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Der Blaukrautmörder (eBook): Ein fränkischer Gartenkrimi
Der Blaukrautmörder (eBook): Ein fränkischer Gartenkrimi
Der Blaukrautmörder (eBook): Ein fränkischer Gartenkrimi
eBook246 Seiten3 Stunden

Der Blaukrautmörder (eBook): Ein fränkischer Gartenkrimi

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Über dieses E-Book

Biberbach im Aischgrund: Schrebergärtner Hans
Bertram liegt ermordet im Blaukrautbeet
seines Nachbarn Winfried Kehrer, mit dem er sich seit Langem im Streit befand. Die Polizei hält Kehrer für tatverdächtig, worauf dieser seinen Bekannten Walter Dollinger um Hilfe bittet – immerhin hat der Amateurdetektiv bereits mehrfach seinen Spürsinn unter Beweis gestellt. Dollinger erfährt viel über die kleinen und großen Konflikte der Laubenkolonie und stößt dank seines Gärtnerwissens auf Spuren, die der ermittelnde Kommissar übersehen hat: Welsches Weidelgras in der Parzelle des Opfers!
Dollinger steht kurz vor der Lösung des Mordfalls, doch dann wird seine Frau entführt ...
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum15. Juli 2020
ISBN9783747201626
Der Blaukrautmörder (eBook): Ein fränkischer Gartenkrimi
Autor

Bernd Flessner

Dr. Bernd Flessner Geboren 1957 in Göttingen, studierte Theater- und Medienwissenschaft, Germanistik und Neuere Geschichte in Erlangen. Promotion 1991 über die Zukunftsentwürfe von Arno Schmidt und Stanislaw Lem bei Theo Elm. Er arbeitet als Zukunftsforscher am Zentralinstitut für Wissenschaftsreflexion und Schlüsselqualifikationen (ZiWiS) der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Außerdem schreibt er für verschiedene Verlage wissenschaftliche Bücher, aber auch Romane und Kinder- und Jugendliteratur. Für den Tessloff Verlag hat er mehrere WAS IST WAS-Bände verfasst.

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    Buchvorschau

    Der Blaukrautmörder (eBook) - Bernd Flessner

    978-3-7472-0162-6

    Inhalt

    1

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    3

    4

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    Die Autoren

    1

    In der Klinge des Messers spiegelte sich sein Gesicht. Trotz der glänzenden, polierten Oberfläche war es sonderbar verzerrt, da die Klinge aus Damaszener Stahl bestand. Die Anzahl der Lagen ließ sich allenfalls schätzen, es waren mindestens hundert. Die Länge der Klinge brauchte dagegen nicht geschätzt zu werden, sie stand für dieses Modell fest: dreiundzwanzig Zentimeter. Sie besaß die klassische Form des Santoku und gehörte zu einem aus Japan stammenden Allzweckmesser. Santoku bōchō war Japanisch und bedeutete »Messer der drei Tugenden«. Weniger prätentiös formuliert war es eben ein Allzweckmesser. Ein ausgesprochen scharfes Allzweckmesser, das mühelos in so ziemlich alles eindrang, was nicht selbst aus Stahl war oder zumindest aus Stein.

    Die Klinge folgte dem Druck, der auf den Griff ausgeübt wurde, und stieß nur auf geringen Widerstand. Immer wieder verschwand sie, wurde für einen kurzen Moment unsichtbar, um gleich darauf einen Rückzieher zu machen und erneut einzudringen.

    Der kurze Schrei war im ganzen Haus zu hören. Die Klinge hatte ihr Werk vollendet. Vorerst zumindest. Blut rann an der Schneide entlang, folgte der Schwerkraft. Einige Tropfen landeten auf den Fliesen, andere erreichten das Baumwollhemd und breiteten sich umgehend in den saugkräftigen Fasern aus. Die Hand löste den festen Griff und ließ das Messer auf das Bambusbrett gleiten, wo es sich schnell beruhigte.

    »Was ist passiert?«, rief Karin Dollinger von oben.

    »Ich habe mich geschnitten!«, antwortete Walter Dollinger laut. »So ein Mist!«

    »Schlimm?«

    »Ich glaube nicht. Ich muss erst die Blutung stillen.«

    Karin kam die Treppe herunter und ging in die Küche zu ihrem Mann. Sie war Anfang fünfzig, aber das sah man ihr nicht an. Das lag vor allem an ihrer schlanken Figur und den langen, immer noch schokoladenbraunen Haaren. Dollingers Frau sah auf dem Küchentisch einen schon fast zerkleinerten Blaukrautkopf, daneben die Tatwaffe. Walter machte ein finsteres Gesicht und hielt mit der rechten Hand den Daumen der linken umklammert. Er war etwas älter als seine Frau, hatte bereits einen kleinen Bauch, aber auch seine Haare waren immer noch dunkelbraun. Nur an den Schläfen hatten sich ein paar graue Strähnen breitgemacht. Zwischen seinen Fingern sickerte Blut hindurch und tropfte auf den Boden. Karin machte auf dem Absatz kehrt und verschwand, kam aber gleich wieder zurück in die Küche.

    »Hier«, sagte sie und reichte ihm ein frisch gewaschenes Küchenhandtuch. »Ich hole den Verbandskasten.«

    Dollinger ließ seinen Daumen los und vertraute ihn dem Handtuch an, das sich umgehend rot färbte.

    »Mist!«, wiederholte er.

    »Wie oft habe ich dir gesagt, dass du mit diesem Sudoku vorsichtig sein sollst«, rief sie aus dem Flur.

    »Santoku!«, entgegnete er.

    »Trotzdem. Es ist einfach zu scharf.«

    »Ein Messer kann gar nicht zu scharf sein«, bellte er mehr den Schmerz in seinem Daumen an als seine Frau, die nun mit dem Verbandskasten in der Hand wieder die Küche betrat.

    »Weniger scharf ist doch auch in Ordnung.«

    »Weniger scharf ist stumpf.«

    »Aber doch nicht für so einen blöden Krautkopf!«

    »Vor allem für einen Krautkopf!«

    »Halt endlich still!«

    Sie zog das Handtuch vom Daumen, tupfte damit die Schnittwunde ab, sprühte eine gelbliche Flüssigkeit auf die Wunde und schloss sie mit einem breiten Pflaster.

    »Halb so schlimm.«

    »Danke.«

    »Ihr Männer mit euren Messern«, kommentierte sie kopfschüttelnd. »Im Krieg sind sie sinnlos geworden, auf die Jagd geht ihr damit auch nicht mehr. Also fuchtelt ihr jetzt in der Küche damit herum. Blut muss fließen, egal wo.«

    »Aber Karin«, verteidigte er sich, den Daumen wieder in der rechten Hand. »Ein Messer ist nichts Maskulines.«

    »Natürlich ist es das. Oder kennst du eine Frau, die sich derart teure und scharfe Messer kauft? Kennst du eine Frau, die diese Messer auch noch mit auf Reisen nimmt?«

    »Mache ich ja gar nicht.«

    »Das fehlte gerade noch. Aber Thomas und Andreas, die fahren ihre japanischen Messer kreuz und quer durch Deutschland. Als hätten wir eine Messerkrise. Als besäßen nur sie halbwegs scharfe Messer.«

    »Zugegeben. Das sind aber Ausnahmen.«

    »Das glaube ich nicht«, widersprach sie energisch und wischte das Blut zunächst von dem Schneidbrett und dann von den Fliesen. »Es geht um den alten Hahnenkampf. Wer hat den schärfsten Faustkeil, wer hat das schärfste Schwert, wer hat das schärfste Messer? Und heutzutage kommt noch hinzu: Wer hat das teuerste Messer?«

    »Mein Santoku hat nur zweihundert Euro gekostet. Das ist wirklich kein teures Messer. Das von Thomas, das war richtig teuer. Das hat fast das Zehnfache gekostet.«

    »Siehst du? Genau das meine ich. Und jetzt halte den Daumen ruhig. Ich muss den Krautkopf zu Ende schneiden und Blaukraut kochen.«

    2

    In der Klinge des Messers spiegelte sich ein Gesicht. Trotz der glänzenden und polierten Oberfläche war es sonderbar verzerrt, da die Klinge aus Damaszener Stahl bestand. Mühelos drang das ebenso spitze wie scharfe Messer in den Körper ein, der dünne Baumwollpullover und das Unterhemd leisteten keinen nennenswerten Widerstand. Reflexhaft bewegte sich der Körper nach hinten, um vielleicht dem Stich in letzter Hundertstelsekunde doch zu entgehen, aber dafür war es längst zu spät.

    Der lang gezogene Schrei war im ganzen Haus zu hören, bevor er abrupt verstummte. Die Klinge hatte ihr Werk vollendet. Blut rann an der Schneide entlang und folgte der Schwerkraft. Rinnsale breiteten sich über den Körper des Sterbenden aus, dem auch das Messer eines Chirurgen nicht mehr hätte helfen können. Die große hatte bereits über die kleine Klinge triumphiert, das Rennen war gelaufen, lange bevor ein Arzt den Körper zu Gesicht bekam. Dort würden dann nur noch zerfetzte Adern und Herzmuskeln festzustellen sein, verursacht von einer Klinge, deren Schärfe mit der eines Skalpells mühelos konkurrieren konnte.

    Das aus seiner Bahn geratene Blut erreichte auch das Baumwollhemd des Klingenführers und breitete sich umgehend in den saugkräftigen Fasern aus. Das aber störte den Mann nicht weiter, der damit beschäftigt war, den nunmehr Toten langsam zu Boden gleiten zu lassen. Das Messer legte er auf den kleinen Tisch in der Mitte des Raumes. Statt den Tatort zu verlassen oder die Leiche zu beseitigen, schaltete der Mann das Licht aus und ging zum vorderen Fenster, das einen Blick auf einige der anderen Häuser gewährte. Längst kroch die Dämmerung durch die Gärten und vereinigte sich mit den Schatten der wenigen Bäume. Die Wolken am Himmel konnten sich auf keine leicht definierbare Farbe einigen.

    Der Mann hatte ein Haus im Visier, ein Haus, in dem noch Licht brannte. Er brauchte nicht viel Geduld, schon nach einer knappen halben Stunde war seine Wartezeit beendet. Was nun geschah, war nicht zu erkennen. Der Mann wartete noch ein paar Minuten, dann ging er zur Tür und öffnete sie. Die Gärten schwiegen, in einiger Entfernung war ein Auto zu hören. Als wäre dieses Geräusch sein Startsignal, drehte er sich um und kehrte kurz darauf mit dem Toten zurück, den er auf seine Schulter geladen hatte. Die Füße voran trug er ihn aus der Tür und anschließend durch einen gepflegten Garten. Doch nicht dieser Garten war als Zwischenlager für den Toten vorgesehen, sondern ein ganz anderer. Die Reise ging also weiter, über den Hauptweg, bevor sie den richtigen Ort erreichten. Dort fand der Tote vorübergehend Ruhe. Sein Kopf wurde fast liebevoll zwischen anderen Köpfen platziert, zwischen mindestens ebenso großen Krautköpfen. Kopf an Kopf lagen sie nun da. In der spätsommerlichen Dunkelheit waren sie nur schwer voneinander zu unterscheiden. Lediglich der menschliche Körper lieferte einen eindeutigen Hinweis darauf, dass einer der Köpfe nicht in diesem Garten gewachsen war.

    Der Lieferant des Toten verließ noch immer nicht den Schauplatz, sondern kehrte lautlos zum Tatort zurück und machte sich in der Küche zu schaffen. Als die Nacht triumphierte und man nur noch Silhouetten erkennen konnte, verließ er das Haus und suchte wieder den Toten auf. Das war nur dank einer Taschenlampe möglich, deren Lichtkegel immer wieder sonderbare Bewegungen vollzog. Und das nicht nur im Garten, sondern bald auch im dazugehörigen Haus. Es war Tatort-Zeit, als der Mann das Haus wieder verließ, die Taschenlampe dorthin steckte, wo sie ihrem Namen nach hingehörte, und in der Dunkelheit verschwand. Die Köpfe im Garten waren jetzt nicht mehr voneinander zu unterscheiden. Auf allen krochen Schnecken herum. Auch einige Asseln kamen vorbei, ohne den Unterschied zu beachten.

    3

    »Wie finden Sie das, Chef?«, fragte Meier.

    »Was soll ich wie finden?«, schnaubte Hauptkommissar Schwerdtfeger. Er war um die sechzig, riesig, breitschultrig, leicht übergewichtig und zum jetzigen Zeitpunkt hochrot im Gesicht.

    »Na, die Lage des Kopfes. In einer Reihe mit den Krautköpfen. Das ist doch irgendwie komisch.«

    »So? Finden Sie?«, brummte Schwerdtfeger, ohne seinen Assistenten anzusehen.

    »Irgendwie schon.«

    »Und wenn es Ihr Kopf wäre?«, fragte der Hauptkommissar grantig. »Wäre das auch komisch? Oder sogar noch komischer, wenn ich mir Ihren Kopf so ansehe. Bestimmt sogar.«

    Meier lag die Entgegnung auf der Zunge, aber er behielt sie für sich, denn er kannte seinen Chef. Zu spät hatte er bemerkt, wieder einmal ein Fettnäpfchen erwischt zu haben, das sein schwarzer Humor bereitgestellt hatte.

    »Sagen Sie mir lieber, was das zu bedeuten hat«, überging Schwerdtfeger den Fehltritt. »Falls es überhaupt etwas zu bedeuten hat.«

    »Was genau meinen Sie?«, fragte Meier vorsichtig.

    »Die Lage natürlich«, raunte Schwerdtfeger. »Die Lage von dem Kopf zwischen den Krautköpfen. Was ist unter dem Kopf?«

    Meier ging in die Knie, warf dem dabeistehenden Rechtsmediziner einen fragenden Blick zu und näherte sich dem Kopf bis auf wenige Zentimeter.

    »Nichts«, erklärte er, nachdem er wieder aufgetaucht war. »Soweit sich das erkennen lässt, wurde der ursprüngliche Kopf, also der Krautkopf, also … der wurde entfernt. Ich meine, der wurde geerntet.«

    »Sieht nicht nach einem Zufall aus«, urteilte Schwerdtfeger laut und starrte auf den Toten. »Jemand hat seinen Kopf gezielt in die Lücke gelegt. Weiß der Teufel, warum. Vielleicht hat es auch gar nichts zu bedeuten. Ein schlechter Scherz oder so etwas in der Art. Hätte von Ihnen sein können, Meier. Entspricht Ihrem kruden Humor. Egal, lassen Sie ein paar Fotos mehr machen. Von oben wäre gut. Der Fotograf soll erst mal alles dokumentieren.«

    Während Meier seine Aufträge ausführte, inspizierte der Hauptkommissar die Beete vor der Gartenlaube. Eine ordentliche Parzelle, die sich in einer überschaubaren, aber dafür umso gepflegteren Schrebergartenkolonie befand. Selbst im Spätsommer. Zwar fehlten ihm gartenbauliche Kenntnisse, aber die ersetzte er durch ästhetische Kriterien. Es war ein Garten, den er als ordentlich bezeichnen würde. Ein Garten, in dem alles seinen festen Platz besaß. Ästhetische Ordnung. Nur die Leiche störte das Gesamtbild. Daran konnte auch der Kopf nichts ändern, der die unterbrochene Reihe der Krautköpfe wieder zu einer geschlossenen Reihe machte. Ihm schoss die Frage durch den Kopf, wer den fehlenden Krautkopf entfernt hatte, der Besitzer der Gartenlaube oder der Täter. Sofern es sich überhaupt um verschiedene Personen handelte.

    In diesem Augenblick stellte sich ihm ein Mitglied der Spurensicherung in den Weg, ein langes Messer in den spitzen, behandschuhten Fingern.

    »Die Tatwaffe?«, fragte der Hauptkommissar.

    »Sehr wahrscheinlich«, antwortete der Mann in Weiß.

    »Wo haben Sie es gefunden?«

    »In der Wassertonne hinterm Haus.«

    »Fingerabdrücke?«

    »Nein, leider nicht. Aber Blutspuren.«

    »Immerhin«, sagte der Hauptkommissar und wandte sich ab. Er machte ein paar Schritte, um seinen wuchtigen Körper zum Zaun der stattlichen Laubenparzelle zu bewegen. Dort drehte er sich um und betrachtete die Szene, die aus einem Kriminalfilm hätte stammen können. Im Zentrum lag die Leiche, umschwirrt von mehreren Frauen und Männern in weißen Overalls, denen selbst Hautschuppen und winzige Körperhärchen nicht entgingen. Im Hintergrund stand die Gartenlaube. Eigentlich ein richtiges Haus, und ein relativ neues noch dazu. Das reguläre Haus seiner Großeltern war nicht wesentlich größer gewesen.

    Die Gartenlaube war auch der mutmaßliche Tatort. Die Blutspuren ließen kaum Zweifel aufkommen. Dort war Hans Bertram am Abend des vergangenen Tages ermordet worden. In der Gartenlaube von Winfried Kehrer. Natürlich hatten sie sich auch Bertrams Laube angesehen, die nicht weit entfernt lag, aber dort hatten sie weder Anzeichen eines Kampfes noch Blutspuren gefunden. Nein, Bertram war in Kehrers Laube erstochen worden. Mit dem Messer aus der Wassertonne. Davon war Schwerdtfeger überzeugt. Es hatte einen kurzen Kampf gegeben, dem wahrscheinlich der übliche Streit unter Nachbarn vorausgegangen war, dann hatte Kehrer zugestochen. So jedenfalls stellte sich der Hauptkommissar den Tathergang vor. Und er hoffte, genügend Beweise für seine These finden zu können. Für ihn lag der Fall klar. Das einzige Haar in der Suppe war die Platzierung der Leiche inmitten der Krautköpfe. Warum hatte der Täter die Leiche nicht verschwinden lassen? Keine hundert Meter floss die Aisch vorbei. Es wäre nicht die erste Leiche gewesen, die dem Fluss anvertraut worden wäre. Ein paar Tage nur, und die Forensik hätte es schwer gehabt. Mit einem Stein an den Füßen wäre noch mehr Zeit ins Land gegangen. So etwas dauerte nicht lange. Aber der Täter hatte sich anders entschieden, hatte sich für etwas Repräsentatives, für etwas weithin Sichtbares entschieden.

    Der Kopf inmitten der Köpfe. Das gefiel Schwerdtfeger ganz und gar nicht. Es passte in kein Muster. Jedenfalls in keines, das ihm vertraut war. Also wählte er ein vertrautes Muster. Der Kopf inmitten der Köpfe war ein Zeichen, eine Botschaft, eine Warnung.

    »Zu offensichtlich«, murmelte er mit tiefer, bäriger Stimme. »Eine Warnung, die zugleich den Täter preisgibt? Mist, verfluchter!«

    Schwerdtfeger stapfte zurück zur Leiche.

    »Mist, verfluchter!«

    »Was meinten Sie, Chef?«, fragte Meier.

    »Mist, verfluchter!«

    »Na klar«, nickte Meier und trat den Rückzug an.

    Schwerdtfeger fixierte die Leiche. Das Opfer war Anfang fünfzig, schlank, etwa eins fünfundsiebzig groß und kahl wie die Krautköpfe. Die Kleidung war unauffällig, Jeans, blauer Baumwollpullover, braune Schuhe. Auffällig war lediglich der große Blutfleck auf der Brust. Und natürlich die Platzierung des Kopfes.

    »Mist, verfluchter!«, rief Schwerdtfeger und ließ das gesamte Team für einen kurzen Augenblick erstarren.

    Meier war längst im Haus in Deckung gegangen. Auch dort machte sich das Team von der Spurensicherung an die Arbeit. Von besonderem Interesse waren der Blutfleck auf den Fliesen und die wenigen Blutspritzer an der schmalen Theke und den Wänden.

    »Etwas Neues?«, fragte Meier verlegen.

    »Die Spritzer hier an der Wand sind ungewöhnlich«, antwortete eine der weißen Gestalten. »Die Richtung, aus der sie gekommen sind, lässt sich schwer bestimmen. Außerdem sind es sehr wenige. Aber jeder Mord ist ein bisschen anders. Mal sehen.«

    »Aber es ist doch der Tatort?«

    »Wir haben das Messer in der Wassertonne, Blutspritzer in der Laube und eine Leiche im Garten. Sieht so aus«, antwortete der Mann in Weiß.

    Meier sah sich um. Das Interieur war einfach. Ein alter Schrank aus Weichholz, ein Tisch, zwei Stühle, ein altes, ausgemustertes Sofa. Eine eingebaute Theke war noch da, eine Art Hausbar mit zwei Barhockern. Ein kleines Wandregal mit wenigen Flaschen, darunter eine kleine Küchenzeile. Nichts Außergewöhnliches, soweit er sehen konnte. Abgesehen natürlich von dem Blutfleck auf den Fliesen. Die auf dem Boden liegenden Barhocker ließen auf einen Kampf schließen.

    »Habt ihr euch schon die Tür angesehen?«

    Meier zuckte kurz zusammen. Dass sein Chef das Haus betreten hatte, war ihm entgangen.

    Einer der Spurensicherer antwortete umgehend: »Nichts, Herr Schwerdtfeger. Sie wurde nicht gewaltsam geöffnet. Entweder hatte der Täter einen Schlüssel oder das Opfer hat dem Täter die Tür geöffnet. Die Fenster sind alle intakt.«

    Da ein Dank nicht zu erwarten war, wandte sich der Spurensicherer wieder den Blutspritzern zu.

    »Was meinen Sie, Meier?«, fragte der Erlanger Hauptkommissar gereizt.

    »Dass es richtig ist, diesen Kehrer zu holen. Die Kollegen müssten allerdings längst wieder zurück sein. Vielleicht hat er sich ja schon aus dem Staub gemacht?«

    »Hm«, brummte Schwerdtfeger nachdenklich, der fast die gesamte Tür ausfüllte. Die Frau, die hinter ihm auftauchte, war von drinnen allenfalls zu erahnen.

    »Wir sind fertig. Brauchen Sie die Leiche noch?«

    Schwerdtfeger antwortete, ohne sich umzudrehen: »Nein … das heißt, warten Sie mal damit.«

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