Parker lässt den "Vielfraß" springen: Butler Parker 188 – Kriminalroman
Von Günter Dönges
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Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht!
In diesem Drehgestell befanden sich diverse Ansichtskarten, die ihre Halterungen verließen und wie riesige Schneeflocken durch die Halle wirbelten. Der Chefportier des Hauses, ein gestandener Mann, den so leicht nichts erschüttern konnte, schluckte beeindruckt und brachte sich in Deckung, da Lady Agatha sich erneut ihrem Butler widmete. »Ich werde langlaufen«, kündigte sie unternehmungslustig an, »ich werde meinen Kreislauf in Schwung bringen, Mr. Parker. Ich rechne damit, daß Sie mich begleiten werden.« Die totale Unordnung, die sie angerichtet hatte, übersah sie souverän. Sie schien auch nicht die Gäste wahrzunehmen, die hinter den Sesseln volle Deckung genommen hatten. Munter schob sie ihre beeindruckende Fülle zur Drehtür, und Parker ahnte bereits im vorhinein, daß mit weiteren Zwischenfällen zu rechnen war. Agatha Simpson war wohl kaum willens und in der Lage, ihre Ski durch diese ein wenig komplizierte Tür zu bringen. Sie ging auch sofort in den Clinch mit dieser Tür, verklemmte und verhakte die Langlaufbretter, wurde leicht gereizt, riß und zerrte nun an ihnen, um sich durch die Türsektoren zu bringen. »Ein unmögliches Hotel«, grollte sie verärgert, als sie stecken geblieben war. »Wenn Mylady sich vielleicht für wenige Augenblicke gedulden mögen«, bat Josuah Parker, »man wird die Tür zusammenfalten.« Parker ließ sich auch jetzt nicht aus der Ruhe bringen. Der etwas über mittelgroße, alterlos wirkende Mann, der den Hauch eines Bauchansatzes zeigte, stand schon seit Jahren in Diensten der ungewöhnlichen Dame und wunderte sich über nichts mehr. Er war das Urbild eines hochherrschaftlichen britischen Butlers, hatte ein glattes, ausdrucksloses Gesicht und benützte eine Art Kunstsprache der Höflichkeit, die man im Blut haben mußte. Josuah Parker hatte keine Mühe, die Tür passierbar zu machen. Er wurde dabei vom Chefportier und den Gästen in der Hotelhalle bewundernd beobachtet.
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Butler Parker
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Parker lässt den "Vielfraß" springen - Günter Dönges
Butler Parker
– 188 –
Parker lässt den Vielfraß
springen
Günter Dönges
In diesem Drehgestell befanden sich diverse Ansichtskarten, die ihre Halterungen verließen und wie riesige Schneeflocken durch die Halle wirbelten. Der Chefportier des Hauses, ein gestandener Mann, den so leicht nichts erschüttern konnte, schluckte beeindruckt und brachte sich in Deckung, da Lady Agatha sich erneut ihrem Butler widmete.
»Ich werde langlaufen«, kündigte sie unternehmungslustig an, »ich werde meinen Kreislauf in Schwung bringen, Mr. Parker. Ich rechne damit, daß Sie mich begleiten werden.«
Die totale Unordnung, die sie angerichtet hatte, übersah sie souverän. Sie schien auch nicht die Gäste wahrzunehmen, die hinter den Sesseln volle Deckung genommen hatten. Munter schob sie ihre beeindruckende Fülle zur Drehtür, und Parker ahnte bereits im vorhinein, daß mit weiteren Zwischenfällen zu rechnen war. Agatha Simpson war wohl kaum willens und in der Lage, ihre Ski durch diese ein wenig komplizierte Tür zu bringen.
Sie ging auch sofort in den Clinch mit dieser Tür, verklemmte und verhakte die Langlaufbretter, wurde leicht gereizt, riß und zerrte nun an ihnen, um sich durch die Türsektoren zu bringen.
»Ein unmögliches Hotel«, grollte sie verärgert, als sie stecken geblieben war. »Wenn Mylady sich vielleicht für wenige Augenblicke gedulden mögen«, bat Josuah Parker, »man wird die Tür zusammenfalten.«
Parker ließ sich auch jetzt nicht aus der Ruhe bringen. Der etwas über mittelgroße, alterlos wirkende Mann, der den Hauch eines Bauchansatzes zeigte, stand schon seit Jahren in Diensten der ungewöhnlichen Dame und wunderte sich über nichts mehr. Er war das Urbild eines hochherrschaftlichen britischen Butlers, hatte ein glattes, ausdrucksloses Gesicht und benützte eine Art Kunstsprache der Höflichkeit, die man im Blut haben mußte.
Josuah Parker hatte keine Mühe, die Tür passierbar zu machen. Er wurde dabei vom Chefportier und den Gästen in der Hotelhalle bewundernd beobachtet. Unter diesen Gästen befand sich ein Mann, der vielleicht fünfundvierzig Jahre zählte. Dieser schlanke und sportlich aussehende Typ hatte das Gesicht eines Fuchses, schnelle, flinke Augen und einen schmalen Mund.
Er lächelte mokant über Lady Agatha, die endlich die Tür hinter sich lassen konnte, wobei allerdings eine kleinere Scheibe der Drehtür zu Bruch ging. Der Mann schlenderte hinüber zur Rezeption und winkte dem Chefportier, der sich die dicken Schweißperlen von der Stirn wischte.
»Stammgäste?« erkundigte sich der Mann beiläufig.
»Lady Agatha Simpson mit ihrem Butler«, erwiderte der Chefportier, »Mylady entschied sich für einen Winterurlaub.«
»Wann wird sie das Haus abgerissen haben?« fragte der Gast ironisch weiter.
»Sir, bitte«, gab der Chefportier zurück, »Sie wohnen in einem grundsoliden Haus.«
»Die Lady ist Witwe?« lautete die nächste Frage des Gastes.
»Witwe und passionierte Amateurdetektivin, Sir«, gab der Chefportier zurück, »Mylady ist sehr erfolgreich, wie man hört.«
»Danach sieht sie wirklich aus«, spöttelte der Mann mit dem schmalen Gesicht, nickte dem Chefportier zu und schlenderte in die Tiefe der Halle zurück, in der noch immer Unruhe herrschte. Die Gäste erholten sich nur langsam von dem Erlebnis, das sie hatten. Der Mann, der sich bei dem Chefportier erkundigt hatte, verschwand in einer Telefonzelle und rief eine Nummer im nahen Pontresina an.
Er machte einen gespannt-ungeduldigen Eindruck, als er auf den Anschluß wartete.
*
Mylady befand sich in ihrem Element. Der Butler hatte ihr geholfen, die Skibindungen anzulegen. Sie stand nun auf den schmalen Langlaufbrettern, die sich unter ihrem nicht unbeträchtlichen Gewicht tief in den weichen Pulverschnee drückten. Agatha Simpson blickte den sanften Hang hinunter und nahm augenscheinlich Maß. Sie sah auf diesem Hang vor dem Hotel eine Vielzahl von schnee- und sportbegeisterten Menschen, die noch keine Ahnung von dem hatten, was bald auf sie zukam.
»Sie wollen mich wirklich nicht begleiten, Mr. Parker?« fragte die ältere Dame ihren Butler. Sie bedachte ihn mit einem fast mitleidigen Blick. »Geben Sie schon zu, daß Sie von diesem Sport überhaupt nichts verstehen.«
»Ein Meister in der Kunst des Wedelns, Mylady, dürfte meine bescheidene Wenigkeit mit Sicherheit nicht sein«, lautete Parkers Antwort, »zudem fehlt es an der sportlichen Kleidung, wenn man darauf aufmerksam machen darf.«
Parker untertrieb keineswegs.
Wenn er auch seinen schwarzen Covercoat im Hotelzimmer zurückgelassen hatte, so trug er immerhin noch einen schwarzen Zweireiher, schwarze Straßenschuhe, einen Eckkragen und einen schwarzen Binder. Auf seinem Kopf saß ein ebenfalls schwarzer Bowler oder auch Melone genannt. Am angewinkelten linken Unterarm hing ein altväterlich gebundener Regenschirm, der hier ausgesprochen deplaziert wirkte.
»Nun denn, Parker, ich werde mich der weißen Pracht in die Arme werfen«, kündigte Agatha Simpson enthusiastisch an und bohrte die beiden Skistöcke energisch in den Schnee.
»Mylady sollten diese Absicht vielleicht nicht zu wörtlich nehmen«, bat Josuah Parker in seiner höflichen Art.
»Schieben Sie mich an, Mr. Parker«, verlangte sie, als die schmalen Bretter unter ihren Schuhen sich nicht rührten, obwohl sie sich kraftvoll abdrückte.
»Mit Myladys Erlaubnis.« Parker trat hinter seine Herrin und wuchtete sie mit der rechten Schulter aus dem Schnee. Diese Arbeit war nicht gerade leicht, wie sich zeigte. Es kostete den Butler einige Mühe, bis er Agatha Simpson an den Rand des sanften Hügels geschoben hatte. Als ihre Fülle sich dann endlich langsam in Bewegung setzte, stieß die ältere Dame einen Jauchzer aus und beschleunigte ihre Fahrt durch intensive Stockarbeit. Ihre beträchtliche Masse wandelte sich in ungestüme Energie um, als sie mit immer schneller werdender Fahrt nach unten donnerte.
Sie richtete einigen Flurschaden an.
Skiläufer, die sich ahnungslos auf dem Hang tummelten, sahen sich plötzlich einer Erscheinung gegenüber, die Panik auslöste. Lady Agatha war nicht in der Lage, die einmal eingeschlagene Richtung zu ändern. Sie stieß warnende Töne aus, ruderte mit den Armen und Skistöcken in der Luft herum und rammte ohne Schwierigkeiten einige Sportler, die nicht schnell genug den Weg geräumt hatten.
Ein Skilehrer, der mit einer Anfängergruppe auf der Mitte des Hangs übte, war nicht mehr in der Lage, seine Schüler zu warnen. Mylady säbelte den halben Kurs um, nahm dann Richtung auf den Gittermast eines Skilifts, fuhr haarscharf an ihm vorüber, visierte eine kleine Tanne an, die sich unter schwerer Schneelast duckte, rauschte über sie hinweg und riß dabei einige kleinere Äste ab, warf diese von sich und hielt dann auf die kleinen Holzhütten zu, die als Heuschober dienten. Die Straße hinter diesen Holzschuppen war übrigens sehr belebt. Ganze Autoschlangen waren auf dem Weg nach St. Moritz.
Es kam, wie es kommen mußte.
Lady Agatha hatte sich einen dieser Holzschuppen als endgültiges Ziel ausgesucht und war vom Kurs nicht mehr abzubringen. In der Wahl dieses Heuschobers bewies sie allerdings taktisches Geschick, denn zum Hang hin war der Schuppen geöffnet. Ein Landwirt aus der näheren Umgebung war damit beschäftigt, Heu auf einen Hörnerschlitten zu packen.
Er stieß einen eidgenössischen Fluch aus, als er Lady Agatha auf sich zukommen sah, hechtete zur Seite und blickte dann fassungslos auf das menschliche Geschoß, das dicht an ihm vorüber im Heuschober verschwand. Es dauerte eine Weile, bis Lady Agatha wieder vor der Hütte erschien. Sie war unverletzt, doch die Pudelmütze hatte sich verschoben. Lady Agatha war über und über mit Heu bedeckt und glich einem Grizzlybären, der nach einem Opfer suchte.
»Mußten Sie unbedingt hier Ihren Heuschober hinstellen?« grollte die ältere Dame den Bergbauern an, der kein Wort verstand. Der Mann aber begriff instinktiv, daß er sich den Unmut dieser Erscheinung zugezogen hatte. Er bekreuzigte sich und trat die Flucht an.
Lady Agatha wischte an ihrem eigenwilligen Skidreß herum und kniff die Augen zusammen, als sich ein kleiner Schlitten in rasanter Fahrt näherte. Auf diesem Schlitten saß Josuah Parker, der sich wegen der Geschwindigkeit die Melone mit dem Bambusgriff seines Universal-Regenschirms festhielt. Mit einem eleganten Schwung hielt Parker dann knapp vor Lady Agatha, stieg vom Schlitten und lüftete überaus höflich die Kopfbedeckung.
»Mylady sind mit den Schneeverhältnissen zufrieden?« erkundigte sich der Butler.
»Mit dem Schnee schon«, gab sie unwirsch zurück, »aber nicht mit der Piste, Mr. Parker. Nichts als Hindernisse. Ich werde mit der Kurverwaltung reden müssen. Erinnern Sie mich daran.«
Sie wollte noch einiges hinzufügen, doch in diesem Moment explodierte ein Stück Holzbohle dicht neben ihr. Splitter wirbelten durch die Luft, und Butler Parker handelte blitzartig. Er warf sich gegen seine Herrin, die im weichen Schnee keinen festen Halt besaß und beförderte sie zusammen mit sich hinter den Hörnerschlitten. Als Lady Agatha protestieren wollte, füllte ihr Mund sich mit Schnee.
*
»Man geruhte, auf Mylady zu schießen«, sagte Parker wenig später, als er die ältere Dame hochhievte.
»Man hat auf mich geschossen?« Sie