Die Energiewende: zwischen Vision und Wirklichkeit
Von Stephan Schmitz
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Die Energiewende - Reinhard Haupt
Der SCM Verlag ist eine Gesellschaft der Stiftung Christliche Medien, einer gemeinnützigen Stiftung, die sich für die Förderung und Verbreitung christlicher Bücher, Zeitschriften, Filme und Musik einsetzt.
ISBN 978-3-7751-7314-8 (E-Book)
ISBN 978-3-7751-5685-1 (Lieferbare Buchausgabe)
Datenkonvertierung E-Book:
Beate Simson, Pfaffenhofen a. d. Roth
© der deutschen Ausgabe 2015
SCM Verlag GmbH & Co. KG · 71088 Holzgerlingen
Internet: www.scmedien.de · E-Mail: info@scm-verlag.de
Herausgegeben von der
Studiengemeinschaft Wort und Wissen e.V.
www.wort-und-wissen.de
Satz: Studiengemeinschaft Wort und Wissen, Baiersbronn
Umschlaggestaltung: Kathrin Spiegelberg, Weil im Schönbuch
Titelbild: shutterstock.com
Inhalt
1. Die Energiewende zwischen Vision und Wirklichkeit: Editorial
(Reinhard Haupt, Werner Lachmann, Stephan Schmitz)
2. Auf der Suche nach Utopia – die Rolle der Medien in der Energiewende
(Matthias Vollbracht)
3. Die Erneuerbaren Energien auf dem Weg in die Zukunft
(Fred Jung)
4. Die deutsche Energiewende – an Werten gemessen
(Gert Maichel)
5. Klimapolitik und globale Marktwirtschaft: Zwischen dirigistischer Vision und libertärem Ideal
(Karl Farmer)
6. Konventionelle Kraftwerke im Blickwinkel der Energiewende
(Karl-Heinz Schmidt)
7. Gegenwartspotenziale und Zukunftsperspektiven der Geothermie
(Rafael Schäffer)
8. Energiezukunft zwischen Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit
(Thomas Gebhart)
Zu den Herausgebern und Autoren
Informationen zu den Veranstaltern der Wirtschaftsfachtagung
[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
1. Die Energiewende zwischen Vision und Wirklichkeit: Editorial
Reinhard Haupt, Werner Lachmann, Stephan Schmitz
„Für meinen augenblicklichen Gewinn verkaufe ich nicht meine Zukunft – diese Einsicht von Werner von Siemens, dem Gründer des gleichnamigen Weltkonzerns, erinnert an den Spannungsbogen, der sich in dem Untertitel zur Energiewende ausdrückt: „… zwischen Vision und Wirklichkeit
. Eine Vision hat mit der Zukunft, die Wirklichkeit dagegen mit der Gegenwart zu tun. Visionen deuten an, was morgen sein könnte, die Wirklichkeit beschreibt das, was heute tatsächlich ist: Hier ein mögliches Zukunftsszenario und -potenzial, dort die Gegenwartsrealität und -aktualität.
Für den Verantwortungsträger im Wirtschaftsleben verbieten sich sowohl der verengte Scheuklappenblick auf das, was schon immer war, als auch die Illusion um weltfremde Utopien. Er hat sich um den schmalen Grat zwischen gegenwärtigen und zukünftigen Bedingungen, zwischen realistischen und nachhaltigen Lösungen, zwischen Wirklichkeiten und Möglichkeiten zu bemühen.
Auch der Entscheidungsträger im Energiesektor in Politik und Unternehmen, in Wissenschaft und Wirtschaft, in Gesellschaft und Medien sieht sich diesem Balanceakt zwischen Erfolgsbedingungen von heute und Zukunftsherausforderungen von morgen gegenüber. Weder Verdrängung von denkbaren Entwicklungen noch Blauäugigkeit gegenüber Zukunftsträumen sind Ausdruck verantwortungsvoller Problembewältigung.
Es liegt nahe, die „Energiewende", jenes ehrgeizige Programm einer resoluten Umsteuerung der Energieversorgung in Deutschland seit 2011, unter diesem doppelten Blick nachzuzeichnen, zu analysieren und zu beurteilen: zum einen die Vision dieses Projekts und dessen Orientierung an Zukunftsmöglichkeiten, aber zum anderen auch die Wirklichkeit des Hier und Heute. Wunschdenken ist ein fataler Ratgeber für visionäre Gestaltung – wie umgekehrt eine Vergangenheitsnostalgie den Blickwinkel verengt. „Vision und Wirklichkeit" beschreibt die weite Perspektive eines Verantwortlichen für Energiefragen mit Mut und Wachheit für Neues sowie mit Nüchternheit und Pragmatik gegenüber Bewährtem.
Energie von morgen in der Gesellschaft von heute
Die Zukunftsherausforderungen des Energieproblems konzentrieren sich besonders auf seine globalen Folgen. Hier ist vor allem an Schadstoffemissionen zu denken, die mit dem Energieeinsatz verbunden sind. Die Emissionen können die Gesundheit und die Umwelt betreffen, aber auch – über den Kohlendioxidausstoß – eventuell Klimaveränderungen hervorrufen. Es ist sicher nicht unumstritten, ob die globale Erderwärmung der letzten Jahrzehnte allein, primär oder überhaupt dem steigenden Energieverbrauch anzulasten ist. Aber an dieser Stelle mag der Hinweis genügen, dass eine CO2-ärmere Energieverwendung sehr wahrscheinlich günstige Klimafolgen aufweist.
Weitere Zukunftswirkungen der Energieverwendung gehen von dem Verbrauch an (nicht-erneuerbaren) Energievorkommen in der Natur aus, nämlich an fossilen Ressourcen wie Erdgas oder Erdöl. Auch hier sind Voraussagen, nämlich Prognosen über die Erschöpflichkeit der Energieressourcen, mit manchen Unsicherheiten belastet. Einerseits werden immer wieder neue Fundstätten fossiler Vorkommen entdeckt. Andrerseits eignet sich mit zunehmender technologischer Reife auch mehr und mehr die Exploration von ehemals kaum erschließbaren Energiereserven.
Aber die Energiewende ist auch mit Gegenwartsherausforderungen verbunden. Hier ist vor allem an die Leistungskraft der Wirtschaft zu denken, die durch eine einschneidende Energiepolitik negativ betroffen sein kann. Die Kostenbelastung der energetischen Umsteuerung bleibt nicht ohne Folgen für die wirtschaftliche Tragfähigkeit der Verbraucher und für die Ertragskraft der Unternehmen. Eine spürbare Verteuerung der Strompreise kann kritische betriebliche Ergebniswirkungen hervorrufen, mit allen Konsequenzen von Risiken der Arbeitsplatzerhaltung. Besonders im internationalen Zusammenhang wird eine deutsche energiepolitische Insellösung einen Druck auf die weltweite Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen ausüben.
Der abrupte Atomausstieg: gut gedacht, aber nicht gut durchdacht
Unmittelbarer Anlass der „Energiewende" war der Tsunami vor der japanischen Ostküste vom 11. März 2011, der unter anderem zu Störfällen im japanischen Kernkraftwerk Fukushima führte. Bei diesem außergewöhnlich heftigen Beben der Stärke 9 auf der (logarithmischen) Richterskala – mit anderen Worten ein 32-mal stärkeres Beben als ein solches der Stärke 8 – sowie einer Flutwelle von 13–15 Metern schalteten zwar alle Reaktorblöcke vorschriftsmäßig automatisch ab; allerdings gelang es wegen der Zerstörung der Kühlsysteme nicht, die Restwärme abzuführen. Aller Wahrscheinlichkeit nach wäre es in Deutschland nicht zu einem solchen Katastrophenszenario gekommen, da für ein Kernkraftwerk im Küstenbereich hierzulande der Anlagenschutz gegen eine Flutwelle höher als die 10-Meter-Mauer von Fukushima dimensioniert werden muss.
Der radikale Ausstieg aus der Kernkraft, den Deutschland nach dem Fukushima-GAU in Gang gesetzt hat, wird weltweit praktisch nirgends in dieser Schärfe geteilt, nicht einmal in Japan. Zum einen hat die mediale Panikmache oft den suggestiven Eindruck erweckt, als seien die mehr als 15.000 Toten der Flutwelle ein Opfer des Reaktorunfalls – in Wirklichkeit sind bisher weniger als 5 Tote als Folge der Atomkatastrophe nachweisbar (allerdings abgesehen von den zukünftig noch zu befürchtenden, in ihrer Gesamtzahl schwer einschätzbaren langfristigen Strahlenopfern). Zum anderen werden mit dem radikalen Atomausstieg die hohen Sicherheitsstandards deutscher Kernkraftwerks-Technologien abgerüstet und, in einer Übergangszeit, durch Atomstromimporte aus dem weniger sicherheitsbewussten Ausland ersetzt. „Welchen Sinn macht es …, Europas sicherste Meiler abzuschalten und so die verbleibenden in unserer Nachbarschaft noch weniger verzichtbar zu machen?" (von Rohr 2012, S. 8). Gerade die überstürzte deutsche Energiewende hat einige ehemals prominente Öko-Aktivisten, wie Stewart Brand, in einer mittlerweile vorsichtigen Befürwortung der Kernenergie bestärkt (vgl. Brand 2011). Der Atomausstieg als eine Säule der Energiewende ist gut gedacht, aber weder gut durchdacht noch gut gemacht.
Klimakatastrophe oder Katastrophenklima?
Der Fukushima-Schock als unmittelbarer Anlass der Energiewende wird von länger zurückreichenden Ursachen überlagert, nämlich von der behaupteten globalen Klimaveränderung aufgrund des steigenden Kohlendioxidausstoßes.
Eine Zunahme anthropogener, zivilisationsbedingter CO2-Emissionen der letzten Jahrzehnte ist ebenso wie eine Erderwärmung unübersehbar. Aber die Positionen der „Klimapropheten und „Klimaskeptiker
gehen deutlich auseinander, was das Ausmaß der als menschengemacht angesehenen Temperaturzunahme betrifft. Die Anfragen an den mainstream der Klimatologen lauten etwa: Werden der Temperaturanstieg im 21. Jahrhundert tatsächlich bis 3,7 Grad und die damit verbundene Anhebung des Meeresspiegels bis 2 Meter reichen, wie vom UN-Klimarat in einem Extremszenario erwartet? Wie erklärt sich die trotz CO2-Emissionszunahme stagnierende Erwärmung in den Jahren seit der Jahrtausendwende? Muss man dem Wärmeanstieg nicht auch einen Wohlstands- und Gesundheitsgewinn entgegenrechnen (höhere Getreideernten, geringere Heizkosten, rückläufige Zahlen an Kältetoten u. a.) (vgl. Lomberg 2013)? Angesichts der vielen Unwägbarkeiten in den Prognosemodellen zur Klimaentwicklung verdient die Einsicht eines „Klimarealisten zwischen Klimahysterie und Klimaleugnung Beachtung: „Wir müssen nicht nur unser Wissen kommunizieren, sondern auch die Unsicherheit unseres Wissens
(von Storch 2013). Ein solcher moderater Umgang mit der „Klimakatastrophe würde das „Katastrophenklima
in der öffentlichen Diskussion spürbar entschärfen.
Die aktuellen Klimaziele der EU vom Oktober 2014 streben eine Verringerung des CO2-Ausstoßes bis 2030 um 40 % gegenüber dem Bezugsjahr 1990 an. Voraussetzung ist ein entsprechender Konsens auf dem Klimagipfel Ende 2015 in Paris mit den anderen großen Emittenten China, USA, Indien, Russland und Japan. Ein solcher Vorbehalt einer Abstimmung unter diesen führenden Industrie- und Emissionsregionen ist nachvollziehbar, da diese in der Summe für zwei Drittel des weltweiten Kohlendioxidausstoßes aufkommen (o.V. 2014b).
Das „Erneuerbare-Energien-Gesetz" (EEG): mit Energie in grüne Energie!
Auch wenn der Begriff „Energiewende erst seit 2011 die öffentlichen Schlagzeilen beherrscht, sind Weichen für eine weitreichende Wende in Deutschland schon im Jahre 2000 mit dem „Erneuerbare-Energien-Gesetz
(EEG) gestellt worden. In der Tat gibt es starke Argumente für den massiven Ausbau erneuerbarer Energien, vor allem durch die Nutzung der Sonnen-, Wind- und Biomasseenergie. Zum einen verursacht der Energieeinsatz aus regenerativen Quellen, im Gegensatz zu fossilen Energieträgern, keinen Kohlendioxidausstoß, ist also mit Sicherheit klimaneutral. Zum anderen stellt er, ganz anders als die Kernenergienutzung, eine weitgehend risikolose Energietechnologie dar. Schließlich stehen grüne Energien unerschöpflich zur Verfügung, wobei sowohl an unbegrenzte physikalische Verfügbarkeit als auch daran zu denken ist, dass Sonne und Wind natürlich keinem politischen Risiko eines Energieboykotts aus Krisenregionen unterliegen – wie dies beim Erdgasbezug aus Russland oder bei Erdöllieferungen aus Nahost durchaus vorstellbar ist.
Das EEG hat das private Investment in z. B. Photovoltaikanlagen und Windparks mit großzügigen Vergütungen für die Einspeisung von Ökostrom subventioniert und unübersehbar angeregt. Das massive Wachstum von Sonnen- und Windstrom verdankt sich vor allem einem sicheren Planungshorizont der Investoren von 20 Jahren und der Garantie einer sicheren Abnahme des regenerativ erzeugten Stroms. Die Auszahlungen an die Betreiber von Strom aus erneuerbaren Quellen umfassten z. B. in 2014 den bisherigen Jahresspitzenwert von gut 21 Mrd. €. Aufgrund dieses gigantischen Fördervolumens ist der Anteil von Ökostrom am gesamten Strommix von 17 % (in 2009) in nur 4 Jahren auf knapp 27 % (in 2013) angewachsen – nahezu spiegelbildlich zum Rückgang an Atomstrom, dessen Anteil im gleichen Zeitraum von 23 % auf 15 % gesunken ist.
Der „Streichelzoo" des Ökostroms: die Marktferne des EEG
Die offensichtliche Motivation für das EEG krankt indessen an seiner definitiven