Fördern: Wie Fördern gelingen kann
Von Thomi Eichhorn
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Über dieses E-Book
Thomi Eichhorn
Thomi Eichhorn, 1960 in Schwyz geboren, arbeitet seit 1982 als Primarlehrer vornehmlich auf der Unterstufe. Seit 1984 betreut er regelmässig Studierende in der Praxisausbildung und begleitet Junglehrpersonen bei ihrem Berufseinstieg. 2016 wirkte er in Christof Arns Buch "Agile Hochschuldidaktik" als Gastautor mit (2016 Beltz Juventa). Bedeutsam für seine Arbeit sind Aspekte der personenzentrierten, dialogischen und agilen Didaktik, insbesondere aber auch die emotionalen Belange von Kindern und Lehrpersonen. In diesem Kontext ist das Buch "Fördern" entstanden. Seit 2018 ist Thomi Eichhorn als selbständiger Coach für Lehrpersonen tätig.
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Buchvorschau
Fördern - Thomi Eichhorn
Dieses Buch ist sowohl an Fachleute aus dem Bildungsbereich als auch an andere bildungsaffine Menschen gerichtet. Es soll ein Fachbuch sein, aber keine wissenschaftliche Arbeit. Die Lektüre soll neue Ideen liefern und zum Hinterfragen eigener Glaubenssätze und Heuristiken anregen. Es soll nicht abschliessenden Charakter haben, es soll vielmehr ein Prozessbuch sein.
Es geht darin um Grundlagen des Förderns, um die beiden Generalplayer (Lernende – Lehrende) und eine kritische Betrachtung des Systems Schule in Bezug auf das Fördern.
Vorwort
Das soziale Wesen Mensch kommt nicht umhin, seinen Mitmenschen gegenüber immer wieder helfend, betreuend, assistierend oder kooperierend zu begegnen. Besteht ein Ziel, worauf wir mit anderen hinsteuern, oder äussern sich Bedürfnisse in unserem Umfeld, werden wir oft fördernd tätig.
Fördern ist ein soziales Ereignis, das wir in fast allen Lebensbereichen finden. Hier in meiner Arbeit soll vor allem das Fördern in einem schulischen und erzieherischen, aber durchaus auch in einem weiter gefassten Sinn betrachtet werden, um Eindrücke davon zu erhalten, was Fördern als soziale Aktion ausmacht, was es dafür braucht und wann es nachhaltig wird.
Vorerst soll der Blick nicht nur auf die didaktischen Aspekte fallen: Es gilt, begrifflich etwas Klarheit zu schaffen, dann verschiedene Bilder von Bildung zu betrachten, im Weiteren den Gelingensgrundlagen nachzuspüren und schliesslich und hauptsächlich die Belange von Fördernden und Geförderten sowie Fragen zum System Schule zu behandeln. Dieses System gibt Regeln vor, die auf die Nachhaltigkeit von Förderbemühungen begünstigend oder erschwerend Einfluss nehmen. Und letztendlich hängt die Wirksamkeit dieser Anstrengungen von allen Beteiligten ab, insbesondere von den Lehrpersonen und deren Haltungen und Glaubenssätzen.
Meine Dokumentation ist weniger an die breite Öffentlichkeit gerichtet als an eben diese Lehrpersonen und an Menschen, die in der Bildung tätig oder in besonderer Weise mit ihr verbunden sind.
Ich erwarte selbstredend nicht in allen Belangen Zustimmung. Im Gegenteil: Ich freue mich auf einen lebendigen und erweiternden Diskurs. Vielleicht gelingt es mir, das Hinterfragen tradierter Lehrtraditionen anzuregen oder zu neuen Sichtweisen zu verhelfen und eine «konstruktive Verunsicherung» zu bewirken.
Die vorliegende Schrift ist nicht das Ergebnis wissenschaftlicher Forschung. Vielmehr ist es eine Sammlung und Reflexion von Eindrücken und Fachmeinungen aus Hospitationen und Interviews mit Förderfachleuten, ein Vergleichen und Interpretieren dieses «Sammelguts» mit den Inhalten der studierten Fachliteratur und nicht zuletzt ein Kondensat meines eigenen Forschens in der täglichen Arbeit mit den Lernenden.
Die Auswertungen der Hospitationen habe ich aus datenrechtlichen Gründen bewusst anonymisiert.
Folgende Förderbereiche habe ich besucht:
IF (Integrierte Förderung) KG/Unterstufe
IF Gesamtschule
IF Oberstufe
Logopädie
Psychomotorik
Frühberatung
Schulsozialarbeit
Spitalschule
Neonatologie
Demenzabteilung Altersheim
Sonderschule HZI
Behindertenwerkstatt: Werken
Behindertenwerkstatt: Tagesstätte
Fachstelle Bildung im Strafvollzug BiSt
Gefängnisunterricht
Musikunterricht
kollegiale Hospitationen
Im Vorfeld zu meiner Weiterbildungsphase ergab sich für mich im Herbst 2015 eine sehr erfreuliche Gelegenheit: Anlässlich eines Besuchs bei unserem Bekannten Christof Arn eröffnete dieser, dass er gerade an einem Buch über Präsenzdidaktik arbeite und Fachlektoren suche, die überdies einen Artikel aus ihrer Fachrichtung beisteuern würden. Gerne habe ich diese Chance wahrgenommen, zumal das Thema des Buches im ganzen reformpädagogischen Kontext starke Berührungspunkte zu meinem Thema hat. Mein Artikel zu diesem Buch (das im März 2016 erschien) findet sich im letzten Kapitel ab Seite 91.
Thomi Eichhorn, Oktober 2018
Inhalt
Begriff – fördern und be-fördern, was heisst das?
Bedeutungen
Synonyme
Bilder – Vorstellung von Bildung im Zusammenhang mit Fördern
Erziehungsstile
Rollenbilder
Verantwortung
Grundlagen – was im Umfeld von Fördern beachtenswert ist
Plädoyer für eine Wohlfühlschule
Grundbedingungen des Wohlfühlens
Individualisieren
Konstruktivistische Didaktik
Modus «flow»
Offener Unterricht
Gruppendynamik
Was heisst Erziehung?
Lob und Tadel
Die Rolle des Glücks
Der Lehrende – die Belange des Fördernden
Authentisch sein
Sympathie für Schüler und Inhalte
Vorbild
Haltungen
Autorität, Regeln, Grenzen, Strafen
Wohlfühlschule – auch für Lehrende
Lehrerverhalten – fördernd oder hemmend
Die Hattie-Studie
Der Lernende – die Belange des Geförderten
Der Lernende bin ich
Lernen lehren
Lernbereitschaft
Teilhabe
Selbstattribution
Selbstwirksamkeit
Resilienz
Leben mit der Schwäche
Zuckerbrot oder Peitsche
Autonome Lernprozesse
Schlüsse aus der Wesensheterogenität der Lernenden
Heterogene Elternschaft
Systemkritische Gedanken – was hindert, was fördert
Familie und Schule
Person oder System
Neue Bilder
Neue Ziele
Schülerbeurteilung
Neue Strukturen
Politik als Weichensteller
Förderparadigmen, neue Werte
10 Gebote des Förderns – mehr als eine Glaubensfrage
Präsenzdidaktik – Artikel zum Buch von Christof Arn
Lehrerzentrierung – Schülerzentrierung – Lehr/Lern-Kosmos
Kontrollverlust, Zeitmangel, Chaos und andere Ängste
Neue Bilder und Altbewährtes
Agile Didaktik – warum gerade bei kleinen Kindern
Literatur
Begriff
Der Begriff «fördern» findet in mannigfaltigen Lebensbereichen von Bildung über Kultur und Sport, aber auch in sehr spezifischen Situationen rege Verwendung.
Bezieht man weitergehend auch seine Abwandlungen und Synonyme mit ein, eröffnet sich ein grosses Feld unseres Gesellschaftslebens.
In den weiteren Kapiteln wird dann «fördern» vorab im Sinne der zwei unten folgenden Begriffserklärungen verstanden.
Bedeutungen von fördern, be-fördern
Fördern als ein Füllen von Defiziten, als ein Perfektionieren von fragmentarischem Wissen oder mangelhafter Fertigkeit mit dem Ziel einer definierten Leistungsfähigkeit.
Fördern im Sinne einer Entwicklungsbegleitung einer begabten Person mit dem Ziel einer möglichst hohen Leistungsfähigkeit.
Fördern in der Gestalt einer finanziellen oder administrativen Hilfe für eine Institution, eine Idee, ein Brauchtum; oft in der Form eines Fördervereins oder eines Mäzenatentums.
Fördern im Sinn der Rohstoffgewinnung.
Be-fördern von Personen oder Gegenständen von A nach B.
Be-fördern von Personen von Status A zum höheren Status B.
Weg-befördern: Im gemeinsamen Nutzen der beförderten Person und der Gesellschaft lässt man diese aufsteigen, um sie einem durch sie ungünstig beeinflussten Umfeld oder einem ihr Unwohlsein bereitenden Umfeld zu entziehen. Beispielsweise befördert man eine wenig kontaktbegabte Person weg vom Publikumsbereich in eine administrative Leitungsposition.
Peter-Prinzip: Die These von Laurence J. Peter besagt, dass in einer genügend komplexen Hierarchie Personen so lange befördert werden, bis sie den Grad ihrer höchsten Unfähigkeit erreicht haben. Komplett pervertiert wäre das System schliesslich, wenn alle Mitarbeitenden den maximalen Inkompetenzgrad erreicht hätten.
Peter-Prinzip in gezielt angewandter Form: Eine Person, die man als fürs Ganze ungeeignet erachtet, der man aber mangels eigentlicher Verfehlungen nicht einfach kündigen kann, wird so lange befördert, bis ihre Unfähigkeit auch für sie offensichtlich oder gar unerträglich wird und sie von sich aus den Betrieb verlässt.
Synonyme für fördern (gem. Rechtschreibe-Duden 2014)
Allgemein: aufbauen, begönnern, begünstigen, sich einsetzen, eintreten, helfen, sponsern, unterstützen, vorwärtsbringen, weiterbringen
Gehoben: Förderung angedeihen lassen, sich verwenden für
Bildungssprachlich: lancieren, protegieren
Umgangssprachlich scherzhaft: In den Sattel helfen, unter seine Fittiche nehmen
Jargon: powern
Wirtschaftlich, politisch: anregen, befördern, begünstigen, steigern, unterstützen, zur Entfaltung bringen, pushen
Bergbau: ausbeuten, gewinnen, abbauen, schürfen
Synonyme für be-fördern (gem. Rechtschreibe-Duden 2014)
Allgemein (im Sinne von transportieren): bringen, fahren, schaffen, spedieren, transportieren, überführen
Bildungssprachlich: expedieren
Beruflicher Aufstieg: höhergruppieren, höherstufen
Vorteilhafter Einfluss: begünstigen, erhöhen, fördern, heben, steigern, unterstützen, verstärken, anheizen
«Menschen bilden bedeutet nicht, ein Gefäß zu füllen, sondern ein Feuer zu entfachen.»
Aristophanes,
altgriechischer Dichter
Albert Anker, «Die Dorfschule von 1848», 1896, Öl auf Leinwand
Herkunft/Fotograf: «Von Anker bis Zünd, Die Kunst im jungen Bundesstaat 1848 – 1900», Kunsthaus Zürich
Bilder
Lange Zeit bestand über Erziehung und Bildung in unserer Gesellschaft ein weitgehender Konsens. Eltern erzogen ihre Kinder, wie sie selbst erzogen wurden. Was die Eltern