Ein geborener Versager?: Der Arzt vom Tegernsee 44 – Arztroman
Von Laura Martens
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Über dieses E-Book
Seine Praxis befindet sich in Deutschlands beliebtestem Reiseland, in Bayern, wo die Herzen der Menschen für die Heimat schlagen.
Der ideale Schauplatz für eine besondere, heimatliches Lokalkolorit vermittelnde Arztromanserie, die ebenso plastisch wie einfühlsam von der beliebten Schriftstellerin Laura Martens erzählt wird.
Alexander Seemüller parkte gegenüber dem Doktorhaus. Mühsam stieg er aus, schloß seinen Wagen hinter sich ab und überquerte die Straße. Es fiel ihm schwer, aufrecht zu gehen. An diesem Tag hatte er wieder so starke Nacken- und Rückenschmerzen, daß es ihm wie ein Wunder erschien, sich überhaupt noch vorwärts bewegen zu können. Er nahm an, daß seine Rückenprobleme mit einem Unfall zusammenhingen, den er als Schulbub gehabt hatte. Damals waren alle froh gewesen, daß ihm nicht allzuviel passiert war. An Spätfolgen hatte keiner gedacht. Tina Martens blickte den jungen Geschäftsmann überrascht an, als dieser die Praxis betrat. »Haben Sie heute einen Termin, Herr Seemüller?« fragte sie und schaute ins Meldebuch. »Nein, leider nicht«, gestand Alexander. »Könnte ich trotzdem in die Sprechstunde kommen? Ich habe solche Schmerzen, daß ich nicht weiß, wie ich ohne eine Spritze die nächsten Stunden überstehen soll.« Wie ich Sie kenne, haben Sie bestimmt sämtliche Warnungen Doktor Baumanns in den Wind geschlagen und sich etwas übernommen.« »Ich gestehe«, gab Alexander reumütig zu. »Einer meiner Fahrer ist ausgefallen, und so mußte ich selbst eine längere Fahrt übernehmen. Das Rütteln im Lastwagen…« Er hob die Schultern.
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Der Arzt vom Tegernsee
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Ein geborener Versager? - Laura Martens
Der Arzt vom Tegernsee
– 44 –
Ein geborener Versager?
Laura Martens
Alexander Seemüller parkte gegenüber dem Doktorhaus. Mühsam stieg er aus, schloß seinen Wagen hinter sich ab und überquerte die Straße. Es fiel ihm schwer, aufrecht zu gehen. An diesem Tag hatte er wieder so starke Nacken- und Rückenschmerzen, daß es ihm wie ein Wunder erschien, sich überhaupt noch vorwärts bewegen zu können. Er nahm an, daß seine Rückenprobleme mit einem Unfall zusammenhingen, den er als Schulbub gehabt hatte. Damals waren alle froh gewesen, daß ihm nicht allzuviel passiert war. An Spätfolgen hatte keiner gedacht.
Tina Martens blickte den jungen Geschäftsmann überrascht an, als dieser die Praxis betrat. »Haben Sie heute einen Termin, Herr Seemüller?« fragte sie und schaute ins Meldebuch.
»Nein, leider nicht«, gestand Alexander. »Könnte ich trotzdem in die Sprechstunde kommen? Ich habe solche Schmerzen, daß ich nicht weiß, wie ich ohne eine Spritze die nächsten Stunden überstehen soll.«
Wie ich Sie kenne, haben Sie bestimmt sämtliche Warnungen Doktor Baumanns in den Wind geschlagen und sich etwas übernommen.«
»Ich gestehe«, gab Alexander reumütig zu. »Einer meiner Fahrer ist ausgefallen, und so mußte ich selbst eine längere Fahrt übernehmen. Das Rütteln im Lastwagen…« Er hob die Schultern. »Es ist mir nichts anderes übriggeblieben. Immerhin ging es um einen großen Auftrag. Keine Spedition kann es sich leisten, gute Kunden zu verlieren.«
»Das glaube ich Ihnen gern.« Die Sprechstundenhilfe schenkte ihm ein Lächeln. »Bitte, setzen Sie sich ins Wartezimmer, Herr Seemüller. Ich weiß leider nicht, wie lange es dauern wird.«
»Das macht nichts«, meinte Alexander froh. »Auf eine halbe Stunde mehr oder weniger kommt es jetzt auch nicht an. Danke, Frau Martens.«
Der junge Geschäftsmann wollte gerade die Tür des Wartezimmers öffnen, als Frau Dr. Bertram in Begleitung seines zukünftigen Schwagers in den Gang trat.
»Hallo, Alexander.« Armin Stegmeyer nickte ihm flüchtig zu. Er machte keinen besonders glücklichen Eindruck, sondern wirkte, als hätte er eben erfahren, daß er nur noch wenige Monate zu leben hatte.
Es wunderte Alexander nicht. Seit er Armin kannte, hatte er ihn nie aus vollem Herzen lachen hören. »Was machst du denn hier?« fragte er, nachdem er einen kurzen Gruß mit der Ärztin gewechselt hatte.
»Ich fühle mich nicht besonders wohl«, antwortete Armin und folgte der Ärztin zur Rezeption.
Alexander betrat das Wartezimmer. »Guten Tag«, sagte er, nahm eine Zeitschrift vom Tisch und ging zu einem Stuhl, der neben einer Zimmerpalme stand. Als er sich setzte, hätte er vor Schmerz fast aufgeschrien. Erst siebenundzwanzig und schon ein Wrack, dachte er verbittert. Er fragte sich, wie das in den kommenden Jahren weitergehen sollte. Bisher hatte ihm noch kein Arzt auf die Dauer helfen können.
Um sich von seinen Schmerzen abzulenken, dachte Alexander an Armin Stegmeyer. Seit sie sich kannten, hatte es keinen Tag gegeben, an dem Armin nicht über irgendwelche Beschwerden geklagt hätte. Er hielt ihn für äußerst labil und vor allen Dingen für einen Drückeberger. Auch wenn es sich um den Bruder seiner Verlobten handelte, ihm fehlte jegliches Verständnis für seinen zukünftigen Schwager.
Hintereinander wurden zwei der Patienten aufgerufen. Kurz danach hörte Alexander, daß Frau Becker gekommen war. Sie unterhielt sich laut mit der Sprechstundenhilfe. Er konnte zwar nicht verstehen, um was es ging, doch ihre Stimme hätte er unter hunderten heraus gekannt. Im Geheimen nannten ihre Nachbarn sie wegen ihrer Klatschsucht ›Zeitung vom Narzissenweg‹. Ein Titel, der durchaus zu ihr paßte. Als sie das Wartezimmer betrat, verschanzte sich der junge Mann hinter seiner Zeitschrift und hoffte, nicht von ihr bemerkt zu werden.
»Oh, Herr Seemüller, sie sind auch da.« Lina Becker wählte sich ausgerechnet den Stuhl, der neben seinem stand. »Wir haben uns ja schon eine Ewigkeit nicht mehr gesehen. Gestern habe ich übrigens Blumen bei Ihrer Verlobten gekauft. Eine nette junge Frau.«
»Wie geht es Ihnen, Frau Becker?« erkundigte sich Alexander gezwungen.
»Bis auf meine Galle und die Arthrose-Schmerzen, die mir ab und zu das Leben zur Hölle machen, kann ich wirklich nicht klagen.« Lina Becker griff nach einer Zeitschrift, dachte jedoch nicht daran, sie aufzuschlagen. »Vor einigen Tagen habe ich den Bruder Ihrer Verlobten und dessen Frau gesehen. In einem der kleinen Restaurants unten am See.« Sie holte tief Luft. »Also, ich will ja wirklich nichts sagen, und es ist auch nicht meine Art, mich irgendwo einzumischen, nur, sich derart laut in der Öffentlichkeit zu streiten…«
»Jedes Ehepaar streitet sich mal«, fiel ihr Alexander ins
Wort.
»Vor allen Leuten?« Sie seufzte laut auf. »Schon damals, als die beiden geheiratet haben, war mir klar, daß sie nicht zusammenpassen. Nach allem, was ich so höre, sollen sie wie Hund und Katze zusammenleben.«
»Die sich in den meisten Fällen ganz ausgezeichnet vertragen«, wandte Alexander ein, obwohl er wußte, daß das nicht auf seinen zukünftigen Schwager und dessen Frau zutrat.
»Herr Seemüller, bitte«, tönte Tinas Stimme durch den Lautsprecher.
Alexander atmete innerlich erleichtert auf. »Entschuldigen Sie mich«, bat er und verließ, so rasch es ihm seine Schmerzen erlaubten, das Wartezimmer.
Dr. Eric Baumann kam dem jungen Mann bereits an der Tür seines Sprechzimmers entgegen. »Sieht nicht aus, als hätten Sie meine Ratschläge befolgt«, meinte er grimmig, als er sah, wie mühsam sich Alexander bewegte. »Wie lange wollen Sie denn noch so weitermachen, Herr Seemüller?« Er reichte ihm die Hand.
»Ich weiß selbst, daß ich schuld bin«, gab Alexander zu und erzählte ihm von der Fahrt nach Stuttgart. »Sie wissen ja. Geschäft ist Geschäft.« Er setzte sich dem Arzt gegenüber. »Die Arbeit wächst mir langsam über den Kopf. Mein Vater ist leider dagegen, noch einen weiteren Fahrer einzustellen. Er meint, daß man sich nie darauf verlassen könnte, immer genügend Aufträge für alle Fahrer zu haben.«
»Ihr Vater hat gut reden, Herr Seemüller. Er hat sich wegen seiner Herzkrankheit aus dem Geschäft zurückgezogen. Wenn er unter Ihren Rückenschmerzen leiden würde, ich glaube, er würde anders darüber denken. Die Erschütterungen einer langen Fahrt im Lastwagen tun Ihrer Wirbelsäule nun ganz gewiß nicht gut.«
»Mein Vater hat mir zwar die Leitung der Spedition übertragen, doch es ist vertraglich vereinbart, daß er ein gewichtiges Wörtchen mitzureden hat«, sagte Alexander. »Darauf hat schon meine Stiefmutter bestanden. Sie ist es vor allen Dingen, die Angst vor jedem Pfennig hat, der ihrer Meinung nach unnötig ausgegeben wird.«
Eric kannte die zweite Frau Seemüller und er hatte nicht allzuviel für sie übrig. Er vermutete, daß sie Alexanders Vater nur seines Geldes wegen geheiratet hatte. Auf jeden Fall war es ihr gelungen, das früher so gute Verhältnis zwischen Vater und Sohn negativ zu beeinflussen. Der Arzt überlegte, ob er nicht selbst einmal mit Eduard Seemüller sprechen sollte, sagte sich jedoch, daß ihm das der junge Mann sehr übelnehmen würde. Und zu recht. Immerhin war Alexander kein kleiner Bub mehr, der seines Schutzes bedurfte, und seit Jahren gewohnt, für seine Belange selbst einzutreten.
Dr. Baumann gab seinem Patienten eine Spritze gegen die akuten Schmerzen und verschrieb ihm Akupunktur und Krankengymnastik. »Sie wissen selbst, wie wichtig die Gymnastik für Ihren Rücken ist, Herr Seemüller. Deshalb sollten Sie die Termine auch einhalten.« Er sah ihn streng an. »Kein Geschäft kann wichtiger als die Gesundheit sein. Ich glaube nicht,