Einfach mal frei sein: Wie ich auf der Reise meines Lebens eine neue Welt jenseits von Ängsten, Konventionen und Grenzen entdeckte
Von Fabian Forth
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Über dieses E-Book
Die inneren Selbstzweifel und Ängste sind zwar oberflächlich nicht zu erkennen, bestimmen aber noch teilweise seinen Alltag. Nach der Arbeit kompensiert er die innere Unruhe mit extrem viel Sport und Alkohol. Es muss sich etwas ändern.
Fabian kündigt seinen Job, verkauft alles was er hat und startet seine Reise mit einem One-Way-Ticket nach Indien. 3 1/2 Jahre ist er in der Welt unterwegs, erlebt unzählige Abenteuer und taucht in neue Kulturen ein. Doch am wichtigsten ist die innere Entwicklung. Die Konfrontation mit den eigenen Ängsten, der eigenen Persönlichkeit und die Momente, wenn sich die Komfortzone wieder ein Stückchen weiter ausdehnt. Konfrontationen, die ihn manchmal auch zu Boden werfen, zum Alkohol treiben und die schönsten Weltmetropolen zu einem Höllentrip machen. Doch Stück für Stück schafft er es, zu der Person zu werden, die er tief in seinem Inneren eigentlich schon immer war.
In den 3 1/2 Jahren durchläuft er mehrere Phasen der persönlichen Entwicklung und lernt einige Lektionen, bevor er sich bereit fühlt, mit seinem neuen Ausblick auf das Leben nach Deutschland zurück zu kehren. Doch nichts wird so sein wie vorher.
Fabian Forth
Fabian Forth wurde 1986 in Frankfurt am Main geboren und lebte die ersten 28 Jahre nach gesellschaftlichem Fahrplan. Nach 8 Jahren Karriere in der Informatik erkannte er jedoch, dass das Leben andere Pläne für ihn hat. Er kündigte seinen Job, verkaufte alles, was er besaß und startete seine 8-jährige Weltreise mit einem One-Way-Ticket nach Indien. Bei einem Zwischenstopp in München verarbeitete er die innere Entwicklung der ersten 4 Jahre in seinem Buch "Einfach mal frei sein". Er lebte weitere 3 Jahre in Spanien und Portugal, lief den Jakobsweg und erfüllte sich noch die letzten Reiseträume, bis er anfing, seine Erkenntnisse und die gewonnene innere Freiheit mit der Welt zu teilen. In Büchern, Videos & persönlichem Mentoring sowie Poesie & Theater findet er Ausdruck für seine Gedanken und Ideen. Zur Zeit lebt und arbeitet er in Leipzig.
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Buchvorschau
Einfach mal frei sein - Fabian Forth
"The greatest luxury
is to be comfortable with discomfort"
Unknown
Inhaltsverzeichnis
Prolog
Was in meinem Kopf passierte - München, Juli 2015
Phase I: Lasse Altes los
Kleine Geschichten mit großen - Auswirkungen Deutschland, August 2015
Pläne können sich ändern - Frankfurt, August 2015
Es stehen nicht alle Türen gleichzeitig offen - Belgien, September 2015
Der Anfang der Krise - Gent, September 2015
Ein neues Level an Gastfreundschaft - Gent, September 2015
Öffne dein Herz - Brüssel, September 2015
Lasse Altes los - Mumbai, September 2015
Phase II: Akzeptiere fremde Realitäten
Lerne Frauen zuzuhören - Mumbai, September 2015
Vertraue dem Leben- Mumbai, September 2015
Stehle Menschen nicht ihre Unschuld - Mandangad, September 2015
Lasse deinen Perfektionismus fallen - Mandangad, September 2015
Sei ehrlich zu dir und anderen - Mandangad, September 2015
Der Umgang mit dem Tod - Mandangad, September 2015
Kontrolle abgeben will gelernt sein - Nord-Goa, Oktober 2015
Werde ich nur verarscht? - Nord-Goa, September 2015
Wie vergibt man einer Zigeunerin? - Nord-Goa, September 2015
Alles passiert, wie es passieren soll - Nord-Goa, Oktober 2015
Klopapier ist überbewertet - Nord-Goa, Oktober 2015
Zwei Stunden bis zum Tod - Süd-Goa, September 2015
Es ist DEIN Weg - Hampi, Dezember 2015
Gibt es bedingungslose Liebe? - Bangalore, Dezember 2015
Wahrheit ist relativ - Auroville, Januar 2016
Eine neue Stufe von Armut - Delhi, Januar 2016
Es gibt Probleme, die ich nicht verstehe - Nord-Indien, Januar 2016
Phase III: Erfinde dich neu
Ich hasse Clubs - Sri Lanka, Februar 2016
Ich will nicht nichts tun - Thailand, Februar 2016
Sex ist viel zu anstrengend - Bali, März 2016
Unser Datingverhalten ist verstörend - Bali, März 2016
Meine letzte Zuflucht - Bali, April 2016
Du suchst dir dein Erleben selbst aus - Bali, April 2016
Unsere Jugend braucht Perspektive - Westaustralien, Mai 2016
Introversion oder Selbstfürsorge - Westaustralien, Juni 2016
Eine gestohlene Generation - Westaustralien, Juni 2016
Entferne dich von Deinesgleichen - Victoria, Juli 2016
Das Großer-Bruder-Dilemma - Melbourne, November 2016
Sind wir einfach nur wilde Eroberer? - Melbourne, November 2016
Phase IV: Verändere die Welt
Geteilter Aktionismus ist halber Aktionismus - Melbourne, November 2016
Mit dem Borat-String auf der Fußgängerzone und eine Flasche Whisky - Melbourne, November 2016
Warum handeln wir, wie wir handeln? - Victoria, Dezember 2017
Wo landet unser Müll? - Victoria, Dezember 2017
Ich will nicht, dass mein Freund stirbt - Victoria, Februar 2017
Richtung Heimat - New South Wales, Februar 2017
Leben und leben lassen in Indien - Mahabalipuram, Mai 2017
Phase V: Verändere erstmal dich selbst
Reich an Lektionen aber unschön - Deutschland, Juli 2017
Wie glückliche Menschen aussehen - Neuseeland, Oktober 2017
Wir brauchen einfach nur weniger - Blenheim, Oktober 2017
Vom Fluch und Segen einer guten Arbeitsmoral - Blenheim, Dezember 2017
Zurück zum Wesentlichen - Milford Sound, Februar 2018
Alles passiert zur richtigen Zeit - Orepuki, Februar 2018
Der Tag an dem ich Selbstliebe entdeckte - Dunedin, April 2018
Dem Ego den Kampf ansagen - Dunedin, April 2018
Hingabe im stressigsten Job - Dunedin, April 2018
Mein neues Gespür für Kunst - Dunedin, April 2018
Leben im Flow und neue Entscheidungen - Dunedin, August 2018
Der Sinn steckt bereits in mir - Dunedin, September 2018
Schwäche zeigen, Stärke beweisen - Auckland, Oktober 2018
Die Wiedergeburt einer Kultur - Auckland, Oktober 2018
Phase VI: Manifestiere, was du gelernt hast
Zehn Tage schweigen Region - Auckland, November 2018
Mönch auf Zeit - Süd-Indien, Januar 2019
Ein ganzes Leben für andere Menschen - Süd-Indien, Januar 2019
Nicht das Ende meiner Reise - Deutschland, Februar 2019
Epilog
Prolog
Seit einiger Zeit bin ich nun wieder in Deutschland und irgendwie fühlt sich alles anders an als vorher. Doch alle meine Freunde und Bekannten erzählen mir, dass alles quasi beim Alten ist. Ein paar mehr Kinder wurden geboren, ein paar Menschen haben geheiratet aber die Jobs sind größtenteils dieselben. Ein paar neue Cafés haben in München eröffnet und das Wetter spielt etwas mehr verrückt als ich es in Erinnerung habe. Doch irgendetwas hat sich verändert. Ich habe mich verändert.
Mein kompletter Blick auf das Leben hat sich verändert. Ich grummele nicht mehr vor mich hin, ich habe keine Angst mehr vor Situationen im Alltag oder der Zukunft und mache mir keine Sorgen mehr über Geld oder Karriere. Irgendwie habe ich nicht mal mehr Angst vor dem Tod.
Doch was ist mit mir passiert?
3 ½ Jahre reiste ich einmal um die halbe Welt. 3 ½ Jahre lebte ich wie ein moderner Nomade, heimatlos und fern von Familie und alten Freunden. Ich tauchte in fremde Kulturen ein und lernte einige von ihnen lieben. 3 ½ Jahre ließ ich mich treiben, erlebte die verrücktesten Abenteuer und lernte mich selbst immer wieder neu kennen.
Aber waren es die Jobs als Cowboy, Dschungelführer oder Weinbauer, die mich zum Umdenken brachten? Waren es die Menschen, die Kulturen oder die verrückten Erlebnisse? Oder vielleicht die Begegnungen mit mir selbst, die mich oft zur Verzweiflung und manchmal bis zum Alkohol trieben, aus denen ich aber so viele wichtige Lektionen für mich und mein weiteres Leben ziehen konnte?
Im Grunde waren es all diese Dinge. Die vielen kleinen Erkenntnisse genauso wie die großen Konfrontationen mit anderen Denkweisen, die mein bisheriges Weltbild komplett auf den Kopf stellten.
Alles was ich als in Deutschland als normal empfand, konnte in einer anderen Kultur völlig unsinnig sein. Und wenn das bisher Gelernte auf der anderen Seite der Welt plötzlich nicht mehr stimmt, wer hatte dann die ganze Zeit Recht?
Ich nehme dich mit auf die Reise in meine neue Realität. Eine Reise, auf der ich mehrfach die Grenzen meiner eigenen Komfortzone durchbrach, mich meinen Ängsten stellte und unbequemen Wahrheiten ins Auge blickte. Eine Reise, auf der meine Vorstellungen von richtig und falsch, von wahr und unwahr, von möglich und unmöglich mehrfach neu definiert wurden. Eine Reise, auf der ich mich nach und nach von den gedanklichen Fesseln meiner bisherigen Normalität befreien sollte. Sechs große Phasen durchlief ich auf diesem Weg, von denen jede einzelne viele verrückte Erlebnisse und wichtige Lektionen beinhaltete.
Erkenntnisse, die mir erst im Nachhinein zeigen sollten, warum ich überhaupt unterwegs war. Denn vor einigen Jahren wusste ich selbst nicht, was das alles soll. Ich wusste nicht, auf was für einem Weg ich mich befand, warum ich das überhaupt mache und was alles möglich ist. Ich wusste auch weder wohin, noch wie lange die Reise gehen soll. Suchte ich etwas, gab es überhaupt etwas zu finden und komme ich jemals zu meinem alten Leben zurück? Keine dieser Fragen konnte ich am Anfang meiner Reise beantworten.
Ich wusste nur, dass sich etwas ändern muss.
Was in meinem Kopf passierte
München, Juli 2015
Es war Sommer 2015 in München. Ich wohnte seit einem dreiviertel Jahr mit meiner Freundin zusammen und arbeitete seit fünf Jahren als Netzwerkingenieur bei einem großen deutschen Verkehrsunternehmen im öffentlichen Dienst - unbefristet, sehr gut bezahlt.
Die Fortbildung zur neuen Position im Schichtbetrieb lief in vollem Gange. Viel Verantwortung und mehr Geld, aber weniger Freiheiten. Meine Chefin und die Kollegen hielten große Stücke auf mich. Die Prüfung wäre im September, nach der sich mein Gehalt um weitere 1000€ erhöhen würde. Ich müsste nicht mal etwas dafür tun, außer dem Weg zu folgen der für mich vorgesehen war. Doch irgendwas in mir wollte das nicht. Zufrieden war ich nicht.
Außerdem spielte in mir einiges verrückt. Ich konnte mit der Aufmerksamkeit im Schichtbetrieb nicht umgehen. Während der Trainingstage verkroch ich mich manchmal extra lange auf der Toilette um runterzukommen. Meine selbstdiagnostizierte soziale Angststörung habe ich mir zwar über die letzten Jahre oberflächlich durch Selbsttherapie abtrainiert, doch manchmal schlägt dieses beklemmende Gefühl wieder durch. Mit genug Kuren und ausreichend Urlaub würde ich das vielleicht schaffen, aber es ist mehr als das. Bin ich auf dieser Welt, um jeden Tag meines Lebens den gleichen Zug zu demselben Büro mit denselben Kollegen und derselben Arbeit zu nehmen?
Nach Feierabend kompensierte ich meine Unzufriedenheit mit extrem viel Sport und Ausflügen in die Berge. Bloß kein Wochenende, das nicht genutzt wird um sich abzulenken. „Ausgleich oder „einfach mal loslassen
nennt man das wohl und ist so normal, wie das Feierabendbier. Doch ich rannte vor mir weg, vor wichtigen Entscheidungen, vor mir selbst. Ich war 28 Jahre alt und erkannte schon Züge des klassischen „Vorstadtvaters" aus amerikanischen TV Serien in mir. Unzufrieden heimkommen, genervt aufs Sofa setzen und den Fernseher anschalten. Keine Lust mit der Freundin zu reden und versuchen die negativen Gedanken mit Alkohol zu betäuben.
Es war aber nicht das erste Mal, dass ich Zweifel an meinem Lebensweg hatte. Nach der zehnten Klasse brauchte ich einen Wechsel in eine andere Schule. Ich wollte das Looser-Image hinter mir lassen und neu anfangen. So ganz hatte das aber nicht geklappt. Zwar hatte ich ein paar Freunde mehr auf der neuen Schule, doch so ganz war ich mit der Version von mir nicht glücklich. Auch im dualen Studium war ich noch der Stille und hatte in der Uni nicht wirklich gute Freunde außer dem Kommilitonen aus meiner Firma. Nach einem halben Jahr in meinem ersten Job überkamen mich wieder Zweifel und der Wunsch nach etwas Neuem. Also habe ich mich firmenintern umbeworben und es ging es im Sommer 2012 nach München. Hier konnte ich mich ausprobieren, fing in einem Jahr einige neue Sportarten an wie Klettern, Snowboard fahren, Wakeboarden, fuhr viel Fahrrad und ging fast täglich ins Fitnessstudio. Außerdem machte ich zum ersten Mal alleine einen Surfurlaub in einem Hostel auf Fuerte Ventura.
Bei dieser Art Urlaub, die sich von Jahr zu Jahr häuften, traf ich auf viele interessante Persönlichkeiten. Viele in der „normalen" Welt würden sie vermutlich als gescheiterte Existenzen betrachten. Ich sah sie als Inspiration und Wegweiser. Menschen, die seit Jahren auf Reisen waren, als Surf- und Snowboardlehrer um die Welt pilgerten und ohne Heimat in den Tag hinein lebten. Ich fand die Vorstellung immer faszinierend. Allerdings waren es immer hübsche, große, lautstarke Surfer-Typen. Die Helden auf jeder Party und Alleinunterhalter mit ihren vielen Surf- und Reisegeschichten. So cool war ich einfach nicht und wollte es vielleicht auch gar nicht sein - aber trotzdem zog mich der Lifestyle an.
Und doch merkte ich bei meinen Urlauben, dass ich unterwegs anders sein konnte als ich zu Hause war. Zu Hause fühlte ich mich in meiner Rolle schon lange nicht mehr wohl, ich war still und irgendwie langweilig. Mein Leben war nicht so wie ich es gerne hätte. Feste Freundinnen hatte ich auch nie dann, wenn ich sie brauchte, wenn ich einsam war und ich mich in dieser Welt fremd und alleine fühlte. Doch auf Reisen konnte ich jemand anders sein. Niemand kannte mich und niemand wusste wie ich sonst bin oder wie ich „zu sein habe". So hatte ich auf meinem ersten alleinigen Surftrip in der ersten Woche eine und in der zweiten Woche eine andere Romanze gehabt. Das war neu für mich. Zwar auch nicht unbedingt so wie ich sein wollte, aber es war anders und das war erstmal gut. Plötzlich war ich Teil von etwas, war interessant, verrückt und wild. Warum war ich das nicht zu Hause? Es waren Ausbrüche aus meiner Realität aber mir gefiel diese Version von mir besser als die zu Hause. Und doch flog ich immer wieder zurück und führte mein normales Leben weiter. Doch inspiriert von meinen Abenteuern und neuen Erfahrungen im Urlaub fing ich langsam an, mich grundsätzlich zu verändern.
2015 hing dann einiges in meinem Kopf schief. Ich war überhaupt nicht mehr zufrieden mit dem was ich mir aufgebaut hatte. Nach draußen wirkte alles super gut und geordnet. Schicke Wohnung, tolle Freundin, Motorrad, Auto und viele interessante Hobbys. „Und jetzt will ich schon wieder alles hinschmeißen?", dachte ich als sich meine Ideen zum Aufbruch mehr und mehr manifestierten. Mit meiner derzeitigen Freundin lief es super – wir stritten uns fast nie und lebten in Frieden zusammen. Nur wenn es um die langfristige Zukunftsplanung ging, schieden sich die Geister. Als die Küche von Ikea eingebaut wurde, bekam ich einen emotionalen Zusammenbruch. Ich wollte nichts besitzen. Ich wollte nicht gebunden sein. Das ist irgendwie nicht die Art, wie ich leben will.
Im Job lief es gut und die Beförderung stand kurz bevor. Meine Zukunft sah nach allen bekannten Standards super aus und doch hatte ich Angst vor der neuen Stelle. Nicht mal so sehr wegen den neuen Aufgaben, sondern wegen der Gehaltserhöhung. Was ist, wenn ich mich an all das Geld zu sehr gewöhne? Was ist, wenn mir der Luxus und Wohlstand zu Kopf steigt und ich dem nicht mehr entsagen kann. Schaffe ich es dann nochmal in die Welt hinaus zu ziehen und mein eigenes Ding zu machen?
Die meisten Zweifel kamen allerdings von außen und ich ertappte mich des Öfteren bei Gedanken wie „Du hast doch einen sicheren Job, wirf das nicht weg. Du findest nie wieder so gute Konditionen und deine Karriere wäre zu Ende. Ich merkte allerdings, dass die Karriere mir selbst gar nicht wichtig ist. Es ist nur etwas, das man in unserer Gesellschaft eben für wichtig hält. „Aber was ist wenn ich dann auf Reisen all mein Geld verliere und ohne Job, Ersparnisse und Perspektive wieder nach Deutschland zurückkehre?
, dachte ich immer wieder.
Aber mein Drang etwas zu ändern war stärker als meine Ängste. Ich würde lieber bei dem Versuch scheitern, als es niemals zu versuchen. Lieber wieder bei meinen Eltern einziehen und mit Gelegenheitsjobs ein neues Leben aufbauen, als die nächsten Jahre immer den gleichen Job zu machen. Niemals mein ganz eigenes Abenteuer leben und niemals kennen zu lernen, wer ich außerhalb dieser bekannten Strukturen wirklich bin.
Nach der Kündigung ging alles sehr schnell. Die Stimmung zuhause war gespannt. Ich lebte noch mit meiner Freundin zusammen, die verstehen wollte aber doch nicht so ganz akzeptieren konnte, dass ich jetzt erstmal weg bin. Mein Nebenjob im letzten Monat vor der Abreise war „Papierkram regeln". Jeden Tag nach der Arbeit saß ich bis spät abends noch an Versicherungen, Sparplänen und Autoverkauf, um so wenig wie möglich Ausgaben zu haben, wenn ich auf Reisen bin. Ich war gerade mal 28 Jahre alt und hatte schon einen Berg an Sparplänen, Versicherungen und sonstigen ständigen Geldbewegungen um für alle möglichen Risiken abgesichert zu sein. Es machte mich fast nervös als ich bemerkte, wie leicht es damals war diese Verträge abzuschließen und wie schwer es jetzt war sich wieder davon zu befreien. Es war eine ganze Menge Arbeit aber nach einem Monat hatte ich bis auf eine Auslandskranken- und Haftpflichtversicherung fast alle meine Verträge gekündigt oder pausiert.
Mein Plan war mit dem Fahrrad erstmal quer durch Europa zu fahren. Doch einen Tag vor der geplanten Abreise merkte ich, dass ich noch viel zu viel Zeug hatte. Mit kleiner Reisegitarre, ein paar Büchern, Zelt und einem viel zu großen Schlafsack war mein Fahrrad völlig überladen. Also wurde noch spontan ein klappriger, gebrauchter Fahrradanhänger über die Kleinanzeigen besorgt.
Dann ging es los. Am 25. August 2015 mit dem Fahrrad erstmal von München in meine Heimat in der Nähe von Frankfurt, um Eltern und Freunden dort „Tschüss zu sagen. Beim Gang zum Fahrrad in den Keller fand ich eine kleine selbstgebastelte Streichholzschachtel in der Kellertür. Darauf stand mit aus Zeitung ausgeschnittenen Buchstaben die Nachricht „Finde, wonach du suchst
und im Inneren befand sich ein kleines Armband aus gerollten Papierperlen. Eine Stunde vorher hatte ich meine Freundin zur Arbeit verabschiedet. Dass ich sie von jetzt an für mindestens zwei Jahre nicht sehen würde, wusste ich noch nicht. Ich hatte Tränen in den Augen und einen Kloß im Hals. Meine Gedanken rasten „Was tust du hier? Dreh einfach um und leg dich wieder ins Bett." Doch ich musste das tun und das wusste ich. Tief in mir drin rief es nach einem anderen Leben. Also setzte ich mich auf mein viel zu schwer beladenes Fahrrad und fuhr los.
Phase I: Lasse Altes los
Sechs lebensverändernde Phasen sollte ich durchlaufen bevor ich anfing zu verstehen warum ich diese Reise überhaupt begonnen habe. Viele Erfahrungen, Begegnungen und Lektionen warteten auf mich, die mein Weltbild immer wieder ins Wanken brachten, mich manchmal zu Boden warfen aber mich mit so vielen neuen Erkenntnissen über mich und die Welt wieder aufstehen ließen.
In der ersten Phase musste ich einfach sehr schnell und auf unkonventionelle Weise lernen „loszulassen". Mit meiner Kündigung und dem Aufbruch ins Ungewisse habe ich mir selbst den Boden aus Komfort, Routine und Sicherheit unter den Füßen weggezogen. Ich war also am Fallen und um nicht völlig durchzudrehen, musste ich nun so schnell wie möglich aufhören an alten Denkmustern festzuhalten. Ich musste diese Ungewissheit als meine neue Normalität akzeptieren und der kritischen Stimme in meinem Kopf nicht zu viel Aufmerksamkeit schenken.
Kleine Geschichten mit großen Auswirkungen
Deutschland, August 2015
Das Gefühl war komisch. Durch bekannte Straßen ging es Richtung Unbekanntes. Ich fragte mich, was die Leute am Straßenrand so denken. Vollbepacktes Fahrrad und zerfetzter Anhänger hinten dran. Mein Handy als Navigation lag vorne in dem ständig wippenden Korb, der auch erst vor ein paar Wochen für 15 Euro montiert wurde. Wie ein Radel-Profi sah ich nicht aus.
Auf dem Weg aus der Stadt guckte ich schon 10-mal auf das Handy um nach dem Weg zu schauen. Gefühlte zwei Stunden brauchte ich bis ich auf den ersten Feldern unterwegs war und mich die ersten Hügel Richtung Deutschlands Mitte hochkämpfte. Ich konnte am ersten Tag kaum rasten. Der Plan in Ruhe zu radeln und viele Pausen zu machen, verblasste in der Panik in meinem Kopf. Ich musste mich ablenken von rasenden Gedanken, von den Zweifeln und Ängsten. „Ich habe doch ein schönes Zuhause gehabt, warum haue ich hier ab. Dreh um, fahr nach Hause und überrasche deine Freundin, wenn sie von der Arbeit zurückkommt."
Meine erste Nacht verbrachte ich auf einem Campingplatz irgendwo am Lech nach ungefähr 100 Kilometer ohne Training am ersten Tag meiner Tour. Ich glaube diese Tortur war nötig um meine Gedanken zur Ruhe zu bringen. Gesund für meine Beine war das auf jeden Fall nicht.
Die nächsten Tage waren ebenfalls der reinste Horror meiner frischen Radlerkarriere. Mit dem klappernden Fahrradanhänger zog ich mich einen Hügel nach dem anderen hoch und wieder runter. Ich wusste nicht, dass es sowas wie die „Ostalb" gibt, mit ihrem endlosen Auf und Ab. Jetzt steckte ich mittendrin.
An einem leergeräumten Jugendcampingplatz irgendwo an der Jagst tauchte ich in ein Naturdrama ein, von dem der Rest Deutschlands kaum etwas mitbekommen würde. Eine Mühle war abgebrannt und der gelagerte Kunstdünger floss als pures Ammoniak in die Jagst. Auf einer Strecke von 20 km starben alle Fische und Pflanzen in dem Fluss. Ich schlug mein Lager auf und machte mein Abendessen. Kurz bevor es dunkel wurde zogen ein paar Kerle mit ihren PKWs auf den Campingplatz und starteten ein Lagerfeuer. Ich setzte mich dazu und erfuhr, dass es sich um die Hilfstruppe aus dem Umkreis handelte. Diverse Vereine und Fischerverbände hatten sich zusammengetan und über Tage hinweg die toten Fische und Ansammlungen von vergiftetem Schlick aus dem Wasser gesammelt. Das abendliche Grillen und Bier waren ein Dankeschön der Gemeinde.
Für diese Menschen vor Ort war es ein riesiges Ereignis und für manche Fischer bedrohte es den Lebensunterhalt. Doch es fühlte sich an als wäre ich in ein kleines TV-Drama gestoßen: „Das Fischesterben von der Jagst - Eine Katastrophe treibt den Fluss herunter".
Lektion Nr. 1
Das kleinste Unglück kann für die betroffenen Menschen den größten Schicksalsschlag bedeuten. Wir hören täglich so viele Berichte im Fernsehen und Radio über einen umgekippten Tanklaster oder ein Autobahnunglück. Nur ein Tropfen auf dem heißen Stein der täglichen Informationsflut. Und doch kann es das ganze Leben auf den Kopf stellen, wenn man selbst davon betroffen ist.
Pläne können sich ändern
Frankfurt, August 2015
Nach nur vier Etappen mit durchschnittlich 80 Kilometer pro Tag näherte ich mich meinem ersten Zwischenziel und meiner Heimat in der Nähe von Frankfurt, um mich von alten Freunden und Familie zu verabschieden. Im Maintal hatte ich so einen guten Lauf, da mich endlich keine endlosen Anstiege mehr zurückhielten und ich fuhr ohne Pausen weiter. Zu meinem Verhängnis war das irgendwann zu viel. Mit einem stechenden Schmerz im rechten Knie war ich gezwungen für die Nacht irgendwo zwischen Wertheim und Miltenberg nochmal Rast zu machen. Doch auch nach einer Nacht Erholung ging es dem Knie nicht besser. Nur 80 km vor Frankfurt wollte ich aber nicht noch Tage auf einem Campingplatz verbringen bis mein Knie verheilt. Meine beste Freundin erklärte sich bereit mich mit dem Kastenwagen ihrer Eltern abzuholen und lieferte mich bei meinem Elternhaus ab. Auf meiner Tour habe ich gemerkt, wie schlecht ich eigentlich ausgestattet war. Ein Regenschauer und all mein Gepäck samt Zelt und Klamotten wären durchnässt gewesen. Doch jetzt nochmal in gutes Fahrradequipment zu investieren würde einige hundert Euro kosten.
Die paar Tage im Gästezimmer meiner Mutter brachten mich einer bahnbrechenden Entscheidung näher. Ich durchsuchte das Internet nach günstigen Flügen und fand einen bezahlbaren Weg raus aus Europa. Ein Ziel, das seit Längerem in meinem Kopf rumkreiste auch wenn ich schon alles Mögliche darüber gehört hatte. Von „Geh da nicht hin, das ist kriminell, dreckig und stinkt überall bis „Das ist das vielfältigste und schönste Reiseland, das es gibt
war alles mit dabei. Impfungen habe ich mir für ganz Asien eh schon in den Arm schießen lassen.
Also was soll‘s: „Der Fahrradanhänger wird weiterverkauft und mit einem One-Way-Ticket geht es in 3 Wochen in eine ganz fremde Kultur: Es geht nach Indien".
Einen günstigen Direktflug gab es von Brüssel. Sehr passend, dass zwei gute Freunde mit dem Wohnwagen ein paar Tage später nach Belgien aufbrechen wollten. Nach ein paar Telefonaten war die Mitfahrgelegenheit organisiert.
„Moment mal. Benötigt man für so spezielle Länder nicht ein Visum? schoss mir plötzlich in den Kopf. Im Internet fand ich heraus, dass der Prozess bis zu 4 Wochen dauern kann, da man den Reisepass normalerweise mit Geld und Fotos per Post einschicken muss. Mein Herz stockte. Muss ich den Plan doch auch wieder abbrechen? Weitere Recherchen zeigten, dass das Konsulat für Indien in Frankfurt ist, man seinen Reisepass auch direkt vorbei bringen und eine schnelle Bearbeitung beantragen kann. Auf einer Leiter im Wohnzimmer meiner Mutter platzierte ich den Fotoapparat für das improvisierte Passbild im „Indien
-Format, druckte es auf Fotopapier aus und brachte es am selben Nachmittag noch