Salvador Dalí
Von Victoria Charles
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Julien Green
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Buchvorschau
Salvador Dalí - Victoria Charles
Bemerkungen
Kapitel 1
Die öffentlichen Geheimnisse des Salvador Dalí
Im Alter von 37 Jahren schrieb Salvador Dalí seine Autobiographie. Unter dem Titel The Secret Life of Salvador Dalí – „Das geheime Leben des Salvador Dalí" schildert der spanische Maler seine Kindheit, die Studienzeit in Madrid, die frühen Jahre des Ruhms in Paris bis zu seiner Ausreise in die USA 1940. Die Richtigkeit der Ausführungen Dalís ist an mehr als einer Stelle zweifelhaft. Zeitangaben stimmen sehr häufig nicht, und so manches Kindheitserlebnis begründet zu perfekt den Lebenslauf. Dalí hat die Werke Sigmund Freuds und Otto Ranks aufmerksam gelesen – seine Autobiographie ist, wie seine Malerei, angewandte Psychoanalyse, für die der Autor sehr bewusst Erinnerungen, Anekdoten und Träume ausgewählt hat.
Das Bild, das Dalí 1942 von sich entwarf und in den Jahren bis zu seinem Tod 1989 weiter ausmalte, zeigt einen exzentrischen Menschen, der sich in Posen gefällt. Dabei gibt er vor, schonungslos aufrichtig zu sein, wenn er vor laufenden Kameras intime Details aus seinem Leben enthüllt. Diese Selbstschau, erklärt Dalí in seiner Autobiographie, sei eine Art von Vivisektion, eine Öffnung des lebendigen Leibes, die er aus reinem Narzissmus vornehme:
„Ich vollführe sie mit Geschmack – meinem eigenen – und auf jesuitische Art. Außerdem gilt: Eine totale Sektion ist erotisch nicht interessant; sie lässt alles genauso unerforschlich und frisiert wie es vor der Entfernung der Haut und des Fleisches war. Gleiches gilt für das bloße Skelett. Meine Methode ist es, zu verbergen und zu enthüllen, die Möglichkeit gewisser innerer Verletzungen behutsam anzudeuten, während ich zugleich andernorts an völlig freiliegenden Stellen die nackten Sehnen der menschlichen Gitarre zupfe und dabei nie vergesse, dass es wünschenswerter ist, die physiologische Resonanz des Präludiums erklingen zu lassen als den melancholischen Schluss der vollendeten Tatsache."[1]
Je mehr Dalí sich der Öffentlichkeit präsentierte, desto mehr verhüllte er sich. Seine Masken wurden größer und großartiger: Er nannte sich „Genie und „Göttlicher
.
Wer dahinter steckte, der Mensch Dalí, ist ein Geheimnis geblieben. „Ich weiß nie, wann ich anfange zu simulieren, oder wann ich die Wahrheit sage, erklärte er in einem Interview mit Alain Bosquet 1966. „Jedenfalls darf das Publikum nicht wissen, ob ich spaße oder ernst bin; und ich selbst darf es auch nicht wissen.
[2]
1. Bildnis Lucias, 1918. Öl auf Leinwand. 43,5 x 33 cm. Privatsammlung
Kapitel 2
Die Jahre des Königs
Kindheit und Jugend in Figueras und Cadaqués
Dalís Erinnerungen beginnen bereits zwei Monate vor seiner Geburt am 11. Mai 1904. In seiner Autobiographie beschreibt er das „intrauterine Paradies in den „Farben der Hölle, das heißt Rot, Orange, Gelb und Bläulich, die Farbe von Flammen, von Feuer; vor allem war es warm, unbeweglich, weich, symmetrisch, doppelt und klebrig.
[3] Das auffälligste Erinnerungsbild, das er von der Geburt, der Vertreibung aus dem Paradies, in die helle, kalte Welt hinüberrettete, besteht aus zwei frei schwebenden Spiegeleiern, deren Weiß phosphoresziert:
„Diese Feuereier vermischten sich schließlich mit einer sehr weichen, amorphen weißen Paste; sie schien in alle Richtungen gezogen zu werden, ihre extreme Dehnbarkeit, die sich allen Formen anpasste, schien mit meiner wachsenden Begierde zu wachsen, sie zermahlen, gefaltet, zusammengelegt, zusammengerollt und in die unterschiedlichsten Richtungen gedrückt zu sehen. Dies kam mir als der Gipfel des Entzückens vor, und ich hätte gerne alles immer so gehabt! Technische Gegenstände sollten später für mich die größten Feinde werden, und was Uhren angeht, so mussten sie weich sein oder gar nicht sein."[4]
Dalís Leben ist überschattet vom Tod seines Bruders. Am 1. August 1903 war der Erstgeborene der Familie im Alter von knapp zwei Jahren an einem Magen-Darm-Katarrh gestorben. Dalí selbst behauptete, sein Bruder sei bereits sieben Jahre alt gewesen und an einer Hirnhautentzündung erkrankt. Ian Gibson hat für eine Ausstellung über die frühen Jahre Dalís 1994 in London die Geburts- und Sterbeurkunden des toten Bruders geprüft und dabei festgestellt, dass die Angaben des Malers falsch sind. Gibson weist auch darauf hin, dass Dalís Vorwurf, seine Eltern hätten ihm den Namen des toten Bruders gegeben, nur bedingt zutrifft. Beide erhielten als ersten Vornamen den ihres Vaters, zusätzlich aber noch zwei Beinamen: Der Erstgeborene wurde „Salvador Galo Anselmo getauft, der zweite Sohn „Salvador Felipe Jacinto
.[5]
Gleichviel, das Kind Salvador fühlt, dass es nur ein Ersatz für den toten Bruder ist:
„Ich habe meine ganze Kindheit und meine ganze Jugend mit der Vorstellung gelebt, dass ich ein Teil von meinem toten Bruder wäre. Das heißt, ich trug in meinem Körper und in meiner Seele den festgekrallten Kadaver dieses toten Bruders, weil meine Eltern ständig von dem anderen Salvador sprachen."[6]
Aus Angst, der Zweitgeborene könne ebenfalls erkranken und sterben, wurde Salvador besonders umsorgt und verwöhnt. Ihn umgab ein Kokon weiblicher Zuwendung, gesponnen nicht nur von seiner Mutter Felipa Domènech Ferrés, sondern später auch von seiner Großmutter Maria Ana Ferrés und seiner Tante Catalina, die 1910 in Dalís Elternhaus zogen.
Dalí berichtet, dass seine Mutter ihn stets ermahnte, einen Schal umzubinden, wenn er nach draußen ging. Wenn er dennoch erkrankte, genoss er es, im Bett bleiben zu dürfen:
„Wie ich es liebte, Angina zu haben! Ich erwartete ungeduldig den Rückfall – was für Paradiese diese Rekonvaleszenzen waren! Llucia, mein altes Kindermädchen, kam und leistete mir jeden Nachmittag Gesellschaft, und meine Großmutter kam und ließ sich zum Stricken in der Nähe des Zimmerfensters nieder."[7]
Dalís vier Jahre jüngere Schwester Ana Maria schreibt in ihrem Buch Salvador Dalí visto por su hermana – „Salvador Dalí, mit den Augen seiner Schwester gesehen", dass ihre Mutter den Bruder nur selten aus den Augen ließ und häufig nachts an seinem Bett wachte, da er, wenn er aus dem Schlaf hochschreckte und sich allein fand, ein schreckliches Gezeter veranstaltete.[8]
Salvador genießt die Gesellschaft der Frauen, insbesondere der beiden ältesten, der Großmutter und Llucias. Mit Kindern seines Alters hat er dagegen nur wenig Kontakt. Oft spielt er allein. Er verkleidet sich als König und betrachtet sich im Spiegel:
„mit meiner Krone, das Cape über die Schultern gelegt, und sonst völlig nackt. Dann drückte ich meine Geschlechtsteile zwischen meinen Schenkeln zurück, um so sehr wie möglich wie ein Mädchen auszusehen. Schon damals verehrte ich dreierlei: Schwäche, Alter und Luxus."[9]
Zu seinem Vater hatte Dalí ein anderes Verhältnis als zu seiner Mutter, die ihn uneingeschränkt liebte und vergötterte. Salvador Dalí y Cusi war Notar in der katalanischen Marktstadt Figueras, nahe der spanisch-französischen Grenze. Seine Vorfahren waren Bauern, die Mitte des 16. Jahrhunderts in der Gegend von Figueras ansässig wurden. Dalí selbst behauptete, seine Urahnen seien zum Christentum konvertierte Moslems gewesen. Der in Spanien unübliche Familienname leite sich aus dem katalanischen Wort „adalil ab, das wiederum aus dem Arabischen stamme und soviel wie „Führer
bedeute.[10]
Dalís Großvater Galo Dalí Viñas beging im Alter von sechsunddreißig Jahren Selbstmord, nachdem er sein Geld bei Spekulationen an der Börse verloren hatte. Dalís Vater wuchs im Haushalt seiner Schwester und ihres Mannes auf, eines überzeugten Katalanen und Atheisten. Sein Einfluss auf den jungen Schwager war groß: Dalís Vater trat