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Vorbilder bilden - Gesellschaftliches Engagement als Bildungsziel: Carl Bertelsmann-Preis 2007
Vorbilder bilden - Gesellschaftliches Engagement als Bildungsziel: Carl Bertelsmann-Preis 2007
Vorbilder bilden - Gesellschaftliches Engagement als Bildungsziel: Carl Bertelsmann-Preis 2007
eBook548 Seiten4 Stunden

Vorbilder bilden - Gesellschaftliches Engagement als Bildungsziel: Carl Bertelsmann-Preis 2007

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Über dieses E-Book

Gesellschaftliches Engagement ist ein zentrales Thema für jede demokratische Gesellschaft, die durch Individualisierung, Globalisierung und eine zunehmende Komplexität in allen Lebensbereichen geprägt ist. Das Engagement von Kindern und Jugendlichen zu fördern, ist
dabei besonders wichtig. Es unterstützt die individuelle Entwicklung und legt die Grundlage für eine lebendige Demokratie.
Frühe Engagementförderung kann allerdings nicht allein den Familien zugeschrieben werden. Vor allem sind Kindertagesstätten und Schulen hier in der Pflicht. Mit dem Ausbau des Ganztagsangebots entdecken viele Schulen bereits die Chancen von Partnerschaften mit gemeinnützigen Organisationen in der Kommune und der Verknüpfung von Unterricht mit Bildungsprozessen, die sich im Kontext gesellschaftlichen Engagements vollziehen. Diesen Weg gilt es weiter zu gehen und politisch sowie institutionell abzusichern.
Diese Publikation zeigt die Potenziale früher Engagementförderung für die Einzelnen und die Gesamtgesellschaft auf und skizziert die bestehenden Rahmenbedingungen in Kindertagesstätten, Schulen, Vereinen und Verbänden. Ein Blick auf andere Länder und ihre Engagementpolitik sowie gute Beispiele aus der Praxis im In- und Ausland geben Anregungen für eine Diskussion in Deutschland und zeigen erste Handlungsoptionen auf.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum23. Juli 2010
ISBN9783867932066
Vorbilder bilden - Gesellschaftliches Engagement als Bildungsziel: Carl Bertelsmann-Preis 2007

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    Buchvorschau

    Vorbilder bilden - Gesellschaftliches Engagement als Bildungsziel - Verlag Bertelsmann Stiftung

    Stiftung

    1

    Gesellschaftliches Engagement von Kindern und Jugendlichen in Deutschland

    Freiwilliges Engagement und politische Mitbestimmung: Zwei Seiten einer Medaille

    Roland Roth

    Wer heute für gesellschaftliches Engagement eintritt, kann nicht mehr überraschen. Auch wenn die Wortwahl wechselt - bürgerschaftliches Engagement, freiwilliges Engagement, Ehrenamt -, sind die Vorzüge längst in aller Munde. Es ist vermessen und kartiert, hat eigene Institutionen zu seiner Verbreitung hervorgebracht, wie Freiwilligenagenturen, Seniorenbüros und Selbsthilfekontaktstellen, und ist längst zur Förderbedingung staatlicher Programme geworden, etwa gegen Rechtsextremismus oder städtische Problemquartiere. Auch wenn es noch vieles zu entdecken gibt, kann schon heute erstaunen, was gesellschaftliches Engagement alles verbessern soll. Es gilt als »Kitt« der Gesellschaft, hilft bei der Integration von Zugewanderten, fördert Vertrauen in Mitmenschen und Institutionen, unterstützt die Kooperation zwischen Menschen und damit auch die wirtschaftliche Entwicklung. Es gilt als privilegierter Lernort für den Erwerb demokratischer Tugenden und festigt so die politische Kultur des Landes.


    Der »Kitt« der Gesellschaft


    Für die freiwillig und unentgeltlich Engagierten selbst winkt reicher »Lohn«. Sie erweitern ihren Horizont, erwerben wichtige Fähigkeiten, wie soziale Kompetenzen, knüpfen hilfreiche soziale Netze, fördern ihre Gesundheit, haben Spaß, gestalten die Gesellschaft mit und können zudem ein gutes Gewissen haben, weil sie ihren Obolus für die »gute« Gesellschaft geleistet haben. In Deutschland können wir besonders zufrieden sein, landen wir doch bei Vergleichsstudien häufiger als bei anderen Themen im oberen Drittel. Bei diesem Thema müssen wir nicht in die verbreitete Klage einstimmen, dass früher alles besser gewesen sei. Umfängliche Studien, wie die beiden Freiwilligensurveys von 1999 und 2004 (Gensicke, Picot und Geiss 2006), verweisen darauf, dass sich das ohnehin auf hohem Niveau befindliche freiwillige Engagement in den letzten Jahren noch gesteigert habe und es zudem enorme Potenziale an Engagementwilligen gebe, die auf günstige Gelegenheiten warten.


    Immer mehr Engagierte


    So ist es nur folgerichtig, dass auch die Bildungsdebatte das Thema für sich entdeckt hat. Beim Engagement kann informell eine Menge gelernt werden (Rauschenbach, Düx und Sass 2006). Sein Ernstcharakter vermittelt jene »life skills«, die in abgeschotteten, bestenfalls auf Probehandeln ausgelegten Schulräumen in der Regel Hausverbot haben. Immerhin gibt es in anderen westlichen Demokratien beachtliche Traditionen, Bildungseinrichtungen für gesellschaftliches Engagement zu öffnen und die entsprechenden Erfahrungen in schulischen Curricula zu verankern. Auch wenn »Civic Education« und »Service Learning« weithin Fremdwörter geblieben sind, gibt es hierzulande ebenfalls erste systematische Ansätze und gute Beispiele: etwa das Programm »Demokratie lernen & leben« der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) oder TOP SE, das curricular verankerte »Themenorientierte Projekt Soziales Engagement« in Baden-Württembergs Realschulen (Hartnuß 2007).


    Erste systematische Ansätze auch in Deutschland



    Kein Selbstläufer


    Was wie eine Erfolgsgeschichte oder gar wie ein Selbstläufer wirkt, fällt bei einer genaueren Betrachtung widersprüchlich aus. Die Terraingewinne des gesellschaftlichen Engagements sind bislang bescheiden. Bei den großen gesellschaftlichen Reformen der letzten Jahre, wie der Föderalismusreform oder den »Hartz-Gesetzen«, spielte bürgerschaftliches Engagement keine Rolle, galt es doch den politisch Verantwortlichen als »schön, aber nicht belastbar«. Selbst dem BLK-Programm »Demokratie lernen & leben« blieb eine institutionelle Weiterführung verwehrt, und auch der zivilgesellschaftliche Anteil der Bundesprogramme gegen Rechtsextremismus wurde drastisch reduziert (Roth 2006). Auch wenn sich im politischen Bereich wohl niemand offen gegen bürgerschaftliches Engagement ausspricht, droht die strukturelle Randständigkeit.


    Aktuelle Debatte


    Diese Tendenz wird durch eine wissenschaftliche Debatte unterstützt, die überwiegend den Abschied von allzu großen Erwartungen nahelegt. Wie schon den engen Verwandten »Sozialkapital« und »Zivilgesellschaft« ereilt auch das »freiwillige Engagement« das Schicksal, dass viele der erwarteten Segnungen nur unter besonderen Bedingungen, aber keineswegs für alle und unter allen Umständen eintreten. Beide Erfahrungen legen mehr Bescheidenheit nahe.


    Ohne Reformen kein Schatz


    Dieser Beitrag versucht gegen eine solche Anspruchsreduktion an die gesellschaftskritischen und reformpolitischen Impulse der Engagementdebatte anzuknüpfen. Ohne weiter reichende institutionelle Reformen, so die Vermutung, dürfte es kaum gelingen, den Schatz »freiwilliges Engagement« zu heben. Dies machen nicht zuletzt die Mitbestimmungs- und Gestaltungsansprüche deutlich, die das gesellschaftliche Engagement heute weitgehend auszeichnen. Bevor auf diese politische Dimension näher eingegangen wird, sei an einige zeitdiagnostische und gesellschaftsanalytische Impulse erinnert, die Anregungen für die aktuelle engagementpolitische Debatte versprechen.

    Auf dem Weg zur »aktiven Gesellschaft«?

    Wenn Gesellschaften ihr Leitbild von »passiv« auf »aktiv« umstellen, also auf Engagement setzen, hat dies vielfältige Ursachen und Konsequenzen. Dieser Wechsel deutete sich in der Bundesrepublik und anderen westlichen Demokratien irgendwann in den 60er Jahren an, hat aber erst in den letzten beiden Jahrzehnten an allgemeiner Anerkennung gewonnen. Im Rückblick erscheint die Bundesrepublik, wie ihre westlichen Vorbilder, als eine »Disziplinargesellschaft«, die vor allem auf Autorität und Sekundärtugenden wie Ordnung, Fleiß und Anstand setzt. »Sicherheit« galt über Jahrzehnte als erfolgreichstes Wahlkampfversprechen. Gegen erste Irritationen wurde noch zu Beginn der 60er Jahre das Konzept einer »formierten Gesellschaft« mit autoritären »Leitlinien stabilitätskonformen Verhaltens« empfohlen (Schäfer 1967).


    Von der »Disziplinargesellschaft«...



    ... und der Schwierigkeit, nein zu sagen


    Jürgen Habermas charakterisierte die damals vorherrschende Orientierung als »staatsbürgerlichen Privatismus«: Man beteiligte sich zwar pflichtbewusst an politischen Wahlen, verzichtete aber weitgehend auf gesellschaftliches Engagement zugunsten des privaten Glücks. Die Konformitätserwartungen des öffentlichen Lebens waren so übermächtig, dass selbst kritische Philosophen Schriften wie »Versuch über die Schwierigkeit nein zu sagen« (Heinrich 1964) verfassten.


    Foucault: Disziplinargesellschaft in der Krise


    Erst in der zweiten Hälfte der 60er Jahre mehrten sich die Stimmen, die auf Protest, Widerspruch, Mitsprache, Beteiligung und andere Formen des Engagements setzten. »In den letzten Jahren«, formulierte Michel Foucault, der Archäologe der Disziplinargesellschaft, im Jahr 1978, »hat sich die Gesellschaft verändert und die Individuen ebenso; sie sind mannigfaltiger, unterschiedlicher und unabhängiger. Es gibt mehr und mehr Kategorien von Leuten, die nicht unter dem Zwang der Disziplin stehen, so dass wir die Entwicklung einer Gesellschaft ohne Disziplin denken müssen. Die herrschende Klasse ist stets durchdrungen von der alten Technik. Es ist jedoch evident, dass wir uns in der Zukunft von der Disziplinargesellschaft von heute trennen müssen« (Foucault 1978: 672 f.).


    Protestbewegungen und Bürgerinitiativen: 1968


    In der Bundesrepublik waren es vor allem die jugendlich geprägten Protestbewegungen, die mit der Jahreszahl 1968 in Verbindung gebracht werden, aber auch ihr »bürgerliches« Pendant, die Bürgerinitiativen, die auf Engagement setzten. Zur gleichen Zeit entwarf der damalige Vordenker und spätere Generalsekretär der FDP, Karl-Hermann Flach, das Leitbild des Initiativbürgers, der sich als Bürgerinitiative im Singular in alle Angelegenheiten des Gemeinwesens einmischen sollte. Gerade die aufkommenden Bürgerinitiativen machten in ihren Anliegen deutlich, dass es ihnen um eine Alltagspolitik ging, die häufig jenseits der im engeren Sinne politischen Institutionen angesiedelt war: etwa wenn es der erfolgreichen Initiative »Kind im Krankenhaus« darum ging, dass es Eltern möglich sein müsse, die eigenen Kinder bei einem Klinikaufenthalt auch außerhalb der knapp bemessenen Besuchszeiten zu betreuen. Unter dem Eindruck von Protest und Bürgerinitiativen entwickelten zahlreiche Großstädte erstmals gezielte Beteiligungsangebote, wie Bürgerforen.


    Etzionis »aktive Gesellschaft«


    Der erste systematische Versuch, gesellschaftstheoretisch und reformpolitisch auf eine aktive Bürgerschaft zu setzen, wurde 1968 in den USA von Amitai Etzioni vorgelegt. Er widmete seine voluminöse »Active Society« den »active ones«, jenen »new social groups out of passivity« (Etzioni 1968: 14). Auch wenn uns heute der kybernetisch-technologische Gestaltungs- und Steuerungsoptimismus, der das Werk durchzieht, fremd und naiv erscheinen muss, so kreist seine »postmoderne« Gesellschaftsanalyse um eine Leitfrage, die hochaktuell ist: Wie müssen gesellschaftliche und politische Institutionen beschaffen sein, die einen sinnvollen Gebrauch vom gestiegenen Engagementpotenzial der Aktiven machen? Etzioni schlägt unter anderem einen neuen Gesellschaftsvertrag vor, der ein dynamisches Aushandeln von Selbstverwirklichungs- und Gestaltungsansprüchen der Engagierten sowie den institutionellen Reformanforderungen ermöglicht.


    Touraine: Abschied von der Disziplinargesellschaft nicht in Sicht


    Im westeuropäischen Kontext entwickelte vor allem der französische Soziologe Alain Touraine zur gleichen Zeit ein Forschungsprogramm, das die zeitgenössischen Protest- und Reformimpulse verstärken, die Freiheitsimpulse der Individuen aufgreifen und ihre historischen Möglichkeiten zur bewussten gesellschaftlichen Selbstgestaltung herausarbeiten sollte (Touraine 1973). Anders als Etzioni, der die Gegenkräfte seiner »aktiven Gesellschaft« eher am Rande behandelte, widmete Touraine den Gegenspielern seiner auf Selbstbestimmung und aktive Selbstgestaltung ausgerichteten, »postmodernen« Gesellschaft große Aufmerksamkeit. Die technokratischen und professionellen Kader, die an einer »programmierten« Gesellschaft arbeiten, hatten sich bereits Anfang der 80er Jahre, so Touraine (1984) in einer Zwischenbilanz, weitgehend durchgesetzt und einen Zuwachs an aktiver Selbst- und Gesellschaftsgestaltung in der französischen Gesellschaft verhindert. Der Abschied von der »Disziplinargesellschaft« gestaltete sich offensichtlich schwierig.


    Merkpunkte für heute


    Gerade in ihrem großen theoretisch-analytischen Schwung setzen diese frühen Entwürfe einer »aktiven Bürgergesellschaft« einige Merkpunkte, die auch in der aktuellen Debatte über gesellschaftliches Engagement Beachtung verdienen.

    • Offensichtlich gibt es eine in vielfältigen Formen aktive Bürgerschaft, die immer wieder eigene Lebensentwürfe und Gestaltungsansprüche vorbringt. Sie verbindet nicht selten Engagement mit dem Bedürfnis nach politischer Teilhabe und Mitbestimmung, »oft in unkonventionellen Bahnen« (Gensicke und Geiss 2006: 310) und häufig in vergleichsweise politikfernen gesellschaftlichen Bereichen.

    • »The active ones« und ihre Protagonisten stellen jedoch nur eine gesellschaftliche Teilgruppe dar, die in den bestehenden Institutionen und ihren Routinen auf machtvolle Gegenspieler trifft. Für diese genügt zumeist institutionelles Beharrungsvermögen. Der im Engagement enthaltene Gestaltungsanspruch bedroht ihre Definitionsmacht. Wer Engagement fordert und fördert, bewegt sich in einem umkämpften Terrain.

    • Auch wenn es eine Vielfalt von sozialen Prozessen gibt, die in Richtung »aktive Gesellschaft« weisen (und die z. B. als Krise der sozialstaatlichen Institutionen, als Wertewandel oder Individualisierungsprozesse beschrieben werden), haben sich bislang alle Konzepte blamiert, die einen mehr oder weniger zwangsläufigen Übergang zur »aktiven Gesellschaft« unterstellt haben. Auch mit der Reproduktion von bürokratischen, professionellen und technokratischen Eliten, mit Blockaden und Stillstand oder der Erneuerung der Disziplinargesellschaft in zeitgemäßer Form ist stets zu rechnen.

    Gesellschaftliches und politisches Engagement - getrennte Welten und fließende Übergänge


    Wenig politisch ambitionierte Debatte


    Im Rückblick fällt auf, dass gesellschaftliches Engagement heute weniger politisch ambitioniert und fordernd auftritt. Wenn überhaupt, sind es pragmatische und selbstbegrenzte Forderungen, die offensichtlich nicht zu weit gehenden Gesellschaftsentwürfen anregen. In der aktuellen Debatte über Wege zur Förderung des gesellschaftlichen Engagements zeichnet sich vielmehr die Gefahr ab, dass die im Engagement vorgebrachten politischen Gestaltungsansprüche unterschätzt werden (Evers 2002) - und damit zugleich der Widerstand, auf den die Ausweitung von Engagement und Beteiligung in vielen Bereichen trifft.


    Politisches Interesse trotzdem hoch


    »Voll normal« lautet das jugendsprachlich formulierte Fazit einer neueren Studie zum Verhältnis von Jugend und Politik (Roller, Brettschneider und van Deth 2006). Jugendliche haben demnach, wie auch Erwachsene, ein durchaus großes politisches Interesse - auch im Vergleich mit anderen EU-Ländern (Gensicke und Geiss 2006) - und gleichzeitig ein geringes Vertrauen in politische Parteien und Parlamente. Eine aktuelle Jugendstudie hat in der Europäischen Union für das politische Interesse einen Durchschnittswert von 82 Prozent ermittelt - in Deutschland sind 87 Prozent an der Politik ihres Landes interessiert. 73 Prozent - in Deutschland 81 Prozent - zeigen an der lokalen und regionalen politischen Ebene Interesse, wobei in urbanen Räumen lebende, gebildete und ältere Jugendliche in der Regel stärker politisch interessiert sind (Gallup 2007: 52).


    Jugendliche folgen der Politikverdrossenheit Erwachsener


    Der Rückzug der Jugendlichen aus der konventionellen Politik (sinkende Mitgliedszahlen der Parteien, weniger Wahlbeteiligung) sei nicht spektakulär, sondern bewege sich in den Bahnen der Erwachsenen. Sie teilten deren Parteien- und Politikerverdrossenheit, zeigten »aber keine resignative Abwendung von der Politik« (Gensicke und Geiss 2006: 309). Die Daten des DJI-Jugendsurveys von 2003 ergeben folgendes Bild: 80 Prozent der 16- bis 29-Jährigen beteiligen sich an Wahlen, 60 Prozent an Unterschriftensammlungen, 32 Prozent an Demonstrationen, 27 Prozent arbeiten in Mitbestimmungsgremien in Betrieb, Schule und Ausbildungsstätte mit, 23 Prozent nehmen an öffentlichen Diskussionen teil, zehn Prozent sind aktive Nichtwähler, neun Prozent beteiligen sich an einem Boykott, fünf Prozent arbeiten in einer Bürgerinitiative mit, und nur zwei Prozent bekennen sich zu aktiver Parteiarbeit (Gille et al. 2006: 244).

    Konventionelle Formen der politischen Beteiligung stehen zwar an der Spitze, aber demonstrative Formen, inklusive Boykott, finden ihre Anhänger. Das reale politische Engagement von Jugendlichen dürfte sogar höher liegen, weil die standardisierten Umfragen feste und konventionelle Formen überbewerten und neue, vor allem von Jugendlichen entwickelte und genutzte Formen des Engagements (wie etwa Internetblogs) häufig vernachlässigen.


    20 Prozent Europäer Mitglied einer Vereinigung


    Gallup berichtet, dass nur jeder fünfte junge Europäer (EU-27) zwischen 15 und 30 Jahren Mitglied in Vereinigungen ist. Bei den EU-15 sind es durchschnittlich 26 Prozent. Deutschland gehört mit 46 Prozent Organisationsmitgliedschaft zur Spitzengruppe. Die Hälfte aller Mitgliedschaften entfällt in der EU auf Sportvereine; in Deutschland liegt der Anteil der Sportvereine bei 72 Prozent. Aber nur vier Prozent sind Mitglied in Jugendorganisationen. Unterdurchschnittlich ist auch die Mitgliedschaft in Gewerkschaften und politischen Parteien. Beim freiwilligen Engagement schneidet Deutschland überdurchschnittlich, aber weniger gut ab. Im Mittel der EU-15 sind 17 Prozent freiwillig engagiert, in Deutschland sind es 22 Prozent, die Slowakei verweist dagegen auf 30 Prozent Engagierte. Die Niederlande haben als Spitzenreiter der EU-15 eine Quote von 28 Prozent, Dänemark von 26 Prozent freiwillig Engagierten. Auch Österreich, Belgien und Finnland liegen noch vor der Bundesrepublik. Großbritannien weist dagegen nur eine niedrige Engagementquote von 16 Prozent vor (Gallup 2007: 28).


    Politisches und soziales Engagement im Verhältnis


    Wird das Verhältnis von politischem und sozialem Engagement analysiert, ergeben sich zusätzliche Probleme. So unterschätzt der Freiwilligensurvey - auch nach eigenem Bekunden - systematisch politische Partizipation, weil er auf verbindliche organisationsorientierte Beteiligungsformen fixiert ist. »Während 2004 36 Prozent der Bevölkerung in einem verbindlichen Sinne öffentlich partizipieren, betrifft die verbindliche politische Partizipation allerdings nur 2,5 Prozent der Bevölkerung« (Gensicke und Geiss 2006: 319). Wie stark dabei lose und spontane Formen vernachlässigt werden, machen die erhobenen organisatorischen Zusammenhänge deutlich (1999: 63 Prozent in Parteien, 20 Prozent öffentliche Einrichtungen, 6 Prozent Vereine und Verbände, 10 Prozent Initiativen; 2004: 52 Prozent in Parteien, 23 Prozent öffentliche Einrichtungen, 14 Prozent Vereine und Verbände, 10 Prozent Initiativen). Verglichen mit dem DJI-Jugendsurvey stellt der Freiwilligensurvey, hier allerdings für die gesamte Bevölkerung, die Verhältnisse auf den Kopf.


    Enges Politikverständnis vernachlässigt lose Engagementformen


    Nicht nur durch Vorentscheidungen über den Typus des erfragten Engagements, sondern auch durch den gewählten Politikbegriff ergeben sich erhebliche Unterschiede, wie etwa die hohen Werte für Formen der Mitbestimmung in Schule und Arbeit oder für Boykottaktivitäten im Jugendsurvey verdeutlichen. Ein enges, staatszentriertes Politikverständnis wird diese Engagementformen in der Regel vernachlässigen. Der Umfang und die Formen politischer Beteiligung werden oft ebenfalls unterschätzt, wenn Zivilgesellschaft und Staat auch dort als strikt getrennt betrachtet werden, wo Zivilgesellschaft in den staatlichen Bereich hineinragt.

    Wenn Menschen sich freiwillig in staatlichen bzw. kommunalen Einrichtungen betätigen, prägen sie durch Ko-Produktion öffentliche Aufgaben und Leistungen: »Vor allem öffentliche Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser, Hospize, Behinderteneinrichtungen und Altenheime sind hier zu nennen, aber auch die an kommunale Einrichtungen gebundene freiwillige Feuerwehr sowie das lokale Bürgerengagement« (Gensicke und Geiss 2006: 312).


    Politisierung »unpolitischer« Themen


    Wie wenig ein staatsfixiertes Politikverständnis taugt, um aktuelle Formen des politischen Engagements zu erfassen, ist schon an den Entwürfen von Etzioni, Foucault und Touraine deutlich geworden. Vor allem die neuen sozialen Bewegungen haben in der Folge systematisch zu einer Politisierung vormals »unpolitischer« Bereiche beigetragen (Geschlechterverhältnis, Technikwahl, Naturverhältnis, Konsumstile etc.). Hier sei nur exemplarisch auf zwei neuere Themenfelder verwiesen.

    • Die Schnittfläche von Zivilgesellschaft und Unternehmen hat in jüngster Zeit erheblich an politischer Dynamik gewonnen. Unternehmen verpflichten sich mehr oder weniger freiwillig und folgenreich, »gute Bürger« zu sein (Corporate Citizenship, Corporate Social Responsibility etc.) und müssen sich in der Folge auch an diesen Maßstäben messen lassen. Zudem sind »aktive Konsumenten« ernst zu nehmende Akteure geworden, die durch ethisch-politisch motivierte Kaufentscheidungen je nach Branche erheblichen Druck entfalten können.

    • Selbsthilfegruppen, Protestbewegungen und Alternativszenen haben über die Jahre die Institutionen und Etappen des Lebenslaufs zumindest in dem Sinne politisiert, dass Alternativen eingefordert werden und möglich sind. Dies beginnt bei der Pränataldiagnostik, gilt für die Geburt, die Varianten der Kindererziehung und vieles andere mehr, aber auch für den Umgang mit Krankheiten, mit Alter und Sterben. Hospizinitiativen bemühen sich um menschenwürdige Formen, den letzten Lebensabschnitt zu gestalten. Brustkrebsinitiativen fordern einen anderen Umgang mit dieser todbringenden Krankheit. Die Schwulenbewegung hat in der Bundesrepublik erheblich dazu beigetragen, dass sich seuchenpolizeiliche Ansätze im Umgang mit Aids nicht durchsetzen konnten.


    Herausforderung: neue soziale Bewegungen


    Die Liste der Beispiele ließe sich lange fortsetzen. Gemeinsam ist ihnen, dass mal mehr, mal weniger offensiv institutionell eingespielte Formen der Behandlung und Verwaltung von Lebenslagen sowie die sie tragenden Professionen herausgefordert werden. Alberto Melucci hat, Touraines Kritik an der programmierten Gesellschaft aufnehmend, in diesen alternativen kulturellen Codes sogar die eigentliche politische Herausforderung der neuen sozialen Bewegungen gesehen (Melucci 1996).


    95 Prozent wollen die Gesellschaft mitgestalten


    In den Freiwilligensurveys finden wir deutliche Spuren dieses erweiterten Politikverständnisses. In der öffentlichen Debatte werden häufig Spaß und Geselligkeit hervorgehoben, wenn es um die Erwartungen geht, die vor allem Jugendliche mit freiwilligem Engagement verbinden. Offen bleibt dabei, woran die Engagierten eigentlich Spaß haben. Eine genauere Analyse ihrer Motive bringt interessante Aufschlüsse. Die Aussage »Ich will mit meinem Engagement die Gesellschaft zumindest im Kleinen mitgestalten« findet bei zwei Dritteln der freiwillig Engagierten volle Zustimmung. »Wenigstens teilweise wird dieses Motiv sogar von fast allen Engagierten angegeben« - nämlich von 95 Prozent (Gensicke und Geiss 2006: 322). Selbst im größten und vergleichsweise politikfernen Bereich Sport und Bewegung erheben noch 59 Prozent der Engagierten voll und ganz diesen Anspruch.


    48 Prozent politisch motiviert


    »Erstaunlich ist aber auch, dass fast die Hälfte des Engagements der Bürgerinnen und Bürger (wenigstens teilweise) politisch gemeint ist (48 %). Mit einem Fünftel der Engagierten, die ihr Engagement sogar voll und ganz als politisch motiviert einstufen (absolut 7,5 Prozent der Bevölkerung), ist der Prozentsatz deutlich höher als der jener 2,5 Prozent, die sich selbst als freiwillig für politische Zwecke engagiert eingestuft haben« (ebd.: 323 f.).


    Viel Wert auf Anerkennung


    In dieses Bild beachtlicher politischer Gestaltungsansprüche passen auch die Verbesserungswünsche, die vorgebracht werden. Rund 28 Prozent der Engagierten fordern quer durch alle Altersgruppen mehr Anerkennung von den Hauptamtlichen in den Organisationen. Fast 60 Prozent der 14- bis 24-Jährigen wünschen Finanzmittel für Projekte und mehr als 50 Prozent eine bessere Bereitstellung von Räumen (ebd.). Die eigene finanzielle Besserstellung liegt deutlich hinter den letzten beiden Forderungen. Sie lassen sich, ergänzt durch die Wünsche nach Weiterbildung (34 %) und fachlicher Unterstützung (30 %), durchaus als Forderungen lesen, die auf eine Erweiterung und Ausgestaltung der eigenen selbstbestimmten Handlungsmöglichkeiten im Engagement hinauslaufen.


    Hoher Motivationsfaktor: Beteiligung und Mitbestimmung


    In eine ähnliche Richtung weisen auch die Daten einer aktuellen Eurobarometer-Umfrage. Dem 15- bis 30-jährigen Europäer wurde die Frage vorgelegt, was ihn zu mehr Beteiligung in der Gesellschaft motivieren könnte. An der Spitze der Antworten liegen mit 81 Prozent Konsultationen der jungen Menschen, bevor sie betreffende Entscheidungen getroffen werden; in Deutschland beträgt der Wert 71 Prozent. Beteiligung und Mitbestimmung werden von den Jugendlichen und jungen Erwachsenen selbst zur wichtigsten Voraussetzung für ein verstärktes gesellschaftliches Engagement gemacht. Umgekehrt lässt sich vermuten, dass fehlende Konsultationen, also die Nicht-Berücksichtigung der Perspektiven und Interessen von Jugendlichen, eine zentrale Alltagserfahrung ist. Die Antworten sind vermutlich auch eine Reaktion auf das politische Defizit bestehender Engagementangebote.


    Enorme Wertschätzung von FreiwilligenProgrammen


    Dass sich 74 Prozent der Befragten (in Deutschland sogar 76 %) für mehr Freiwilligen-Programme aussprechen, zeigt die enorme Wertschätzung solcher Engagement- und Lernformen bei jungen Menschen. Immerhin 70 Prozent (in Deutschland 64 %) befürworten verpflichtende Bildungsprogramme in Schulen, die für freiwilliges Engagement fit machen. Konventionelle Formen der Beteiligung landen dagegen weit abgeschlagen. Ein niedrigeres Wahlalter halten nur 19 Prozent (in Deutschland 18 %) für geeignet, um Engagement zu fördern. Größer ist die Unterstützung allerdings bei der unmittelbar betroffenen Gruppe der 15- bis 19-Jährigen, die immerhin zu 32 Prozent für eine Senkung des Wahlalters votiert (Gallup 2007: 37 f.). Bei den älteren Befragten liegen die Erwartungen an die jeweiligen Maßnahmen niedriger als bei den jüngeren.


    Moderate Mittel der Mitbestimmung


    Auffällig sind die überaus moderaten Mittel, mit denen die jungen Menschen ihrer Stimme Gewicht geben wollen. Sie setzen europaweit zu 29 Prozent auf Debatten mit Politikern, zu 16 Prozent auf eine Parteimitgliedschaft, zu 13 Prozent auf Demonstrationen, zu elf Prozent jeweils auf Petitionen, eine NGO- oder eine Gewerkschaftsmitgliedschaft. In Deutschland sieht die Hitliste anders aus: 24 Prozent Parteimitgliedschaft, 22 Prozent Diskussion, 20 Prozent Demonstration (Gallup 2007: 43). Bei den jüngeren Befragten ist die Favorisierung von Demonstrationen stärker ausgeprägt.


    Theorie versus Praxis


    Diese Einschätzungen sind jedoch nicht mit dem faktischen Verhalten identisch. 28 Prozent der Befragten (in Deutschland 15 %) unterzeichneten im letzten Jahr eine Petition, 24 Prozent (in Deutschland 27 %) beteiligten sich an Internetforen, 20 Prozent (in Deutschland 19,5 %) an einer Demonstration, elf Prozent (in Deutschland 14,6 %) an einer NGO, acht Prozent (in Deutschland 7 %) in einer Gewerkschaft, fünf Prozent (in Deutschland 4,3 %) in einer politischen Partei oder politischen Aktionsgruppe (Gallup 2007: 47 und 109).


    Neue Wege der Beteiligung ermöglichen


    Was Fahmy (2006) mit Blick auf die britischen Verhältnisse betont, lässt sich vor dem Hintergrund dieser Daten verallgemeinern. Die Distanz junger Menschen zur konventionellen Politik ist nicht auf ein allgemeines politisches Desinteresse zurückzuführen oder auf eine mangelnde Bereitschaft zum freiwilligen Engagement. Sie ist vielmehr Ergebnis einer wahrgenommenen Distanz und Einflusslosigkeit, die eher unkonventionelle und gemeindebezogene Formen der Einflussnahme nahelegt. Ohne institutionelle Reformen, die neue Wege der Beteiligung ermöglichen, und den Ausbau von Engagementmöglichkeiten, die eigensinnige Gestaltungsmöglichkeiten erlauben, wird sich die Kluft zur konventionellen Politik nicht verringern.

    Demokratiepolitischer Reformbedarf

    »How can we become a citizen culture, a country whose inhabitants think it normal, right and even pleasurable to be concerned with and actively involved in public affairs? (...) And by public affairs is not just meant the relationships of inhabitants to the state and government, but also to all those institutions intermediate and mediating between the individual and the state which we call civil society« (Crick 2001: 1).


    Schieflagen korrigieren


    Die demokratiepolitische Flankierung des Engagements könnte auch dazu beitragen, hinlänglich bekannte Schieflagen der bestehenden Kultur zu korrigieren. Exklusivität und Exklusion prägen auch das freiwillige Engagement. Bildung und soziale Schicht bestimmen vielfach den ungleichen Zugang zum Engagement. Dies gilt selbst für die aktive Mitgliedschaft in Sportvereinen (Roth und Olk 2007). Ein exkludierender Bürgerstatus verstärkt den Ausschluss derer, die lediglich Einwohner sind, wie z. B. Kinder oder Menschen mit ausländischem Pass.


    Geschlechtsspezifische Barrieren


    Hinzu kommen geschlechtsspezifische Barrieren, die nicht zuletzt mit dem größeren Anteil der Frauen an der Familienarbeit zu tun haben. Die vorherrschende geschlechtsspezifische Arbeitsteilung verdoppelt sich beim gesellschaftlichen Engagement »im Sinne eines vermehrt sachlich-technischen, repräsentierenden und Interessen vertretenden Engagements bei Männern und eines mehr personenbezogenen, auf Hilfe und Betreuung ausgerichteten weiblichen Engagements, das sich häufig auf Kinder, Jugendliche, ältere Menschen und andere Gruppen richtet« (Gensicke und Geiss 2006: 321). Allerdings lassen sich zwischen 1999 und 2004 leichte Angleichungen beobachten, die dann besonders deutlich ausfallen, wenn sich Männer vermehrt bei der Kinderbetreuung einbringen.


    Unziviles Engagement


    Exklusivität scheint auch entlang der Altersgruppen verbreitet, jedenfalls fällt der Anteil des generationenübergreifenden freiwilligen Engagements bislang vergleichsweise bescheiden aus (Schenkel 2007). Das Wachstum unzivilen Engagements, zum Beispiel in Gestalt rechtsradikaler Szenen, stellt nicht nur zahlreiche ostdeutsche Regionen vor ernsthafte Probleme.


    Erfolgsmeldungen trotz Hürden


    Gute Beispiele und einschlägige Modellprogramme machen jedoch deutlich, dass keine dieser Barrieren unüberwindlich ist. »Dass das freiwillige (bürgerschaftliche) Engagement in Deutschland trotz der angespannten ökonomischen Lage und der Parteien- und Politikerverdrossenheit zwischen 1999 und 2004 zugenommen hat, ist ein positives Signal für die Zukunft der Zivilgesellschaft in Deutschland. Dieses Signal wird dadurch verstärkt, dass das Engagement in einigen Gruppen besonders zugenommen hat, die 1999 dem Engagement weniger nahe standen, nämlich bei älteren Menschen, Arbeitslosen, Migranten, neuen Bundesbürgern, teilweise bei den Frauen« (Gensicke und Geiss 2006: 324). Für diese hoffnungsvolle Bewertung wird auch die deutlich gewachsene Zahl der Engagementbereiten, eine verbesserte Infrastruktur und das positiver gewordene Image des Engagements angeführt (ebd.: 325 f.).


    Ohne Reformen kein Bürgerengagement


    So wichtig diese Faktoren sind - ohne eine demokratiepolitische Öffnung wird Bürgerengagement randständig bleiben. Auch wenn wir heute berechtigt Skepsis gegenüber epochalen Entwürfen einer »aktiven Gesellschaft« hegen, bestätigt sich deren Grundannahme auch in kleiner Münze: Ohne demokratische Reformen in zentralen gesellschaftlichen Institutionen wird es keine nachhaltig aktive Bürgerschaft geben. Dies ist zum Beispiel die Botschaft der intensiven Debatte über die »innere« und »äußere Öffnung« der Schulen als praktische Voraussetzung für eine auf Engagement gestimmte Schulkultur (Evers 2002; Hartnuß 2007). Für die Wohlfahrtsverbände wurden schon vor Jahren entsprechende Leitsätze formuliert, die nichts an Aktualität verloren haben:


    Leitsätze


    »Freiwilliges Engagement kontrolliert und korrigiert (reguliert) einen überbürokratischen, überregulierten und überprofessionellen Wohlfahrtsstaat (...). Freiwilliges Engagement gedeiht auf Dauer nur dort, wo Institutionen für ein hohes Maß an Eigeninitiative und Engagement offen sind und die Bereitschaft besteht, Freiwillige unkompliziert in Mitwirkungs- und Verantwortungsstrukturen einzubinden.

    Freiwilliges Engagement bedarf der Anerkennung. Die wichtigste Form der Anerkennung ist es, freiwilliges Engagement nicht mehr als fünftes Rad am Wagen anzusehen, sondern es als konstitutiv für eine offene, demokratisch organisierte und vom Gestaltungswirken der Bürger getragene Gesellschaft anzuerkennen« (Zinner 1999: 369).

    Wer sich heute engagiert, will sich in die eigenen Verhältnisse einmischen und nicht als subalterne Hilfskraft verkümmern. Für die notwendigen und förderlichen institutionellen Rahmenbedingungen braucht es nicht nur praktische Phantasie und einen langen Atem, sondern auch politische Debatten - auf

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