja, warum nicht?"

    So schaukelten die Schwestern sacht auf dem Pferderücken dahin – Astrid vorn und Lena hinter ihr. Astrid streichelte den warmen Pferdehals mit der einen Hand und hielt sich mit der anderen an der Mähne fest. Es war schön, die Bewegungen des Ponys unter sich zu spüren.

    Svala ist ein liebes und feines Pferd, dachte Astrid, und es ist albern, sich vor ihm zu fürchten.

    Aber ein wenig Angst hatte sie doch; sie konnte es nicht ändern. Anschließend vereinbarten die Mädchen einen Zeitpunkt für die zweite Reitstunde, die in einigen Tagen stattfinden sollte.

    „War es nun so schön, wie du es dir vorgestellt hast?" fragte Frau Johanson auf der Heimfahrt.

    „Ja, das war es. – Nein, eigentlich viel, viel schöner", erwiderte Astrid. Und man merkte an ihrer Stimme, daß sie es ernst meinte.

    Ein Ausritt im Sturm

    Am gleichen Abend traf sich der neugegründete Reitklub zum erstenmal, und Petra war natürlich mit dabei. Am wichtigsten war die Wahl des Klubvorstandes. Dann ging es um die Einweihungsfeier der Reitschule. Als Datum wurde der erste Samstag im September festgesetzt.

    „Wir haben an ein Programm mit Wettkämpfen und Reitvorführungen gedacht", sagte Herr Verelius.

    „Ich möchte den Vorschlag machen, ein paar von den jungen Leuten ins Festkomitee aufzunehmen, warf Karin ein. „Sie könnten Anregungen geben und bei der Planung helfen.

    Herr Verelius nickte, und aus den Reihen der jungen Reiterinnen und Reiter wurde scheue Zustimmung laut.

    „Wer von euch soll also ins Komitee? Wie wär’s mit Vorschlägen?" fragte Karin.

    „Agneta und Charlotte", piepste jemand.

    „Klaus", schlug Agneta vor.

    „Und wer sonst?" wollte Karin wissen.

    „Rosemarie Engholm", sagte Petra.

    „Petra!"

    Petra wandte sich überrascht um. Astrid hatte den Vorschlag gemacht. Und tatsächlich wurden alle fünf, die genannt worden waren, ins Festkomitee gewählt.

    „Habt ihr fünf Zeit, morgen abend um halb sieben zu mir zu kommen? fragte die Reitlehrerin. „Dann können wir ausführlich über die Einweihungsfeier sprechen.


    Am darauffolgenden Abend brach Petra zeitig auf. Es war lau und windstill; das einzige, was sich bewegte, waren die Räder ihres Fahrrads, die im Kies knirschten.

    Karin wohnte in einem kleinen Haus nicht weit von der Reitschule entfernt. Seit ihrem Einzug hatte sie das ganze Häuschen innen und außen frisch gestrichen. Sie war jedoch noch nicht dazu gekommen, den Garten in Ordnung zu bringen. Er sah richtig verwildert aus.

    Petra lehnte ihr Fahrrad gegen den Zaun und ging den schmalen Pfad zum Haus entlang. Die anderen waren noch nicht gekommen. Karin deckte gerade den Tisch.

    „Kann ich Ihnen helfen?" fragte Petra.

    „Ja, danke, du kannst das Brot schneiden – es liegt dort drüben im Korb. Bist du mit heiler Haut durch den Garten gekommen? Wenn ich nur wüßte, woher all die Brennesseln kommen! Ich muß mich wirklich einmal um das Unkraut kümmern, sobald ich Zeit habe. Ich würde nämlich gern einen Gemüsegarten aus der Wildnis machen."

    Karin war nett, fröhlich und gesprächig. Petra mochte sie gern und vergaß meistens ganz, daß sie nicht gleichaltrig waren. Karin war vierundzwanzig; eigentlich bestanden neun Jahre Altersunterschied zwischen ihnen.

    „So, jetzt brauche ich nur noch das Teewasser aufzusetzen, sagte Karin, als der Tisch gedeckt war. „Hast du übrigens Lust, morgen vormittag bei einem zweistündigen Ritt mitzumachen? Wir wollten zum Kärrsee reiten und dort baden.

    „O ja, gern. Das klingt prima."

    In diesem Augenblick wurde an die Tür geklopft. Es war Rosemarie Engholm. Zehn Minuten später waren alle eingetroffen und saßen um den Tisch versammelt.

    Petra sah sich um. Ihr gegenüber, auf dem alten Sofa, saßen die Zwillinge. Sie glichen einander wie ein Ei dem anderen, doch Agneta hatte ihr blondes Haar in weiche Locken gelegt, während Charlotte einen Pferdeschwanz trug. Die Zwillinge hatten hellblaue Augen und unglaublich glatte Haut. Beide trugen elegante weiße Hosen und geblümte Blusen.

    Klaus saß ebenfalls auf dem Sofa, da Karin nur drei Stühle hatte. Er war mit seinen achtzehn Jahren der älteste von den fünf Reitschülern. Gut sah er aus; er hatte gleichmäßige weiße Zähne und blondes Haar, doch seine Augenbrauen waren dunkel. Eigentlich kam er nicht aus dieser Gegend; er wohnte nur den Sommer über hier bei Verwandten.

    Rosemarie war dreizehn, ein knappes Jahr älter als Astrid, und hatte zwei Jahre beim Rittmeister reiten gelernt. Sie war ein kleines, dralles Mädchen mit dunklen Haaren und schwarzen munteren Augen, die an ein Eichhörnchen erinnerten.

    Petra hoffte, daß sie sich alle fünf gut verstehen würden. Sie würden ja nun während des ganzen Sommers viel beisammen sein.

    „Bitte, bedient euch, sagte Karin und ließ die Teekanne und die Platte mit Aufschnitt herumreichen. „Wir wollen gleich zur Sache kommen. Herr Verelius und ich würden beim Fest gern vormittags ein paar Reitvorführungen zeigen und nachmittags Wettkämpfe veranstalten.

    „Dressur und Springen, nicht?" fragte Agneta.

    „Ja."

    „Agneta und ich werden an der Dressur und beim Springturnier teilnehmen", verkündete Charlotte selbstsicher.

    „Ja, natürlich müssen wir versuchen, unseren Klub in ein gutes Licht zu rücken, erwiderte Karin lachend. „Ich habe selbst vor, mich mit Rex an den Wettkämpfen zu beteiligen, und Puppe und Ballade können wohl die C-Bahn ohne größere Schwierigkeiten schaffen.

    „Das kann Svala auch", warf Petra ein.

    Sie hatte noch nie bei einem Wettkampf mitgemacht, wußte jedoch, daß ihr Pony gut springen konnte.

    „Wäre es nicht am besten, wenn die Klubleitung sich um die Wettkämpfe kümmert? fragte Klaus. „Nachdem sowohl die Zwillinge als auch Petra daran teilnehmen wollen, meine ich.

    „Genau das wollte ich eben vorschlagen, erwiderte Karin. „Wir von der Klubleitung sind mit den Plänen für die Wettkämpfe schon ziemlich weit gekommen.

    „Und welche Vorführungen sollen gezeigt werden?" fragte Rosemarie.

    Karin lächelte. „Das sollt ihr euch überlegen. Natürlich werde ich euch helfen, wenn es nötig ist; zum Beispiel, falls ihr eine Quadrille einüben wollt. Die Pferde der Reitschule stehen euch zur Verfügung, und ich kann euch auch behilflich sein, die geeigneten Reiter auszuwählen. Ich sehe ja während der Stunden, was die einzelnen Leute können."

    „Eine Quadrille wäre nicht schlecht, meinte Rosemarie. „Troll wäre auch das richtige Pferd, um Zirkuskunststücke vorzuführen.

    Eine lebhafte Diskussion entstand, bei der viele verschiedene Möglichkeiten besprochen wurden, und es war spät, als Petra wieder nach Hause fuhr.


    Petra war wie gewöhnlich um halb sieben Uhr morgens auf den Beinen.

    Ihr Pony wieherte lautstark zur Begrüßung, als sie in den Stall kam.

    „Hallo, Svala, möchtest du ein bißchen Hafer?"

    Petra summte fröhlich vor sich hin, während sie ihr Pony striegelte und die Box ausmistete. Als sie fertig war, ging sie in den Kuhstall und machte auch dort sauber. Das gehörte zu ihren Pflichten, während ihr Vater das Melken besorgte. Anschließend führte sie die Kühe auf die Weide. Sie ritt ohne Sattel auf Svala und brachte ihr Pony zu den Kälbern auf die Wiese hinter der Kuhweide.

    Da der Ausritt nicht vor zehn Uhr beginnen sollte, arbeitete Petra noch einige Zeit im Gemüsegarten, ehe sie sich mit Svala auf den Weg zur Reitschule machte.

    Na, ein großer Verdienst kann das heute für die Reitschule nicht sein! dachte Petra unwillkürlich, als die Reiter vor dem Stall aufsaßen. Nur drei der sieben Teilnehmer waren zahlende Kunden, nämlich zwei kleine Mädchen auf Puppe und Troll und Klaus auf dem vierjährigen Fuchs Ballade. Karin ritt mit Rex an der Spitze, und die Zwillinge Verelius waren ebenfalls mit von der Partie.

    „Ist das eine Hitze! stöhnte Agneta. „Ich freue mich schon aufs Baden.

    „Du hättest eine Reitkappe aufsetzen sollen, Klaus", sagte Karin tadelnd.

    „Bei dieser Hitze? Nie im Leben! Ich falle schon nicht vom Pferd", erwiderte Klaus grinsend.

    Die drückende Schwüle machte die Pferde ziemlich träge, ausgenommen Ballade, der aus irgendeinem Grund unruhig war. Fleur, Agnetas nervöse Stute, ging vor Ballade. Sie scheute jedesmal fast, wenn der Wallach wieder einen Satz machte. Petra konnte ein schadenfrohes Lächeln nicht unterdrücken. Den Platz vor Klaus hatte Agneta selbst gewählt. Sie hatte sich sogar zwischen ihn und Charlotte gedrängt, als sie aufgebrochen waren.

    Nach einem Ritt, der trotz allem recht friedlich verlief, sahen sie den Kärrsee zwischen den Baumstämmen glitzern. Der Boden wurde nun ziemlich sumpfig, und die Hufe der Pferde versanken im Morast. Bald folgten sie dem Pfad, der am Ufer entlangführte, bis sie auf festeren Boden kamen und ein Stück Sandstrand erreichten.

    „Absitzen!" befahl Karin.

    Minuten später waren alle in ihre Badesachen geschlüpft, und die Pferde standen unter den Bäumen. Doch während die Reitgesellschaft badete, türmten sich drohende Wolken am Himmel über dem See. Charlotte warf einen Blick zum Horizont und sagte: „Da kommt ein Gewitter, glaube ich."

    „Ja, wir müssen uns wohl ein bißchen beeilen, erwiderte Karin. „Es wird bald zu regnen anfangen.

    Als sie losritten, fielen die ersten Tropfen. Plötzlich erklang ein gewaltiger Donnerschlag, und im nächsten Augenblick begann es wie aus Kannen zu gießen. Ballade vollführte einen Satz, stürmte aus der Reihe und hielt am Seeufer so plötzlich an, daß Klaus vornüberfiel und sich an der Mähne des Pferdes festklammern mußte. Puppe folgte dem Wallach, warf sich jedoch zur Seite, als Ballade stehenblieb, und landete im seichten Wasser.

    „Wer hat behauptet, daß er nicht vom Pferd stürzt?" fragte Karin trocken.

    „Ich bin ja auch nicht gestürzt, nur beinahe", rief Klaus zurück, während er wieder in den Sattel zurückrutschte.

    In diesem Augenblick erklang ein lautes Platschen und ein Schrei. Puppe steckte im Schlick fest und war umgefallen, als die Reiterin versuchte, das Pferd wieder ans Ufer zu treiben.

    „Hilfe, Puppe kommt nicht hoch!" rief das Mädchen und zerrte an den Zügeln.

    Karin sprang ab, warf Petra Rex’ Zügel zu und lief zum Ufer.

    „Nein, bleib weg mit Ballade, rief sie Klaus zu, der ebenfalls helfen wollte. „Sonst steckt dein Pferd am Ende auch noch fest!

    Gerade als Karin das Ufer erreichte, machte Puppe erneut einen heftigen Ruck. Die Reitlehrerin griff nach dem Pferdehals und zog gleichzeitig.

    Diesmal hatten sie Glück, denn Puppe kam zappelnd auf die Beine und stolperte an Land.

    „Geschafft! keuchte Karin. „Jetzt wird es Zeit, daß wir nach Hause reiten!

    Ihre Worte gingen in einem neuen Donnerschlag unter, der stärker als der erste war.

    „Wenn nun der Blitz einschlägt? jammerte das Mädchen, das auf Troll ritt. „Ich habe Angst!

    „So gefährlich ist es nicht, erwiderte Karin. „Sei nur ganz ruhig, sonst wird dein Pferd auch noch nervös.

    „Es gibt doch eine Abkürzung zum Reitstall, Karin", Warf Petra ein.

    „Tatsächlich? Wo denn?"

    „Der Pfad dort drüben, der nach rechts führt. Er endet im Wäldchen hinter dem Stall, und man kann zwischendurch ein gutes Stück weit galoppieren."

    „Fein, dann nehmen wir diesen Weg", bestimmte Karin.

    Während sie auf dem schmalen Pfad dahintrabten, der anfangs ziemlich unwegsam war, grollte der Donner, und die Regenschauer hielten an. Nach einer Weile wurde der Pfad besser, und sie galoppierten durchs hohe Gras. Svala schnaubte eifrig; es gefiel ihr, zusammen mit anderen Pferden zu galoppieren. Ballade stolperte über einen Grasbuckel, doch Klaus schaffte es, den Wallach wieder in die Gewalt zu bekommen.

    Plötzlich lag ein dünner Fichtenstamm quer über dem Pfad.

    „Der Stamm ist nicht hoch, rief Karin. „Wir springen!

    Rex überwand das kleine Hindernis mit Leichtigkeit, und die anderen Pferde folgten. Svala zog die Beine an und sprang gerade so hoch, wie es nötig war.

    „Halt, wartet!" rief das Mädchen auf Troll plötzlich.

    Karin zügelte Rex, und Petra streichelte den nassen Hals ihres Ponys. Das Mädchen auf Troll saß auf dem Widerrist und hielt sich krampfhaft an der Mähne fest. Sie hatte die Zügel fallengelassen, doch als alle anderen Pferde stehenblieben, hörte auch Troll auf zu galoppieren und fiel in Schritt.

    „Sind wir nicht bald zu Hause?" fragte das Mädchen ängstlich, während sie sich wieder im Sattel zurechtsetzte.

    Arme Kleine, dachte Petra. Sie selbst hatte es nicht eilig. Sie fürchtete sich nicht vor Gewittern, und nasser als sie bereits war, konnte sie nicht mehr werden.

    Das Unwetter zog langsam ab, doch es regnete noch immer, als die Reitgesellschaft den Stall erreichte.


    Gegen Abend klarte das Wetter auf; am nächsten Morgen aber strömte der Regen wieder vom Himmel. Das war der Tag, den sie für Astrids zweite Reitstunde festgelegt hatten, und Petra fragte sich, ob sie bei diesem Wetter überhaupt kommen würde. Plötzlich klingelte das Telefon. Petra nahm ab.

    „Hallo, hier ist Astrid. Reiten wir heute? Mama meinte, du würdest die Stunde wohl ausfallen lassen."

    „Das kommt auf dich an, erwiderte Petra. „Aber ich weiß nicht, wie wir es diesmal mit den Ecken machen sollen. Wir können das Radio und das Tonbandgerät ja nicht im Regen aufstellen.

    „Ach, daran habe ich nicht gedacht. Aber hör mal, wenn Lena mitkommt, könnte sie doch in einer Ecke stehen und das Radio unter ihrem Regenmantel halten?"

    So bekam Astrid doch ihre zweite Reitstunde. Es gefiel Petra, daß ihre Schülerin soviel Interesse am Reiten hatte, um bei jedem Wetter zu kommen. Und Lena stand geduldig mit dem Radio in einer Ecke der Bahn, während die Mutter der beiden Mädchen im Haus blieb.

    Diesmal ritt Astrid während der ganzen Stunde allein. Petra brauchte ihr Pony nicht mehr zu führen. Zwar wollte Astrid sie mehrmals bitten, Svala am Zügel zu nehmen, doch sie unterdrückte jedesmal ihre Furcht und schwieg. Sie merkte, daß sie nicht sehr fest im Sattel saß, und in den Kurven schwankte sie oft, doch es schien ihr auf jeden Fall richtiger, allein zu reiten.

    Dann entdeckte sie, daß sie Svala dazu veranlassen konnte, stehenzubleiben und im Schritt oder im Trab wieder loszureiten. Astrid fand es einfach unglaublich, daß das große Tier wirklich tat, was sie von ihm verlangte. Seit langer Zeit hatte ihr nichts solchen Spaß gemacht wie diese Reitstunde. Jedesmal, wenn das Pony ihr gehorchte, hätte sie es am liebsten umarmt.

    Anschließend lud Petras Mutter die Mädchen zu Saft und Kuchen ein. Während Petra, Astrid und Lena aßen, zog Frau Johanson plötzlich zwei Zehnmarkscheine aus der Tasche und legte sie auf den Tisch.

    „Das ist für die beiden Reitstunden", sagte sie.

    Ein neues Pferd im Stall

    Petra machte ein verdutztes Gesicht. Es dauerte eine Weile, ehe sie begriff, was Astrids Mutter meinte.

    „Aber … aber wieso bezahlen Sie mich denn?"

    „Warum nicht? Wir zahlen ja auch für Lenas Unterricht in der Reitschule."

    „Aber ich bin doch keine Reitlehrerin, protestierte Petra. „Karin ist für den Unterricht ausgebildet, und es ist ihr Beruf, aber ich kann ja überhaupt nichts!

    „Petra wollte kein Geld damit verdienen, stimmte Frau Granberg zu. „Das war bestimmt nicht ihre Absicht.

    „Trotzdem können wir nicht einfach herkommen und Petra und ihr Pony so ganz ohne Bezahlung beanspruchen, sagte Frau Johanson bestimmt. „Nicht, wenn Astrid so oft und regelmäßig reiten darf, wie sie sich das wünscht.

    „Du kannst es doch nehmen, Petra, bestätigte Astrid. „Ich finde, du machst deine Sache großartig, und Svala ist so lieb.

    Petra meinte trotzdem, daß sie nicht den gleichen Preis wie die Reitschule nehmen konnte, und man einigte sich auf fünf Mark pro Stunde.


    „Hallo, willst du auch mit zum Tanz kommen?"

    Petra und Rosemarie trafen sich auf dem Weg zum Festplatz. Schon von weitem hörte man Musik, und bald waren sie am Ziel. Petra traf viele alte Bekannte, doch auch neue Freunde, die sie kennengelernt hatte, seit die Reitschule eröffnet worden war. Noch standen viele Bänke und Stühle leer, und Petra bemerkte sofort, daß Klaus und eine der Verelius-Zwillinge gerade miteinander Walzer tanzten. Sie wußte schon seit langem, daß sowohl Charlotte als auch Agneta ein Auge auf Klaus geworfen hatten. Er dagegen schien die Sache eher amüsant zu finden und zog die Zwillinge ein wenig auf, indem er einmal die eine, dann wieder die andere ermunterte. Petra wußte nicht recht, was sie von ihm halten sollte.

    Dann wurde sie von einem Nachbarssohn aufgefordert, und nach einer Weile sah sie Rosemarie mit einem blonden Jungen tanzen. Die Birken und Fliederbüsche standen unbeweglich am Rand der Tanzfläche, und ein lauer Wind glitt lautlos durch die Baumwipfel.

    Petra saß eine Weile auf einer Bank und sah den Tanzenden zu. Plötzlich hörte sie hinter sich eine Stimme: „Willst du mit mir tanzen?"

    Sie sah sich um. Es war Klaus.

    Zusammen gingen sie auf die Tanzfläche, wo es nun schon ziemlich eng wurde. Doch Klaus tanzte gut und wich den anderen Paaren geschickt aus. Als die Musik verstummte, fragte er Petra, ob sie weiter mit ihm tanzen wollte.

    „Das wird wohl jetzt ein Tango", fügte er hinzu, als die Musik wieder zu spielen begann.

    „Oh, den kann ich aber nicht so besonders gut."

    „Macht nichts, es ist überhaupt nicht schwierig", versicherte Klaus und schwenkte sie herum. Petra kam aus dem Takt, lachte und versuchte es wieder. Bald ging es jedoch besser, und die Sache begann Petra richtig Spaß zu machen.

    Plötzlich verfing sie sich in den Füßen eines anderen Tänzers. Sie verlor das Gleichgewicht und fürchtete eine Sekunde lang, zu stürzen. Doch statt dessen fiel das andere Paar um. Petra sah, wie ein fremder Junge und Charlotte – nein, Agneta! – auf dem Boden lagen und sich schnell wieder aufrafften. Agneta warf einen mörderischen Blick in Petras Richtung, während sie Klaus’ Entschuldigung mit freundlichem Lächeln entgegennahm.

    „Darf ich dich zu einer Limonade einladen?" fragte Klaus schließlich, als sie ganz erhitzt vom Tanzen waren.

    „Das wäre prima, danke."

    Nach der Erfrischungspause tanzten sie wieder, bis Petra beschloß, nach Hause zu gehen. Sie wußte ja, daß sie am nächsten Morgen genauso früh aufstehen mußte wie sonst auch.

    „Schade, daß du schon gehst, sagte Klaus. „Wir sehen uns morgen im Reitstall.

    „Ja, tschüs, es war ein schöner Abend."

    Petra ging allein durch die helle Sommernacht heimwärts. Sie versuchte sich darüber klarzuwerden, weshalb Klaus fast nur mit ihr getanzt hatte.

    War es vielleicht eine neue Art, die Zwillinge Verelius zu ärgern? Petra wünschte sich von ganzem Herzen, daß dieser Verdacht nicht zutraf.


    Während der folgenden Zeit ritt Astrid mehrmals wöchentlich, und wenn das Wetter schön war, sah ihre Mutter für gewöhnlich beim Unterricht zu. Für das Geld, das Petra dabei verdiente, konnte sie selbst in der Reitschule Dressurstunden nehmen. Sie hatte jedoch noch immer das Gefühl, etwas zu bekommen, was ihr eigentlich nicht zustand. Es machte ihr Freude, Astrids Fortschritte zu beobachten, und Petra tat es bestimmt nicht wegen des Geldes. Die Folge war, daß sie die Zeit oft überzog, so daß die Stunden länger als vereinbart wurden.

    Doch es machte ihr natürlich auch Spaß, auf den Pferden der Reitschule zu reiten. Karin hatte ja gesagt, daß man mehr lernte, wenn man auf verschiedenen Pferden ritt und nicht nur immer auf einem bestimmten.

    Beim nächsten Klubtreffen wurde das Programm für die Einweihungsfeier festgelegt. Man wollte eine Quadrille, Voltigereiten und einen Spiegelritt vorführen, falls alles nach Wunsch verlief.

    „Um welche Zeit reitest du morgen, Petra? fragte Klaus plötzlich. „In der Reitschule, meine ich.

    „Um zwei Uhr. Rosemarie und noch zwei Mädchen sind auch mit in der Gruppe."

    „Ach so, dann sind die Pferde natürlich schon alle ausgebucht."

    „Nein, das glaube ich nicht, warf Karin lächelnd ein. „Komm morgen nur her, wenn du mitmachen willst, Klaus, dann wollen wir mal sehen, was sich machen läßt.

    „Hat denn jemand abbestellt?" fragte Klaus.

    „Nein, nicht daß ich wüßte", erwiderte Karin.

    Alle machten neugierige Gesichter, aber die Reitlehrerin sagte nichts mehr. Agneta und Charlotte schienen eingeweiht zu sein, doch sie behielten ihr Wissen für sich.


    Am nächsten Tag, als Petra auf dem Rad zur Reitschule fuhr, sah sie, wie ein Lastwagen mit Pferdeanhänger vor dem Stall hielt. Ihre Vermutung hatte also wirklich gestimmt: Die Reitschule sollte ein neues Pferd bekommen!

    Klaus war bereits zur Stelle. „Hallo, da kommt wohl ein Pferd für mich", sagte er und lächelte Petra zu.

    „Hallo!" Petra lächelte flüchtig zurück.

    Ein Fahrer und ein Pferdepfleger stiegen aus dem Wagen, und Karin kam aus dem Stall, gefolgt von einem Schwarm Mädchen. Alle versammelten sich neugierig im Halbkreis um das Transportauto, während die beiden Männer die Laderampe anlegten.

    „Wohin soll ich sie bringen?" fragte der Pferdepfleger, ehe er im Anhänger verschwand.

    „In die erste Box auf der rechten Seite, erwiderte Karin. „Geht jetzt zur Seite, Mädels, damit wir Platz haben.

    Der Halbkreis vergrößerte sich widerwillig. Der Pferdepfleger tauchte wieder auf und führte eine schlanke Schimmelstute mit sich. Sie schritt würdevoll wie eine Königin über die Laderampe, wandte den Kopf nach rechts und links und sah sich in der neuen Umgebung um. Ihre Ohren bewegten sich unablässig vor und zurück.

    Aber sie ist kein bißchen ängstlich oder nervös, dachte Petra, nur lebhaft und interessiert.

    Ohne Zögern ging die Schimmelstute mit geschmeidigen Schritten in den Stall. Karin, Petra, Klaus und die Mädchen folgten ihr und beobachteten sie genau.

    „Wie heißt sie?" fragte Petra nach einer Weile.

    „Polly, erwiderte Karin. „Sie ist vier Jahre alt und kommt direkt von der Rennbahn.

    Als Fahrer und Pferdepfleger wieder abgefahren waren, verteilte Karin die Pferde für die Stunde.

    „Darf ich Ballade reiten?" fragte Rosemarie.

    „Ja, meinetwegen. Klaus, du kannst heute Rex nehmen."

    „Nicht Polly? Das wäre viel spannender", meinte Klaus.

    „Nein, ich möchte lieber, daß Petra sie ausprobiert. Karin wandte sich nun an die beiden Jüngsten in der Gruppe. „Und ihr nehmt Puppe und Troll. Fangt jetzt gleich an, die Pferde zu satteln. Polly bekommt den Sattel mit dem blauen Woilach, der ganz hinten im Sattelraum hängt.

    Polly nickte nicht gerade begeistert, doch Petra ging entschlossen in die Box und legte ihr den Sattel sanft auf den Rücken. Die Trense paßte nicht richtig; sie mußte etwas mehr festgezogen werden. Die Schimmelstute ließ es ruhig mit sich geschehen, doch als Petra den Sattelgurt nachziehen wollte, zuckte das Pferd zurück.

    Petra faßt den Gurt fester und begann zu ziehen. Plötzlich sah sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung und streckte unwillkürlich schützend den Ellbogen vor. Dabei stieß sie gegen die Vorderzähne der Stute.

    „Ach, du hast es also nicht gern, wenn man den Sattelgurt anzieht?" fragte Petra, während sie den Riemen langsam enger spannte.

    Polly versuchte auszuweichen. Sie hatte die grauschimmernden Ohren zornig zurückgelegt. Nun schnappte sie in die Luft, versuchte jedoch nicht noch einmal, Petra zu beißen.

    Kurz darauf gingen die fünf Pferde langsam um die Reitbahn, und Petra freute sich an den langen, geschmeidigen Schritten der neuen Stute.

    „Dürfen wir heute auch springen?" fragte Klaus.

    „Bestimmt nicht, solange du keine Reitkappe aufgesetzt hast, sagte Karin. „Wenn du dir nicht selbst eine kaufen willst, leihe ich dir die meine. Aber heute wird nicht gesprungen.

    Petra merkte bald, daß Polly nicht Dressurreiten konnte. Sie wirkte noch recht untrainiert, war jedoch gehorsam und leicht zu reiten. Dagegen legte die Stute jedesmal die Ohren zurück, wenn ihr eines der anderen Pferde zu nahe kam.

    „Das hat ja richtig gut geklappt, Petra, sagte Karin nach der Reitstunde. „Wenn Polly sich erst eingewöhnt hat, wird sie bestimmt recht brauchbar sein.

    „Wollen wir zum Kiosk fahren und Eis kaufen?" rief Klaus dazwischen.

    „Ich möchte schon, aber ich muß leider sofort nach Hause, erwiderte Petra. „Astrid kommt; sie hat heute ihre Reitstunde.

    „Astrid? Wer ist das?"

    Petra sah ihn verdutzt an. Sie meinte, ihm schon von Astrid erzählt zu haben. Täuschte sie sich, oder hatte er es bereits wieder vergessen?

    „Astrid ist ein blindes Mädchen, dem ich auf Svala Reitunterricht gebe."

    „Ach so. Aber hast du’s so eilig? Sie kann doch sicher ein bißchen warten."

    „Nein, ihre Mutter bringt sie im Auto her, und da müßten sie ja beide warten."

    „Na ja, dann vielleicht ein andermal."

    „Ja, gern. Tschüs, ich muß jetzt los!"

    Als Petra zu Hause eintraf, waren die Johansons bereits gekommen. Petra fand die Schwestern am Zaun der Kälberweide, wo sie Svala mit Karotten fütterten.

    „Darf ich Svala zum Stall führen?" fragte Astrid.

    Beim Gedanken an die bevorstehende Reitstunde hatte Astrid wieder einmal ein seltsam flaues Gefühl im Magen. Sie liebte es, das Pony zu striegeln und es zu satteln, doch das Reiten selbst … Immer wieder sagte sie sich, daß es kein bißchen gefährlich sei, doch es half nichts. Sie ritt gern, schaffte es aber nie, sich dabei richtig sicher zu fühlen. Weshalb konnte sie nicht wie Lena sein, die sich beim Reiten nie fürchtete? Dabei ritt sie auf viel größeren Pferden als Svala und war schon zweimal gestürzt.

    Diesmal schlug Petra vor, daß Astrid Leichttraben üben sollte.

    „Das mußt du können, wenn du ausreitest", erklärte sie.

    „Ausreiten? Glaubst du, daß ich das jemals schaffen kann?" fragte Astrid.

    „Ja, das glaube ich. Svala würde sicher einfach dem vorangehenden Pferd folgen. Aber zuerst mußt du galoppieren lernen."

    Von diesem Tag an hatte Astrid ein bestimmtes Ziel, für das sie arbeitete. Wenn sie es schaffte, bei einem Ausritt mitzumachen, würde sie sich nicht länger wie eine Anfängerin fühlen. Es kam ihr wie eine Art Prüfung vor.

    Astrid strengte sich nun fast noch mehr an als vorher, und Petra gab sich große Mühe, ihr alles zu erklären. Sie konnte ihr ja nicht zeigen, wie man es machte.

    Glücklicherweise war Svala brav und willig. Das Pony versuchte nie, Astrid abzuwerfen, doch eines Tages fiel das blinde Mädchen trotzdem vom Pferd. Das war, als sie zum erstenmal galoppieren sollte.

    „Eigentlich sitzt man besser im Galopp als im Trab, sagte Petra, nachdem sie die Galopphilfen erklärt hatte. „Versuch es jetzt einmal. Treib Svala ein bißchen an, damit sie aufwacht. Nein, zieh die Zügel nicht noch straffer an! Das ist überhaupt nicht notwendig – so furchtbar schnell geht es ja nicht. Beug dich nicht vor. Der äußere Schenkel liegt hinter dem Gurt! Ja, so!

    Die kurzen Stöße verschwanden, und Astrid kam es vor, als würde sie auf Wolken schaukeln. Sie galoppierte, und es war, als flöge sie! Berührten die Hufe wirklich den Boden? Es war ein ganz neues und herrliches Gefühl, doch sie konnte es nicht lange auskosten, da Svala das Tempo plötzlich verringerte und das weiche Schaukeln wieder von den harten Stößen des Trabes abgelöst wurde.

    „Na, jetzt hast du aber geträumt! Petra lachte. „Du mußt sie antreiben, sobald sie langsamer wird. Versuch’s noch einmal!

    „Oh, das war herrlich!"

    Svala fiel wieder in Galopp, und Astrid versuchte sie weiter anzutreiben. Doch sie war noch nicht an den Rhythmus des Galopps gewöhnt und verlor den einen Steigbügel. Svala drehte ruhig und gesittet eine Runde, doch dann setzte es sich das Pony plötzlich in den Kopf, daß es quer durch die Bahn abkürzen könnte, statt die Ecken ordentlich durchzureiten.

    Astrid war völlig unvorbereitet, als Svala unvermittelt aus der Viereckspur ausbrach. Sie glitt im Sattel zur Seite, verlor den Halt – und fiel mit einem Plumps zu Boden!

    Reitausflug mit Hindernissen

    „Hast du dir weh getan?" rief Petra erschrocken.

    Astrid rappelte sich hoch; ihre Schulter schmerzte ziemlich. Eine Tanzmelodie vom Tonbandgerät mischte sich mit einem Schlager aus dem Radio.

    „Ach, es ist nicht so schlimm. Wo ist Svala?"

    „Sie steht ein paar Schritte rechts von dir. Svala hat angehalten, als du heruntergefallen bist. Du kannst sie also selbst wieder am Zügel nehmen."

    Astrid machte zwei unsichere Schritte, dann noch einen und streckte langsam die Hand aus. Dann berührte sie einen warmen Pferdekopf und den Rand des Woilachs. Svala drehte sich zu ihr um, und Astrid fühlte das Maul des Ponys an ihrem Arm. Sie tastete weiter und fand die Zügel, und zuletzt hatte sie auch den Steigbügel gefunden. Doch ihre Beine zitterten so, daß sie nur mit Mühe wieder in den Sattel kam.

    Aber die Sache ist es wert! dachte sie plötzlich. Das Reiten ist so schön, daß man sogar ab und zu einen Sturz in Kauf nehmen kann!

    „Na, dann machen wir gleich weiter, sagte Petra ruhig. „Jeder fällt mal vom Pferd, auch ich.

    „Wirklich?" fragte Lena.

    „Na ja, nicht sehr oft. Es ist lange her, seit ich zum letztenmal heruntergefallen bin. Laß Svala jetzt wieder traben, Astrid."

    „Meinst du, daß sie das noch mal macht?" erkundigte sich Astrid ängstlich.

    Sie hatte sich zwar mit dem Gedanken vertraut gemacht, ab und zu einen Sturz zu riskieren, doch öfter als unbedingt notwendig sollte es nicht passieren.

    „Treib Svala besser an – mit beiden Schenkeln, riet ihr Petra. „Und wenn sie wirklich noch einmal ausbricht, mußt du ja nicht unbedingt gleich wieder herunterfallen.

    Doch Svala tat es nicht wieder. Es war, als hätte das Pony plötzlich verstanden, daß Astrid sich nicht wie Petra auf heftige Wendungen einstellen konnte. Nach diesem Vorfall bewegte sich Svala immer sehr vorsichtig, wenn Astrid im Sattel saß.


    Am folgenden Abend bekam Petra einen Anruf von Karin.

    „Es geht um die morgige Reitstunde, sagte sie. „Rex lahmt etwas, so daß wir nur vier Pferde zur Verfügung haben. Könntest du diesmal auf Svala reiten? Du brauchst dann natürlich nichts für die Stunde zu bezahlen.

    „Ja, klar kann ich das. Was ist denn mit Rex passiert?"

    „Ich glaube, er hat sich überanstrengt. Er braucht wohl mindestens eine Woche Stallruhe."

    „Oh, das tut mir leid!"

    Petra ritt also in der nächsten Reitstunde ihr eigenes Pferd. Und Klaus bekam Polly, die sich bereits recht gut an das Reitschulleben gewöhnt hatte. Karin lieh Klaus ihre Reitkappe.

    „Heute dürft ihr springen", sagte sie.

    Bei Polly wurden anfangs nur ein paar niedrige Bocksprünge daraus, da sie nie zuvor gesprungen war. Mit der Zeit wurde sie jedoch richtig eifrig und sprang höher als notwendig. Svala zeigte vor allem bei den weniger hohen Hindernissen ihr Geschick.

    Nach der Stunde ritt Petra langsam durch den Wald nach Hause und träumte vom Springturnier bei der Einweihungsfeier.

    „Svala, du bist wirklich große Klasse!" sagte sie sanft und streichelte den Hals ihres Ponys. „Für

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