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Die Silberstraße: Kreta-Krimi
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eBook310 Seiten4 Stunden

Die Silberstraße: Kreta-Krimi

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Über dieses E-Book

Rita Paulsen ist Rechtsanwaltsfachangestellte in Frankfurt/Main und nebenbei Autorin. Auf der Frankfurter Buchmesse lernt sie den Kreter Alex Florakis kennen. Dieser hat eine deutsche Mutter und ist zweisprachig aufgewachsen. Es kommt zu näherem Kontakt und später zu einem Kretabesuch. Alex sieht in Rita eine Lebenspartnerin. Nach einigen Pannen entscheidet sich diese, an Alex` Seite auf Kreta zu leben. Alex jobbt im Hotel der Eltern, doch bald werden diese von einem Schutzgelderpresser und Stalker unter Druck gesetzt. Obwohl das Unternehmen kurz vor dem Ruin steht, bleibt Rita an Alex` Seite. Sie vermittelt einen Detektiv und beteiligt sich an unerwünschter Selbstjustiz. Dann wird auch noch Alex` Mutter entführt - ein neues Desaster beginnt. Unter Federführung des Detektivs wird ein Team aufgestellt, das versucht, dem Erpresser und Entführer auf die Spur zu kommen. Wird es je gelingen? Und welche Rolle spielt eigentlich die Silberne Straße?
SpracheDeutsch
HerausgeberKarina Verlag
Erscheinungsdatum29. Juli 2019
ISBN9783966615679
Die Silberstraße: Kreta-Krimi

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    Buchvorschau

    Die Silberstraße - Thomas W. Schmidt

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    Kapitel I: Der Acht-Stunden-Kontakt

    Frankfurter Buchmesse, Mittwoch, 19. Oktober 2016. Am Stand der Edition Schaffrath, Berlin tummelten sich die Besucher. Sie stöberten in den Neuerscheinungen des Verlages. Rita Paulsen, Hausautorin, groß, schlank und brünett, stand etwas abseits und wartete. Schließlich wollte sie einen der Verlagsmitarbeiter unter vier Augen sprechen. Ein Messebesucher, um die dreißig, blätterte in einem Taschenbuch und schaute dabei abwechselnd auf Paulsen. Er war ein mediterraner Typ, dunkelhaarig, braunäugig. Paulsen dachte für Sekunden an ein Techtelmechtel. Dieser Mensch war genau ihre Kragenweite. Er schlug das Buch zu und kam ein paar Schritte näher:

    „Sie interessieren sich für Literatur?" Der Mann sprach akzentfrei, seine Stimme klang angenehm.

    „Kann man sagen, so Paulsen. „Und für welche, wenn ich fragen darf?

    „Mich interessieren vor allem menschliche Schwächen und Konflikte."

    Paulsen verschwieg, dass sie die Verfasserin eines Kriminalromans war, veröffentlicht eben in der Edition Schaffrath.

    „Nach Ihrer Antwort zu urteilen, schreiben Sie selbst", so der Fremde. Paulsen faszinierte das Auftreten dieses Mannes.

    „Sie liegen richtig, ich schreibe. Ich hab’ heute Urlaub genommen, weil ich einen Messetag einlege. Außerdem muss ich mit meinem Verlag noch etwas klären. Ich hoffe, man hat Zeit für mich. Von mir gibt es nämlich einen Debüt-Roman."

    „Ein Buch schreiben ist wohl auch mit großem Zeitaufwand verbunden."

    „Klar. Ein Hobby nebenbei kann man sich da kaum leisten. Dennoch interessiert mich auch klassische Musik. Als ich noch zur Schule ging, hatte ich Klavierunterricht. Was ich besonders bevorzuge ist Beethoven. Ich will mich aber nicht aufspielen. Ich bin in einem Haushalt aufgewachsen, in dem man Klassiker bevorzugte."

    Der Fremde hörte aufmerksam zu. Nach einer Pause sagte er:

    Verzeihung, hab’ mich noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Florakis, Alexander Florakis. Man spricht mich eigentlich mit Alex an. Ich bin Grieche oder genauer gesagt Kreter."

    „Hab’ gehört, dass die meisten Kreta-Bewohner Familiennamen mit der Endung -akis tragen. Ich weiß es von Bekannten, die auf Kreta waren."

    „Stimmt! Das hängt mit unserer Geschichte zusammen."

    „Und ich bin Rita Paulsen. Was mich wundert, Sie sprechen perfekt Deutsch."

    „Meine Mutter hat mich zweisprachig aufwachsen lassen – sie stammt aus Darmstadt. Da ist sie gerade wegen eines Verwandtenbesuchs. Um die Zeit zu nutzen, hab’ ich einen Abstecher zur Buchmesse gemacht. Da ich über Nacht bleibe, habe ich ein Hotelzimmer auf der Frankfurter Zeil gemietet. Meine Mutter und ich treffen uns morgen auf dem Flughafen. Unsere Maschine startet 11 Uhr nach Iraklion. Von da aus geht´s per Auto weiter in Richtung Heimat. Ich wohne in Matala, einem Ferienort im Süden. Kennen Sie ihn zufällig? Für viele Deutsche ist er ein Ferien-Eldorado."

    „Hab’ davon gehört. Zumindest haben Sie mich neugierig gemacht. Wie gelangte Ihre Mutter auf die Insel Kreta?"

    „Vor über dreißig Jahren hat sie sich in einen Griechen vergafft. Und wie das Leben so spielt, wurde daraus eine feste Beziehung."

    „Wie fest?"

    „Es kam zur Heirat. Ich hab’ auch noch ‘nen Stiefbruder. Er heißt mit Vornamen Riki. Drollig, nicht? Mein Vater war verwitwet und hat ihn einjährig mit in die Ehe gebracht. Wir kommen gut miteinander aus."

    „Und wo genau haben sich Ihre Eltern kennengelernt?"

    „Bei uns in Matala, eben in diesem Ferienort. Meine Mutter war mit ihrer Freundin im Urlaub."

    Florakis blätterte in einem Taschenbuch, das er in die Höhe hielt. „Ich hab’ darin gelesen. Es handelt sich um eine Liebesgeschichte auf Kreta. Ich werde den Standinhaber fragen, ob ich das Buch erwerben kann. Dann muss ich es nicht erst bestellen oder eine Buchhandlung ausfindig machen. Wissen Sie, es macht mich stolz, dass so viel über meine Heimat geschrieben wird. Tun Sie´s doch auch mit dem nächsten Roman!"

    „Ich weiß nichts von Kreta – ich müsste erst recherchieren. Und wenn ich schreibe, dann wird es wohl ein Krimi."

    „Das wäre kein Problem, wenn Sie uns besuchten. Ich würde Ihnen dabei helfen, Land und Leute kennenzulernen. Zudem haben wir einen weitreichenden Freundeskreis. Außerdem führen meine Eltern ein Hotel in Matala, in dem ich natürlich auch tätig bin. Es trägt den Namen ‚Sunny Side’."

    „Sunny Side? Wäre ein griechischer Name nicht besser?"

    „Übersetzt ist es Die Sonnenseite. Englisch verstehen die Touristen besser. Fast alle versuchen, sich damit verständlich zu machen. Und wir Kreter gehen natürlich darauf ein. Englisch ist bei uns so etwas wie eine Zweitsprache. Wenn sie auch nicht perfekt beherrscht wird, dient sie der allgemeinen Verständigung. Kommen Sie zu uns – ich könnte jederzeit ein Zimmer reservieren. Falls Sie nicht allein reisen auch zwei. Ich gebe ihnen meine Karte. Darauf steht auch meine E-Mail-Adresse."

    „Ich hab’ einen Job, ich kann nicht reisen, wie ich lustig bin. Und dann ist 2016 so gut wie rum. Ich selbst hab’ den Großteil des Jahresurlaubs schon weg. Und da ich alleinstehend bin, muss ich auf verheiratete Mitarbeiter der Firma Rücksicht nehmen. Ich glaube, unser Boss würde mich dieses Jahr gar nicht mehr beurlauben."

    Florakis horchte auf. „Auch ich bin alleinstehend, genauer gesagt ledig, – ich will’s Ihnen nur gesagt haben. Ich bin anderweitig gebunden, und zwar an unser Hotel und an mein Elternhaus. Ansonsten bin ich ein freier Mann. Wenn Sie alleinstehend sind, wären sie flexibel und brauchten privat auf niemanden Rücksicht zu nehmen."

    „Nicht ganz, denn ich hab’ noch eine Mutter, um die ich mich kümmere. Sie ist im Rentenalter. Mein Vater ist vor drei Jahren gestorben. Ansonsten hab’ ich noch ´ne Freundin in meiner Nähe."

    „Bringen Sie Ihre Mutter mit, sie wird sich bei uns wohlfühlen! Gerade im Oktober haben wir ein passables Klima. Verzeihen Sie, dass ich mich in Ihre Angelegenheiten mische, doch vielleicht finden Sie in Ihrer Firma ´ne Regelung. Ich würde mich freuen."

    „Mir scheint, als hätten Sie Probleme mit der Belegung Ihres Hotels. Ihr Auftritt sieht mir ganz nach Werbung aus. Wir kennen uns gerade mal fünf Minuten und schon werfe ich all meine Pläne über den Haufen."

    Florakis ließ nicht locker. Er hob beide Hände und sagte:

    „Sie tun mir Unrecht! Sagen wir es so: Ich fand Sie auf den ersten Blick sympathisch. Dumm ist nur, dass wir so weit auseinanderwohnen."

    Florakis trat zwei Schritte zurück: „Falls Sie mir eine scheuern wollen – aus uns könnte etwas werden."

    „Was Sie nicht sagen! Ich werd’ Ihnen keine scheuern. In Anbetracht der Sachlage verstehe ich Sie sogar."

    „Könnten Sie mir das näher erläutern??

    „Ganz einfach: Bis zu Ihrem Abflug nach Iraklion bleiben Ihnen keine vierundzwanzig Stunden. Also müssen Sie sich betreffs Anmache sputen. Nun, es geschah dezent und Gesprächsstoff gibt es an einem Messestand immer."

    „Ja, Sie haben mich entlarvt, und irgendwie bin ich erleichtert. Um noch mal auf Kreta zurückzukommen: Der Oktober auf Kreta ist eigentlich der schönste Monat im Jahr."

    Paulsen und Florakis sahen schweigend auf die Bücherregale. Für einen Moment spielte Paulsen mit dem Gedanken, Florakis einfach stehenzulassen und zu gehen, doch dieser Typ zog sie an.

    Florakis brach das Schweigen, ganz im Sinne Paulsens:

    „Ich lade Sie zum Essen ein – in Messehalle 3 gibt es ein ansprechendes Restaurant."

    „Machen Sie sich keine Umstände, mir genügt ein Fast Food zwischen Tür und Angel!"

    „Nur das nicht! Machen Sie mir die Freude, gehen Sie mit mir essen!"

    „Aus Ihnen spricht der Hotelier. Gut, gehen wir, aber ich bezahle meine Zeche selbst!"

    „Das fehlte noch! Sie sind eingeladen."

    „Gut, Sie haben gewonnen!"

    Paulsen und Florakis suchten also das Messerestaurant auf. Als Florakis zwei Schoppen Wein bestellen wollte, wehrte Paulsen ab: „Kommt gar nicht in Frage, für heute bleibe ich abstinent! Erzählen Sie mal noch von sich! Haben Sie schon immer im Hotel Ihrer Eltern gejobbt?"

    „Ich besuchte das Gymnasium, um dann zu studieren, – mein Interesse galt Sprachen. Sie werden fragen, warum ich es nicht tat. Ich habe lediglich einen Abschluss als Hotelkaufmann. Gut, das war eigentlich nicht in meinem Sinn, doch meine Eltern haben mich überredet, für unser Hotel zu arbeiten. Dabei haben sie das Argument vertreten, ich könnte mich in der elterlichen Firma wie zu Hause fühlen. Außerdem hätte ich eine Perspektive. Allerdings ist das Führen eines Hotels auf Kreta kein Zuckerschlecken. Ich arbeite manchmal sechzehn Stunden am Tag. Die Konkurrenz ist groß und an jeder Straßenecke gibt es eine gastronomische Einrichtung. Klar, meine Eltern würden mir das Hotel eines Tages überschreiben. So weit wollte ich aber gar nicht vorausplanen, denn ich bin erst dreißig."

    „Ihr Stiefbruder würde dann aber als Erbe infrage kommen."

    „So ist es, aber nur dafür. Riki hat nämlich kein Faible für das Hotelwesen. Es ist ja nicht nur das Hotel oder die Unterbringung der Gäste von April bis Oktober. Auch die Küche samt deren Belieferung muss gemanagt werden. Hinzu kommt die Bewältigung des Postverkehrs. Die meisten Korrespondenzen erledigt meine Mutter. Mein Vater und ich sind für die Einkäufe zuständig und Riki jobbt als Kellner. Es lohnt sich schon wegen des Trinkgeldes, denn die Urlauber sind großzügig. Das hat seinen Grund. Viele Hotels und Pensionen auf Kreta warten mit günstigen Preisen auf. Um Gottes Willen, ich will keine Werbung betreiben."

    Dann war die Bedienung vor Ort. Paulsen und Florakis bestellten ein Tagesessen, was schon nach wenigen Minuten kam.

    „Schade, dass wir schon bedient werden."

    „Wieso? Ist doch gut so."

    „So bleibt uns aber weniger Zeit zur Unterhaltung. Es sei denn, Sie würden mit mir den Rest des Tages verbringen. Paulsen bekam Herzklopfen. „Wie stellen Sie sich das vor? Womöglich würde uns der Stoff für die Konversation ausgehen. Paulsen schaute zur Uhr. „Wir kennen uns jetzt sage und schreibe fünfunddreißig Minuten."

    „Warum soll uns der Stoff ausgehen. Sie haben von sich kaum etwas verlauten lassen. Ich weiß lediglich, dass Sie für einen Berliner Verlag arbeiten. Hauptberuflich?"

    „Nein, ich bin nur Autorin nebenbei."

    „Nur, sagen Sie? Schreiben ist doch eine tolle Sache. Leider komme ich nicht dazu. Wie ich schon angedeutet hab’ – der Job in unserem Hotel ist nicht ohne."

    „Das leuchtet mir ein. Zum Schreiben bleiben mir auch nur die wenigen Stunden nach Dienstschluss."

    Florakis schaute Paulsen fragend an, und Paulsen reagierte: „Was mich betrifft, jobbe ich als Rechtsanwaltsfachangestellte. Auch ich hab’ ein Abitur in der Tasche. Auch ich wollte studieren, und zwar Jura. Jetzt ist der Ofen aus, denn ich bin schon achtundzwanzig."

    „Aber nicht in diesem Alter!"

    „Doch, denn ich wüsste nicht, wie ich mein Studium finanzieren soll."

    „Mit einem zuverlässigen Partner würde es Ihnen sicher gelingen."

    „Wie Sie mitbekommen haben, lebe ich allein und momentan wird sich daran auch nichts ändern."

    Paulsen ärgerte sich über sich selbst, war doch dieser Beitrag fehl am Platz. Florakis sagte ihr in jeder Hinsicht zu. Er sah nicht nur gut aus, sondern war auch eine gepflegte Erscheinung. Sein Kurzlebenslauf war inhaltlich plausibel. Allerdings fragte sich Paulsen, ob der Job eines Hotelkaufmannes für einen Typen wie Florakis die Erfüllung war. Familiären Besitz zu erben, konnte allerdings lukrativ sein. Paulsen träumte davon, denn mehr als der Hausrat der Mutter und ein bescheidenes Sparguthaben war nicht zu holen.

    Florakis riss Paulsen aus ihren Gedanken.

    „Sie haben mir noch gar nicht verraten, wo Sie zu Hause sind."

    „Ich bin hier in Frankfurt gebürtig und auch wohnhaft."

    „Ob Sie mir ein paar Sehenswürdigkeiten zeigten? Haben Sie so viel Zeit?"

    „Ich nehme sie mir. Außerdem wohne ich im Stadtzentrum, genaugenommen auf dem Römerberg."

    Dann waren Florakis und Paulsen mit dem Speisen fertig. Florakis rief den Kellner und zahlte. Paulsen und Florakis nahmen ein öffentliches Verkehrsmittel und fuhren in die Innenstadt.

    „Nett von Ihnen, dass Sie sich als Stadtführer betätigen wollen, so Florakis. „Als Stadtführerin möchte ich mich nicht bezeichnen, erwiderte Paulsen. „Dazu bin ich nicht qualifiziert, aber ich mach mit Ihnen gern einen Rundgang im Stadtzentrum. „Wobei ich nicht abgeneigt wäre, Sie anschließend in ein nettes Café zu führen, ergänzte Florakis.

    „Sie denken sicher an das Kaffeehaus Metropol, so Paulsen. „Wir stehen direkt daneben.

    „Um ehrlich zu sein, ja."

    „Ich passe, wenn Sie schon wieder zahlen wollen – die Reihe wäre an mir. Lassen Sie uns noch ein Stück gehen, zumal ich Ihnen noch gar nichts gezeigt hab!"

    Paulsen führte Florakis zum Römerberg, zum Dom und wieder zurück zum Kaffeehaus Metropol. Dabei machte sie Florakis mit der Stadtgeschichte vertraut. Paulsen spürte seine gedankliche Abwesenheit. Er hatte es wohl eher darauf abgesehen, händchenhaltend im Dämmerlicht eines Lokals zu sitzen. Außerdem war sich Paulsen sicher, Florakis würde sie bitten, über Nacht im gleichen Hotel zu campieren. Dann kam urplötzlich Sturm auf, dem Hagel und Regen folgte. Dies war wohl im Sinne Florakis`.   

    „Das Wetter schlägt uns ein Schnippchen", so Paulsen.

    Florakis schmunzelte: „Schade um ihre Mühe. Wir könnten doch im Metropol warten, bis der Spuk vorüber ist. Wie man durch die Fensterscheiben sieht, erwartet uns dort eine passable Atmosphäre. Kommen Sie, machen Sie mir die Freude!"

    „Ich schlage vor, dass wir uns heute Abend noch mal treffen. Sagen wir gegen 17 Uhr hier vor dem Eingang. Ich gehe erst mal nach Hause, denn auf mich wartet ein ungemachter Haushalt. Heute noch jemanden kennenzulernen war ganz gegen meinen Zeitplan."

    Florakis` Blick verriet Enttäuschung. „Ich wäre ja froh, sagte Florakis, „wenn Sie sich noch mal Zeit nähmen. Ich geb‘ Ihnen meine Handynummer für den Fall, dass Sie sich´s anders überlegen.

    „Das könnte durchaus sein."

    Paulsen war zu stolz, Florakis’ Annäherungsversuchen ohne Widerstand nachzugeben. Andererseits war sie mit sich selbst nicht zufrieden. War es nicht unklug, den Mann ihrer Träume unnötig hinzuhalten? Gegen drei Uhr kam Paulsen zu Hause an und dachte nach.

    Dann griff sie zum Telefonhörer:

    „Hier Paulsen! Herr Florakis, ich rufe Sie an, weil …"

    An dieser Stelle wurde sie unterbrochen:

    „Schade, schade! Dann alles Gute für Sie! Ich sag Ihnen gleich noch meine E-Mail-Adresse durch. Vielleicht haben Sie irgendwann doch Lust auf eine Kreta-Reise."

    „Ich war ja noch gar nicht fertig! Ich würde schon gegen 16 Uhr am Kaffeehaus Metropol sein. Sie geben mir dann Ihre Karte."

    „Ach, das gibt´s doch nicht!"

    „Doch, allerdings müssen wir uns bald trennen – ich muss morgen zeitig aus den Federn."

    „Ich freu mich."

    Paulsen stylte sich auf. Als sie das Haus verließ, lief ihr Florakis in die Arme.

    „Ich wollte Ihnen nicht nachspionieren – hab’ mir lediglich das Umfeld angesehen. Ich wusste gar nicht, dass der Römerberg nur wenige hundert Meter vom Metropol entfernt ist. Jedenfalls hab’ ich einen Zweiertisch bestellt."

    „Schön. Ich konnte Sie doch nicht einfach so sitzen lassen. Wie ich schon am Telefon andeutete, muss ich morgen früh raus. Gerade donnerstags ist viel Trubel bei uns. Mein Chef hat es noch nicht geschafft, diesen Tag ruhig angehen zu lassen."

    „Uns geht es nicht besser. Der Hotelbetrieb ist anstrengend vor allem wegen der vielen Überstunden. Wenigstens haben wir ausreichend Personal, das wir auch bezahlen können. Das ist in der Hotelbranche nicht immer so. Jeweils Ende Oktober schließen wir. Allerdings gibt es Ausnahmen. Ab November haben wir Mieter, die mit der Olivenernte und dem Fischfang beschäftigt sind. Die Anzahl derer hält sich aber leider in Grenzen. Ach wenn Sie es doch möglich machen könnten, zu uns zu kommen! Auch bis in den November hinein haben wir noch ein erträgliches Klima. Selbst im Winter haben wir Kreta-Urlauber."

    „Ich werde mit meinem Chef sprechen. In unserer Kanzlei geht´s auch deshalb turbulent zu, weil eine Kollegin in den Schwangerschaftsurlaub gegangen ist."

    „Klingt nicht gut. Wenn es nichts wird, könnten Sie ja Ihren Urlaub vielleicht im Mai nehmen. Im Juli und im August haben wir Außentemperaturen bis zu vierzig Grad im Schatten. Aber in unserem Alter stecken wir sowas weg. Ansonsten sind unsere Zimmer klimatisiert."

    „Klingt verlockend. Sie haben mich schon so gut wie überzeugt, auf Kreta Urlaub zu machen."

    „Ich würde mich riesig freuen, wenn Sie kämen. Wollen wir uns nicht duzen?"

    „Na Sie gehen ja ran! Gut, an mir soll´s nicht liegen, zumal wir bald Adieu sagen müssen. Ich heiße Rita."

    „Ich nannte Ihnen ja schon meinen Vornamen. Wie gesagt, man nennt mich Alex. Meine Mutter wollte einen deutschen Vornamen."

    Der Kellner kam und brachte die Karte. Rita Paulsen und Alex Florakis bestellten Schwarzwälder Kirschtorte und Kaffee, – der Kellner servierte in wenigen Minuten. Dann entfernte er sich, blieb aber vor dem Tresen stehen. Alex schnippte mit den Fingern, und es erklang das bekannte Klavierstück „Für Elise" von Ludwig van Beethoven. Paulsen lief eine Gänsehaut über den Rücken. Sie ließ sich nichts anmerken und starrte auf den Kuchen.

    „Gefällt´s dir?, fragte Alex. „Aber ja. Bist du der Initiator dieser musikalischen Einlage?

    „Bin ich. Nachdem du mich anriefst, bin ich in dieses Café gegangen und hab’ sie für uns bestellt. Samstags ist hier immer jemand am Piano. Stimmt es, dass konservative Menschen glücklicher sind als progressive."

    Rita gefiel Alex` Art. Wer machte schon einer Dame den Hof, indem er einen Klassiker präsentiert. Befand sich Alex auf der Sonnenseite des Lebens?

    Und wieder kam der Kellner. „Sie haben einen Wunsch?"

    „Bringen Sie uns die Weinkarte?"

    „Gern!"

    „Du stürzt dich in Unkosten", so Rita Paulsen.

    „Sagen wir es so, entgegnete Alex, „ich genehmige uns ein wenig Luxus, da wir uns bald trennen müssen. Wir hätten schon noch Zeit, wenn du über Nacht bei mir im Hotel bliebst.

    Darauf hatte Rita Paulsen nur gewartet. Sie war sich von vorn herein darüber im Klaren, dass sie dies ablehnen würde.

    „Das geht natürlich nicht, mein Lieber!"

    „War dieser Vorschlag ein Fehler?"

    „Eher nicht!"

    „Ich bin froh, dass du es so siehst."

    „Und ich möchte dir entgegenkommen."

    „Inwiefern?"

    „Ich schlage vor, dass wir hier den Abend verbringen."

    Alex atmete auf. Dann kam der Ober und Alex bestellte eine Flasche Champagner.

    „Und ich spendier uns ein Abendessen – keine Widerrede!"

    „Gut, dann entscheide ich mich für eine kalte Platte."

    „Da schließe ich mich an. Rita Paulsen rief den Ober und gab die Bestellung auf. „Wo übernachtest du eigentlich?, fragte sie.

    „Im Frankfurter Hof, gelegen am Mainkai, zehn Gehminuten von hier."

    „Ich kenne dieses Lokal, es ist eins mit vier Sternen."

    „Stimmt, billig sind die Zimmer nicht. Jedenfalls hat sich meine Investition gelohnt – ich hab’ dich kennengelernt. Bis zu meinem nächsten Trip nach Frankfurt besorgst du mir eine Bleibe hier in der Nähe. Voraussetzung, ich bin willkommen."

    „Das bist du bestimmt, falls sich nichts ändert." 

    Alex schaute finster drein.

    „Du machst mir Angst. Gott, was will ich! Wir sind über zweitausend Kilometer voneinander getrennt. Bis zum Wiedersehen vergeht Zeit. Du lebst in einer Großstadt und hast ständig Möglichkeiten, dich zu binden. Außerdem machst du als Frau etwas her."

    „Danke! Und du hast rund um die Uhr Kundschaft, mit der du Kontakt pflegen musst. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis du dich in eine Urlauberin verguckst."

    „Du willst aber nicht in Abrede stellen, dass wir zueinander passen!"

    „Natürlich nicht – nach fünf Stunden Kontakt bin ich da ganz sicher!"

    Ritas Beitrag klang ironisch, doch dann fügte sie hinzu:

    „In deiner Nähe kann man sich durchaus wohlfühlen, so viel sei gesagt. Ich arbeite ja in einer Anwaltskanzlei, wo mir allmögliche Typen über den Weg laufen. Meinen Traummann habe ich bis jetzt nicht gefunden. Es ist aber auch illusorisch, einen zu finden, wenn man danach sucht."

    „Wir haben uns rein zufällig getroffen. Vielleicht sind Buchmessen am besten geeignet, seinen Traumpartner zu finden."

    „Kann schon sein."

    „Ich darf also hoffen, dass du kommst?"

    „Ich sehe zu, was sich machen lässt. Viel Hoffnung habe ich nicht, so kurzfristig Urlaub zu bekommen. Ich werde trotzdem mit unserem Boss reden – vielleicht hab’ ich Glück. In punkto Urlaubsplanung hab’ ich mich bisher immer nach betrieblichen Interessen gerichtet. Er wird es mir bestimmt anrechnen."

    Die Zeit war wie im Fluge vergangen. Der Ober kam und kassierte.

    Alex brachte Rita bis vor die Haustür.

    „Falls du nach Matala kommst, bring deine Mutter mit, – sie ist ja wohl an keinen Zeitraum gebunden. Übrigens wäre der Urlaub für euch beide gratis. Weiß du was? Ich will gar nicht wahrhaben, dass die Zeit für uns schon zu Ende ist."

    „Für heute!"

    Rita gab Alex einen Kuss und verschwand in der Haustür. Dann verharrte sie, weil sie der Meinung war, er habe einen schöneren Abschied verdient. Also kehrte sie um und lief auf die Straße – Alex war wie vom Erdboden verschluckt. Rita vermied es, ihm nachzulaufen. Schließlich gab es eine Perspektive, sofern beiderseitiges Interesse nicht versiegte.

    Rita Paulsen dachte noch lange über diesen Abend nach. Dann ging sie zu Bett und fiel in einen unruhigen Schlaf.

    Kapitel II: Die Silberne Straße

    Der Arbeitstag am Donnerstagmorgen begann ruhig, gut für Rita Paulsen. War es dieser Florakis überhaupt wert, sich die Nacht um die Ohren zu schlagen? Rita dachte über die Urlaubsplanung von 2016 nach. Sie war jetzt fest entschlossen, ein paar Tage auf Kreta zu verbringen. Bei passender Gelegenheit würde sie den Chef um ein Gespräch bitten. Dann wurde sie aufgeschreckt. Ralf Gumbrecht, Fachanwalt für Strafrecht, geschieden, hatte die Tür aufgerissen.

    „Was ist mit Ihnen? Es scheint, als wären Sie gar nicht bei der Sache. Bitte kommen Sie zum Diktat!" 

    Es war nicht das erste Mal, dass Gumbrecht ohne Gerät diktierte. Ihm kam es viel mehr darauf an, mit Paulsen über Privates zu schwatzen.

    „Anstrengenden Abend verbracht?", fragte Gumbrecht.

    Paulsen lokalisierte Eifersucht.

    „Eigentlich nicht – hab’ letzte Nacht nur mies geschlafen."

    „Soll vorkommen. Dann kochen Sie doch erst mal Kaffee für uns."

    Paulsen ging in die Küche und setzte die Kaffeemaschine in Gang. Dann begab sie sich wieder in das Büro des Chefs.

    „Ihre Einsatzbereitschaft in allen Ehren, so Gumbrecht, „doch Sie dürfen ruhig warten, bis der Kaffee durchgelaufen ist.

    „Ich hab’ gedacht, Ihr Diktat ist dringend."

    „Ja, aber nach dem Motto: Eile mit Weile."

    Gumbrecht lachte, weil er glaubte, einen originellen Witz gerissen zu haben.

    „Also,

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