Neonomaden, Shuttles, Cybertouristen: Die Zukunft des Wohnens in der digitalen Zivilisation
Von Stephan Rammler
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Buchvorschau
Neonomaden, Shuttles, Cybertouristen - Stephan Rammler
Impressum
Stephan Rammler
Neonomaden, Shuttles, Cybertouristen
Die Zukunft des Wohnens in der digitalen Zivilisation
1. Einleitung: Megatrends und Wohnwandel
Die Megatrends des demografischen Wandels, der Urbanisierung und der Digitalisierung schaffen eine neue und zunehmend extreme Knappheit an Lebensraum und Lebensqualität, insbesondere in den urbanen Regionen. Sie eröffnen aber womöglich auch Chancen für die Entwicklung neuer, nachhaltigerer Lebensstile und Wohnformen. An idealtypischen Szenarien – »Alles! Immer! Sofort! – Das Schlaraffenideal neo-nomadischer Just-in-time-Lebensstile« und »Rasender Stillstand – Die neue digitale Sesshaftigkeit in Stadt und Land« – soll in diesem Beitrag über mögliche Entwicklungen spekuliert werden, die beide stark durch die Digitalisierung getrieben werden könnten, jedoch auf völlig unterschiedliche Art und Weise. Insofern können sie – je nach eigener Haltung und Einstellung – auch als Prototypen einer aus gesamtgesellschaftlicher Sicht wohl eher zu befürchtenden weiteren Mobilisierung, Beschleunigung und Flexibilisierung des Lebens einerseits und der womöglich eher als wünschenswert empfundenen möglichen Entkopplung von Wohnen, Arbeit und Mobilität andererseits interpretiert werden.
Doch diese Entwicklungen treffen nicht auf die Tabula rasa einer unformatierten Welt, sondern auf die Wirtschafts-, Raum-, Verkehrs- und Siedlungsstrukturen hochinterdependenter Gesellschaften, die eine lange Geschichte hinter sich haben. Diese auch als »Pfadabhängigkeit« interpretierbare »Macht der Anfänge über die Zukunft« definiert die Spielräume und Wahrscheinlichkeit des Eintretens unterschiedlicher Zukunftserwartungen und damit auch die Frage der Gestaltbarkeit und Gestaltungsnotwendigkeit durch Politik, Unternehmen und Zivilgesellschaft.
2. Wo ist zu Hause? Wohnwandel zwischen Kulturkritik und Apologie
Das ganze Elend kommt daher, dass die Menschen nicht zu Hause bleiben.¹ Wenn die Menschen zu Hause blieben, so sinngemäß der französische Philosoph Blaise Pascal, müssten sie ihre Körper nicht unmäßigen Strapazen aussetzen, und die Seele hätte die Muße, derer sie bedarf, um zum Frieden zu finden. Wo ist zu Hause? Diese Frage konnte Pascal für sich gut beantworten, heute aber ist sie für viele Menschen prekär geworden. Versteht man »zu Hause sein« oder »sich heimisch zu fühlen« psychologisch, als subjektives Empfinden für »gelungenes Wohnen« mit Gefühlen von Stabilität, physischer Sicherheit und Wohlbefinden, mit sozialer Zugehörigkeit und Eingebundenheit, so kann man diesbezüglich ein wachsendes Unbehagen in der wissenschaftlichen und öffentlichen Diskussion darüber feststellen, dass »gelungenes Wohnen« sich offenbar immer weniger einstellt.
Durch politische und ökonomische Internationalisierung, die rasante digitaltechnologische Innovation und kulturellen Wandel werden starke Schübe der Mobilisierung, Flexibilisierung und Beschleunigung in allen Nischen des modernen Lebens ausgelöst, insbesondere aber in den eng verknüpften Bereichen der Mobilität, des Arbeitens und Wohnens. Die Folgen sind häufige Umzüge, neue flexible Wohnformen, in bestimmten Berufsgruppen ein regelrechtes Nomadendasein, unterstützt von den sogenannten »choses nomadique« ² neuester digitaler Verkehrs- und Kommunikationstechnologien. Das Wohnen gerät also immer mehr in Bewegung, und das in einem Tempo, dass dieser für zunehmend viele Menschen oft nur schwer zu verarbeitende soziale Wandel Empfindungen der Entwurzelung, des Sinnverlustes und der Verlassenheit verursacht. Für die kritische Fachöffentlichkeit stellt sich das Problem noch einmal anders dar: Man macht sich Sorgen um die erodierenden Fundamente gesellschaftlicher Solidarität und des sozialen Zusammenhalts.³
Doch Kulturkritik allein würde der Sache nicht gerecht werden. Wie viele andere soziale Phänomene organisiert sich das