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Princess Reality: Gespieltes Glück
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eBook343 Seiten4 Stunden

Princess Reality: Gespieltes Glück

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Über dieses E-Book

Prinzessin Siaras Reise geht weiter: Während sie wieder die Schulbank drückt, erreichen sie alarmierende Nachrichten aus ihrer Heimat Luandia. Während sie verzweifelt versucht, ihrem Volk zu helfen, kristallisiert sich heraus, wem sie wirklich vertrauen kann - und wer ihre wahren Feinde sind. Ihr Herz an den richtigen Mann zu verschenken - und gleichzeitig Kronprinzessin zu sein - ein Spagat, an dem Siara zu scheitern droht. Die Show geht weiter - doch wohin wird sie führen?
SpracheDeutsch
HerausgeberTWENTYSIX
Erscheinungsdatum20. Juni 2018
ISBN9783740795078
Princess Reality: Gespieltes Glück
Autor

Noëmi Caruso

Seit acht Jahren schreibe ich schon Romane, doch Autorin ist man bekanntlich erst, wenn man die Bücher auch veröffentlicht. Bis dahin bin ich 24, verheiratet, Schweizerin mit einem halben Zoo daheim. Als Fotografin kann ich meine lebendige Fantasie ebenfalls gut brauchen, genauso wie als Mediengestalterin. Da ich ziemlich dickköpfig bin und genau weiß, was ich will, habe ich mich für den Selbstverlag entschieden, um von A bis Z die Kontrolle zu haben. Schon immer wollte ich nichts, als Schreiben und seit dem Augenblick als ich realisierte, dass Schriftstellerin tatsächlich ein Beruf ist, wollte ich genau das werden. Natürlich ist es mehr Berufung als Beruf und so verdiene ich bisher mein Geld auf andere Weise. Der Roman entstand in der Freizeit, doch auch wenn es aufwändig war, macht es stolz zu sagen: Hier ist es! Mein Debüt!

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    Buchvorschau

    Princess Reality - Noëmi Caruso

    26

    Kapitel 1

    Ich liebte Hängematten. Das hatte ich insgeheim schon immer getan. Jedes Mal wenn ich in Filmen jemanden in einem solchen Teil hatte schaukeln sehen, hatte ich den Filmcharakter darum beneidet. Hätte meine Mutter doch bloß nicht immer allem, was in ihren Augen für das gewöhnliche Volk geschaffen worden war, so ablehnend gegenübergestanden. So aber hatte ich wegen ihrer Abneigung den bunten Dingern gegenüber warten müssen, bis mich meine Eltern in die Schweiz ins Internat geschickt hatten, um auch endlich in den Genuss einer Hängematte zu kommen. Auch hier in der Schweiz, im Internat für Thronfolgerinnen und anderen Adelssprösslingen weiblichen Geschlechts, waren Hängematten nicht gerade gerne gesehen, da sie angeblich für eine schlechte Haltung verantwortlich waren. Doch der Unterschied zu Luandia bestand hier darin, dass die Schule in solchen Fällen allerhöchstens Empfehlungen aussprach und dann doch nicht einschritt, wenn die Schülerinnen diesen nicht folgten. In meinem Fall hieß dies, dass ich mir gemeinsam mit meiner Zimmerkameradin Sarah nach meiner Rückkehr in die Schule eine Hängematte bestellt hatte. Wir waren uns ganz schön verrucht vorgekommen, wie normale Menschen im Internet zu bestellen und das schöne Stoffgeflecht schließlich im Schulgarten zwischen zwei Bäume zu hängen. Dort verbrachte ich jetzt, wo die Temperaturen langsam immer wärmer wurden, einen Großteil meiner Zeit. Februar war zwar nicht unbedingt warm für meine Mitschülerinnen, aber als Luandierin war ich mir ganz andere, viel tiefere Temperaturen gewohnt. Außerdem schien uns der Frühling dieses Mal vermisst zu haben, denn die ersten Blumen blühten längst und die Gärtner waren fleißig am Werk, um den Schulgarten auf Vordermann zu bringen. Ich hatte gehört, dass andere Schulen ihre Schülerinnen und Schüler dazu einspannten, im Garten mitzuhelfen, doch hier war es verpönt, dass wir jungen Damen uns die Hände schmutzig machten.

    So hatte ich nichts Besseres zu tun, als meine Zeit in der Hängematte zu verbringen und den Angestellten bei ihrem Werk zuzusehen. Doch es gab Schlimmeres, als schaukelnd zu lernen, während andere Schülerinnen in der Bibliothek lernten und sich aus Furcht vor der Kälte oder vor zu viel Sonne auf dem Teint nicht aus dem Schulgebäude wagten. Oft saß eine von uns am Fuße des Baumes, an dem die Hängematte hing, während die andere schaukelte und so leisteten Sarah und ich uns im Schulgarten Gesellschaft. Meine beste Freundin im Internat hatte zum Glück mit ihren schottischen Wurzeln ebenfalls kein Problem mit den Schweizer Temperaturen. Nicht gerade förderlich für unseren makellosen Prinzessinnen-Teint, wie uns viele Lehrerinnen und auch Mitschülerinnen immer wieder erfolglos einzubläuen versuchten.

    Heute aber war ich alleine und vertieft in ein Buch, welches für den Englisch-Unterricht gelesen und analysiert werden musste. Ich las gerne Romane, besonders solche mit Fantasy-Elementen und träumte mich damit in eine andere Welt, was mir allerdings viel zu selten vergönnt war. Ein Schulbuch musste diesmal genügen.

    „Siara!", unsanft rüttelte jemand an meiner Schulter. Ich schrak auf und wäre beinahe aus der Hängematte gefallen. Das Buch lag auf meiner Brust und die Indizien waren zu offensichtlich, als dass Leugnen sich gelohnt hätte: ich war beim Lernen in der Hängematte eingeschlafen.

    „Prinzessin", erneut klopfte jemand an meine Schulter. Ich schlug die Augen auf und war zuerst verwirrt. Die Sonne war schon bedenklich weit in Richtung Horizont gewandert und ein Frösteln rief mir in Erinnerung, dass der Frühling erst mit winzig kleinen Schritten ins Land zog. Es dauerte einen Moment, bis mein Kopf aus den Tiefen des Schlafes in die Realität zurückkehrte und ich meine Umwelt wieder bewusst wahrnahm.

    Vor mir stand eine Schülerin aus einem der Jahrgänge unter meinem, mit der ich bisher kaum ein Wort gewechselt hatte. Sie stammte irgendwo aus Osteuropa und ich wusste nicht einmal, ob sie eine Prinzessin war, eine Tochter aus reichem Hause oder eine Erbin von irgendeinem alten Landadelsgeschlecht, die nur wegen ihres Namens an der Schule aufgenommen worden war. Sie machte auch keine Anstalten, sich vorzustellen oder anderweitig die Situation aufzuklären.

    „Was ist denn?", erkundigte ich mich geduldig, aber immer noch verwirrt. Dass ich mitten am Nachmittag einschlief, war mir schon lange nicht mehr passiert. Dabei war ich nicht sonderlich übermüdet und langsam auch damit fertig, all den verpassten Schulstoff vom Herbstsemester nachzuholen. Dies hatte ich meist nach dem Abendbrot machen müssen, sodass mir einige Stunden Schlaf gefehlt hatten, doch ich hatte daraufhin ein Wochenende im Bett verbracht und so den verpassten Schlaf rasch wieder aufgeholt. Bei der letzten Prüfung hatte ich nicht schlecht abgeschnitten und so hatte ich meinen straffen Lernplan ein wenig gelockert, und begonnen, wieder an dem einen oder anderen gesellschaftlichen Ereignis teilzunehmen. Zudem hatten meine Eltern ebenfalls endlich eingesehen, dass die Schule wichtig für mich war und ich dafür mehr Zeit investieren wollte als vor der Kamera zu posieren. Die Dreh-Sequenzen waren dementsprechend seit meiner Rückkehr in die Schweiz sehr kurz gehalten und würden bald für eine Weile komplett enden, damit ich mich auf die Prüfungen konzentrieren konnte. Außerdem hatte sogar der Produzent – mein nicht allzu geliebter Freund Mr. Shelt – einsehen müssen, dass der Schulalltag zu eintönig war, um mehr als zwei Folgen lang das luandische Volk zu unterhalten.

    Die Stimme der jüngeren Schülerin holte mich aus meinen Gedanken zurück in die Realität. „Du sollst ins Büro der Direktorin kommen. Sie hat dir eine wichtige Mitteilung zu machen. Wir haben dich überall gesucht und dachten zuerst, du hättest Nachmittagsunterricht, doch als wir dich nicht gefunden haben, bin ich hier hinausgelaufen und da bist du ja", schwatzte die Kleine munter und starrte mich dabei von Kopf bis Fuß so lange an, bis ich mich fragte, ob ich mich irgendwie dreckig gemacht oder mir meine Kleidung verkehrt herum angezogen hatte. Wahrscheinlich war ich vom Schlaf ein wenig zerknittert und das Englisch-Buch, aufgeschlagen und mit einem Eselsohr, lag noch immer auf mir drauf. Außerdem redete sie für meinen Geschmack eindeutig zu schnell und zu viel dafür, dass sie mich gerade erst aus irgendwelchen seligen Träumen, an die ich mich gar nicht erinnern konnte, gerissen hatte.

    „Ich komme ja schon", murmelte ich und hievte mich aus der Hängematte. Die frische Luft ließ meinen Kopf langsam wieder klarer werden und so folgte ich der Kleinen zum Haupthaus.

    „Ich denke von hier finde ich den Weg selbst", meinte ich, als sie mir die Tür aufhielt und hinter mir mit einem lauten Knall zufallen ließ.

    Offensichtlich hatte sie die Begegnung mit der Direktorin, die jedem Türknaller irgendwann einmal auf die Schliche kam, noch vor sich. Ich hatte nur zwei Wochen lang Zeit gehabt, das Knallen zu perfektionieren, bis sie mir erklärt hatte, dass jeder, der die Haupttür zufallen ließ, ihre Sammlung von Kristalltieren gefährdete, da die filigranen Tierchen beim leichtesten Zittern umfielen. Unsere gute Direktorin besaß das Talent, es so darzustellen, als würde dem Mörder eines ihrer Tierchen automatisch der Schulverweis drohen. Naja, wie heikel die ansonsten gütige Dame mit ihrer Sammlung war - dass würde diese Schülerin hier auch noch herausfinden.

    Nun allerdings schaute sie mich völlig entsetzt an.

    „Ist wirklich okay. Ich komme klar. Ist nicht mein erstes Mal, dass ich zur Direktorin gerufen werde", versicherte ich, als sie nicht so aussah, als ob sie mich alleine lassen wollte. Dann erst ging sie zögerlich davon. Ich blickte ihr einen Augenblick lächelnd hinterher und erinnerte mich daran, wie ich selbst gewesen war, als ich neu an die Schule gekommen war.

    Ein mulmiges Gefühl im Bauch blieb, obwohl die Geste, mit der Direktorin Crout mich aufforderte, ihr gegenüber Platz zu nehmen, sehr freundlich war.

    „Guten Morgen Siara", sie lächelte, allerdings sehr verhalten, was nicht dazu ausreichte, mich ein wenig zu beruhigen. Trotzdem ließ ich mich auf den Sessel ihr gegenüber sinken und schlug züchtig die Beine übereinander. Wenn es an dieser Schule ein großes Vorbild für perfekte Damenhaftigkeit gab, dann war es die Direktorin, die uns allen vorlebte, was wir tagtäglich eingetrichtert bekamen.

    „Wie geht es dir, meine Liebe?" Auch das gehörte dazu: einfacher Smalltalk ohne gleich mit der Tür ins Haus zu fallen. Nicht unbedingt meine Stärke, wenn man bedachte, wie ungeduldig ich meist war.

    „Ganz gut, Direktorin Crout. Ich bin sehr froh, wieder an der Schule zu sein und lernen zu dürfen", erklärte ich lächelnd. Niemals hätte ich mir anmerken lassen, dass ich mir nichts mehr wünschte, als dass sie endlich auf den Punkt kam. Ich war mir keiner Sünde bewusst – diese hatte ich alle im ersten Schuljahr begangen – weswegen ich umso nervöser war.

    Ohne Grund fand sich niemand in diesem Büro wieder.

    „Das freut mich Siara. Wir zählen dich zu unseren besten Schülerinnen und sind stolz darauf, die zukünftige Königin von Luandia ausbilden zu dürfen", sie lächelte freundlich hinter ihren kleinen Brillengläsern.

    „Dennoch habe ich dich nicht zu mir gerufen, um deine Leistungen zu loben oder andere erfreuliche Themen zu besprechen. Aus deiner Heimat haben mich beunruhigende Nachrichten erreicht, die ich mit dir teilen möchte, bevor du sie in der Zeitung lesen oder im Fernsehen verfolgen kannst." Ich war sofort wie elektrisiert.

    „Was ist los? Ist etwas mit meinen Eltern? Den Flüchtlingen?" Besorgnis und kalte Furcht ergriff mich. Meine Augen hingen nun an ihren Lippen und in den wenigen Augenblicken, bis die Direktorin weitersprach, produzierte mein Gehirn eine Unzahl von Horrorvorstellungen. Meine Eltern tot, die Flüchtlinge verhungert oder erfroren - sogar an meine beiden lieben Pferde dachte ich. Meine Zofen entlassen? Nun, die letzten beiden Nachrichten würden wohl kaum im Fernsehen kommen und deswegen auch keinen Besuch bei Mrs Crout erfordern.

    „England und Frankreich haben sich zu einem Bündnis zusammengeschlossen, und Irland und Luandia den Krieg erklärt." Diese kurze Erklärung in einem Satz hätte mich fast vom Stuhl geworfen.

    Mein Land war im Krieg? Ich saß einen Augenblick lang mit offenem Mund dort und erkannte am mitfühlenden Blick von Mrs Crout, wie erbärmlich ich aussehen musste. Bisher hatte ich es noch nicht geschafft, ihr eine gescheite Antwort zu geben.

    „Ich weiß, dass du eine solche Nachricht nicht erwartet hast, Siara.

    Gemeinsam werden wir herausfinden, wie du am besten damit umgehst", die Direktorin klang beruhigend und gar nicht so streng wie sonst immer.

    Gleichzeitig schämte ich mich, weil sie Unrecht hatte. Natürlich hatte ich nicht mit einer solchen Nachricht gerechnet, aber genau das hätte ich tun müssen. Einige unserer internen Probleme hatten sich massiv gebessert im vergangenen halben Jahr und auch den Flüchtlingen, die noch immer täglich in Luandia eintrafen, konnte geholfen werden, doch der Umgang mit der nordamerikanischen Katastrophe hatte Europa entzweit. Unsere Region war nicht die Einzige, in der es brodelte. Auch aus Italien kamen keine guten Nachrichten und anscheinend bekriegten sich bereits Sardinien und Elba gegenseitig, weil Sardinien sich an der Katastrophe bereichern wollte, während Elba als direkter Verbündeter Amerikas beinahe mit in den Abgrund gerissen worden wäre.

    „Ich weiß nicht, was ich sagen soll", murmelte ich leise, als ich merkte, dass die Direktorin mich anschaute und offensichtlich doch langsam auf eine Antwort von mir wartete.

    „Ich verstehe es nicht. Warum passiert das?" Ich war aus allen Wolken gefallen. Während wir uns komplett auf die Innenpolitik und die Lage in Luandia selbst konzentriert hatten, war anscheinend außenpolitisch etwas gehörig schiefgelaufen. Ich hatte den Verdacht, dass mein Vater nicht halb so überrascht sein konnte wie ich – und dass er mir eine ganze Menge verschwiegen hatte. In seinen Augen war ich nicht immer nur Thronfolgerin von Luandia, sondern noch immer seine Tochter, die es zu schützen galt.

    „Es ging ursprünglich darum, dass Irland nicht mehr in der Lage ist, noch mehr Flüchtlinge aufzunehmen. Die Insel platzt aus allen Nähten.

    Besonders Amerikaner mit irischen Vorfahren wollen wieder dorthin zurückkehren und das Land ist längst nicht ausgerüstet für einen solchen Ansturm. Außerdem ist Irland natürlich die erste Anlaufstelle, wenn man über den Atlantik kommt. Es funktioniert ähnlich wie damals bei der Nordafrika-Krise, als in Sizilien mehr Flüchtlinge lebten als Sizilianer.

    Man hat also in Irland viele Leute ungefiltert und unkontrolliert durchreisen lassen und nach England übergesetzt. Die Engländer wiederum sind so gar nicht daran interessiert, auch nur einem weiteren Amerikaner Obdach zu bieten und haben versucht, diese weiterzusenden. Da hat sich der luandische König, dein Vater, für die irische Regierung stark gemacht und versucht, zu vermitteln. Luandia ist ebenfalls eine der ersten Adres sen für die Flüchtlinge gewesen, einerseits wegen der geografischen Lage und andererseits, weil viele gehört haben, dass die Regierung sich dort nach Kräften bemüht, jedem Heimatlosen zu helfen, aber das muss ich dir natürlich nicht erklären. Als nächstes müssen wohl die Franzosen auf den Plan getreten sein, nachdem sie mit Luandia ja bereits seit Jahrhunderten im Clinch liegen. Auch sie sind der Meinung, dass Irland und Luandia als erste Anlaufstationen für die Flüchtlinge selbst verantwortlich sind. Dass man dabei mehr Land aufschütten müsste, um allen Neuankömmlingen Platz zu bieten, das hat sich keine der beiden Großmächte überlegt. Als man nun in einer Nacht- und Nebel-Aktion ein riesiges Kreuzfahrtschiff mit Flüchtlingen von Frankreich nach Irland zurücksenden wollte, haben die Iren die Grenzen dichtgemacht und die Rückführung damit verhindert. Aufgrund dessen wurde ihnen von England der Krieg erklärt, während sich Frankreich dieser Erklärung angeschlossen hat und man Luandia ebenfalls eingeschlossen hat, weil man dort den Ursprung allen Übels vermutet und außerdem dein Vater zu diesem Zeitpunkt in Dublin zu diplomatischen Gesprächen weilte. Die englisch-französische Flotte hat sich im Meer zwischen Irland und Luandia platziert. Die ganze Sache ist also ziemlich ernst." Mrs Crout lächelte längst nicht mehr, vielmehr sah sie besorgt aus. Ich vergrub das Gesicht in den Händen.

    „Was soll ich nur tun?" Ich starrte auf meine Fußspitzen. Die Augenblicke in der Hängematte schienen weit weg, die Entspannung längst von mir abgefallen. Hellwach war ich ebenfalls seit dem Augenblick von Direktorin Crouts Eröffnung. Meine Hände zitterten, als ich nach einem Briefbeschwerer auf ihrem Schreibtisch griff und nervös damit spielte.

    Sie beobachtete mich mit hochgezogenen Brauen und ich wusste, normalerweise hätte sie mich zurechtgewiesen, doch ich musste meine Finger irgendwie beschäftigen. Am liebsten hätte ich fest auf die Tischplatte geschlagen, aber das würde mir nichts nützen und große Schmerzen bereiten.

    „Wir haben Nachricht, dass es deiner Familie gut geht und dass sie bisher auch die Hauptstadt nicht verlassen haben. Dein Vater ist rechtzeitig nach Luandia zurückgereist und unbehelligt geblieben. Deine Eltern wünschen sich, dass du weiterhin deiner Ausbildung nachgehst, da sie die Schweiz als einen sicheren Ort für dich betrachten", erklärte mir die Direktorin und beruhigte mich, denn natürlich hatte ich mich gefragt, wie es wohl meinen Eltern ging. Und dann erst Danina, die in England die Schule besuchte. Sicher machte sie gerade die Hölle durch. Ich fühlte mich schlecht, weil ich hier in Sicherheit war, während sich andere Mitglieder meiner Familie und die ganze Bevölkerung von Luandia wohl gerade alles andere als wohlfühlten.

    „Sollte ich nicht besser nach Hause reisen? Vielleicht werde ich gebraucht?", schlug ich zaghaft vor und hob den Blick. Mrs Crout hatte mir immer ein bisschen Angst eingejagt, in diesen Augenblicken war ich aber froh, ihrem weisen Blick zu begegnen und die Ruhe aufzufangen, die sie ausstrahlte.

    „Ich glaube nicht, dass du in Kiana jemandem helfen kannst, Siara.

    Außerdem ist eine Reise von hier nach Luandia momentan nicht ungefährlich, da sie über Französischen und Englischen Luftraum führt. Deine Ausbildung erneut zu unterbrechen könnte dich weit zurückwerfen, auch wenn du eine der fleißigsten und klügsten Schülerinnen dieses Internats bist." Sie klang sachlich wie immer und auch wenn sie nicht unbedingt die Beste darin war, Gefühle auszudrücken und zu zeigen, waren ihre Worte genau das, was ich jetzt brauchte, denn sie lag völlig richtig.

    „Die Nachricht vom luandischen Königshaus ist unmissverständlich, mit der Bitte, deine Sicherheit hier weiterhin zu gewährleisten. Experten sind der Meinung, dass eine Reise zum aktuellen Zeitpunkt weder klug noch ungefährlich wäre. Hier in der Schule kannst du deinem Land am besten dienen." Insgeheim hatte ich geahnt, dass sie das sagen würde.

    Hin- und hergerissen wusste ich nicht was ich davon halten sollte.

    „Ist das für dich in Ordnung?", wollte die Direktorin wissen. Sie griff nach meiner Hand und schenkte mir einen mitfühlenden Blick.

    „Wahrscheinlich ist es am besten so", murmelte ich dann.

    „Wir alle hier im Internat möchten dich so gut wie möglich unterstützen. Außerdem bist du natürlich nicht die einzige Schülerin in dieser misslichen Situation. Alle Mädchen aus diesen vier Ländern werden heute die selbe Nachricht erhalten wie du und ich hoffe sehr, dass die ser Konflikt danach nicht weiterhin das Internatsleben tangiert. Nichts wäre mir mehr zuwider als dass dieser Krieg unter meinen Schülerinnen weitergeht." Ich konnte mich nicht erinnern, dass ich sie je so offen hatte sprechen hören.

    „Ich werde mir Mühe geben Mrs Crout. Die Besorgnis um meine Heimat ist zu groß, als dass ich Interesse daran hätte, auch noch persönliche Konflikte zu klären zu haben", versprach ich und hoffte, sie damit ein wenig zu beruhigen.

    „Dürfte ich noch fragen, was mit Schottland ist, Mrs Crout?" Seit Beginn unseres Gesprächs hatte ich mir Sorgen um Sarahs und auch um Alexanders Heimatland gemacht. Diese waren strategisch und geografisch inmitten der Kriegsparteien angesiedelt. Doch zu meiner Enttäuschung schüttelte die Direktorin bedauernd den Kopf.

    „Ich weiß es nicht, Prinzessin Siara", meinte sie entschuldigend.

    „Es gibt keine Nachrichten über eine bisherige Teilnahme oder Einmischung Schottlands auf der einen oder anderen Seite. Dies stimmt mich ehrlich gesagt zuversichtlich, denn solange auch nur ein Land einen kühlen Kopf behält, anstatt sich impulsiv ebenfalls zu Schritten verleiten zu lassen, die später irreparable Schäden an Land und Leuten hinterlassen, können wir auf ein baldiges Ende dieser Farce hoffen." Ich stimmte ihr mit einem Nicken zu.

    „Du weißt, dass du jederzeit zu mir kommen kannst, wenn du Unterstützung brauchst oder mit mir über deine Situation sprechen möchtest, oder?", versicherte sie mir mit einer Wärme in der Stimme, die ich von ihr gar nicht kannte.

    Erneut nickte ich.

    Als ich endlich das Büro von Mrs Crout verließ, tat ich dies mit schwerem Herzen und draussen hatte es bereits zu dämmern begonnen.

    Der gemütliche Nachmittag in der Hängematte schien weit weg und schon vor Stunden zu Ende gegangen sein. Ich fühlte mich hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, mit jemandem zu sprechen und erstmal alleine über die ganze Sache nachzudenken.

    Wir waren keine Generation, die sich mit Kriegen auskannte. Die Eltern meiner Eltern hatten zwei Kriege innerhalb weniger als einem halben Jahrhundert durchgestanden und auch danach hatte es hier und da auf der Welt Konflikte gegeben. Doch Europa hatte sich nun über hundert Jahre den Frieden bewahrt und ich erkannte an den Gesichtern meiner Mitschülerinnen, dass sie ebenso betroffen darüber waren, wie ich.

    Sarah saß neben mir in der Schulkantine und ich wusste, dass sie sich alles andere als wohl fühlte. Es war nur eine Frage der Zeit, bis Schottland sich dem Englischen Bündnis anschloss und dann würden wir plötzlich auf zwei verschiedenen Seiten dieser sinnlosen Aktion stehen. Als mir auffiel, dass dies passieren konnte, streckte ich die Hand aus und drückte ihre Finger, die bewegungslos neben ihrem vollen Teller lagen. Keine von uns hatte viel gegessen. Als wir einen Blick tauschten, war mir klar, dass dieselben Gedanken auch ihr auf den Magen schlugen.

    Plötzlich ließ sich ein anderes Mädchen, meines Wissens aus dem Abschlussjahrgang, neben mich auf einen freien Stuhl fallen. Ich hatte bisher mit ihr kaum ein Wort gewechselt und fragte mich nach dem Anlass ihres Kommens.

    „Hi, du bist doch aus Luandia, richtig?", fragte sie direkt und ohne Umschweife. Sie sah nett aus, mit einem leichten Rotschimmer in ihren kastanienbraunen Haaren und einigen Sommersprossen auf ihrer Stupsnase. Aufgefallen war sie mir allerdings, weil sie auch zu denjenigen gehörten, die einen solch hellen Hautton hatten, dass sie im Sommer rasch mit einem Sonnenbrand klarkommen mussten, oder sich ebenfalls unter einem Hut, so groß wie ein Wagenrad verstecken mussten, wie ich dies tat. Ohne meine Antwort abzuwarten, hatte sie sich auf den freien Stuhl an meiner anderen Seite gesetzt und blickte mich nun neugierig an.

    Ich nickte zögernd und suchte in meinem Hinterkopf verzweifelt nach ihrem Namen. Sie war vor einem Jahr Schulsprecherin gewesen, doch aktuell war mein Kopf von den schlechten Nachrichten wie leergefegt und ich hätte mich wohl nicht einmal mehr an ihr Gesicht erinnert, hätte sie nicht direkt vor mir gesessen.

    Sie streckte mir die rechte Hand entgegen.

    „Charleen. Mein Vater ist der Laird einer der größten irischen Provinzen. Ich wollte dir nur sagen, dass ich gehört habe, was bei euch grad so abgeht. Und natürlich, dass wir uns niemals wie die Schotten dem Englischen Bündnis anhängen würden, sondern weiterhin für die Freiheit und Unabhängigkeit jedes Volkes kämpfen werden", erklärte sie mir, ohne ein einziges Mal Luft zu holen. Befremdet musterte ich sie. Was bei uns gerade so ‚abging‘ hatte sie also gehört. Klang für mich, als ob es sich um eine einzige große Party handeln würde. Abgesehen davon war ihr Land ja mindestens ebenso betroffen wie Luandia und außerdem viel näher dran an den Kriegsgegnern als wir.

    Dennoch fand ich es allerdings ganz nett von ihr, dass sie herüberkam um mit mir zu sprechen. Warum sie Schottland hatte erwähnen müssen, wo Sarah direkt neben mir saß, blieb mir allerdings ein Rätsel.

    Ihren Worten und ihrem Tonfall entnahm ich, dass sie durchaus wusste, wer neben mir saß.

    „Danke Charleen. Weißt du, ich denke, dass es das Beste ist, diesen Krieg nicht in unsere Gemeinschaft zu lassen. Wir sind doch alles junge Menschen mit dem Ziel, unsere Ausbildung zu beenden. Hier entstehen Freundschaften, die ein Leben lang halten können, wenn wir uns nicht damit aufhalten, kleinliche politische Konflikte einen Keil zwischen uns treiben zu lassen. Es tut gut zu wissen, dass meine Heimat stets auf tapfere und starke Verbündete zählen kann und trotzdem habe ich noch die Hoffnung, dass wir aus dieser Situation herauskommen, ohne dass viele Menschenleben sinnlos geopfert werden", erklärte ich. Ich fühlte Sarahs Blick auf mir ruhen und konnte ihren stummen Dank spüren, ohne sie anzusehen.

    „Ich wollte nur helfen. Bei Schottland können wir uns ja so oder so sicher sein, dass sie ihre Bündnisse schneller verraten als eine Fahne die Richtung im Wind wechselt." Sarah und ich wechselten einen fassungslosen Blick. Meinte diese Charleen ernst, was sie gerade gesagt hatte? Sie verzog keine Miene, lächelte weiterhin ein perfektes Prinzessinnen-Lächeln.

    „Danke vielmals. Ich denke nicht, dass dies nötig ist", entgegnete ich, ohne einen schlaueren Einfall zu haben.

    Charleen schien meine Meinung nicht zu teilen, schwang die Haare über die Schulter und kehrte ohne weitere Äusserungen zu ihrem Platz zurück.

    „Ist es jetzt schon soweit?", fragte Sarah niedergeschlagen. Sie war kein Mensch, der sich von anderen die Laune verhageln ließ, aber heute schien alles ein wenig anders zu sein.

    „Der Krieg wird auch vor unserer Schule nicht Halt machen", erklärte ich mit unangenehmer Gewissheit.

    Am Abend lag ich auf meinem Bett, während Sarah in ihrem einen Film anschaute. Da sie Kopfhörer trug, konnte ich nur hin und wieder ihr Lachen hören, ohne etwas von der Handlung mitzubekommen. Sie schien sich von Charleens Beleidigung besser erholt zu haben, als ich gedacht hatte. Mir hingegen geisterten die Nachrichten aus der Heimat noch immer durch den Kopf und ich war im Geiste weit weg. Ein Surren riss mich aus meinen Gedanken. Mein Telefon blinkte aufgeregt und zeigte einen neuen Anruf mit einer ausländischen Vorwahl an. Wer bitteschön, der nicht aus Luandia oder der Schweiz stammte, besaß denn meine Mobilnummer? Alle meine Mitschülerinnen, denen ich die Nummer anvertraut hatte, waren auch als Kontakte eingetragen, da einige von ihnen mir schon die grässlichsten Schauergeschichten über unbekannte Nummern erzählt hatten. Seitdem war ich gewarnt, überhaupt nichtgespeicherte Nummern anzunehmen. Doch nach den Nachrichten vom Nachmittag war ich mir fast sicher, einen wichtigen Anruf zu verpassen, wenn ich diese Nummer wegdrückte.

    „Ja?", meldete ich mich zögerlich, nannte meinen Namen absichtlich nicht.

    „Siara", die Stimme am anderen Ende hatte ich seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr gehört. Der atemlose Unterton sorgte dafür, dass ich einen Augenblick brauchte, um zu erkennen, wer mich anrief.

    „Cedric?", fragte ich unsicher. Warum sollte er mich anrufen? Von allen Männern die ich im Rahmen meiner Sendung im letzten Herbst kennengelernt hatte, war er der Einzige gewesen, der sich seit unserem Abschied in Luandia nicht ein einziges Mal gemeldet hatte. Alle anderen hatten mir geschrieben oder mich ab und zu angerufen.

    „Siara", sagte er erneut, es klang gleichzeitig herzlich und besorgt.

    „Wie geht es dir?", da ich nicht geantwortet hatte, übernahm er die Fortsetzung unseres Gesprächs. Ich brauchte einige Augenblicke, um meine Gedanken zu ordnen. Erst langsam dämmerte mir, dass ich noch nicht wirklich viel zu unserem Gespräch beigetragen hatte.

    „Ich habe gehört, was in Luandia gerade passiert, da wollte ich hören, wie du dich fühlst. Bist du zu Hause oder noch in der Schweiz?", als ich nicht sofort reagierte, sprach Cedric einfach weiter und ich war vollkommen erstaunt. Konnte es sein, dass er ebenfalls nervös war? Er,

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