Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Ludwika
Ludwika
Ludwika
eBook374 Seiten5 Stunden

Ludwika

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Es ist der Zweite Weltkrieg und Ludwika Gierz, eine junge Polin, die ihre Familie verlassen muss um in Nazideutschland für einen SS-Offizier zu arbeiten. Dort muss sie eine Gratwanderung durchmachen und erlernen, als Bürgerin zweiter Klasse in einer Welt zu leben, in der auch nur ein falsches Wort eine Katastrophe bedeuten und jeder Tag ihr letzter sein könnte. Basierend auf einer wahren Begebenheit ist dies eine Geschichte von Hoffnung, inmitten von Verzweiflung und Liebe inmitten von Verlust. . . Letztendlich ist es die Überlebensgeschichte einer Frau.

Redaktionelle Rezension:

"Dies ist die beste Art von Fiktion, da sie auf dem wirklichen Leben basiert. Ludwikas Geschichte zeigt das Ausmaß des menschlichen Leidens, das durch den Zweiten Weltkrieg verursacht wurde und mehrere Generationen und viele Nationen noch heute betrifft.

Der Zweite Weltkrieg ließ niemanden unberührt, und Ludwikas Leben verdeutlicht diese tragische Tatsache. Sie erinnert uns aber auch daran, wie hell der menschliche Geist leuchten kann, wenn die Dunkelheit so unerbittlich fällt wie in Kriegszeiten.

Dieses Buch ist eine Achterbahnfahrt voller Aktionen und Emotionen, die von Herrn Fischer gekonnt erzählt werden. Er brachte etwas Frisches und Neues zu einem Thema, über das bereits tausende von Geschichten erzählt wurden.

SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum24. Juni 2020
ISBN9781071553114
Ludwika

Ähnlich wie Ludwika

Ähnliche E-Books

Historienromane für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Verwandte Kategorien

Rezensionen für Ludwika

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Ludwika - Christoph Fischer

    Ludwika

    von

    Christoph Fischer

    Erstausgabe Großbritannien 2015

    Copyright @ Christoph Fischer 2015

    Das moralische Recht des Autors wird geltend gemacht.

    Dieses Buches oder ein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Autors nicht in irgendeiner Weise verwendet oder reproduziert werden. Das Buch wird unter der Bedingung verkauft dass es ohne schriftliche Genehmigung des Autors nicht verliehen, weiterverkauft vermietet oder anderweitig verbreitet werden darf.

    Create Space ISBN – 13978 - 1519539113

    Create Space ISBN – 1519539118

    Umschlag von Daz Smith bei nethed.com

    Über die Jahre hat der Zufall viele gute Freunde aus meinem Leben entfernt. Dieses Buch ist zweien gewidmet die ich wiedergefunden habe:

    Ofer Hamburger und Anni Kunzmann

    Mein Dank und die besten Wünsche gehen an Andy Maxine Christina Lisa und an die Familien Gierz und Florko.

    www.christophfischerbooks.com

    Inhalt

    Nach einer wahren Begebenheit

    Teil 1

    Kapitel 2

    Kapitel 3

    Kapitel 4

    Kapitel 5

    Kapitel 6

    Kapitel 7

    Kapitel 8

    Kapitel 9

    Kapitel 10

    Kapitel 11

    Kapitel 12

    Kapitel 13

    Teil 2

    Kapitel 14

    Kapitel 15

    Kapitel 16

    Kapitel 17

    Kapitel 18

    Kapitel19

    Teil 3

    Kapitel 20

    Kapitel 21

    Epilog

    Was sie sonst noch wissen sollten

    Kapitel 1: Bratislava 1933

    Danksagungen und Leseempfehlungen

    Eine kurze Biographie

    Nach einer wahren Begebenheit

    Teil 1

    Kapitel 1

    Oktober 1939

    In Przedborów herrschte Stille. Besser gesagt es herrschte Totenstille. Obwohl man eigentlich an diesem sonnigen Nachmittag im Oktober ein geschäftiges Treiben erwartet hätte. Es war Erntezeit und Ludwika Gierz hätte sich eigentlich zusammen mit ihrer fünfjährigen Tochter um das Vieh kümmern sollen. Immer dabei waren normalerweise auch die Nachbarskinder derer Eltern, die während dieser geschäftigen Zeit nicht genügend Zeit hatten, selbst auf sie aufzupassen.

    Ludwika war sehr beliebt. Die Kinder fühlten sich zu ihr hingezogen. Nicht nur weil sie immer gut gelaunt war, sondern auch weil sie so viele Kinderlieder kannte. Weil sie bei der Arbeit sang. Die Kleinen schlossen sich ihr und ihrer Tochter einfach an und stimmten ein. Sie mussten nicht einmal dazu angehalten werden und sie halfen wo sie konnten. Ludwika war das perfekte Kindermädchen.

    Sie war 22, verspielt und immer guter Laune. Ihre Lebenslust wirkte ansteckend und die anderen Eltern vertrauten ihr ihre Kinder gerne an.

    Doch an diesem Tag war alles anders. Die Straßen in dem verschlafenen Dorf nahe der polnisch-deutschen Grenze wirkten öde und verlassen. Viele der Einwohner waren bereits vor den einmarschierenden deutschen Truppen weiter nach Osten geflohen. Aber geholfen hatte das nicht. Das ganze Land war binnen weniger Tage von den deutschen Angreifern überrannt worden

    Doch die Bauern konnten das Dorf nicht so einfach verlassen. Zum einen war da die Ernte, die eingeholt werden musste. Das würde das Überleben der nächsten Monate sichern. Zum anderen würden die Engländer und Franzosen nicht tatenlos zusehen wie Hitler alles überrollte und dieser wiederum würde sich sicher nicht auf einen Kampf an allen Fronten einlassen wollen. Das hofften die Polen jedenfalls.

    Die polnische Gegenwehr hatte keine Chance gehabt. Die deutschen Truppen hatten die Grenze überrannt und sich dabei wie die Barbaren aufgeführt. Ludwikas Vater, der zusammen mit seinen Landsleuten versucht hatte, sein Land zu verteidigen galt seitdem als verschollen. Die Bevölkerung wurde ständig bedroht. Viele Zivilisten wurden festgenommen, verschleppt und nie wieder gesehen. Die Hoffnung das die Briten und Franzosen Polen bald aus dieser Misere befreien würden bestätigte sich nicht und wenig später griff Russland dann auch noch vom Osten her an. Es schien als wäre das Schicksal dieses Landes besiegelt.

    Die gesamte polnische Armee war besiegt und entwaffnet worden. Ludwika hatte seitdem versucht etwas über das Schicksal ihres Vaters zu erfahren. War er in Gefangenschaft geraten, interniert oder gar deportiert worden? Stimmten die Gerüchte dass einige polnische Soldaten entkommen waren und jetzt aus dem Untergrund heraus agierten? Und was war mit den Nachbarn, die geflohen waren? Nur wenige von ihnen waren bisher zurückgekehrt. Die Deutschen ließen die Flüchtlinge nicht mehr zurück. Schließlich war dies jetzt deutscher Grund und Boden. Die verbleibenden Dorfbewohner waren den deutschen Besetzern völlig ausgeliefert. Sie wurden beleidigt, geschlagen und aus ihren Häusern vertrieben. Als ob während der Erntezeit nicht schon genug zu tun war, besonders jetzt wo auch noch die Männer fehlten.

    Ludwika machte sich Sorgen um ihren Vater, aber sie musste weitermachen. Schon allein wegen ihrer kleinen Tochter Irena. Wenn es sie nicht geben würde dann hätte sie wahrscheinlich schon lange aufgegeben.

    Sie war zwar noch jung, hatte aber bereits den Platz des Familienoberhauptes eingenommen. Die Gierz Frauen waren attraktiv und so hatten drei ihrer Schwestern bereits geheiratet und das Haus verlassen.

    Ludwika, ihre jüngere Schwester Stasia und ihre Mutter Agnieska blieb nichts anderes übrig als das Land jetzt allein zu bewirtschaften. Es war ihre Pflicht nicht nur für die Familie sondern auch für Polen.

    Aber ohne den Vater und die Hilfe der anderen Männer stand ihnen nicht nur eine große Aufgabe bevor sondern auch einige schwere Entscheidungen. Am wichtigsten war es erstmal das Vieh am Leben zu halten. Und dann musste sie sich um die Felder kümmern. Immerhin könnte es ja sein dass ihr Vater doch noch plötzlich vor der Tür stehen würde, und dann wäre die Lage gerettet. Aber bis dahin musste sie weitermachen. Es war an der Zeit die Ernte auf eigene Faust zu beginnen.

    So begannen Ludwika und ihre Schwester mit je einer Sense in der Hand mit dem Weizenfeld. Die Arbeit war schwer und ermüdend. Ludwika hatte vor einiger Zeit beobachtet wie Karol Wojick, einer der Nachbarn einen Teil seiner Landmaschinen im Wald versteckt hatte. Das war kurz bevor er zur Verteidigung des Landes eingezogen wurde. Viele der anderen Dorfbewohner waren nur mit dem was sie tragen konnten geflohen und hatten die größere Gegenstände aus Angst vor der heran nahenden Besatzungsmacht im naheliegenden Wald vergraben oder sonst irgendwo versteckt in der Hoffnung eines Tages zu ihrem Besitz zurück kehren zu können. Dies hatte nicht nur zu einem Maschinenengpass geführt sondern zusammen mit der mangelnden Arbeitskraft auch die Landarbeit erschwert.

    „So werden wir das nie schaffen, sagte Stasia und warf ihre Sense erschöpft und frustriert auf den Boden. „Wenn es jetzt auch noch regnet dann ist alles dahin.

    Ludwika schaute sie verständnisvoll an.

    „Kopf hoch, sagte sie. „Schau doch was wir schon geschafft haben. Wir sollten stolz auf uns sein.

    Sie zeigte auf den Weizen, den sie bereits geschnitten hatten.

    „Ja, aber der muss auch noch vom Feld," antwortete Stasia mit Tränen in den Augen.

    „Mach dir keine Sorgen," sagte Ludwika und versuchte dabei einen optimistischeren Ton anzuschlagen. Ihre Schwester hatte Recht. Sie musste eine Lösung finden, und zwar bald. Aber so sehr sie sich auch bemühte sie kam ihr nicht in den Sinn. Oder?... Ja, na klar. Da waren doch die Landmaschinen die Wojick die im Wald versteckt hatte.

    „Ich habe da eine Idee," sagte sie zu Stasia und erzählte ihr von dem Schuppen im Wald.

    „Gehst Du da nicht etwas zu weit?" fragte Stasia besorgt als sie von dem Plan hörte.

    „Früher oder später werden die ‘Szkopy’ den Schuppen sowieso finden und alles beschlagnahmen antwortete Ludwika trotzig.

    Stasia musste über das Schimpfwort lachen, das ihre Schwester gerade benutzt hatte, um die Deutschen zu beschreiben. Und obwohl die beiden allein waren sahen sie sich vorsichtig um. Hoffentlich hatte sie niemand gehört. Die Deutschen als kastrierte Schafsköpfe zu bezeichnen könnte gefährlich werden.

    „Wir brauchen die Maschinen, sagte Ludwika. „Ausserdem verrotten die nur wenn sie nicht benutzt werden.

    „Aber wir haben unserer Mutter versprochen dass wir kein Risiko eingehen," sagte Stasia in einem letzten Versuch ihre Schwester von dem Plan abzuhalten.

    „Du weißt dass ich es tun muss," sagte Ludwika und Stasia nickte.

    „Es ist einfach viel zu viel. Ludwika zeigte auf das Feld. „Wir können das nicht alles verkommen lassen. Uns bleibt gar nichts anderes übrig. Und das alles mit der Hand einsammeln wird ewig dauern; dass hast Du vorhin selbst gesagt. Was ist denn wenn der Regen kommt? Dann verdirbt alles. Und die Woijcks benutzen die Maschinen ja sowieso nicht.

    Stasia hob ihre Sense auf und machte sich wieder an die Arbeit.

    „Ich werde mit den Garben auf dich warten," antwortete sie.

    Stasia war immer voller Energie und Optimismus und Ludwika war dankbar das sie den kurzen Moment des Zweifels und der Schwäche so schnell überwunden hatte.

    „Aber bitte sei vorsichtig, rief ihre Schwester ihr hinterher. „Wir brauchen Dich noch.

    „Versprochen," antwortete Ludwika und dachte das Vorsicht allein nicht reichen würde.

    Es war nicht allzu schwer das Schloss an Woijcks Scheune aufzubrechen und den Traktor zu starten war noch viel leichter. Ihr Bruder hatte sich den Traktor früher oft ausgeliehen und sie hatte ihn dabei begleitet und so wusste sie wie der Traktor zu bedienen war. Theoretisch jedenfalls. Es konnte also alles nicht so schwer sein. Sie würde die Garben einsammeln und sicher auf den Hof ihrer Familie bringen. Ihr Bruder war vor zwei Jahren im nahegelegenen Fluss ertrunken und wenn sie daran dachte, verspürte sie immer noch einen Stich in der Brust. Sie vermisste ihn sehr.

    Als sie den Traktor durch den Wald auf die Straße steuerte, wehte der Wind ihr immer wieder ihre dunklen Locken ins Gesicht. Ihr Haarband war ihr auf dem Weg irgendwo abhandengekommen und sie strich sich laufend die Haare aus dem Gesicht. Aber es war ihr egal. Wenigstens lenkte es von dem mulmigen Gefühl in der Magengrube ab, der Angst entdeckt zu werden. Der Motor war fürchterlich laut sie fragte sich wer das alles hören würde. Würden die ‘Szkopy’ sie überhaupt auf der Straße fahren lassen? Oder würden sie den Traktor beschlagnahmen und sie schlagen, genauso wie sie dies mit vielen ihrer Landsleute bereits getan hatten? Egal was ein Pole heutzutage unternahm es war sowieso verboten. Oder würden sie verstehen dass die Ernte eingebracht werden musste? Was hatten diese Eindringlinge eigentlich vor? Wollten sie die ganze Ernte verkommen lassen?  Brauchten die nicht auch Vorräte? Die Zeit zum Einbringen war schon fast vorbei. Der Krieg hatte alles aufgehalten.

    Sie konzentrierte sich auf die Straße und versucht nicht weiter an die potenziellen Gefahren zu denken. 

    Einer der Gründe warum sie sich zu diesem waghalsigen Vorhaben entschlossen hatte war dass die Deutschen sich in den letzten Tagen in ihrem kleinen Dorf nicht hatten blicken lassen.

    Sie war klein. Nur 1.60 groß, hatte stahlblaue Augen und war auch ansonsten attraktiv. Mit ihrer rundlichen Figur hatte Ludwika schon so manchen Kopf verdreht. Aber ihre Schönheit hatte in der letzten Zeit auch die falschen Bewunderer angezogen. Soldaten, brutale Eindringlinge. Und plötzlich wünschte sie sich ihr Haarband wieder herbei, um von ihrem Aussehen abzulenken.

    Die Straße vom Wald zum Dorf schien verlassen, bis auf einige Frauen, die im Nachbarfeld Kartoffeln stachen. Die rot gedeckten Dächer von Przedboróws Höfen, Scheunen und Ställen und auch die Obstgärten schmiegten sich in die Umgebung ein. Man wusste nie so genau was hinter dem nächsten Hof geschah oder dort auf einen wartete. Und jetzt schien es als wären diese friedlichen Tage vorbei und was sonst so idyllisch war erschien jetzt fast unheimlich. Sie konnte die Erleichterung in den Gesichtern der Frauen sehen als diese den Traktor kommen sahen und nicht einen deutschen Panzer. Bald würde sie bei ihrer Schwester sein. Sie hatte Stasia nicht gerne alleine zurückgelassen, aber es hatte keine andere Möglichkeit gegeben. Stasia war zwar erst siebzehn, aber für ihr Alter schon sehr erwachsen. Sie konnte jedoch auch ziemlich übermütig sein und Ludwika hatte Angst das Stasia im Notfall etwas tun würde was vorüberziehende Soldaten anziehen könnte. Etwas worüber sie und ihre Mutter sich ständig Sorgen machten.

    Und dennoch wollte Ludwika nicht ohne ihre Schwester sein. In dieser schwierigen Zeit war sie ihre einzige Stütze. Gemeinsam weigerten sie sich an die Gerüchte zu glauben dass alle Polen deportiert werden sollten und ihre Höfe an deutsche Aussiedler übergeben würden. Ausserdem war mit den vielen bereits leerstehenden Häusern der Flüchtlinge doch genug für alle da?  Sie konnte sich einfach nicht vorstellen dass eine solche Reinigung stattfinden würde. Ja die einfallenden Deutschen waren ziemlich brutal und ungehobelt gewesen, aber das war jetzt vorbei. Es war an der Zeit das wieder Ruhe einkehrte und alle wieder zur Vernunft kamen. Die schlechten Zeiten waren vorbei und alles würde wieder gut werden das redete sie sich jedenfalls ein. Aber manchmal war es ganz schön schwierig ihre Mutter davon zu überzeugen nicht auf die Gerüchte zu hören. Mit Stasias Hilfe jedoch gelang dies immer öfter.

    Heute jedoch gab es noch einen anderen Grund warum es im Dorf so ruhig war. Gerüchten zufolge räumten die Deutschen weiter nördlich ganze Dörfer und zwangen die Bewohner weiter nach Osten zu ziehen. Weitere Gerüchte besagten dass die Dorfbewohner in den Wald getrieben und dort erschossen wurden. Andere sagten dass die Kinder ihren Eltern entrissen und an kinderlose Paare in Deutschland weitergereicht wurden. Hatte man jemals schon solche Gräueltaten erlebt?

    Ihr Blick fiel wieder auf die Frauen bei der Kartoffelernte und sie sagte sich dass sie nicht die einzige war die nicht an diese Gerüchte glaubte.

    Sie war schon fast an ihrem Feld angekommen und konnte Stasia winken sehen als sie hinter sich ein Motorrad hörte. Als sie sich umdrehte erblickte sie einen deutschen Soldaten mit einem Maschinengewehr. Seine Gesten signalisierten dass sie an die Seite fahren und ihn vorbeilassen sollte. Ob sie die paar Meter bis zum Feld noch schaffen würde? Sie ließ das Motorrad vorbei, und der Soldat blockierte ihr den Weg und zielte mit dem Maschinengewehr auf sie. Voller Angst zog sie den Kopf ein und verlor dabei die Gewalt über den Traktor und landete im Straßengraben. Der Soldat sprang auf den Traktor und zog sie vom Fahrersitz. Sie zeigte mehrfach mit dem Finger auf das Feld, aber er schien sie nicht zu verstehen. Sie sprach kein Deutsch also versuchte sie es noch einmal. Sie zeigte auf sich und sagte Ludwika und zeigte dann auf das Feld und sagte dann wieder Ludwika. Als er sie endlich verstanden hatte setzte er sich auf den Traktor und fuhr ihn aus dem Graben und auf das Feld. Sie rannte ihm nach und als er von dem Traktor stieg zeigte er auf sich und sagte Manfred. Er verbeugte sich schlug die Hacken zusammen und hob den Arm zur Gruß. Dann kehrte er zu seinem Motorrad zurück. Gerade als er losfuhr tauchte hinter ihm eine Militärkolonne auf und rollte an dem Feld vorbei in Richtung Dorf.

    Das plötzliche Auftauchen der Militärkolonne war beunruhigend auf der anderen Seite jedoch sagte sie sich, dass wenn die Deutschen etwas Schlimmes geplant hatten dann hätte dieser Manfred ihr sicher nicht geholfen. Und desto mehr sie über die ganze Sache nachdachte desto mehr musste sie zugeben dass er ihr irgendwie auch gefallen hatte. Er war ungefähr im selben Alter hochgewachsen und gut gebaut. Sie hatte seine dunklen Haare und seine Hautfarbe bemerkt. Sie nahm an dass er aus Bayern oder Österreich kam genauso wie der Cousin ihrer Schulfreundin Lena.

    Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Sie kletterte wieder auf den Traktor und fuhr auf das Feld.

    Als sie neben ihrer Schwester zum Stillstand kam machte diese sofort eine Anspielung. Das war typisch Stasia. Die beiden lachten und schüttelten die Köpfe. Dann machten sie sich an die Arbeit und füllten den Anhänger mit dem was noch brauchbar war. Ein Teil der Ernte war bereits verdorben. Das Feld hätte schon vor Wochen abgeerntet werden müssen. Am Abend fuhren sie mit vollem Anhänger nach Hause. Sie fuhren an zahlreichen Häusern vorbei wo die deutschen Soldaten ein und aus gingen. War das die sogenannte Reinigung von der sie über die Gerüchteküche gehört hatten?

    Ludwika hatte Angst, aber sie fuhr trotzdem weiter. Sie war froh dass sie Stasia gezwungen hatte sich unter dem Weizen zu verstecken so konnte sie wenigstens nicht sehen wie die Melniks aus ihrem Haus getrieben wurden. Das Bellen der Befehle und die Angstschreie der alten Frau schallten durch die Straße als diese zu dem wartenden Lastwagen getrieben wurde. Ludwika fuhr weiter. Froh dass niemand von ihr Notiz zu nehmen schien machte sich bereits Gedanken darüber was sie zu Hause erwarten würde.  

    Die beiden schafften es sicher nach Hause. Der Hof was zwar nicht groß aber das Hauptgebäude war aus Stein was sich in den strengen Wintern als vorteilhaft herausstellte. Direkt an das Gebäude angeschlossen waren eine Scheune und ein Stall für das Vieh. Ihr Vater war immer sehr stolz auf seinen Hof gewesen und alle Gebäude waren in gut erhalten. Ludwika fuhr den Traktor in die Scheune und als Stasia aus dem Anhänger gekrochen war verriegelten sie sofort das Tor. Sie wollten nicht dass der Traktor gesehen wurde. Sie eilten in das Haus, um nach ihrer Mutter und Ludwikas Tochter Irena zu sehen. Nach einer Weile fanden sie die beiden unversehrt im Kuhstall. Sie erwähnten nichts von den Vorgängen im Dorf. Es war schon schlimm genug dass sie ihrer Mutter von der schlechten Ernte erzählen mussten. Sie sorgte sich immer so sehr. Irena freute sich das Ludwika wieder zu Hause war und nach einer festen Umarmung wünschte sie sich ein Lied. Ihr Lieblingslied, das von der Gans dem Fuchs und dem Jäger.

    Doch dann wurde ihr Gesang durch Maschinengewehrfeuer unterbrochen.

    Stasia warf Ludwika einen warnenden Blick zu und nickte dabei in Richtung Irena. 

    „Ach, hör doch mal, sagte Ludwika schnell zu ihrer Tochter die eher neugierig als ängstlich aussah. „Schon wieder Feuerwerk.

    „Den Deutschen scheint das wirklich Spaß zu machen," lachte Stasia.

    „Ja, ist das nicht komisch," antwortete Irena und lachte mit.

    Ludwika lächelte ihre Tochter liebevoll an und sagte: „Ja sehr."

    Agnieska schüttelte ihren Kopf. Sie hatte es schon lange aufgegeben Ludwika davon zu überzeugen dass es besser wäre ihrer Tochter die Wahrheit zu sagen. Ihr zu sagen wie die Deutschen wirklich sind und welche Gefahr sie darstellen. Aber Ludwika war anderer Meinung.

    Sie hörten mehr Feuerwerk und Agnieszkas riss die Augen weit auf. Sie klammerte sich an ihre jüngste Tochter. Während sie ihre Angst nicht weiter verbergen konnte fing Stasias Unterlippe an zu zittern. Es schien als würde sich die Angst übertragen. Wie immer nahm Ludwika das Ruder in die Hand.

    „Wir werden jetzt ein Spiel spielen, sagte sie und zwinkerte Irena zu. „Wir werden uns jetzt zurück ins Haus schleichen, ohne von den Deutschen entdeckt zu werden. Also werde ich jetzt auf allen vieren hinter den Schweinestall kriechen und sehen ob uns jemand beobachtet und wenn die Luft rein ist dann renne ich schnell den letzten Meter über den Hof in die Hintertür. Und dann bis Du dran und dann Stasia und dann die Oma. Was meinst du gefällt dir das?

    Irena nickte und lachte.

    Als Ludwika am Schweinestall ankam wurde klar dass die Deutschen noch nicht einmal in der Nähe waren. Alle erreichten sicher das Haus und fingen an das Abendessen vorzubereiten. Aber die Angst war immer noch da. Die Stimmung im Haus war bedrückt. Sie warteten darauf das die Soldaten auch an ihre Tür hämmern würden.  Als es soweit war, war es Agnieska die darauf bestand die Tür zu öffnen. Sie signalisierte den anderen dass sie sich verstecken sollten. Ein älterer deutscher Polizist in Uniform, zwei weitere Männer in Zivil und ein polnischer Übersetzer drangen durch die offene Tür und fingen an das Haus zu durchsuchen. Es dauerte nicht lange bis Irenas Kichern die beiden Schwestern verriet. Einer der Deutschen befahl ihnen vom Dachboden zu steigen und sie wurden zusammen mit ihrer Mutter in das Wohnzimmer gebracht wo ihre Papiere kontrolliert wurden. Im Gegensatz zu dem was Ludwika am späten Nachmittag auf der Straße beobachtet hatte lief das Ganze hier überraschend respektvoll ab.

    Der Polizist machte sich Notizen und zog hin und wieder den Übersetzer zu Rate. Irena lachte die ganze Zeit und versteckte ihren Kopf hinter ihrer Mutters Schürze. Für sie war das ganze immer noch ein Spiel.

    Als der Polizist ihren Namen sah fing er an zu schmunzeln und schaute Ludwika prüfend an. Er sagte etwas zu dem Übersetzer der wissend nickte. Ludwika war sich sicher dass sie den Namen Manfred gehört hatte.

    „Es freut mich ihnen mitteilen zu dürfen dass sie für unser Germanisierungsprogramm ausgewählt wurden und das es ihnen erlaubt ist hier zu bleiben, sagte der Übersetzer. „Wir hoffen dass sie sich dieser großen Ehre bewusst sind. Sie werden von der neuen Verwaltung in Kürze weitere Anweisungen erhalten.

    „Germanisierung?" fragte Stasia. Agnieska schaute ihre Tochter streng an. Sie hatte Angst dass die Frage zu provokant war, aber glücklicherweise schien sie dem Mann nichts auszumachen.

    „Ihr seid jetzt ein Teil des Deutschen Reichs, erklärte er und lächelte zufrieden. „Alle Polen werden das Dorf räumen und nach Südosten ziehen, in das Generalgouvernement.

    Mittlerweile waren auch der Suchtrupp zurück und gab Entwarnung.

    „Heil Hitler!" sagte der Polizist und hob den Arm zum Salut.

    Er schaute die Frauen erwartungsvoll an.

    Der Übersetzer hob ebenfalls den Arm zum Hitlergruß und hielt die Frauen dringend an es ihm nach zu machen. Ludwika war die erste die die Situation erkannte. Sie tat wie befohlen und die anderen beiden machten es ihr zögernd nach.

    Nachdem die Eindringlinge das Haus wieder verlassen hatten schauten sich die Frauen erstaunt an. 

    „Wir dürfen bleiben? fragte Agnieska sarkastisch. „Wie großzügig.

    „Ich würde gerne wissen wie viele aus unserem Dorf noch ausgewählt wurden sagte Stasia. „Also sind die Gerüchte wahr. Die Deutschen vertreiben uns!

    „Das wäre aber dumm antwortete Ludwika und nickte Irena ermunternd zu die in ihrem Essen herum stocherte. „Mit all der Arbeit die noch aussteht. Nun seit mal nicht so pessimistisch. Es heißt wahrscheinlich nur dass die wissen dass wir keine Juden sind. Die sind hinter den Juden her. Wir sind hier sicher. Wir sind Polen. Genau das hat der mit Germanisierung gemeint.

    „Ach du meine Güte, sagte Agnieska. „Die Melniks sind Juden. Gott soll sie behüten.

    Sie verbarg ihren Kopf in ihrer Schürze. „Und wir werden auch noch unser Häppchen zu tragen haben. Ihr werdet schon noch sehen" fügte sie hinzu.

    Kapitel 2

    Am nächsten Tag versuchten Ludwika und Stasia noch mehr Weizen zu retten. Agnieska und Irena waren zu Hause geblieben um sich um das Vieh zu kümmern. Im Dorf herrschte Totenstille und als sie abends nach Hause kamen berichtete ihre Mutter dass die meisten Bewohner vertrieben worden waren genauso wie die Gerüchte es angekündigt hatten. Einige der Dorfbewohner hatten Glück gehabt, ihnen wurden einige Minuten gewährt so dass sie das Notwendigste zusammen packen konnten. Die meisten jedoch wurden ohne Rücksicht auf Verluste einfach aus ihrem Haus getrieben und in das Durchgangslager nach Torun verfrachtet.

    „Und wer wird jetzt unseren Weizen kaufen? fragte Agnieska besorgt. „Wie sollen wir denn weiter machen ohne Männer und ohne Benzin? Allein werden wir das wohl kaum schaffen.

    Irena schaute ihre Oma an und verzog das Gesicht als sie ihre ernste Miene sah.

    „Höre nicht auf sie sagte Ludwika und setzte die Kleine auf ihren Schoß. Alles wird gut."

    Sie stimmte das Lied mit der Gans dem Fuchs und dem Jäger an und Irena stimmte sofort ein.

    Auch am nächsten Tag begaben sich Ludwika und Stasia wieder auf das Feld. Die Frauen auf dem Kartoffelfeld neben an jedoch waren nicht mehr dieselben Frauen wie vor zwei Tagen. Es waren Fremde. Deutsche. Die ersten Siedler waren bereits angekommen. Die Deutschen hatten keine Zeit verloren.

    Über die nächsten Wochen hinweg kamen immer mehr Ansiedler in Dorf. Sie schienen aus allen Teilen Deutschlands zu kommen. Sie zogen in die Höfe ein und die Dorfbewohner, die bleiben durften, fanden sich plötzlich enteignet und wurden in ihrem eigenen Haus behandelt wie Sklaven. Sie hatten ihre Schlafquartiere und den Rest ihres Hauses an die verhassten ‘Szkopy’ abtreten und von jetzt an in Scheunen und Ställen übernachten müssen. Und nach allem was Ludwika und Stasia auf Kartoffelfeld beobachtet hatten wurden sie ständig schikaniert und wie Sklaven behandelt.

    „Es ist nur eine Frage der Zeit bis uns das gleiche Schicksal ereilt," warnte Agnieska ihre Töchter.

    Von jetzt an hielten sich die drei Frauen von ihren neuen, zumeist überheblichen Nachbarn fern. Zwar schienen einige von ihnen freundlicher zu sein als andere aber wie Agnieska schon gewarnt hatte: Wie konnte man Menschen vertrauen, die sich das Land, auf dem sie lebten, einfach angeeignet hatten?  Ludwika war die einzige die noch mit einem Lächeln durch das Dorf lief. Nicht weil ihr dazu zu Mute war, sondern weil sie ‘Szkopy’ nicht verärgern wollte. Schließlich gehörte ihre Familie zu den wenigen die ihren Hof behalten durften und sie hoffte dass das so bleiben würde bis sich die politische Situation wieder stabilisiert hatte. Die Wagners, polnische Staatsangehörige mit deutscher Abstammung wurden jetzt wieder als Deutsche angesehen und hatten sich bereits mit den Neuankömmlingen angefreundet. Ludwika vermutete dass man ihnen das später Vorhalten würde, wenn Polen befreit würde.  

    Einige Tage später, es war schon ziemlich spät, bekam Ludwika Besuch von Manfred. Diesmal fuhr der Deutsche einen kleinen Lastwagen und wurde von zwei Männern begleitet. Polen. Einer von ihnen sprach Deutsch und übersetzte was er ihr zu sagen hatte.

    „Herr Tischler freut sich sehr dass Sie bleiben dürfen, sagte der Pole mit einem unüberhörbaren Unterton in seiner Stimme. „Er verspricht ihnen das er versuchen wird Sie zu beschützen so gut es eben geht. Er hat uns beide abgestellt, um Ihnen bei der Weizenernte zu helfen. Er hat eine persönliche Schutzerklärung ausgestellt, die Sie vorlegen können, sollten Sie von der deutschen Verwaltung oder ihren deutschen Nachbarn belästigt werden. Außerdem überreicht er ihnen dieses deutsche Wörterbuch damit sie so schnell wie möglich ihre neue Landessprache lernen können. Er hofft das Ihnen das Lernen viel Freude machen wird und dass Sie sich bei seinem nächsten Besuch bereits mit ihm unterhalten können. Das ist sein einziger Wunsch.

    Der Pole hörte sich müde und gelangweilt an. Er leierte die Worte einfach herunter während Manfred, der seine Augen fest auf Ludwika gerichtet hatte, nur so vor Begeisterung sprühte, aber leider konnten die Frauen ihn nicht verstehen. Er grinste von Ohr

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1