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Verborgene Welten oder Die Reise zum verlorenen Ich
Verborgene Welten oder Die Reise zum verlorenen Ich
Verborgene Welten oder Die Reise zum verlorenen Ich
eBook129 Seiten1 Stunde

Verborgene Welten oder Die Reise zum verlorenen Ich

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Über dieses E-Book

Ein Mann reist nach Island. Er möchte Erholung und Ruhe finden, um sich ganz dem Schreiben widmen zu können. Ein vergilbtes Foto, das er immer bei sich trägt und das einen jungen Mann zeigt, vereitelt jedoch seinen Plan. Es werden aufregende Tage, die sein Leben verändern. Auf der Suche nach seinen Wurzeln, nach seiner Familie, nach seiner Identität gerät er immer mehr in den Sog der für ihn beängstigenden Mystik dieses Landes. Die Spurensuche wird letztlich eine Suche nach der Wahrheit und nach dem Sinn des Lebens. Die Grenzen zwischen Realem und Übernatürlichem, Fantastischem verwischen. Es ist eine Gratwanderung zwischen Traum und Wirklichkeit.
SpracheDeutsch
HerausgeberHollitzer Verlag
Erscheinungsdatum11. März 2020
ISBN9783990128053
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    Buchvorschau

    Verborgene Welten oder Die Reise zum verlorenen Ich - Stefan Franke

    STEFAN FRANKE

    VERBORGENE WELTEN

    ODER

    DIE REISE ZUM VERLORENEN ICH

    Roman

    Mit freundlicher Unterstützung

    der MA 7 – Kulturabteilung der Stadt Wien

    Stefan Franke: Verborgene Welten oder Die Reise zum verlorenen Ich

    Roman

    Lektorat: Teresa Profanter

    Umschlaggestaltung und Satz: Daniela Seiler

    Hergestellt in der EU

    Alle Rechte vorbehalten

    © HOLLITZER Verlag, Wien 2020

    www.hollitzer.at

    ISBN 978-3-99012-805-3

    Für Ruth, Victoria-Jensina und Julian

    in großer Dankbarkeit

    Skiöld hieß ein Sohn Odins, von dem die Skiöldunge stammen. Er hatte Sitz und Herrschaft in Gotland. Skiöld hatte einen Sohn, Fridleif genannt, der nach ihm die Lande beherrschte. Fridleifs Sohn hieß Frodi, dem nach seinem Vater das Königtum überkam. Das war in der Zeit, da Kaiser Augustus in der ganzen Welt Frieden stiftete und Christus geboren ward, und weil Frodi der mächtigste aller Könige in den Nordlanden war, ward ihm dieser Friede beigelegt, und nannten ihn die Nordmänner Frodis Frieden. Niemand beschädigte da den andern, wenn er auch seines Vaters oder Bruders Mörder getroffen hätte, los oder gebunden. Da war auch kein Dieb oder Räuber, so daß ein Goldring lange Zeit unberührt auf Jalangersheide lag. König Frodi sandte Boten nach Swithiod zu dem Könige, der Fiölnir hieß, und ließ da zwei Mägde kaufen, die Fenja und Menja hießen und sehr groß und stark waren. In dieser Zeit gab es in Gotland zwei so große Mühlsteine, daß niemand stark genug war, sie umzudrehen. Diese Mühlsteine hatten die Eigenschaft, daß sie mahlten, was der Müller wollte. Die Mühle hieß Grotti, der Mann aber, der dem König Frodi die Mühle gab, ward Hengikiöptr genannt. König Frodi ließ die Mägde in die Mühle führen und gebot ihnen, ihm Gold, Frieden und Frodis Glück zu mahlen. Er verstattete ihnen nicht länger Ruhe, als so lange der Kuckuck schwieg oder ein Lied gesungen werden mochte. Da sollen sie das Lied gesungen haben, das Grottengesang heißt, und ehe sie von dem Gesange ließen, mahlten sie dem König ein Heer, so daß in der Nacht ein Seekönig kam, Mysingr genannt, welcher den Frodi tötete und große Beute machte. Damit war Frodis Friede zu Ende. Mysingr nahm die Mühle mit sich, und so auch Fenja und Menja, und befahl ihnen, Salz zu mahlen. Und um Mitternacht fragten sie Mysingr, ob er Salz genug habe: und er gebot ihnen fortzumahlen. Sie mahlten noch eine kurze Frist, da sank das Schiff unter. Im Meer aber entstand nun ein Schlund, da wo die See durch das Mühlsteinloch fällt. Auch ist seitdem die See gesalzen.

    (Menja und Fenja, aus: »Die Jüngere Edda«)

    Unweiser Mann durchwacht die Nächte

    Und sorgt um alle Sachen;

    Matt nur ist er, wenn der Morgen kommt,

    Der Jammer währt, wie er war.

    Aus: »Die Edda« – Kapitel 8

    DIE ANKUNFT

    Winter auf Island. Es war kalt. Die Nächte unerträglich lang. Die Insel schien öde und verlassen. Laugarvatn auch. Hier geschah nichts. Es war ein unglaublich düsterer Tag im November, ein trostloser, fast vergessener Wintertag, an dem ich in dieses Kälteloch kam.

    Laugarvatn – das ist eine reichlich ausgefallene Adresse, und ich war auch nur aus Unsicherheit und Angst in dieses Nest geraten. Ich wollte mein Leben ordnen, mir Klarheit verschaffen, meine Vergangenheit aufarbeiten. Und für dieses Vorhaben, das ich mir in den Kopf gesetzt hatte, brauchte ich absolute Ruhe, die ich an diesem gottverlassenen Ort zu finden hoffte.

    Ich hatte für zwei Monate ein kleines, bescheidenes Haus gemietet. Durch die Eingangstür betrat ich eine enge Diele mit dunklem Holzboden. Der Wohnraum selbst wirkte erdrückend durch die eng aneinander gereihten Möbel. Die Einrichtung bestand aus einem Bett, einem Nachtkästchen, einem Schreibtisch und einem schäbigen Ohrensessel. Eine alte Pendeluhr, die über einer wurmstichigen Kommode hing, tickte leise vor sich hin. Der Putz bröckelte ab. Die Wände waren rissig. Das Badezimmer eng, feucht und nicht vollständig fertiggestellt. Die Duschwand hing lose aus der Verankerung, ein Heizkörper fehlte völlig – alles in allem nicht sehr einladend.

    Ich befand mich also in einer einfachen, abgewohnten Bleibe, die sich nordisch gelassen wie ein Stück gestriger Provinz präsentierte. Damit hatte ich gerechnet.

    So hatte ich mir Island vorgestellt.

    Dass sich die Toilette im Freien befand, war mir dann aber doch etwas zu rustikal, vor allem, dass ich im Morgengrauen zum Urinieren ins Freie musste, war eine Zumutung für einen Großstadtmenschen wie mich.

    Diese Unterkunft war dennoch ideal, weil sie mich von allem, was mich bis dahin genervt, irritiert oder gestört hatte, ablenkte. Ich ging zum Fenster und schob den staubigen Vorhang zur Seite. Vor dem Haus gab es einen kleinen Garten, in dem man während der Sommermonate einen guten Teil des Tages zubringen konnte, im Winter zog man sich in die warme Stube zurück. Einige am Boden kriechende, verwachsene Birken standen neben der holprigen Zufahrtsstraße, wachten in der Dunkelheit. Alles schien so inhaltslos und leer. Ich starrte in einen klaren Himmel, der schöner nicht hätte sein können, dennoch stieg eine unbeschreibliche Traurigkeit in mir hoch.

    Langsam zog ich den Vorhang wieder zu und setzte mich in den Ohrensessel. Gestern noch zu Hause, am nächsten Morgen dann auf Island, in einem fremden Land, allein mit meinem Unglück. Ich ging ins Bad und wusch mir die Hände. Als ich in den Spiegel schaute, blickte ich in ein müdes, abgekämpftes Gesicht. Ich versuchte, während ich mir den warmen Wasserstrahl über die Hände laufen ließ, ein freundliches Lächeln, doch meine Gesichtsmuskulatur gehorchte nicht und meine Augenlider zuckten nervös.

    Wie lange braucht es, bis man sich öffnet?

    *

    Oft fuhr ich nach Reykjavik. Die Stadt, die nördlichste Hauptstadt der Welt, zog mich beinahe magisch an. Verregnete Abende, gut besuchte Klavierkonzerte, eine dunkle Stadt und ich mittendrin, fast schon am Polarkreis. Ich saß in stickigen Cafés und trank Cognac. Manchmal schlenderte ich auch nur durch die Straßen, bewunderte die schmalbrüstigen Häuser aus der Zeit der Jahrhundertwende, deren Fassaden mir in allen Farben entgegenleuchteten. Ich begegnete nur wenigen Menschen.

    Dann der Hafen. Rauch stieg aus den Schornsteinen wartender Frachtschiffe. Doch zog es mich immer wieder zurück nach Laugarvatn, der endlosen Nacht entgegen. Die Fahrten mit dem verrosteten Volvo waren meist ruhig. Der alte Wagen glitt sanft und sicher durch die eisige Landschaft. Es gab keinen Zeitdruck.

    Durch diese gemächlichen Fahrten erhielt ich einen tieferen Eindruck: Mein Blick strich über die in schillernden Farben leuchtenden Rhyolithberge, über vorbeiziehende Lavafelder, die Dächer von aufgegebenen Höfen, kletterte die dunklen Basaltsäulen empor, wanderte langsam hinab und verweilte für kurze Augenblicke im Geäst einer Zwergbirke, in deren Baumkrone ich eine seltene Schnee-Eule zu erkennen glaubte. Ich verlebte stille Tage, versank in meine Welt, glitt in die innere Emigration. Endlich zu mir finden, endlich meine Gedanken zu Ende denken, so wollte ich einige Wochen auf Island verbringen. Ich hatte mich von vermeintlichen Freunden, unglücklichen Beziehungen, schizophrenen Vorgesetzten befreit.

    Endgültig, wie ich hoffte.

    Und damit stand meinem Vorhaben, endlich inneren Frieden zu finden, nichts mehr im Wege. Oder sollte ich mich getäuscht haben? Ich wollte Ruhe haben, allein sein. Frauen reden oft und gern von Liebe und Glück, stundenlang, und wollen einem so ein Zusammenleben schmackhaft machen. Vertraut man ihren Worten, versinkt man im Anonymen, und das eigene Ich verliert sich in einem Strudel des Vergessens. Gefangen im Gefängnis der Liebe, entfernt von allem Vertrauten. Davon wollte ich vorläufig nichts wissen, weil allein der Gedanke an eine Beziehung mich bereits in meinem Selbstfindungsprozess störte. In dieser Einöde werde ich von solchen Dingen wohl verschont bleiben, dachte ich.

    Das Glück liegt in einem selbst, man muss es nur erkennen, sagte ich mir. Es gibt dieses absolute Glücksgefühl – auch wenn ich damals nicht davon überzeugt war, versuchte ich es mir andauernd zu suggerieren. Auch der kategorische Imperativ ging mir nicht aus dem Kopf. Anfängliches Verständnis wurde von völligem Unverständnis abgelöst. Kann man diesen Befehl tatsächlich leben? Wer konnte den Beweis antreten? Dass ich es nicht sein sollte, wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Ein neues Leben kam auf mich zu, so wie ich es mir gewünscht hatte. Doch ich war nicht gut vorbereitet. Ich wollte ein Leben leben, das meinem Innersten entsprach. Wo auch immer. Das war mein Ziel. Alle Zweifel werden sich legen, alle Irrtümer werden sich in nichts als Wohlgefallen auflösen. Irgendwie aus dem Diffusen herausfinden. Mich von allen Fesseln befreien.

    Ich fühlte mich auf Island schnell heimisch. Somit war das Erlernen des

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