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Wieder kein Roman
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eBook191 Seiten2 Stunden

Wieder kein Roman

Von Ahne

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Über dieses E-Book

Die Amsel ist ein Vogel. Das Steak ist ein Stück Fleisch und Whitney Houston gestorben. Einfache Wahrheiten, die dennoch Stoff sein könnten für einen Roman, eine Oper oder einen Scherenschnitt. Leider hat Ahne immer noch nicht gelernt, wie man so etwas zustande kriegt. Jahrein, jahraus liefert er Kurzgeschichten ab oder auch mal ein Gedicht oder eine Strichzeichnung. Und damit dieses Zeug nicht sinnlos die Bürotürme seines Verlages zumüllt, haben die Chefs kurzerhand beschlossen, das alles in ein Buch zu schmeißen. Vielleicht erbarmt sich ja doch jemand und liest es weg. Der Autor findet das übrigens gut.
SpracheDeutsch
HerausgeberVoland & Quist
Erscheinungsdatum12. Dez. 2013
ISBN9783863910419
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    Buchvorschau

    Wieder kein Roman - Ahne

    Ich habe nie geweint

    Wie ich mich freue! War das jetzt etwa die Wende? Schon wieder? Ein Auftritt ausgerechnet in Prenzlau, jener Stadt, in der damals alles begann. Jener Stadt, in der ich meine ersten Gedichte verfasste.

    Dampfendes Gedröhne,

    röchelnder Gestank,

    Land, in dem ich stöhne,

    Blut in deinem Tank.

    Ja, wir hatten viel Zeit damals bei der Armee, und wo sollten wir auch hin mit unserem Hass? Manche quälten ihre Zimmergenossen, andere vögelten die Frauen der Offiziere, ich schrieb eben Gedichte.

    Hack, hack, hack,

    Beil macht dich kaputt,

    pack dich auf den Haufen,

    kannste nich weglaufen.

    Die Zeitung Junge Welt, an die ich meine Verse schickte, wollte sie nicht abdrucken, weder auf der Titelseite noch sonst irgendwo. War eben DDR. Eine Diktatur der Arbeiterklasse. Da druckte man keine Intellektuellen, man unterdrückte sie. Ohne Begründung erhielt ich nur noch die Hälfte meiner kärglichen Mittagsration, statt zwei Kartoffeln eine und statt einer Kelle Soße zwei, ich mein’, natürlich umgekehrt. Was soll’s, lange her, die Scheiße.

    Nach der Wende ging’s zum Glück aufwärts. Ich hängte meinen Job an den Nagel, wo er heute immer noch hängt, und stieg in eine Lesebühne ein. Die Reformbühne Heim & Welt. Allesamt krasse Typen. Hungrige Kerle. Finstre Gestalten. Manche waren im Knast gewesen, andere hatten jede Menge auf dem Kerbholz oder blieben der Polizei nicht lange unbekannt. Auch eine Frau gab es. Die war ständig in Prügeleien verstrickt, wegen was weiß ich. So ging es langsam voran. Die Presse kam: Spiegel, TAZ, Der Wachtturm, ähnliches Gesocks. Alle wollten sie was von uns. Konnten sie haben. Gerne. Aber nur draußen, vor der Tür.

    Mit dem Erfolg kam das Geld. Das Geld und der Ruhm. Mann, wir kauften die allerschärfsten Schlitten, die es gab, damals. Sämtliche Fabrikate. War nur blöd, dass man sie so selten fahren konnte, im Winter, in Berlin. Drauf geschissen, ich hatte zeitweise fünf an jedem Finger, konnte es mir leisten, Geld wie Heu. Wenn wir die Bühne rockten, strömten die Kids in Scharen zu uns, wie die Lemminge. Die gaben ihr letztes Hemd, die klebten an unseren Lippen. Krasse Zeit. Ich schrieb einen Roman nach dem anderen. Die flossen mir förmlich aus der Feder. Der Fänger im Roggen, Der Meister und Margarita, Die Päpstin, Faust. Ich weiß nicht, ob sie wirklich so hießen, es ist so verdammt lange her. Das Feuilleton jedenfalls feierte. Eine Tour reihte sich an die nächste. Hildburghausen, Dippoldiswalde, Potsdam, ich war praktisch überall und sah doch kaum etwas von der Welt. Wenn man ständig unter Strom steht, fordert der Körper irgendwann Tribut. Fast alle sind ja tot. Das Koks, der Alkohol, die Weiber. Manch einer starb in meinen Armen, ich habe nie geweint.

    Um die Jahrtausendwende herum wussten wir dann einfach, dass es nicht mehr weiter bergauf geht. Die Shows im Fernsehen ödeten uns an, mit den Literaturpreisen wischten wir uns nach durchzechten Nächten regelmäßig die Ärsche ab, die Bestsellerlisten las ohnehin keiner mehr, immer das Gleiche, man konnte sich einfach nicht mehr darüber freuen. Manchmal gelang uns noch ein richtiger Knaller, doch allzu oft versuchten wir nur noch gegen die Erwartungshaltung des Publikums anzuschreiben, ließen konsequent die Konsonanten weg, schrien herum auf der Bühne oder versuchten witzig zu sein. Die Treuesten der Treuen wandten sich als Erste ab. Vielleicht hätten wir auf sie hören sollen, vielleicht ihre Bedenken ernst nehmen: Wir würden langsam aus dem Leim gehen, zu oft »Äh« sagen, und man könne uns einfach nicht mehr abnehmen, dass wir von der Straße kämen, wenn es ständig nur um unsere Aktienpakete oder Affären mit diversen Models ginge. Vielleicht waren wir wirklich ein wenig weit weg von der Spur. Doch das sagt sich so leicht, im Rückblick. Da waren ja außerdem die vielen falschen Freunde noch. Die Schulterklopfer. Die Ja- oder besser die Yeah-Sager. Es lief ja auch noch eine ganze Weile. Durchaus. Bis man die ersten Kredite nicht mehr zurückzahlen konnte. Bis die Angebote weniger wurden, bis dahin dauerte es ja noch. Die Läden wurden kleiner, intimer, redete man sich die Sache schön. Immer öfter las man bloß noch Fragezeichen in den Gesichtern der Zuhörer. Die Hipster blieben als Nächste weg, dann die Freunde von den Hipstern und die Freunde von den Freunden der Hipster. In der Presse tauchten erste Verrisse auf. Plötzlich fehlte einigen Kritikern die Tiefe in unseren Texten, jemand bemerkte in der BILD: »Das ist ja gar nicht sozialkritisch«, und Marcel Reich-Ranicki bemängelte die Interpunktion, die ihm auch schon bei Der Fänger im Roggen unangenehm aufgefallen sei. Frauen warfen uns vor, dass wir keine Frauen seien. Männer meckerten, wir seien keine richtigen Männer.

    Wir hatten nie gelernt, uns für etwas zu entschuldigen, wir schwammen ja immer nur auf der Welle des Erfolgs. Ich weiß nicht mehr, ab wann ich auf der Bühne zu stottern begann. Vor zwei Jahren jedenfalls musste ich meinen letzten Schlitten verkaufen. Ich zog zurück zu Mutti und begann nebenher Körbe zu flechten, um mir damit ein zweites Standbein aufzubauen. Im Fernsehen bin ich seither nie wieder aufgetreten, und das letzte Mal, als ich im Radio zu Gast war, machte sich ein gewisser Ken Jebsen über meine Stotterei lustig. Falls ich versuche, etwas ins Internet hochzuladen, erscheint immer dieser Spruch: »Sorry, aber das Internet ist voll.« Wen ich auch frage, alle sagen, das kann doch nicht sein, aber es ist so, ich denk mir das ja nicht aus.

    In einem Hinterzimmer lesen wir noch vor, einem kleinen Hinterzimmer einer illegalen Kneipe, während da saubergemacht wird. Geld gibt es keines, aber es macht Spaß. Wieder. Und vorgestern nun flatterte mir diese Einladung ins Haus. Aus Prenzlau. Ein Veteranenverband der NVA. Kameradschaftsabend. Was zum Lachen solle ich lesen. Die Getränke wären frei.

    Ein Lesebühnentext

    Da sitzen sie nun also vor mir und zucken schweigend mit den Schultern. Die 14-jährigen Mädchen wissen nicht, über was ich einen Text schreiben soll. Jedenfalls wollen sie es mir nicht sagen. Eigentlich wollen sie mir überhaupt nichts sagen. »Wie war’s denn gestern bei der Party?« »Gut.« »Was habt ihr denn gemacht?« »Nichts Besonderes.« »Wisst ihr schon, was ihr heute Abend machen wollt?« »Eigentlich nicht.« »Hast du Hobbys?« Die letzte Frage richte ich bewusst ausschließlich an die Freundin meiner Tochter, da ich von meiner Tochter selber ja weiß, was für Hobbys … oder, na ja, sie tanzt manchmal. Überraschenderweise antwortet ihre Freundin: »Nee.« Dann aber, nach einem kurzen Moment der Besinnung: »Ich müsste eigentlich Sport treiben, weil ich so unsportlich bin.« So so, sie müsste. Na, immerhin hat sie überhaupt was gesagt, darauf lässt sich aufbauen. Ob wohl ein Zuckerkranker das Insulinspritzen als sein Hobby angeben würde? Vielleicht ja ein sehr depressiver Zuckerkranker oder ein zuckerkranker Künstler, der seine Antworten als Teil seiner Kunst verstanden wissen will. Als schwarzen Humor. Black humour, wie die Engländer zu sagen pflegen. Hihi, ich weiß eigentlich gar nicht, ob die Engländer zu schwarzem Humor so sagen. Vielleicht gibt es dort auch gar keinen Begriff für schwarzen Humor. Vielleicht weil der englische Humor immer schwarz ist? Vielleicht heißt dort schwarzer Humor einfach nur humour und es gibt außerdem einen white humour, für vollkommen harmlos daherkommenden und bei niemandem aneckenden Humor. Beispiel gefällig? Kommt ein Buslenker zum Arzt und sagt: »Können Sie mal meinen Stuhlgang rundmachen, der Durchmesser muss gebrochen sein.« Daraufhin der Arzt: »Mein Kollege kommt gleich, ich bin hier lediglich die Prognose.«

    Zugegeben, eben gerade selbst ausgedacht, aber total lustig, ultrakomisch, wenn nicht gar megawitzig, und doch wird hier auf niemandes Kosten gelacht, wenn »niemandes« überhaupt der Genitiv ist von »niemand«, und nein, ich habe das nicht gegugelt. Ich finde, wer zu allem und jedem irgendeine elektronische Suchmaschine befragt, der hat ein gutes Stück seiner Persönlichkeit bereits an der Garderobe abgegeben. Der ist zu, na, sagen wir ruhig, einem Zwölftel bereits ein Roboter geworden, was jetzt auch nicht weiter schlimm wäre, ich habe nichts gegen Roboter, Roboter machen schließlich unser Leben schöner, Roboter werden in Zukunft sämtliche Arbeit für uns verrichten, und das alles, ohne davon depressiv zu werden, aber ich könnte mich eben auch niemals in einen Roboter verlieben. Ja, is so! Deshalb für alle, die darauf warten, dass ich mich in sie verliebe – bitte keine elektronischen Suchmaschinen mehr benutzen, jedenfalls nicht so häufig. Gut, sagen wir immer. Außerdem muss ich natürlich betonen, dass ich bereits vergeben bin, das hat mir meine Freundin aufgetragen, dass ich das betonen soll. Meine Freundin, die im Übrigen ständig was an mir herumzunörgeln hat, mal stinke ich ihr zu sehr, dann wieder esse ich zu viel, oder ich liege immer nur da und sage kein Sterbenswörtchen. Mann-O-Meta! Den lieben, langen Tag nörgelt die an mir herum. Trotzdem, ich liebe sie. Sehr. Ich werde mein ganzes Leben mit ihr verbringen, vorerst, und die ewige Nörgelei aushalten und nach 70 Jahren dann zurückblicken können auf eine Zeit, in der es sicher auch schöne Momente gegeben hat. Darauf freue ich mich schon lange. Auf das Zurückblickenkönnen.

    Ich will ja mal ins Heim. Ich will in so ein Altersheim, wo sie alles für einen machen. Wo man gewaschen wird, wo einem die Zähne geputzt werden, und man muss nichts dafür tun. Man kann einfach den lieben langen Tag auf dem Sofa liegen und kein Sterbenswörtchen sagen, trotzdem müssen die einen da waschen. Muss man natürlich dann auch so tun, als ob man gar nicht anders könnte, sicherlich, aber, da bin ich ganz optimistisch, das schaffe ich schon. Klar, dass das auch bezahlt werden muss, das ist sonnenklar. Selbstverständlich. Aber erstens hoffe ich mal, dass in näherer Zukunft die Menschen ganz schnell schlau werden, von ihrer hirnverbrannten »Arbeit-für-alle«-Mentalität wegkommen, die der Menschheit wie ein Klotz sisyphusischen Ausmaßes am Bein hängt, und zweitens habe ich ja Kinder, denen ich schon immer ein guter Vater gewesen bin (»Halt’s Maul, Gör, das hier ist ein Lesebühnentext!«) und denen es deshalb ein diebisches Vergnügen bereiten wird, meinem Wohlbefinden zur Ehre finanzielle Opfer zu erbringen.

    Wie schnell das Leben vorbeigeht ist schon irgendwie der pure Wahnsinn. Eben kam man noch nicht mal an die Schublade ran, wo die Zigaretten drinliegen, und morgen schon pullert man wieder ins Bett. Eigentlich, da bleibt einem doch lediglich eine extrem kurze Frist nur dazwischen, wo man wirklich mal Zeit hat, sich Gedanken zu machen über pubertierende Mädchen, die nicht wissen, was sie einem antworten sollen.

    Solidarität jetzt!

    Die Pleite von Griechenland bewegt mich sehr, momentan. Ich kann schon fast gar nicht mehr schlafen, so sehr bewegt mich die Pleite von Griechenland, momentan. Ich meine, es muss doch auch eine andere Lösung noch geben, als dass sie in einem fort unser Geld kriegen. Ich meine, das ist ja auch unser Geld, irgendwie, und ich meine, wir haben uns das ja nicht nur durch Rumliegen erworben. Wir haben uns das ja verdient.

    Immerhin, ich muss ja auch an später denken und an ein Gartengrundstück. Wir wollen doch ein Gartengrundstück. Wie Emil Pelle. Ein schönes Gartengrundstück. Es müssen gar keine 2.000 Quadratmeter sein, den Anspruch haben wir gar nicht. 1.000 würden schon genügen. Möglichst etwas weiter draußen, an einem See, aber gut erreichbar und mit netten Nachbarn, die man selten sieht. Kinderfreundlich, aber ohne Kinder und ohne Hunde oder Katzen

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