Der ganz normale Universitätswahnsinn: oder wie ein Strizzi ihr Leben rettete
Von Ruth Rabak
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Über dieses E-Book
Ruth Rabak
Ruth ist 35 Jahre jünger als Freddy. Sie studierte unter schweren Bedingungen in Heidelberg. Durch das Internet lernte sie Freddy kennen, besuchte ihn in Wien bis er nach Berlin kam und sie mit nach Spanien nahm. 2010 zogen sie nach Kärnten und wenn sie nicht gestorben sind, leben beide noch heute in Völkermarkt.
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Buchvorschau
Der ganz normale Universitätswahnsinn - Ruth Rabak
Inhalt
Zombie
Die Wahl der Universität und des Studienfachs
Die Immatrikulation
Familienwahnsinn
Das Amt für Studiendarlehen
Das erste Semester
Das zweite Semester
Das Neuenheimer Feld
Politikwissenschaft in Mannheim
Politikwissenschaft in Heidelberg versus Horror der Sprachwissenschaft
Das fünfte Semester
Das sechste Semester
2.Teil
Samantha nimmt zu, brennt ab und brennt durch
Nachwort
Zombie
Nach ihrem neunzehnten Lebensjahr ging es Samantha nicht gut, beziehungsweise den Umständen entsprechend superschlecht auf allen Ebenen. Drei Wochen nach dem Abitur war sie ein Zombie. Ein sehr unzufriedener.
Ihr zwanzigster Geburtstag stand vor der Tür. Aber sie musste sich um Wichtigeres kümmern. Sie musste sich an einer Universität einschreiben. Nachdem sie festgestellt hatte, dass sie mit ihrem Durchschnitts-Abiturzeugnis keinerlei Chance auf Stipendien von wichtigen Stiftungen und Organisationen hatte und eigentlich auf gar kein Stipendium auf dieser Welt, gab sie ihren ewigen Traum von einer Bewerbung um ein Journalistikstudium auf. Sie stellte fest, dass sie nach dem Verlassen den Kokons Gymnasium, in dem die heile Welt der Einbildung herrschte, nichts vorzuweisen hatte: Keine Empfehlungsschreiben oder gar wichtige Leute, die sie auch nur empfehlen würden, keinerlei außerschulisches Engagement mit gestempelten Bescheinigungen- einfach gar nichts! Sie hatte- und das kam ihr in der Schule und dem Lernpensum gar nicht so vor- offenbar jahrelang nichts gemacht, außer, das Gymnasium zu besuchen und das war für die Welt da draußen und die Erfüllung ihrer Träume nicht genug. Beziehungen zu religiösen und politischen Organisationen wären auch von Vorteil gewesen, aber Leute aus ihrer sozialen Schicht hatten solche Beziehungen nicht. Sie hatten eigentlich zu nichts, was ihnen später im Leben einmal von Nutzen sein würde, eine Beziehung.
Aber wie hätte das Samantha während der jahrelangen Plackerei auf dem Gymnasium erfahren sollen?
Auch den Traum vom Studiengang Kreatives Schreiben hatte sie aufgegeben, da die Unis sie höflich auf volle Studiengänge hinwiesen und auf das nächste Jahr vertrösteten, was natürlich nur eine Lüge und faule Ausrede dafür war, dass eine Handvoll Plätze für tausende Bewerber zur Verfügung standen. Es half auch nichts, dass Samantha zum Geburtstag ein Notizbuch „Für goldene Gedanken" geschenkt bekam. Sie hatte keine goldenen Gedanken. Es war ein Geschenk von ihrer großen Schwester, die glaubte, damit einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet zu haben, dass Samantha einmal Schriftstellerin werden würde.
Am Montag hatte Samantha die Theorie-Wiederholungsprüfung für die Fahrschule und sie vermutete, dass sie es wieder nicht schaffen würde. Sie saß in ihrem Zimmer und sollte eigentlich die Übungs-Bögen machen, aber sie konnte sie nicht mehr sehen. Ihre Mutter brauchte Samantha dringend als Taxifahrerin für ihre kleine Schwester, um sie jeden Tag mehrmals zur Schule zu fahren. Vielleicht war das der Grund, warum Samantha ihre erste Theorieprüfung sabotiert hatte. Sie hatte wenig Lust, den Chauffeur für ihre Familie zu spielen. Sie hatte weder ein Auto, noch Geld, um sich eines zu kaufen oder gar nur das Benzin zu bezahlen- wozu musste sie also Autofahren lernen? Sie war frustriert, dass sie den Führerschein nicht zu Schulzeiten machen konnte, da das Geld damals für Mutters Scheidung Nummer drei gebraucht wurde und hatte sich damit abgefunden, führerscheinlos zu sein.
Da ihre neurotische Mutter gerade weg war, entschied sie, auch das angebliche Lernen für die Führerschein-Theorieprüfung sein zu lassen und eine zu rauchen. Das war gar nicht so einfach, denn auch wenn die Mutter, die sie dafür hart bestrafen würde, nicht da war, war die ganze Nachbarschaft wachsam und würde nicht nur ein Kommentar dazu abgeben, sondern auch ihrer Mutter Bericht erstatten.
Nachdem sie eine geraucht hatte und ihre Mutter drohte, überraschend nach Hause zu kommen, musste Samantha so tun, als täte sie etwas Vernünftiges, aber die deprimierende Behausung ihrer Erzeugerin, die sich dank ihrer Wechseljahre nun vollends in den gestörten Teil ihrer gespaltenen Persönlichkeit verwandelt hatte, war einfach zu wenig einladend dafür. Samanthas Träume, auf einer Elite-Universität zu studieren, dafür in eine Stadt weiter weg oder sogar ins Ausland zu ziehen, hatten sich in Luft aufgelöst und darum war ihr alles, was folgte, egal. Sie musste in diesem Kaff an der Bergstraße bei Mutter hocken, um überhaupt studieren zu können, und das war eine echt frustrierende Vorstellung.
Als sie das Auto beim Einparken hörte, schlich sie wieder in ihr Zimmer und griff zu den Fahrschul-Theoriebögen.
Die Wahl der Universität und des Studienfachs
Wenn sie einmal nicht Erledigungen für ihre Mutter machte, beschäftigte sich Samantha eher halb interessiert mit der Studienwahl. Immerhin hatte der Sommer nach dem Abitur sonst nichts für sie zu bieten und wenn sie schon die persönliche Assistentin, Kurierfahrerin und Haushälterin für ihre verantwortungslose Erzeugerin machen musste, konnte sie auch das tun.
Samantha hatte nicht viele Wahlmöglichkeiten, was das Studium anging. Schon nach der zweiten Scheidung ihrer Mutter wusste sie, das das Leben keine guten Überraschungen für sie übrig haben würde und nach der dritten Scheidung, für die ihre Mutter alle Ersparnisse ausgegeben hatte und sich von nun an bei allen Bekannten, bei denen es Samantha besonders peinlich war, verschuldete, um ihre Kreditraten zu bezahlen, war klar, dass Samantha nicht einmal das Geld bekommen würde, um sich einen Fahrschein für die Reise zur Universität zu leisten. Dank dieser Perspektivlosigkeit wusste Samantha schon in der Schule, dass sie auf die Universität Heidelberg gehen würde. Die war in der Nähe und außerdem wollte Samantha auf keinen Fall in irgend einer Stadt studieren, die ein hässlicher Industriemoloch war wie Mannheim, wenn sie schon nicht das studieren konnte, was sie wollte. Auf ihrem Schreibtisch lagen Bewerbungsformulare für Universitäten und Informationen zu Studiengängen, die sie wirklich interessierten, aber sie war realistisch: Sie hatte keinen Cent. Die Fahrt zu diesen Universitäten im In- und Ausland, um sich zu informieren oder zu bewerben, konnte sie mit Monopoly-Geld nicht bezahlen und schon gar nicht konnte sie den Aufenthalt dort während der Bewerbungsfristen bezahlen. Außerdem war es gar nicht so einfach, wie es im Fernsehen immer ausschaute. Wenn sie doch eine Bewerbung erfolglos durchziehen würde, hätte sie andere Fristen versäumt und ein ganzes Semester wäre futsch gewesen. Heidelberg stand also fest.
Was waren ihre Interessen? Samantha konnte vieles sehr gut. Sie war die unbezahlte Sekretärin und Scheidungsbuchhalterin ihrer Mutter und wenn es dafür einen Abschluss gegeben hätte, hätte Samantha jetzt bereits einen. Sie war auch eine gute Haushälterin und Mädchen für alles und das war doch ein Beruf mit Zukunft?
Als sie sich die Studiengänge ausgedruckt hatte, stellte Samantha fest, dass Heidelberg zwar eine schöne Stadt war, aber die Universität keinen einzigen Studiengang bot, den sie ertragen konnte. Was sie halbwegs interessierte, konnte sie nicht studieren, weil ein Numerus Clausus den Zugang beschränkte und Samantha nur ein Durchschnitts-Abitur vorweisen konnte. Rechtswissenschaft fiel aus. Numerus Clausus. Und kein schwacher, sondern der mit der Eins davor. Was sie auf jeden Fall nicht interessierte, waren Geschichte, Ägyptologie und Altertumswissenschaften, genauso wie Physik, Mathematik und Informatik. Nachdem sie die Liste mit den Studiengängen überflogen hatte, suchte sie sich die am wenigsten Abstoßenden aus: Anglistik, Germanistik und Politikwissenschaft. In der Schule wurde sie schon vor der Oberstufe von den Lehrern in diese Richtung getrimmt- ja, die Samantha, die würde einmal Englisch und Politikwissenschaft studieren, weil das ihr Ding war! Leider stellte sie bei der Info für die Studiengänge fest, dass ihr einziger Interessen-Anker, die Politikwissenschaft, für sie ausfiel, da sie auch mit einem Numerus Clausus versehen war. Wie Kakerlaken schwärmten die Versager-Studenten, die nichts konnten, aus, um sich alle für Politikwissenschaft zu bewerben! Samantha war nicht die Einzige, die kein Mathe und auch sonst nichts konnte und sich deswegen Politik aussuchte.
Die Immatrikulation
Die Erst-Einschreibefrist für das Wintersemester rückte näher. Samantha musste sich immatrikulieren. Aber es gab einfach zu viele Möglichkeiten, die alle irgendwie blöd waren. Es gab die Möglichkeit, ein Fach zu studieren. Es gab aber auch die Möglichkeit, zwei Hauptfächer zu studieren. Und dann gab es die Möglichkeit, ein Hauptfach und zwei Nebenfächer zu studieren. Samantha hielt sich für superschlau und bildete sich durch das ständige Gelabere ihrer Lehrer in der Schule ein, dass sie alle Fächer studieren konnte, für die sie „auserkoren" war. Darum kam es für sie gar nicht in Frage, ein einziges Fach zu studieren. Sie war einfach in vielem begabt und das musste sich auch in ihren Studienfächern niederschlagen! Sie hatte sich auf der Studienfach-Liste diejenigen Fächer ausgesucht, die sie am wenigsten uninteressant fand und die Auswahl war nicht gerade üppig. Sie fand, wenn sie schon keine Fächer studieren konnte, die sie studieren wollte, sollte sie sich möglichst die aussuchen, die ihr lagen und nicht nur eines, das sie dann vielleicht deprimierte, weil es definitiv das Falsche war. Sie kreuzte auf der Liste Anglistik, Germanistik und Computerlinguistik an.
An einem sonnigen Tag wie sie im Sommer üblich waren sammelte Samantha ihre vorbereiteten Dokumente wie das Abiturzeugnis und machte sich auf den Weg nach Heidelberg, um sich an der Universität einzuschreiben. Sie hatte ihre jüngere Schwester im Schlepptau, die Samanthas Uni-Einschreibung als Unterhaltungsprogramm genoss, da sie in den Schulferien nichts Besseres zu tun hatte. Samantha sah Heidelberg an diesem Tag mit ganz anderen Augen. Sie war schon einige Male dort, aber jetzt würde sie ein Teil davon werden. Am Universitätsplatz angekommen fragte sie nach dem Studentensekretariat und ging zielstrebig hinauf. Sie schaute nicht wie die anderen Neulinge verloren in die Gegend und irrte nicht durch den Uni-Platz. Sie wusste, was, wo und wie zu tun war. Es gab an der Neuen Universität zwar Tage der offenen Tür mit Info-Ständen zu den Studiengängen, aber was interessierte das Samantha? Die konnten ihr diese langweiligen Studiengänge auch nicht schmackhafter machen.
Das Studentensekretariat war ein altes Gebäude und wirkte auf den ersten Blick recht schön. Dafür, dass so viele Studieninteressierte die Stadt verstopften, war auf dem großen Hof des Studentensekretariats und auf den breiten Treppen wenig los. Gar nichts! Es war, als wäre es geschlossen und außer Betrieb. Als Samantha und die Schwester die riesige Treppe erklommen hatten und an die große hölzerne Türe klopften, die keine Klingel hatte, öffnete niemand. Sie gingen die Treppen wieder herunter und schauten auf beiden Seiten um das Gebäude herum. Nein, einen anderen Eingang gab es nicht. Nach zwanzig Minuten kam endlich jemand aus dem Gebäude heraus und Samantha fragte nach. Aber die Frau wollte ihr nichts sagen. Samantha hatte kurz einen Blick vom Inneren erhascht und traute sich nach einigem