Empathische ErzieherInnen: Das Potenzial von Empathie innerhalb der pädagogischen Beziehung unter besonderer Berücksichtigung des Erziehungskonzepts von Janusz Korczak (BACHELOR-THESIS)
Von Gudrun Altmann
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Über dieses E-Book
Doch was kann Empathie leisten und wie lässt sie sich definieren? In Theorie und Praxis finden sich unzählige Verständnisse dieses Begriffes. Sie genau zu umschreiben fällt schwer. Doch wie können Erzieherinnen und Erzieher professionell mit dem Thema Empathie umgehen wenn es sich scheinbar um eine schemenhaft proklamierte Charaktereigenschaft handelt, die künstlich durch bewusst angestrebte Anteilnahme oder einfühlsame Kommunikation verbessert werden soll? Empathie ist primär ein, im wahrsten Sinne des Wortes, griffiges System im menschlichen Körper. Empathie ist nicht gut oder schlecht; Empathie kann aber sowohl gutes als auch schlechtes Handeln generieren. Empathie kann für Pädagoginnen und Pädagogen ein machtvolles Instrument darstellen, welches sich heilend und hoffnungsvoll aber auch grausam und verletzend zeigen kann und die Biografien von Kindern, Jugendlichen und der Fachkräfte lebenslang prägt. Die Empathie ist es wert nachdrücklicher erforscht zu werden. Diese Bachelor-Thesis soll hierzu einen Beitrag leisten indem sie sich an umliegenden Disziplinen der Erziehungswissenschaft wie der Kulturwissenschaft, Neurobiologie und der Soziologie orientiert und versucht, Empathie allgemeingültig zu definieren und sie so mit praktischen Phänomenen in Verbindung zu setzen und darauf hin zu analysieren.
Gudrun Altmann
Gudrun Altmann (B.A. Erziehungswissenschaft) ist staatlich anerkannte Erzieherin, kinderpsychologische Beraterin und studiert Soziale Arbeit (M.A.) an der IUBH Internationale Hochschule Erfurt.
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Buchvorschau
Empathische ErzieherInnen - Gudrun Altmann
INHALTSVERZEICHNIS
Einleitung
1.1 Problemlage
1.2 Forschungsstand
1.3 Methode
Begriffsbestimmung
2.1 Bildung
2.2 Erziehung
2.3 Pädagogisches Handeln
2.4 Pädagogische Beziehung
2.5 Pädagogische Professionalität
2.6 ErzieherIn
Empathie
3.1 Ein Werdegang: Die Entstehung von Empathie und die Begriffsentwicklung
3.2 Aktuelle Theorien über Empathie
3.2.1 Neurowissenschaft
3.2.2 Soziologie
3.2.3 Kulturwissenschaft
3.2.4 Erziehungswissenschaft
3.3 Explikat
Das Erziehungskonzept von Janusz Korczak
4.1 Janusz Korczak: Biografie und pädagogische Verortung
4.2 Das Bild vom Kinde, die Rechte des Kindes sowie pädagogische Leitlinien
4.3 Das (Vor-)Bild des Erziehers und der Beziehungsgestaltung
4.4 Kritische Gedanken
Die Darstellung der Funktionen und Perspektiven von Empathie anhand exemplarischer Beziehungskomponenten
5.1 Der professionelle Beitrag empathischer ErzieherInnen zur pädagogischen Beziehung
5.1.1 ErzieherInnen und die Frage nach der Soll-Qualität
5.1.2 ErzieherInnen und die Frage nach der Ist-Qualität
5.2 Die Empathie im Kreislauf des Zeigens als Begleiter des pädagogischen Handelns
5.3 Die Kompetenz Empathie als Aufschwung für die interaktionalen Stellschrauben der pädagogischen Beziehung
5.3.1 Die Begegnung als Ko-Konstruktion
5.3.2 Der (kalte) Resonanzraum der ko-konstruktiven Begegnung
5.3.3 Endstation Würde: Das unterschätzte Potenzial der Empathie
Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Seit Jahren zeigt sich eine Zunahme von Kindern mit Burnout-Symptomatik. Mittlerweile scheint jedes sechste Kind von Dauerstress betroffen zu sein (vgl. Bayer Vital o. J.). Zugleich steigt auch die Zahl der Krankmeldungen von ErzieherInnen aus physischen und psychischen Gründen (vgl. ZVBV e. V. 2015), und seit Mai 2019 führt die Weltgesundheitsorganisation das Syndrom Burnout als Stressor, der die Leistungsbereitschaft und -fähigkeit beeinträchtigen und gesundheitliche Schäden hervorrufen kann in ihrem Katalog (vgl. Süddeutsche Zeitung 2019).
Diese Aspekte lenken den Blick auf die Architektonik einer Beziehung zwischen diesen beiden Personengruppen in institutionellen Kontexten. Eine pädagogische Beziehung entsteht als formelle Konstellation, wenn Kinder und Jugendliche, wie etwa in Kindertagesstätten oder Schulen, auf professionelle PädagogInnen treffen. Doch wie gestaltet sich ein erstes Aufeinandertreffen oder der alltägliche Umgang miteinander, wenn sich im Extremfall auf beiden Seiten emotional und körperlich ausgebrannte Individuen gegenüberstehen?
In der alltäglichen Denkweise und ihrem Sprachgebrauch sind Begriffe wie Empathie oder Mitgefühl fest mit der Idee von sozialen Berufen verknüpft und werden auch offiziell als berufliche Kompetenz postuliert. Wenn jedoch Kirschbaum (o. J.) in Anlehnung an Shirom (2003) anführt, dass Menschen mit Burnout weniger bis keine Emotionen mehr aufbringen, sich weniger bis nicht mehr in andere einfühlen und ihnen weniger bis keine Empathie mehr entgegenbringen können (vgl. o. J.) muss angenommen werden, dass die (Art und Weise der) Erarbeitung und Vermittlung diverser Bildungs- und Erziehungsprozesse von Seiten der PädagogInnen gefährdet ist.
Auf der Seite der Kinder und Jugendlichen stehen folglich deren Chancen als auch die (verbliebenen) Bewältigungs- oder Regulierungsschemata der an sie herangetragenen Aufgaben und Ziele in Frage.
Die Burnout-Symptomatik diente lediglich als einleitendes Beispiel zur spezifischeren Darstellung des Erkenntnisinteresses, denn die Fähigkeit zur Empathie wird grundsätzlich, also auch bei emotional und physisch unbelastetem Fachpersonal, als Voraussetzung ihrer beruflichen Tätigkeit angesehen, wie im Qualifikationsprofil zur ErzieherInnen-Ausbildung von der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (folgend: KMK) festgeschrieben (vgl. KMK 2017, S. 12).
Diese Thesis richtet ihren Fokus somit einerseits auf das Berufsbild staatlich anerkannter Erzieherinnen und Erzieher als lebenslanger Berufsbildungsprozess und andererseits auf ihre erzieherische Rolle als prägende Bezugsperson in einer pädagogischen Beziehung mit Kindern und Jugendlichen im abendländischen institutionalisierten Kontext. Als fraglich erscheint somit die Basis und die Wahrnehmung dieser Begegnungsmomente, das reziproke Resonanzfeld als Bindeglied von Beziehungsgestaltung und die pädagogischen Handlungsmöglichkeiten von Erzieherinnen und Erziehern, wenn die angesprochenen Kriterien unter einer empathischen Prämisse analysiert werden.
Zu diesem Zweck führt diese Bachelorarbeit über die Spezifizierung der Problemlage den aktuellen Forschungsstand sowie die hermeneutische Methodik ein und kristallisiert die Forschungsfrage heraus. Nach der Definition grundlegender Begriffe aus dem Bereich Erziehung erfolgt der Übergang in die Thematik der Empathie. Zu Beginn werden curriculare und definitorische Eingrenzungen verschiedener Anschlussdisziplinen der Erziehungswissenschaft dargestellt. Danach erfolgt der Zugang zur Empathie aus Sicht der Erziehungswissenschaft. Abgeschlossen wird das Kapitel mit einer aus den interdisziplinären Daten operationalisierten Definition von Empathie als Orientierungsgröße für nachfolgende Analysen. Nach der Durchschau des Konzepts von Janusz Korczak als eine mögliche historische empathische Direktive beginnt die Verknüpfung der bisherigen Erkenntnisse mit Faktoren der pädagogischen Professionalität, des pädagogischen Handelns und des Resonanzraumes einer pädagogischen Beziehung, um das Potenzial von Empathie für die pädagogische Arbeit von ErzieherInnen herauszuarbeiten. Abgerundet wird diese Arbeit mit einem Fazit sowie einem Ausblick.
Die folgende Untersuchung orientiert sich primär an Kindern und Jugendlichen zwischen 0-16 Jahren, da hier das Gros an pädagogischen Beziehungsgeflechten in Institutionen (wie Krippen, Kindergärten, Kindertagesstätten und Schulen) vermutet wird. Die Begrifflichkeiten ErzieherInnen und PädagogInnen werden simultan verwendet. Sie schließen LehrerInnen, die häufig auch als PädagogInnen tituliert werden, randläufig mit ein, richten sich jedoch primär an ErzieherInnen aus, da Lehrkräfte vornehmlich als Didaktiker und weniger als Erziehende verstanden werden. Diese Arbeit behandelt und fußt auf Gleichstellung, Humanität und den Menschenrechten, weshalb sie eine gendergerechte Schriftform nutzt. Sie bedient sich hierbei dem Binnen-I und Doppelnennungen. Bei direkten Zitaten entfällt das Gendern. Ein Anspruch auf absolute Vollständigkeit kann aufgrund der Zeichenbegrenzung sowie der Art der Arbeit nicht erhoben werden.
1.1 Problemlage
Ein Grundelement dieser Arbeit stellt ihre Hinwendung zum und ihre Orientierung am Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder in Tageseinrichtungen bis zur Einschulung des Bayerischen Staatministerium für Familie, Arbeit und Soziales des Staatsinstituts für Frühpädagogik in München (folgend: BayBEP) dar, welcher „[…] das Recht des Kindes auf Bildung von Anfang an" (BayBEP 2018, Vorwort, S. XVI) als seine Prämisse voran stellt. Hierin beruft er sich auf den verankerten Bildungsauftrag Deutschlands laut den festgeschriebenen Kinderrechten den UN-Konventionen. Für gelungene Bildungsprozesse:
„[…] sei die Haltung entscheidend, die dem Handeln der Pädagoginnen und Pädagogen zugrunde liegt. Diese Haltung basiert auf Prinzipien wie Wertschätzung, Kompetenzorientierung, Dialog, Partizipation, Experimentierfreudigkeit, Fehlerfreudigkeit, Flexibilität und Selbstreflexion" (ebd., S. XX).
Doch auch „[…] die Sorge um jene Kinder, deren Wohlergehen und Entwicklung gefährdet (ist) […] und ihr Schutz vor weiteren Gefährdungen […]" (BayBEP 2018, S.443) obliegt den Institutionen respektive dem pädagogischen Personal (vgl. BayBEP 2018, Vorwort, S. XVI-XX und S. 443).
Fraglich erscheint nun, ob sich sinnvolle Berührungspunkte zwischen der erzieherischen Aufgabenstellung, der Durchsetzung und Vermittlung oben genannter Vorgaben im Allgemeinen und der Empathie finden. Denn das extreme Beispiel der Burnout-Problematik