Klimaschutz und Energiesicherheit: Wie die Schweiz eine rasche und gerechte Wende schafft
Von Roger Nordmann
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In «Klimaschutz und Energiesicherheit» skizziert Roger Nordmann konkret, wie die Schweiz mithilfe eines Klimafonds bis spätestens 2050 das Ziel von Netto-Null erreichen kann. Denn es gibt einen Weg, um gemeinsam die globale Erwärmung aufzuhalten. Investitionen in eine sichere und saubere Energieversorgung erlauben es zudem, effektiven Klimaschutz nicht nur pragmatisch, sondern auch sozial gerecht zu gestalten.
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Buchvorschau
Klimaschutz und Energiesicherheit - Roger Nordmann
1. Einleitung: Ein Weg und eine Methode zum Handeln
In den letzten 200 Jahren haben sich die Lebensbedingungen der Menschen enorm verbessert; dieser Fortschritt darf nicht aufgegeben werden. Die Verbesserung ist nicht nur auf zunehmendes Wissen und mehr Bildung zurückzuführen, sondern auch auf den Einsatz grosser Mengen an natürlichen Ressourcen und Energie. Wir sind noch nicht am Ende dieses Prozesses angelangt. Milliarden Menschen leben noch immer in höchst prekären Verhältnissen und wollen zu Recht am Fortschritt teilhaben.
Leider gingen die Verbesserungen unserer Lebensbedingungen weitgehend auf Kosten der Umwelt. Die natürlichen Ressourcen werden immer knapper. Das gilt nicht nur für die fossilen Energieträger, also Erdöl, Erdgas und Kohle, sondern auch für die Mineralien und den Boden. Die Überbeanspruchung der natürlichen Ressourcen ist bereits deutlich sichtbar, ebenso der Rückgang der Artenvielfalt. Gleichzeitig beschleunigt sich die globale Klimakrise; sie stellt für die Menschen, Tiere und Pflanzen eine existenzielle Bedrohung dar. In der Schweiz spüren wir dies deutlich mit Hitzewellen, andauernder Trockenheit, Überschwemmungen und schmelzenden Gletschern. Anderswo sind die Auswirkungen noch gravierender: Hunderte Millionen Menschen leiden heute unter wiederkehrenden Hitzewellen von fast 50 Grad und schrecklichen Dürren.
Wenn es uns als Menschheit nicht gelingt, diese negative Entwicklung zu bremsen oder zu stoppen, riskieren wir eine erhebliche Verschlechterung unserer Lebensbedingungen. Es ist ein Paradox, das wir überwinden müssen: Unsere Anstrengungen, um unser Leben zu verbessern, gefährden dessen Grundlagen. Es geht also nicht einfach darum, «den Planeten zu retten», sondern eigentlich darum, den Menschen die Möglichkeit zu erhalten, auf diesem ohne Klimakatastrophen zu leben.
Mit Recycling von Materialien und nachhaltigerer Agrar- und Ernährungswirtschaft wäre eine Kurskorrektur beim Boden, den Mineralien und der biologischen Vielfalt möglich. Mit Recycling lässt sich dagegen weder unsere Abhängigkeit vom endlichen Vorrat an fossilen Energieträgern lösen noch die globale Erwärmung durch deren Verbrennung bremsen: Beim Verbrennen von fossilen Kohlenwasserstoffen oder Kohle wird die darin enthaltene Energie verteilt und CO2 freigesetzt, das jahrhundertelang in der Atmosphäre bleibt und den Planeten dauerhaft aufheizt. Dieser Prozess liesse sich nur umkehren, indem wir mehr Energie zuführen, als durch die ursprüngliche Verbrennung gewonnen wird. Das ist physikalisch unmöglich.
Heute ist klar, dass die menschliche Zivilisation nicht länger auf fossile Brennstoffe setzen kann:
Erstens, weil sich die Vorräte an Kohlenwasserstoffen rasch erschöpfen. Das führt zu Versorgungsengpässen und damit verbunden zu Preissteigerungen. Dies gilt auch für unsere Stromversorgung. Denn zwei Drittel der weltweiten Elektrizität werden mit fossiler Primärenergie erzeugt; in Europa ist es ein Drittel.
Zweitens trägt die Überbeanspruchung der fossilen Ressourcen zur Verschärfung der geopolitischen Spannungen bei. Die Versuchung steigt, sich die Bodenschätze mit militärischer Gewalt anzueignen; gerade für autoritäre Regimes ist sie besonders gross. Diese sehen in der Ressourcenplünderung – zu Recht oder zu Unrecht – ein Mittel, um an der Macht zu bleiben. Wenn wir unsere Ausbeutung nicht beenden, steigt die Kriegsgefahr. Nicht zu vergessen ist die Gefahr, dass mit künftigen Knappheiten kolonialistische Gewalt legitimiert wird.
Drittens stammen die Treibhausgasemissionen zu drei Vierteln aus der Verbrennung fossiler Energieträger [1]. Das Klima schützen bedeutet, auf fossile Brennstoffe zu verzichten. Die Energiewende und der Klimaschutz sind zwei Seiten derselben Medaille.
Aus all diesen Gründen muss der Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen auf globaler Ebene schnell organisiert werden, und zwar ohne dabei den Rückgang der Biodiversität sowie andere Umweltprobleme zu verschärfen. Einige sehen diese Energiewende als einen philosophischen oder ethischen Imperativ, andere erkennen darin einfach unser Interesse als Menschen, die Grundlagen unserer eigenen Existenz zu erhalten.
Dieses Bewusstsein hat sich auf dem gesamten Planeten verbreitet. Es hat zur Ratifikation wichtiger internationaler Abkommen geführt, um unterschiedliche natürliche Ressourcen zu schützen, insbesondere das Klima. Diese gegenseitigen staatlichen Verpflichtungen haben jedoch nur dann einen Wert, wenn sie auf nationaler Ebene umgesetzt werden und dort wirken. Angesichts der schwierigen Umsetzung drohen die Abkommen allerdings zu Papiertigern zu verkommen. Glücklicherweise sind jedoch viele Länder wegen der lokalen Umweltbelastungen und der hohen Importkosten daran interessiert, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu reduzieren.
Natürlich kann die Schweiz, die einen Tausendstel der Weltbevölkerung und der weltweiten Emissionen ausmacht, die globale Erwärmung nicht allein stoppen. Aber wenn sie ihren Teil nicht beiträgt – oder angesichts ihres Reichtums sogar noch etwas mehr Verantwortung übernimmt –, wie kann sie dann erwarten, dass die grossen Länder ihre Verantwortung wahrnehmen? Die Schweiz ist Teil der Welt. Sie muss wie alle Staaten handeln. Als Finanzplatz steht sie zudem besonders in der Verantwortung, da sie beeinflussen kann, wie Investitionen global getätigt werden – insbesondere im Rohstoff- und Energiebereich.
Wir stehen vor einer grossen Herausforderung: Dem zunehmenden Bewusstsein, dass unsere Lebensgrundlagen bedroht sind, müssen ein klarer Weg und eine festgelegte Strategie für deren Erhalt folgen. Sonst droht, dass sich die Gesellschaft spaltet: Viele werden an den Massnahmen verzweifeln, weil sie diese als zu schmerzhaft empfinden, sich verweigern und den Stillstand wählen. Andere wiederum werden die Massnahmen für ungenügend halten, die Apokalypse vorhersagen und sich von Verzweiflung lähmen lassen. Es besteht die Gefahr, dass sich die Gesellschaft in Empörte und Resignierte spaltet, was mutiges und rationales Handeln hemmt.
Um dieses Dilemma zu vermeiden, negieren einige die kollektive und politische Dimension des Problems. Sie versuchen die Energie- und Klimafrage gänzlich auf die individuelle Verantwortung zu schieben. Der Traum, dass persönliches Handeln die Rettung bringt, ist psychologisch nachvollziehbar, aber eine Sackgasse im Kampf gegen die Erderwärmung. Zwar kann jede und jeder mit freiwilligem Anpassen des Verhaltens einen wichtigen Beitrag leisten – zum Beispiel weniger fliegen oder weniger Fleisch essen. Doch etwa im Energiebereich zeigen die Zahlen und Fakten deutlich: Eine Einzelperson hat nur begrenzt Einfluss auf die eigenen Emissionen. Deren Ausmass hängt stark vom System ab, in dem sie lebt. Ihre Möglichkeiten sind limitiert. Zudem ist eine Einzelperson erfahrungsgemäss ohne klare Vorgaben und kollektiven Rahmen nur begrenzt bereit, ihre wenigen persönlichen Hebel auch zu nutzen.
Nicht zu vernachlässigen ist die Gruppe der Resignierten, die nicht handeln will. So stellte der CEO von IKEA etwas zerknirscht fest, dass sich zwar 75 Prozent seiner Kundinnen und Kunden Sorgen um das Klima machen. Aber nur drei Prozent sind bereit, mehr zu zahlen, um die Auswirkungen ihres Einkaufs auf das Klima zu verringern [2, S. 23]. Es ist naiv, zu hoffen, dass sich das Problem durch Anpassen des persönlichen Verhaltens löst. Kollektives, politisches Handeln ist unumgänglich.
Schliesslich muss an dieser Stelle noch eine letzte Illusion ausgeräumt werden: Viele Nostalgikerinnen und Nostalgiker glauben immer noch, dass mit der Rückkehr zur früheren Lebensweise die Klimaveränderung beseitigt werden könnte. Ihre Idee: Wie in den guten alten Zeiten bewirtschaften viele Landwirtinnen und Landwirte ihr kleines Landstück. Eine Gesellschaft, die ihre Maschinen und Roboter abschaltet und stattdessen auf lokale Wirtschaft und Energieverzicht setzt, würde uns von unseren Qualen befreien. Doch die Geschichte lässt sich nicht zurückspulen; und eine solche Lebensweise würde acht, neun oder bald zehn Milliarden Menschen kein menschenwürdiges Leben ermöglichen.
Die Strategie muss sich also in die Logik der globalen Gerechtigkeit einbetten und folgende Anforderungen erfüllen: sich so schnell wie möglich von fossilen Energieträgern befreien, sich nicht bloss auf Einzelpersonen verlassen, nicht in Weltuntergangsrhetorik verfallen und nicht die Zeit zurückdrehen wollen. Stattdessen braucht es eine glaubwürdige politische Strategie für ein kollektives, klares, mobilisierendes und verständliches Handeln.
Angesichts des Ausmasses dieser Herausforderung und der anstehenden Transformation ist entscheidend, dass diese sozial gerecht erfolgt. Ist dies nicht der Fall, gerät der Prozess früher oder später ins Stocken – vor allem wenn sich diverse Ängste der Bürgerinnen und Bürger summieren. Zur Furcht vor immer stärker werdender Erwärmung wird sich die Angst vor dem wirtschaftlichen Abstieg gesellen. Das geht einher mit der Ahnung, dass diese beiden Gefahren zusammenhängen: Die globale Erwärmung wirkt sich wirtschaftlich schädlich aus.
Dieser Zusammenhang könnte zu einem regelrechten Teufelskreis werden: Einerseits wird alles knapper und teurer, wofür es natürliche Ressourcen braucht, insbesondere Nahrungsmittel, Energie und verarbeitete Gegenstände. Das schränkt den Spielraum ein, wirksame Massnahmen gegen die Erderwärmung durchzusetzen. Andererseits besteht die Gefahr, dass schlecht abgestimmte Eingriffe die Kaufkraft der unteren und mittleren Einkommensschichten untergraben. Solche Massnahmen würden sicherlich abgelehnt, was zu einem Stillstand führt, der die Probleme noch verschärft.
Es ist daher zwingend, eine Strategie zu entwickeln, die sowohl ein wirksames Handeln als auch eine gerechte Verteilung der Anstrengungen gewährleistet. Mit anderen Worten: Es ist an der Zeit, ein konstruktives, gerechtes und hoffnunggebendes Projekt zu entwickeln.
Die Energiewende kann unsere Lebensqualität verbessern. Natürlich erfordert sie zuerst Anstrengungen, die deutlich spürbar sind und unsere Gewohnheiten bis zu einem gewissen Grad verändern. Aber sie enthält auch die Aussicht auf eine Welt, die frei ist von fossilen Brennstoffen und deren schädlichen Auswirkungen wie auch der damit verbundenen geopolitischen Spannungen. Dazu kommt die Aussicht auf eine Zufriedenheit, die weniger von der materiellen Anhäufung abhängt, was für diejenigen, die bereits im Überfluss schwimmen, möglicherweise gar nicht schlecht wäre.
Für die Schweiz schlagen wir eine Strategie vor, die auf Investitionen basiert. Diese wird durch die Eidgenössische Volksinitiative «Für eine gerechte Energie- und Klimapolitik: Investieren für Wohlstand, Arbeit und Umwelt» konkretisiert, deren Kurztitel «Klimafonds-Initiative» lautet. Dieser Ansatz setzt auf effektive Massnahmen und gerechte Verteilung der Anstrengungen. Die Initiative schlägt vor, dass der Bund einen Klimafonds mit jährlich 0,5 bis 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) speist. Diese Mittel sollen dazu dienen, private und öffentliche Investitionen in die Energie- und Klimawende zu tätigen.
Die Verfassungsinitiative wurde im September 2022 lanciert und legt die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Grundlagen für eine Energiewende, die effizient und gerecht ist. Sie schlägt einen rationalen Weg und eine kohärente Methode vor, um bei der Energie- und Klimawende schnell voranzukommen. Das kollektive Handeln ermöglicht es, individuelle Verweigerung oder Verzweiflung zu überwinden. Die Initiative schafft eine Dynamik, in der individuelle Anstrengungen Teil des Gesamtgeschehens werden und einen nützlichen Beitrag leisten.
Konkret will die Initiative der Schweiz die nötigen Mittel zur Verfügung stellen, um ihre Anlagen, Infrastrukturen und Verfahren – insbesondere im Energiesektor – anzupassen. Sie soll es ermöglichen, die Energieversorgung radikal umzubauen und zu sichern, indem unser Land die Energie effizienter nutzt und auf einheimische, erneuerbare Energien setzt anstelle von massiven Importen fossiler Energieträger. Die Investitionskosten für erneuerbare Energien und die Steigerung der Energieeffizienz werden gesenkt, womit diese wirtschaftlicher werden als die fossilen Energien.
Die Initiative will auch die Treibhausgasemissionen aus Quellen reduzieren, die nicht mit der Energieverwendung zusammenhängen. Um diese Änderung schnell genug zu erreichen, schlägt sie vor, erhebliche Finanzmittel für Investitionen zu mobilisieren. Dabei ist zu beachten, dass die Anstrengungen gerecht verteilt werden.
Dieses Buch kann als Umsetzungsplan der «Klimafonds-Initiative» gelesen werden. Es behandelt zum einen, welche Veränderungen gegen die Klimakrise nötig sind. Andererseits wird aufgezeigt, wie mit einem Klimafonds diese Umstellungen finanziert und die anstehenden Anstrengungen gerecht verteilt werden. Es geht um nicht mehr und nicht weniger als das Bereitstellen der finanziellen Mittel, damit wir unsere internationalen Verpflichtungen erfüllen können, insbesondere diejenigen des Übereinkommens von Paris. Hierfür sind der private und der öffentliche Sektor gemeinsam verantwortlich.
Die Initiative zieht auch einige Lehren aus der Vergangenheit und lässt sich von diesen inspirieren. Die historische Erfahrung zeigt, dass wir in der Schweiz grosse kollektive Handlungsfähigkeit haben, um unsere Lebensbedingungen zu verbessern. Das gilt in wirtschaftlichen und sozialen Bereichen – etwa bei der Einführung der AHV, der Arbeitslosenversicherung oder der polytechnischen Hochschulen. Das gilt aber auch für die Infrastruktur – etwa für den schrittweisen Bau unserer Stromversorgung von den ersten Wasserkraftwerken bis zum Hochspannungsnetz.
Das Schlimmste ist immer möglich, aber nicht unvermeidlich: Mit politischem Willen lassen sich Umweltprobleme lösen. Das wissen wir in der Schweiz schon sehr lange. Bereits im Mittelalter galten Regeln, um die Wälder vor Abholzung zu schützen oder zum gerechten Aufteilen von Ressourcen wie Weideland oder Wasser. Schon damals wusste man, dass sich ohne Regulierung die Plünderung durchsetzt.
Wir verfügen also über eine relativ lange Erfahrung, wie sich Umweltschäden in bestimmten Bereichen reduzieren lassen. Das wohl symbolträchtigste Beispiel ist das Verbot, Abwasser in Flüsse zu leiten. Dies hat seit den 1950er-Jahren zum Bau eines Netzes von Kläranlagen geführt, wodurch eine hervorragende Wasserqualität wiederhergestellt werden konnte.
Ein weiteres Beispiel ist die Verstaatlichung des Bahnnetzes und die Gründung der SBB im Jahr 1902. Dieser visionäre Akt war der Ausgangspunkt für eine aussergewöhnliche Entwicklung in den folgenden 120 Jahren. Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit sind die neuen Alpentransversalen, die Renaissance der Trams oder der Bau einer U-Bahn.
Bezogen auf die aktuelle Herausforderung ist die Elektrifizierung des Bahnsystems am interessantesten: Sie erfolgte grösstenteils zwischen 1920 und 1945 und ermöglichte es, Kohle durch Elektrizität zu ersetzen. Das führte zu einem namhaften Effizienzgewinn [3]. 1920 verbrauchte die SBB durchschnittlich noch 190 KWh – grösstenteils aus importierter Kohle gewonnen – um einen Zug über einen Kilometer zu ziehen. Im Jahr 1945 waren für die gleiche Leistung nur noch 19 KWh nötig, hauptsächlich in Form von Elektrizität. Trotz längerer Züge mit mehr Sitzplätzen und mehr Gütertonnen ging der Fortschritt weiter. Im Jahr 2000 betrug der Verbrauch nur noch 14 KWh pro Zugkilometer. Bis 2021 sank er auf 11 KWh [4].
Die Elektrifizierung der Bahn zeigt beispielhaft, was wir nun in grossem Massstab wiederholen müssen. Es gilt den Grossteil unserer Anlagen und Infrastrukturen zur Energiegewinnung und -nutzung umzustellen.
Die Schweiz verfügt natürlich nicht allein über derartige Erfahrungen. Die europäische Integration aus den Trümmern des katastrophalen Zweiten Weltkriegs ist die Geschichte eines eindrücklichen Wiederaufbaus. Es erstaunt darum auch nicht, dass die Europäische Union die treibende Kraft ist im Kampf gegen die globale Erwärmung. Diese existenzielle Bedrohung verlangt von allen einen tiefgreifenden Umbau des Energiesystems. Zudem ist sie kollektiv und grenzüberschreitend, sie kann nicht allein durch die Nationalstaaten gelöst werden. Es ist auch kein Zufall, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten die Ukraine zuvorderst in einem Krieg unterstützen, in dem es auch um die Energiefrage geht.
All dies zeigt, dass die Schweizer Energie- und Klimapolitik den europäischen Kontext berücksichtigen muss. Die Umgestaltung unserer Energieproduktion und unseres Energieverbrauchs ist nicht nur eine klimapolitische Dringlichkeit (Überleben – Wohlstand), sondern auch eine geopolitische (Krieg – Frieden) und kulturelle (Beziehung zu anderen und zur Welt).
Damit alle Sektoren der Schweizer Volkswirtschaft klimaneutral werden, müssen wir zur Tat schreiten und die Grundlagen für den Umbau unseres Energiesystems legen. Dabei ist klar: Diese Investitionen verursachen anfänglich Kosten. Der Investitionsbedarf ist gewaltig, aber darauf zu verzichten würde auf lange Sicht kostspieliger und existenzbedrohend. Denn die knapper werdenden fossilen Energieträger werden immer teurer und die Klimakrise immer gravierender.
Das Fazit am Ende dieses Buches zeigt, dass wir den Übergang zu einem nachhaltigeren Lebensstil mit jährlichen Investitionen zwischen 2 und 2,5 Prozent des BIP über alle Sektoren hinweg schaffen. Private, Unternehmen, Kantone und Gemeinden werden einen Teil dieser Investitionen finanzieren. Damit reicht es, wenn der Bund den Fonds jährlich mit 1 Prozent des BIP ausstattet. Das ist – gemessen an der Gesamtstärke unserer Wirtschaftsleistung – eine durchaus machbare Investition. Wir haben die Mittel, und es lohnt sich, diese einzusetzen.
Teil I zeigt die energetischen und klimatischen Herausforderungen auf globaler Ebene. Dabei stellen wir fest, dass die Krise der fossilen Brennstoffe und die globale Erwärmung zwei Seiten derselben Medaille sind. Natürlich befassen wir uns auch mit der Situation in der Schweiz (Teil II). Es wird sich zeigen, dass dieser Zusammenhang bei uns noch stärker als auf der globalen Ebene ist. In diesem Teil skizzieren wir in groben Zügen die Transformation des Energiesystems im schweizerischen Kontext.
In Teil III untersuchen wir, warum sich die aktuelle Klimapolitik in einer ökologischen und sozialen Sackgasse befindet. Wir setzen uns mit ihren Grenzen und Unzulänglichkeiten auseinander, aber auch mit ihren Erfolgen. Dabei geht es auch darum, die Lehren aus der Ablehnung des CO2-Gesetzes im Jahr 2021 zu ziehen. Insbesondere stellen wir die absolute Dominanz des Verursacherprinzips in Frage. Wir stellen fest, dass dieses Prinzip, indem es mechanisch vorschreibt, dass die Energienutzenden die Kosten für Umweltbelastungen und Investitionen tragen müssen, zu Blockaden führt; zumindest wenn es dogmatisch angewandt wird. An dieser Stelle sprechen wir die sozialen und verteilungspolitischen Auswirkungen der Klimapolitik an.
Anschliessend erläutern wir die Logik, die unserem Ansatz zugrunde liegt, Investitionen zu unterstützen – mit einem kritischen Blick auf die unfruchtbare Kontroverse zwischen Investitionen und Verzicht. Wir erläutern auch, wie Investitionen dazu beitragen, fossile Energieträger vom Markt zu verdrängen (Teil IV). Im Vergleich zu früheren Transformationen zeichnet sich die Energiewende dadurch aus, dass sie öffentliche und private Massnahmen