Juden gibt es hier nicht: Eine etwas andere Familiengeschichte 700 Jahre Geissmann
Von Werner Geissmann
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Über dieses E-Book
Vor etwa fünf Jahren begann ich mit der Durchsicht der Akten im Staatsarchiv in Aarau und im Stiftsarchiv Beromünster. Da immer mehr interessante und unerwartete Fakten auftauchten, begann ich das Ganze in Buchform zu bringen. Das Buch enthält viele historische Informationen, die über eine Familiengeschichte hinausgehen.
Einige Geissmann entdeckte ich zufällig im Elsass. Bis heute sind einige Geissmann in den elsässischen jüdischen Gemeinden aktiv. Wanderten etwa die ersten Geissmann aus dem Elsass ins Freiamt ein? Waren es etwa Juden? So abwegig erschien mir diese Vorstellung nicht, kannte ich doch viele Juden mit Namen wie Libermann, Zucker-mann, Seligmann, Frommann, etc. aus Politik und Literatur.
Allein schon diese Vorstellung rief bei Gesprächspartnern heftigen Widerspruch hervor: Die Geissmann seien schon immer hier gewesen, im katholischen Freiamt habe es keine Juden gegeben, Juden hätten kein Land besitzen dürfen, etc.
Ich wollte es nun genauer wissen, und stellte folgende These auf:
Beim Geschlecht Geissmann handelt es sich um einen jüdischen Familiennamen, die Vorfahren der Geissmann waren zugewanderte Juden.
Dieses Buch fasst meine gewonnenen Erkenntnisse zusammen. Es folgt chronologisch meinen Untersuchungen und Entdeckungen. Ich nehme also heute den Faden auf und ziehe soweit wie möglich. Viele Dokumente, die für den Lesefluss zu ausführlich wären, werden im Anhang zusammengefasst.
Werner Geissmann
Berufliche Aktivität, bis 2014: Projektleiter im internationalen Infrastrukturanlagenbau Webseite zum Buch: www.wald-jura-aare.ch Weitere Webseiten des Autors: www.naturgartentagebuch.ch / www.judengibteshiernicht.ch
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Buchvorschau
Juden gibt es hier nicht - Werner Geissmann
Name
1. Geissmann in Hägglingen und im Freiamt
1.1 Die Geissmann in Hägglingen
Bildersturm: Kirche Hägglingen 1529
Das obige Dokument stammt aus den Anfängen des reformierten Bildersturmes, den die Unterfreiämter unter dem Schutz Zürichs am 24. Mai 1529 unternahmen. Nach der Niederlage der Reformierten im Zweiten Kappelerkrieg von 1531 liess Zürich die Freiämter fallen. Sie wurden den katholischen Orten zur Bestrafung und Rekatholisierung überwiesen.⁹ Über dieses Ereignis wurde im Unterricht in meiner Schulzeit nie gesprochen; es kam auch in den Schulbüchern nicht vor. Ich stelle dies hier an den Anfang, um darauf aufmerksam zu machen, dass Geschichtsschreibung immer auch die Sicht der Sieger ist.
1.1.1 Geschichte und Geographie von Hägglingen
Hägglingen liegt auf einer Endmoräne des Reussgletschers, der sich in der Würmeiszeit (vor etwa 150'000 bis 10'000 Jahren) im heutigen Kanton Aargau bis etwa nach Othmarsingen erstreckte. ¹⁰ Die Schmelzwasser flossen einerseits über Hägglingen bis nach Wohlenschwil und andererseits über Ammerswil in Richtung Lenzburg.
Es finden sich nur spärliche Spuren aus römischer Besatzungszeit. Die nächste turmbewehrte, römische Niederlassung befand sich in Lenzburg. Hägglingen war durchwegs mit Wald bedeckt, der ab dem 7. Jahrhundert von den einrückenden Alemannen teilweise gerodet wurde¹¹.
Der Name Hägglingen stammt aus dem Alemannischen, im Althochdeutsch bedeutete «Hag» Hain oder göttergeheiligter Wald. Hägglingen bedeutet also «Hof der Nachkommen Hackilo’s der beim Haine wohnte».¹² Einen starken Einwanderungsschub von nördlich des Rheins gab es nochmals im 9. Jahrhundert.
Missionare wie die Mönche aus Säckingen, die sich in Staufen und Lenzburg niederliessen, und die Chorherren aus Basel, Solothurn und Zürich begannen im frühen Mittelalter mit dem Bau von Kirchen. In Hägglingen wurde im Jahr 970 die erste Kirche in Holzbauweise erbaut.
Im Jahr 1036 schenkte der Graf Ulrich von Lenzburg die Kirche und den Meyerhof dem Stift Beromünster.¹³ An das Stift Beromünster hatte die Kirche gemäss dem Kellerbuche des Stiftes 10 Malter¹⁴ Dinkel, 6 Malter Hafer, 1 Malter Hülsenfrüchte, 1 Hubschwein, 3 Hammelschweine und ein Schwein auf Weihnachten zu liefern.¹⁵
«Hacklinge» wurde von den Kaisern, Heinrich III. im Jahre 1045 und Friedrich I. im Jahre 1173 in ihren Schutz genommen. Kaiser Friedrich I. bestätigte dies am 7. März 1173.¹⁶
Freie Ämter unter der Eidgenossenschaft 1435-1798¹⁷
Das Grundeigentum gehörte von 1300 bis 1700 verschiedenen Klöstern und Feudalherren. Es waren dies:
Chorherrenstift Beromünster
Kloster Königsfelden
Kloster Muri (deren Besitzungen gingen im 14.Jh. ans Kloster Hermetschwil)
Kloster Hermetschwil
Herren von Hallwyl
Haus Habsburg
In den Jahren 1303–1308 liess König Albrecht das Habsburgische Urbar¹⁸ erstellen, um den habsburgischen Besitz zu sichern und für die künftige Bildung eines erblichen Fürstentums zusammenzufassen. In diesem Dokument wird in Hägglingen folgendes ausgewiesen:
«Ze Heggelingen lit eines Schupos¹⁹, du Jacobs von Mure was, du gilt 4,5 mut kernen²⁰ und 1 malter habern²¹. Du herschaft hat da ze richtenne dub und vrefel.»
Die von Mure hatten also eine grundherrschaftliche Funktion in Hägglingen und richteten über «dub und frevel» (Diebstahl und Vergehen gegen Leib und Leben). Die von Mure mussten nicht nur den Habsburgern zinsen, sie erscheinen auch im Urbar I von 1309 des Frauenklosters Hermetschwil²², weil sie auch nach dort zinspflichtig waren. Geissmann scheinen zu jener Zeit noch nicht in Hägglingen gelebt zu haben, da sie in beiden Urbaren nicht erwähnt werden. Vogt über Hägglingen war unter den Habsburgern Ritter Hans von Hallwyl. Im Jahr 1380 wurde eine Erneuerungsurkunde von Herzog Leupolt erstellt, da die alten Dokumente bei einem Brand vernichtet worden waren. In dieser Urkunde, in der das Haus Österreich seine Lehen an die Herren von Hallwyl auflistete, werden «das Dorf Hägglingen und der Meyerhof darselbst» erwähnt.²³
Das Hochgericht wurde bis 1415 von den Habsburgern ausgeübt. 1415 kam Hägglingen in eidgenössischen Besitz und wurde dem Amtsgericht Wohlenschwil zugeteilt. Von 1435 bis 1712 war Hägglingen selber Amt.²⁴
Wasserschloss Hallwil²⁵
1.1.2 Dorforganisation
Im Buch von Ernst Meyer werden die Eigentums- und Besitzverhältnisse ausführlich beschrieben; dazu nachfolgend einige Auszüge: ²⁶
«…zuerst besass aber der Einzelne kein Grundeigentum….die Magistraten und Principes wiesen das in Kollektiveigentum stehende Land ….jährlich zur Nutzung zu…jeder Ansiedlungsfamilie wurde bei der Gründung des Dorfes ein umzäunter Platz ….zugewiesen….alles um das Dorf bebaute Land bildete die Feldflur….die Feldflur stand im Eigentum des ganzen Verbandes…das grösste Stück der Landgenossenschaft bildete die Allmend, bestehend aus Wald, Weide und Gewässern….Nutzungsrecht nicht Eigentum…1460 bildeten Wohlenschwil, Hägglingen, Nesselnbach,Tägerig und Mellingen eine Markgenossenschaft…regelmässige Versammlungen …Annahme neuer Genossen….»
Es gab drei Gemeindetypen:
Freie Markgemeinden
Hofgemeinden, die nur aus Leibeigenen bestanden (z.B. Muri, Althäusern)
Gemischte Markgemeinden mit freien Höfen und Fronhöfen
Zentrum jeder Herrschaft bildete der Herrenhof, der Sitz des Grundherrn oder eines Beamten (sog. Meyerhöfe).
Am Anfang beruhte die Mitgliedschaft in der Markgenossenschaft auf der Grundlage der Mitbeteiligung an der Ansiedelung, später aufgrund von Abstammung oder Aufnahme. Wie Meyer schreibt²⁷, erfolgte die Aufnahme formlos, erforderlich waren lediglich Besitzerwerb und eine von niemandem widersprochene Zuwanderung. Gemeindegenossen waren die Grundbesitzer, die Freien und die von den Grundherren belehnten Anwohner. Mit der Bevölkerungszunahme kam es dann zu Problemen, zum Beispiel wegen Übernutzung der Allmend oder des Waldes. Schon zu Beginn des 15. Jahrhunderts erliessen die Landvögte deshalb Waldordnungen. Die Jagd war das Recht des Landvogtes.
In Hägglingen und auch in den meisten anderen Gemeinden musste ein Einzugsgeld gezahlt werden.
1.1.3 Abgaben und Steuern
Viele Abgaben gingen nicht an die Eidgenossen, sondern an Kirchen, Klöster und weltliche Herren. Es waren dies Überreste aus Feudalzeiten. Die wichtigsten Abgaben waren:²⁸
Fallrecht
Im Todesfall ging das beste Stück Vieh oder das beste Kleid des Verstorbenen an die Herrschaft.
Frondienste
Viele Untertanen waren zu Fronarbeiten verpflichtet (1–3 Arbeitstage pro Jahr).
Wohnsitznahme / Einzug
Das Einzugsgeld betrug in Boswil 100 gl ²⁹³⁰
In Mellingen im 16. Jh. 1 bis 6 Pfund ³¹³²
Abzug / Wegzug
Wer im Freiamt zum Beispiel ins Ausland wegzog, der musste auf sein Gut 20% des Wertes an Steuern zahlen. Im eidgenössischen Gebiet betrug diese Taxe 5%.
Futterhaber
Ursprünglich die Verpflichtung, beim Auftritt des Landvogtes im Dorf für dessen Unterhalt zu sorgen. Laut Urbar von 1634 hatte der Meierhof in Hägglingen die Verpflichtung, den Landvogt zweimal im Jahr zu Dritt einen Tag und zwei Nächte zu halten. Später hatten die Gemeinden des unteren Freiamtes jährlich 22 Malter ³³ Hafer zu zinsen.
Vogthühner
Sämtliche Haushaltungen hatten dem Landvogt und den niederen Gerichtsherren jedes Jahr je ein Huhn zu zahlen.
Zehnten
Mit nur wenigen Ausnahmen (Meierhof in Hägglingen) hatten alle den zehnten Teil des Ertrages des angebauten Landes abzuliefern. In Hägglingen ging der Zehnte an folgende Grundeigentümer:
Chorherrenstift Beromünster
Kloster Königsfelden
Kloster Muri (deren Besitzungen gingen im 14.Jh. ans Kloster Hermetschwil)
Kloster Hermetschwil³⁴
Herren von Hallwyl
Ehrschatz
Eine Handänderungsgebühr, die bei Kauf, Tausch etc. fällig wurde.
Vogtsteuer
Heuzehnter
Siehe Kapitel 1.2.6
Bodenzinsen
Alljährlich fällige Zahlung an den Gutsverleiher (siehe Tabelle «Zehnten»)
1.1.4 Kloster Hermetschwil
In ihrer Dissertation zum an der Reuss gelegenen Frauenkloster Hermetschwil, das ein ‚Ableger‘ des Klosters Muri war, zitiert Annemarie Dubler aus dem Urbar I.³⁵ Anno 1309 waren folgende Einwohner von Hägglingen nach Hermetschwil zinspflichtig:
Die Wildin von der Hilflerren gut
Rudi von Wile von der schuppus
Die von Mure von Hägglingen
Hadi von Wile³⁶
Uli Winggen
Peters gut von Anglikon
Hemmas Kilchmeyerin
Des Hoptingers gut, da die kint von Rüti uff sitzzent
Rudi Roregger
Hübschers
Uli Nuggo
Seite eines mittelalterlichen Gebetsbuches des Benediktinerinnenklosters Hermetschwil³⁷
1.1.5 Ein- und Durchwanderung
Strebel³⁸ schreibt zur Zinspflichtigkeit von Eingewanderten und durchziehenden Händlern: «Wer auf ein Lehen zog, hatte dem Landvogt 10 lb Schirmgeld zu bezahlen. Hintersassen gaben jährlich 2 gl 20 ss Schirmgeld, fremde Hausierer 2gl 20 ss, Juden 10 Taler = 22 gl 20 ss.»‘³⁹ Im unteren Freiamt überschnitten sich die Währungsgebiete Zürich und Luzern. Der Einfachheit halber sei hier die Zürcher Währung aufgeführt:
«1 lb Pfund = 16 ss Zürcher Schilling = 240 Pfennig
1 gl Gulden = 40 ss Zürcher Schilling = 600 Pfennig
1 Taler = 22 Gulden und 20 Schilling = 13‘530 Pfennig»
Juden mussten also das Zehnfache an Schirmgeld bezahlen. Für nicht streng gläubige Juden bestand also ein offensichtlicher Anreiz zu konvertieren - oder sich einfach als Christ auszugeben. Juden mussten aus religiösen Gründen zwar einen Spitzhut tragen, wurde der aber abgezogen, waren sie an ihrer Kleidung nicht mehr erkennbar. Dazu gab es von den Rabbinern immer wieder Reklamationen, weil der Spitzhut nicht getragen wurde.Der nahe gelegenen Stadt Bremgarten war 1375 von Herzog Leopold das Recht erteilt worden, alle Leute zu Bürgern zu nehmen, die sich beim Herzog loskauften. Auf dem Land konnten sie dennoch ansässig bleiben, mussten als Stadtbürger dort aber keine Steuern mehr zahlen.⁴⁰ Diese Option stand auch den Juden offen, ist aber wegen Verlusts der Dokumente im Archiv der Synagoge von Bremgarten (Brand im Jahre 1382) nicht mehr nachweisbar.
1.1.6 Ökonomie
Die Leute bestritten ihren Lebensunterhalt mit Aktivitäten in Land- und Forstwirtschaft und im Kleingewerbe. Obwohl das Kloster Muri nur wenig Land in Hägglingen besass, laut der Acta Murensia⁴¹ in der Abschrift von 1406, eine Hube⁴², war deren Einfluss in der Organisation der Landwirtschaft bestimmend.⁴³ Hägglingen war Teil eines ausgedehnten Agrarraumes, dem Mittelland. Seit dem 8. Jahrhundert wurde auch Getreideanbau betrieben. Hauptnahrungsmittel war das Brot; aus minderwertigen Getreidesorten wurde der ,Brei’ hergestellt. Die Ackerflächen waren in Zelgen zusammengeschlossen. Im ersten Jahr trug die Zelge im Frühling das Sommergetreide, nach der Ernte war sie dem Weidegang des Viehs geöffnet. Im nächsten Jahr lag diese Zelge brach, d.h. sie wurde im Frühling, im Juni und im Herbst je einmal gepflügt. Danach wurde das Wintergetreide angesät, das eigentliche Brotgetreide. Dieser starre Turnus war nötig, weil die Felder der einzelnen Bauern zerstreut lagen, und der Zugang nur gewährleistet war, wenn alle dieselbe Getreideart zur selben Zeit anbauten.⁴⁴ Um sich eine Vorstellung vom Getreideertrag zu machen, ziehe ich die von Vaclav Smil⁴⁵ zitierten Berechnungen aus dem England des 14. Jahrhunderts bei. Der Ertrag betrug ca. 500 kg pro Hektare. Das war gerade einmal ein Zehntel des heutigen Ertrages in der Schweiz von 5000 kg pro Hektare.⁴⁶
Im hügeligen Hägglingen spielte die Viehwirtschaft sicherlich eine grössere Rolle als im Tal. Man muss aber bedenken, dass für den Betrieb eines Hofes in jedem Fall Vieh benötigt wurde, in erster Linie als Zugtiere, aber auch für die Fleischversorgung. Für drei Einheiten Ackerland wurde deshalb mindestens eine Einheit Wiesland benötigt.⁴⁷ Zum Vieh gehörten auch Viehhändler, worunter viele Juden waren (siehe hinten). Der Anbau von Kartoffeln erfolgte übrigens im Freiamt ab dem Jahr 1720.
Ohne einen eigenen Hof war ein Leben im Dorf kaum möglich. Auch Berufsleute wie Küfer, Viehhändler etc. besassen eigene Höfe. Durch Erbteilungen wurde die Lage wegen der vielen Kinder schwieriger. So war man im 18. Jahrhundert froh, mit Heimarbeit und Zulieferarbeiten für die aufkommende Strohflechterei einen (zusätzlichen) Verdienst zu finden.
Mit dem Anwachsen der Bevölkerung stieg der Druck auf den Wald. Bau- und Brennholz wurden immer knapper. Dem Tagsatzungs-Abschied von 1784 zufolge wurde in den Freiämter Gemeinden eine Bestandesaufnahme angeordnet. Für Hägglingen wird gemeldet: «Ist in Ansehung des Brennholzes so beschaffen, so dass solches zur grösten nothwenndigkeit hinreichet, beträffend das Bauholz, so hat diese durch die Zeit häro entstandene leidige feuersbrunsten so stark gelitten, dass die gemeind dermal völloig daran entblöst ist».⁴⁸
1.1.7 Erstes Erscheinen des Namens «Geissmann» in Hägglingen
Die Herren von Hallwyl sahen sich nach dem Einzug der Eidgenossen gezwungen, ihr Grundeigentum in Hägglingen mit dem zugehörigen Meyerhof an die Eidgenossen um ca. 1420 zu verkaufen.
Parzellenplan des Meyerhoflandes im Stiftsarchiv Beromünster
Seither hiess er Eidgenossen-Hof oder Sechs-Orten-Meyerhof. Am 23. November 1436 wurde der Hof an den Meyer verkauft. Im Kaufbrief von 1436 wurden der Hof und sein Umfang beschrieben:
«… stosst oben an die Rosschwetti an Bach vnnd an des Schmidts guetter, vnden an Marx Nottinger genannt Geissmanns guetter, so der Stft Zehnden geben …»⁴⁹
In der Interpretation dieser Beschreibung unterliegt Dr. Berckhum-Meyer einem Irrtum. Er liest im Text von einem «Marx Nottinger genannt Geissmann» und verwendet im Buch nun durchwegs diese Namensnennung. Eine solche Person hat es aber nach dem obigen Text nicht gegeben. Der Text sagt, dass das Meyerhofland unten an Marx Nottinger anstösst. Dieses Land von Marx Nottinger wird im Text «Geissmanns guetter» genannt. So wurde es wohl genannt, weil es wahrscheinlich früher ein Geissmann besessen hat. Daraus folgt, dass ein Geissmann vor 1436 bereits Land in Hägglingen besass.
Im Archiv des Chorherrenstifts in Beromünster finden sich diverse Unterlagen zu Auseinandersetzungen zwischen dem Stift und «denen von Hegglingen». Wie üblich ging es dabei meistens um Geld. So vertrat ein Rudi Geiss (auch «Rudi von Geis»)⁵⁰ «die von Hegglingen» bei der Tagsatzung der Eidgenossen zu Zürich im Jahr 1463, um sich eine Bestätigung über den Erhalt einer Zahlung des Chorherrenstiftes Beromünster an den Bau des Kirchturms in Hägglingen ausstellen zu lassen. Ein Auszug aus der übersetzten Abschrift des Originaltextes aus dem Archiv des Chorherrenstifts Beromünster (siehe Anhang, Dokument Nr. 16) lautet:
«Revers – Schrift»
«Geiss und Schnider beide von Hägglingen geben den Erhalt von 80 Pfund vom Chorherrenstift für den Kirchenbau bekannt, und lassen sich von der Tagsatzung der Eidgenossen zu Zürich eine Quittung ausstellen.
Anno 1463
Wir Rudi Geiss und Leni Schnider, beide von Hägglingen bekennen mit diesem Brief, mit ihren Kirchgenossen vom Chorherrenstift Beromünster 80 Pfund für den Bau des Kirchturms erhalten zu haben. Die Chorherren waren der Ansicht, keine Zahlungspflicht zu haben. Die Zahlung erfolgte, ohne dass daraus ein Recht abgeleitet werden könnte.»
Revers–Schrift aus dem Jahr 1463
Am 13. Januar 1517 kaufte Rudolf Geissmann den Meyerhof. Bereits drei Jahre später, im Jahr 1520, kam es zu einem Streit zwischen dem neuen Eigentümer des Meyerhofs, Rudolf Geissmann, und dem Stift Beromünster. Ursache war die Weigerung von Rudolf Geissmann, einen Zehnten an das Stift zu zahlen. Der Fall wurde bis ans Gericht der Sechs Orte (Tagsatzungsgericht) in Baden weitergezogen. Das Gericht entschied zugunsten des Besitzers des Meyerhofs: der Hof wurde als zehntenfrei, aber für sich selber als zehntenbezugsberechtigt erklärt.⁵¹
Bei meinen eigenen Recherchen im Stiftsarchiv von Beromünster fand ich die Abschrift des Entscheids der Eidgenossen von 1521, besiegelt von Henricus Rubli vom Rat Zürich, durch Abraham Schatt (Anno 1528). Es ist die Rede von «unserem lieben und getreuen Rudolph Geismann». ⁵² Ein Auszug aus der übersetzten Abschrift des Originaltextes aus dem Archiv des Chorherrenstifts Beromünster (siehe Anhang,