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Das Erbe der Unsterblichen
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eBook360 Seiten5 Stunden

Das Erbe der Unsterblichen

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Über dieses E-Book

Elo Him, ein Unsterblicher, ist auf der Suche nach Überlebensraum für die Menschen und begibt sich auf eine gefährliche Reise in unser Sonnensystem. André Simon, einem deutschen Studenten, gelingt der Jahrhundertfund: eine unendliche, ökonomische Lichtquelle. Und Mike Leman, welcher das Schwert von König Artus herstellen kann, gerät in einen Strudel von Ereignissen, die er nie hätte ahnen können. In den spannenden Geschichten der drei Hauptcharaktere, jede für sich und doch mit einem geheimnisvollen Band miteinander verbunden, werden historische und mythische Überlieferungen auf eine Art und Weise eingebunden, die eine völlig neue Sichtweise auf unsere Geschichte eröffnen. Dabei stellt sich in allen Erzählungen oft die Frage: »Wie viel aus den heiligen Schriften ist Mythos und wie viel Wahrheit?« – Rainer Voigt, Jahrgang 1952, ist »Autor aus Leidenschaft«. Nach einer Wendegeschichte aus dem Osten, einem Science Fiction nicht ohne Anspruch und einem humoristischen Unterhaltungsbuch, widmet er sich erneut dem Genre Science Fiction zu, obwohl der Eine oder Andere es auch als Thriller, Mystery oder Krimi bezeichnen könnte. Seinen Lebensunterhalt verdient er im turbulenten deutschen Arbeitsmarkt als Elektriker, Konstrukteur, oder Vertriebsingenieur, immer auf der Suche nach einer neuen Geschichte.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum18. Jan. 2013
ISBN9783862686902
Das Erbe der Unsterblichen

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    Buchvorschau

    Das Erbe der Unsterblichen - Rainer Voigt

    haben.

    Teil I

    Die Unsterblichen

    1. Der erste Schritt

    Elo Him schaute auf und strich sich das schwarze Haar mit den sichtbaren grauen Strähnen zurück. Trotz seines dunklen Teints bildeten sie einen deutlichen Kontrast und gaben seiner Erscheinung mit den hellgrauen Augen ein unverwechselbares Bild. Elo Him war kein Hüne, aber sportlich durchtrainiert. Er atmete tief durch, genoss den frischen Lufthauch, den die Maschinen eintausendzweihundert Meter nach unten in das verzweigte Höhlenlabyrinth drückten. Sieben Stunden waren vergangen, seit man ihm das genialste Mittel, das die Menschheit je hervorgebracht hatte, in einer speziellen Unterdruckkammer mit einer Injektion verabreicht hatte. Hier unten in der geheimen Kommandozentrale, eintausendzweihundert Meter tief im Höhlensystem eines Berges unweit eines kleinen Meeres am 43. nördlichen Breitengrad wurde aus dem Bürger Elo Him der Halbgott Elo Him. Vom Waisenkind zum Halbgott! Seine Genugtuung musste Elo Him schweren Herzens verbergen, es war nicht schick, sich damit zu rühmen. Mehr als Tausend Jahre hatte die Entwicklung gedauert. Unzählige Rückschläge hatte man hinnehmen müssen bis es gelang, den Alterungsprozess absolut zu stoppen. Elo Him, gerade einmal dreiundvierzig Jahre alt, war jetzt unsterblich. Rund fünf Jahre dauerte die Auswahl der Kandidaten mit Tests und Schulungen. Am Ende bestimmte eine Kommission, ob Elo Him zu ihnen aufsteigen durfte. Dank seiner Ausbildung in mehreren wissenschaftlichen Disziplinen und seiner Neigung zur absoluten Akkuratesse gehörte er jetzt zu Ihnen, war einer von Ihnen, er zählte von jetzt ab zur obersten Elite auf dem Erdball. Es würde noch etwa zwei Jahre dauern, bis sich das Unsterblichkeitsenzym in alle Zellen eingelagert haben würde. Dann würde die Regeneration seiner Zellen auf immer und ewig auf dem jetzigen Niveau stattfinden. Immer und ewig wäre Elo Him Mitte vierzig. Auch seine Nachkommen würden davon partizipieren, sie hätten ein deutlich längeres Leben als die üblichen Menschen. Elo Him wollte sich nicht den Kopf darüber zerbrechen, was damit noch alles auf ihn zukommen würde. Entweder findet er unter der Elite eine Frau, der ebenfalls das Unsterblichkeitsenzym verabreicht wurde, oder er muss damit leben, seine Frauen und seine Kinder alt werden zu sehen und letztlich unausweichlich auch ihr Sterben erleben. Ob er eine „sterbliche Frau rechtzeitig verlassen würde, oder ob er gar keine feste Beziehung eingehen würde, all das sind Fragen, die derzeit für ihn nicht aktuell waren. So richtig sicher konnte Elo Him aber erst nach vielen Jahren sein, wenn er sich mit seinem langen Leben deutlich von den anderen abhob. So manchem wurden angeblich auch Placebos verabreicht, oder die Behandlung war in einigen wenigen Fällen aus anderen Gründen nicht erfolgreich. Sicher war sich Elo Him die ganzen Jahre seit seiner Ausbildung nie gewesen. Erst dachte er, dass sein Status als Waisenkind, der in Heimen und bei verschiedenen Leiheltern aufwuchs, kontraproduktiv wäre. Dann erkannte er jedoch darin den besonderen Vorteil. Er hatte keine Verwandten, die ihn beeinflussen könnten und man vertraute voll darauf, dass er seine ganze Kraft bedingungslos in die Erfüllung einer Mission stellt und nicht etwa persönliche Vorteile favorisiert. Die fehlende Kindheit in einer umsorgten Familie hatten Elo Him sehr zeitig gelehrt, Emotionen zurückzuhalten und rationales Handeln zu trainieren. Das zahlte sich nun aus. Die Logiktest haben die meisten der Kandidaten bestanden, die sportlichen Tests ebenfalls. Die psychischen Tests hingegen sehr viel weniger. Einmal wurden sie wie zufällig mit Unfallopfern nach einem Hauseinsturz konfrontiert. Die Menschen lebten noch aber waren so schwer verletzt, dass die Wahrscheinlichkeit des Überlebens äußerst gering war. Überall war Blut, abgerissene Arme und Beine lagen herum und auch gänzlich verstümmelte Leichen. Man bat die Kandidaten zu helfen. Elo Him suchte sich die am wenigsten verwundeten aus, half diesen ohne die anderen zu beachten. So sehr sie auch schrieen, bettelten und wimmerten, es erhöhte nicht einmal seinen Blutdruck, sein Puls ging weiter wie ein Uhrwerk. Anschließend wurden die Kandidaten gebeten, ihr Handeln zu erklären. „Ich habe den größten Erfolg dann, wenn ich mit den sichersten Kandidaten für eine mögliche Rettung beginne, erklärte Elo Him mit sicherer Stimme der Kommission. „Verzettle ich meine Zeit an ohnehin nicht mehr zu Rettenden, laufe ich Gefahr auch die weniger verletzten zu verlieren. Elo Him erkannte in dieser Überprüfung die Signatur der Macher und wappnete sich für die kommenden Aufgaben.

    Elo Him war durch eine strenge Auswahl und Überprüfung unter zehntausenden ausgesucht worden, um eine kosmische Operation erfolgreich zu leiten. Seit Jahrhunderten nahmen die großen Katastrophen auf der Erde immer dramatischere Formen an. Eine Reihe mehr oder weniger starker Eiszeiten mit darauf folgenden Sintfluten, abgelöst von folgeschweren Trockenperioden machten den blauen Planeten nicht wirklich wirtlich. Für die ohnehin gebeutelte Population des Homo Sapiens wurde das Überlebensfenster auf dem Erdball sehr schmal. Man würde über einen sehr langen Zeitraum Nahrung und Energie nur für höchstens zehn Millionen Menschen bereitstellen können, wenn überhaupt für so viele. Als es vor mehr als eintausendfünfhundert Jahren gelang, die Alterung durch Verabreichung eines Mutationscoctails aufzuhalten, war dieses jedoch durch gewissenlose Wissenschaftler und korrupte Verwalter unkontrolliert missbraucht worden um sich selbst unsterblich zu machen. Sprunghaft stieg die Zahl der Menschen in den darauf folgenden Jahrhunderten an. Bald lebten über siebzig Millionen Menschen auf der Erde, Tendenz stark steigend. Es begann im Kleinen. Die Trockenheiten über mehrere Jahre ließen die Ernten verkümmern, das Vieh starb. Auch die hochtechnisierten Farmen und Biofabriken kamen mit der Produktion nicht nach, die verfügbare Energie reichte nicht mehr. Erst stürmten aufgebrachte Hungernde einzelne Biofabriken, die daraufhin gar nichts mehr produzierten, dann gab es regelrechte Schlachten um Lebensmittel. Einzelne Regionen waren danach hermetisch abgeschottet worden, weil sich gewissenlose Kräfte in den Besitz zerstörerischer Waffen gebracht hatten und auch nicht zögerten, diese einzusetzen. Mord und Totschlag waren an der Tagesordnung, die Zivilisation stand am Rande ihres Untergangs. Dann änderte sich die Stimmung. Nicht mehr allgemein wurde gemordet, sondern die Auffassung verbreitete sich wie ein Lauffeuer, dass die Unsterblichen die Ursache allen Übels seien. Nun waren die Unsterblichen im Fokus der Attacken, so dass man beschloss, nicht mehr öffentlich davon zu reden. Der Zirkel der Auserwählten schirmte sich ab, war damit unter sich und ein strenger Verhaltenscodex regelte die Weitergabe von Informationen und den Umgang miteinander. Unsterblichkeit bedeutet indes nicht, dass der Tod einen Bogen um einen macht. Lediglich die Zellgeneration erfolgte ohne die bei anderen Menschen übliche Dezimierung und Schwächung der Mitochondrien. Normalerweise werden alle Zellen zyklisch ersetzt, keine Zelle im Körper ist älter als acht Jahre. Der genaue Ablauf ist Elo Him nicht bekannt, er ist Techniker und kein Biologe. Nur sehr wenige sind in diese wissenschaftlichen Geheimnisse und biologischen Abläufe eingeweiht. Der Verhaltenscodex verbietet eine Weitergabe von Informationen, die nur bestimmten Wissensträgern anvertraut sind. Eine ausgewogene Ernährung vorausgesetzt, verbunden mit einer vernünftigen Lebensweise und ausreichend Bewegung, erlaubt den Unsterblichen aber in der Tat ein grenzenloses Leben. Nur Unfälle, Naturkatastrophen und Anschläge müssen gefürchtet werden. Die ersten Unsterblichen waren heimlich mit Gift umgebracht worden. Ist die Wirkung des Giftes schneller als die Regeneration des Körpers hilft auch die Unsterblichkeit nicht. Als sich später der Zorn der hungrigen Meute offener entlud, verwendete man brachialere Methoden, um die ungeliebte Elite zu vernichten. Während eine „normale Frau zwischen zwei und drei Kinder zur Welt brachte, die einen Erhalt der Gattung gewährleisteten, brachten es „unsterbliche Frauen auf rund vierzig Nachkommen, in Einzelfällen auch auf noch mehr. Jeder dieser Nachkommen hatte eine Lebenserwartung von fast eintausend Jahren, die sich jede weitere Generation um einhundert bis einhundertfünfzig Jahre verkürzte, so dass rund acht bis zehn Generationen aus jeder Geburt von „Unsterblichen" ohne die Ablösung durch den Tod zusätzlich den Bestand der menschlichen Populationen vergrößerten. Auch ein mit eintausend möglichen Lebensjahren Geborener hatte nicht nur einen Nachkommen. Da vermutlich niemand die genaue Zahl der Unsterblichen kannte, wurde die Übervölkerung einzig und allein mit dieser Spezies in Zusammenhang gebracht. Lange Zeit gab es ein regelrechtes Kesseltreiben. Informationsebenen wurden geknackt um an die Daten der Unsterblichen heranzukommen und diese dann gezielt mit illegalen und geheimen Stoßtrupps zu eliminieren. Es entbrannte ein regelrechter Bürgerkrieg, in welchem alle Gesetze ignoriert wurden. Der blinde Eifer selbsternannter Gerechtigkeitsapostel führte nicht selten auch zur Liquidation völlig Unschuldiger. Damit gelang es schließlich den Verwaltern, sich unter den Massen wieder Gehör zu verschaffen. Für die breite Öffentlichkeit war so vor fünfhundert Jahren das Programm offiziell eingestellt worden. Ein unerwarteter Vulkanausbruch hatte zudem das Zentralregister zerstört, so dass die Daten über die Unsterblichen nicht mehr abgerufen werden konnten. Die überlebenden Unsterblichen organisierten sich in streng geheimen Zirkeln. Trotzdem nahmen die Naturkatastrophen weiter zu, die Nahrungsproduktion reichte nicht mehr für alle Menschen. Wissenschaftler hatten berechnet, dass es noch einige Tausend Jahre lang Wetterkapriolen geben würde, die große Teile des Erdballs unbewohnbar machen würden. Die einst aus über hundert Millionen Menschen bestehende Population des Homo Sapiens hatte sich schon stark reduziert. Es gelang nur noch mit Mühe, die technischen Anlagen der Stromerzeugung und die normale Infrastruktur aufrecht zu halten. Nicht mehr global, sondern als Insellösungen gab es die hochtechnisierten Zellen, die den Fortschritt aufrecht erhielten. Die meisten Gebäude waren inzwischen aus transportablen Containern. Einige wenige Anlagen waren aus massivem Felsen errichtet worden. Es hatte sich gezeigt, dass vor allem pyramidenförmige Bauwerke oder auf hohen Gebirgen errichtete monumentale Steinbauwerke den Witterungskapriolen am besten widerstehen konnten. Sie bildeten ein Notfallarchiv und Basislager, um nach den Katastrophen wieder neu zu starten – sozusagen das Erbe ganzer Generationen.

    Der Ausweg sollte die temporäre Besiedlung anderer Planeten des Sonnensystems oder von Monden der großen Gasriesen sein. Schon lange hatte man mit automatischen Sonden die anderen Planeten des Sonnensystems erkundet. Vor über eintausend Jahren war auch eine bemannte Expedition aufgebrochen, um die äußeren Planeten näher zu erkunden. Die Informationen dieser Expedition waren sehr Erfolg versprechend. Leider wurde dieses Raumschiff beim Anflug auf die Erde von Terroristen zerstört und damit auch alle Informationen, die nicht bereits per Funk übermittelt worden waren. Danach gab es Hunderte von Jahren keine bemannte Raumfahrt mehr. Jetzt aber stand die Menschheit vor einem Scheideweg: entweder wird es möglich, mit Hilfe der Raumfahrt die Überlebenschance zu erhöhen oder es gibt ein neues Zurück in den Ursprung, ein Verlust der Zivilisation. Eine Reihe von Projekten war in einer breiten Öffentlichkeit diskutiert worden. Eine bemannte Mission mit mehreren tausend Wissenschaftlern, Technikern und anderen Spezialisten galt als aussichtsreichstes Projekt. Sie sollten auf dem Pfad der vorhandenen spärlichen, aber hoffnungsvollen Informationen einige Objekte im Sonnensystem untersuchen und die Besiedlungschancen ausloten. Bieten sich die Objekte als „Ausweichquartier" an, werden sofort Maßnahmen zur Besiedlung vorbereitet. Die Flugzeit für die neue Mission war mit einigen hundert Jahren, aus denen auch fast eintausend Jahre werden können, veranschlagt worden. Eine Volksabstimmung hatte den Weg frei gemacht für eine zeitlich und personell begrenzte Anwendung der Zellmutation zur Unsterblichkeit, ausschließlich für die Raumfahrer der großen Mission. Extra dafür wurde der große Rat gebeten, das offiziell für beendet erklärte Programm der Zellmutation für die Unsterblichkeit unter einem strengen Reglement wieder aufleben zu lassen. Elo Him hatte in den letzten Jahren mehrmals Gelegenheit, aus unbedachten Äußerungen, aus Dokumenten und aus den organisatorischen Abläufen zu schlussfolgern, dass dieses Programm niemals eingestellt worden war. Co Set, ebenfalls ein Kandidat für den Flug, verschwand eines Tages spurlos, nachdem er seinen Mentor über diese Beobachtungen informiert hatte. Elo Him beschloss, seine eigenen Beobachtungen für sich zu behalten.

    ***

    Solo Bek lebte seit Urzeiten auf der Erde. Er hatte aufgehört, die Jahre und Jahrhunderte zu zählen. Als einer der ersten Unsterblichen, die ihm damals mit achtundsechzig Jahren gegeben wurde, hatte er das Glück, von den mordenden Banden nicht entdeckt worden zu sein und dadurch zu überleben. Weißhaarig und leicht gebeugt, aber immer noch mit einem drahtigen Körperbau galt er schon immer als graue Eminenz. Seine wassergrauen Augen wirkten stechend und nur wenige hielten diesem Blick stand. Als das Chaos begann, die Jagd nach den Unsterblichen und die zielgerichteten Liquidationen, machte er sich Gedanken über seine Überlebensstrategie. Tätigkeiten mit einem dominanten öffentlichen Status oder einem hohen Gefährdungsrisiko, etwa in der sich damals entwickelnden Raumfahrt, schieden für ihn aus. Solo Bek widmete sich ganz den Wissenschaften, wo er sich geschickt in die zweite Reihe manövrierte, um nicht zu sehr im Rampenlicht zu stehen, aber mit Zugang zu allem Wissen. So arbeitete er hinter den Kulissen, erreichte aber damit weit mehr als die erste Garde. Die erste Reihe wechselt öfter, das wusste er, sie war austauschbar. In der zweiten dagegen wurde die Arbeit gemacht, auf sie war man immer angewiesen. So konnte er zum großen Steuermann avancieren, ohne aber als solcher wahrgenommen zu werden. Solo Bek knüpfte folgerichtig auch die Fäden, als das aufkommende Unheil durch eine neue, gewaltige Eiszeit erkannte wurde. Präzise plante er die einzelnen Schritte, die Rehabilitation und Wiederauflebung der Unsterblichkeit, das neue Raumfahrtprogramm, die Fokussierung aller Ressourcen, kurz, alles was offiziell lief. Er fühlte sich nie als über den Menschen stehend, obwohl er sich seines langen Lebens freute. Immer versuchte er, in seinen Entscheidungen das Wohl der Mehrheit zu berücksichtigen. Lange hatte er Ausschau nach geeigneten Kandidaten für das Raumflugprogramm gehalten, nach Leuten, die einmal eine Position neben ihm einnehmen konnten. Er ließ Testprogramme entwickeln um die Psychologie, aber auch die körperlichen Voraussetzungen für ein solches Amt zu erkunden. Elo Him war ein Waisenkind und Solo Bek, der gern als Lehrer in diesen Einrichtungen tätig war, übte frühzeitig einen entscheidenden Einfluss auf diesen intelligenten und zähen Jungen aus. Am meisten war er von dessen Zielstrebigkeit und Akkuratesse beeindruckt. In Elo Him glaubte er, einen würdigen Repräsentanten gefunden zu haben. Wie schon immer wirkte er auch hier im Hintergrund, ließ sich über den jeweiligen Leistungsstand von Elo Him informieren und organisierte, dass er die beste Ausbildung bekam, die möglich war. Auch dessen Studium begleitete Solo Bek als Schatten. Vielleicht war er damit unbewusst in eine Vaterrolle geschlüpft, die ihm im wahren Leben selbst nie vergönnt gewesen war. Er war froh, als Elo Him alle Prüfungen mit Bravour bestanden hatte und so zum Chef der künftigen Mission ausgewählt wurde. Solo Bek war mit sich und der Welt im reinen, vom aufkommenden Unheil der Naturgewalten einmal abgesehen.

    ***

    Elo Him sollte also mit einer mehr als zweitausendköpfigen Crew neue Überlebensräume innerhalb des Sonnensystems erneut erkunden. Die sonneninneren Planeten eigneten sich dafür nicht, der Erdmond schied ebenfalls aus. Große Zuversicht hatte man mit dem vierten Planeten Ma Ars, mit zwei Monden des Ju Piter, dem fünften Planeten, der als Gasriese mehr als doppelt so viel Masse als alle anderen Planeten des Sonnensystems hatte und mit einem Mond des Sa Turn, ebenfalls ein Gasriese und der sechste Planet in der Reihenfolge der Planeten. Die Monde des Ju Piter Kal Isto und Gany Med waren durch Fernerkundungen schon lange im Fokus der Forscher. Das Vorhandensein von Kohlenwasserstoffen deutete auf die Existenz von biologischen Aktivitäten hin, zumindest aber bestehen dafür die erforderlichen Voraussetzungen. Um den Orbit von Ju Piter kreisten zahlreiche weitere Monde, die jedoch weniger interessant waren. Die Wärmestrahlung dieses Gasriesen reichte bis zu den Monden, so dass durchaus mit Bedingungen gerechnet werden konnte, die eine Besiedlung zuließen. Der erste Mond hatte überdies als einziger Mond im Sonnensystem nachgewiesene aktive Vulkane. Er war aber zu nah an seinem Mutterplanet, die Gezeiten durch die Gravitation schuf über einhundert Meter hohe Flutwellen. Der drittgrößte Mond im Sonnensystem war Ti Tan vom sechsten Planet Sa Turn. Er verfügte über eine Atmosphäre, die eine Fernerkundung sehr erschwerte. Vulkane wurden hier nur vermutet. Falls zur Besiedlung nur Energie benötigt werden würde, konnte man sich arrangieren. Man würde in der Lage sein, in relativ kurzer Zeit die Atmosphäre eines Planeten so zu beeinflussen, dass eine globale Erwärmung oder eine Abkühlung möglich wurde. Damit verbunden ist die Anreicherung mit Sauerstoff. Ein homogeneres Temperaturgefüge auf der Oberfläche des Planeten oder des Mondes würde darüber hinaus die orkanartigen Stürme und die gewaltigen Gewitter auf ein normales Maß reduzieren. Die Vorbereitungen liefen seit langem, die Technologien schienen ausgereift.

    ***

    Auf den Start des Raumkreuzers musste Elo Him noch mehr als zwei Jahre warten. Er war wie auch die anderen Crewmitglieder in die Vorbereitung einbezogen worden. Zeitgleich gab es umfangreiche Schulungen aus dem großen Register, in dem auch die spärlichen Daten der letzten Expedition gespeichert worden waren. Vor allem die Bilder hatten es Elo Him angetan, eine so unwirkliche ferne Welt zu sehen und dabei doch so vertraute Bilder zu empfinden. Ti Tan, der drittgrößte Mond des Sonnensystems war in etwa halb so groß wie die Erde. Eine dichte Wolke verhüllte die Sicht aus dem All. Damals hatte man eine unbemannte Sonde nach unten geschickt, die anschließend wieder aufgestiegen war und ihre Daten übermittelte. Der Himmel sah „von unten" violett aus, leuchtend violett, aber ohne Sicht auf die Sterne. Nur der Gasriese war als riesige, gelblich leuchtende Kugel auch durch die dichte Wolkendecke zu erkennen und gab dem violetten Himmel eine ganze Armada von Farbabstufungen. Ein großer Teil dieses Mondes war mit Eis überzogen, es gab aber mit den Bildern deutliche Hinweise auf Festland und die Sonden registrierten Methan und Sauerstoff in der Atmosphäre, die auf biologische Aktivitäten hindeuteten. Die Auflösung der Bilder war fabelhaft. Es entstand der Eindruck, man könne die zu Türmen aufgeschichteten Fels- und Eisbrocken mit den Händen berühren. Ma Ars, der vierte Planet des Sonnensystems, mit einem Durchmesser von knapp 6800 km auch etwa halb so groß wie die Erde, rotiert in rund 24 Stunden und 37 Minuten einmal um die eigene Achse. Es gab Wasser und alle notwendigen Bodenschätze. Leider hatte sich die Exzentrizität der Umlaufbahn seit einer Millionen Jahre geändert, die fast kreisrunde Bewegung um die Sonne wurde deutlich elliptischer und damit verbunden war ein zunehmender Atmosphärenverlust. Die einst reißenden Flüsse waren unter die Oberfläche verschwunden. Sofern lokale Erwärmungen für Wasseraustritte sorgten, verflüchtigten sich diese in die dünne Atmosphäre geschleuderten Wolken sofort und entwichen ins Weltall. Interessant waren die extrem hohen Gebirge. Wenn die mitreisenden Wissenschaftler es schaffen würden, die Atmosphäre zu stabilisieren, war er der aussichtsreichste Kandidat für eine extraterrestrische Besiedlung.

    2. Vorbereitungen

    Gerade streckte sich Elo Him mit hinter dem Kopf verschränkten Händen auf der Bank aus, die unweit des mit niedrigen Krüppelkiefern umsäumten Eingangs der Kommandozentrale auf dem Bergmassiv stand. Er strich sich durch sein schwarzes Haar, das von einigen grauen Strähnen markant durchzogen war und schaute verträumt der untergehenden Sonne nach, den Farbwechsel von blendend goldgelb bis beruhigend rot verfolgend, als er auf dem Telemitter am Handgelenk ein Rufsignal empfing. Solo Bek, der zweite Vorsitzende des großen Rates rief ihn zu sich. Solo Bek war der einzige Unsterbliche, der offiziell die Attacken der Vergangenheit überlebt hatte und jetzt im großen Rat die Position des obersten Wissensträgers einnahm. Elo Him kannte Solo Bek schon seit langem, oder besser, er wusste von ihm. Ab und zu hatte er im Waisenheim Unterricht bei ihm gehabt. Elo Him war sich jedoch sicher, dass diese frühen Begegnungen keinen Einfluss auf seine jetzige Position hatten. Er hat sich mit eigener Kraft zu dem entwickelt, was er jetzt darstellte. Dennoch genoss er die Treffen mit der grauen Eminenz. Jetzt, wo er es geschafft hatte, wurde ihm immer das Gefühl vermittelt, zur obersten Elite zu gehören. Mit seinem wachen Verstand konnte er aus den vielen Informationen neue Schlüsse ziehen, indem er einfache Kombinationen anstellte. Elo Him rechnete auch dieses Mal wieder mit neuen Informationen, die ihn eine Treppenstufe weiter nach oben kommen lassen würden und so machte er sich auf den Weg. Seit Urzeiten hatte man die oberste Kommandozentrale in einem Bergmassiv mit seinem weitläufigen Höhlenlabyrinth untergebracht, das unweit eines kleineren Meeres und am Ende einer Gebirgskette mit eisbesetzten Gipfeln lag. Die warmen Luftströmungen und die aus den Gebirgsgletschern gespeisten Gewässer waren eine der Ursachen, dass man hier noch ideale Lebensbedingungen vorfand. Tief unter der Erde konnte man Bedingungen für ein angenehmes Leben schaffen. Seit der Wasserspiegel der Meere nach der letzten Eiszeit um fast eintausend Meter angestiegen war, konnte man den Eingang am Fuß des Berges nicht mehr nutzen. Leider hatte man versäumt, rechtzeitig einen Fahrstuhl einzubauen, so dass nur ein beschwerlicher Weg durch die langen Gänge führte. Eine Reihe immer leuchtender Kugeln, die man über die letzte Eiszeit gerettet hatte, säumten den Weg. Die Produktionsanlagen für diese Kugeln waren damals mit all dem Wissen verloren gegangen. Viele der Kugeln erloschen während der Eiszeit und man fand sie allerorts als nutzlose Steinkugeln. Das eigentliche Kontrollzentrum, als das Allerheiligtum und die medizinischen Räume für die Zellmutation, blieb eine Sperrzone im unteren Bereich des Labyrinths mit höchster Priorität, zu der man einige Tage im Berg unterwegs war. Die Kommunikationsebene und einige Wohnbereiche hatte man weiter nach oben verlagert. Etwa eine Stunde war man bis dahin unterwegs, eine Stunde, die Elo Him aber heute lieber anders verbracht hätte.

    Solo Bek begrüßte Elo Him, indem er die Hände über der Brust kreuzte und eine Verbeugung andeutete. Elo Him erwiderte die Begrüßung. „Ich habe dich gerufen, um wichtige Dinge mit dir zu besprechen. Solo Bek wirkte nachdenklich. So hatte ihn Elo Him noch nie erlebt. Sonst strotzte er immer vor Selbstbewusstsein und versprühte vitale Energie. In dem spartanisch eingerichteten Raum stand ein Kartentisch, umgeben mit einfachen Holzstühlen. Auf dem Kartentisch stapelten sich Unterlagen. Ein riesiger Monitor an der Stirnwand zeigte die Erde von einem der sie umkreisenden Satelliten. Ein zweiter kleinerer Monitor lieferte wechselnde Bilder von den urbanen Ballungszentren, vom Startplatz des Raumgleiters und von der Baustelle des riesigen Raumkreuzers im Orbit. In Abständen von drei Tagen starteten teils bemannte, teils unbemannte Raumgleiter mit Fracht zum Orbit mit den dringend benötigten Ausrüstungsgegenständen. Es war eine logistische Meisterleistung. Aus allen bewohnten Gegenden der Erde wurden Lieferungen entgegen genommen und in die Raumgleiter umgeladen, die für den Raumkreuzer bestimmt waren. Die Reihenfolge der Lieferungen konnte nicht willkürlich sein, sie folgte streng den Erfordernissen. Für dieses Projekt wurden seit hunderten von Jahren die gesamten verfügbaren Ressourcen gebunden. „Setz dich, forderte Solo Bek sein Gegenüber auf. Mit dem Zepter, dem Zeichen der Macht, dass sowohl eine furchtbare Waffe, als auch Multifunktionsgerät für Fernbedienung der Monitore, der Speicher und der Kommunikationsanlage war, zeigte Solo Bek auf den großen Monitor. Das Bild zoomte langsam zur Erde. „Wir haben bald die nächste große Eiszeit. Die Sonnenaktivitäten sind unerwartet sprunghaft angestiegen. Sie wirken auch auf die Arbeiten im Orbit, wir müssen immer wieder die Arbeiten einstellen. Nach der Eiszeit, die erwartungsgemäß einige hundert Jahre dauern wird, werden wir wieder eine Sintflut erleben, aber das weißt du ja. Nur wird die Sintflut dieses Mal weitaus größer als alle vorangegangenen, sie wird alle bisherigen in den Schatten stellen. Wir werden enorme Verluste an Menschen haben. Die wenigen Überlebenden werden dann nicht mehr in der Lage sein, dass jetzige Lebensniveau zu sichern. Elo Him, du musst dich darauf einstellen, bei der Rückkehr zur Erde eine völlig andere Gesellschaft anzutreffen." Das war deutlich und das erste Mal, dass Elo Him solche düsteren Zukunftsaussichten präsentiert bekam. Die offiziellen Meldungen bekundeten zwar ein gewisses Maß an Sorgen, die Grundsicherung der Menschen wurde aber nie infrage gestellt.

    „Wie lange wird es dauern, bis die Sintflut kommt?"

    „Genau können wir das noch nicht berechnen. Auf alle Fälle wird es während oder kurz nach eurer Mission passieren. Wir legen also unser Schicksal in deine Hände und die der ganzen Crew. Möget ihr erfolgreich sein. Wir werden die Erde ja nicht aufgeben, aber einige Tausend Jahre lang brauchen wir sozusagen ein Ausweichquartier."

    „Und es gibt keinen Plan B?"

    „Ihr seid der Plan B! Während der nächsten Jahrhunderte werden wir, vorausgesetzt die Eiszeit lähmt uns nicht schon vorher, ein weit größeres Raumschiff bauen, mit dem einige hunderttausend Menschen aufbrechen können – wenn ihr Erfolg habt."

    „Können wir dann überhaupt noch auf der Erde landen, wenn die Infrastruktur zusammengebrochen ist?"

    „Das ist der Grund, warum ich mit dir reden will. Komm zum Kartentisch"

    Solo Bek ging zum Kartentisch. Er legte eine Reihe von Plänen und Landkarten aus.

    „Im schlimmsten Fall gibt es unsere Zivilisation nur noch in einer unterentwickelten oder zurückentwickelten Form. Wir haben es im Laufe unserer Geschichte schon mehrere Male erlebt, dass die fortschrittlichen Erkenntnisse nach wenigen Generationen verblassen und die Infrastruktur verschwindet. Nach einer Eiszeit ist nahezu die gesamte moderne Bausubstanz verschwunden. Nur wenige hundert Jahre genügen, um die Menschen in die Steinzeit zurück zu befördern. Einige wenige Zentren werden Motor des neuen Fortschritts sein, aber alles muss wieder von ganz unten angefangen werden. Wir haben einige Überlebenszentren geschaffen. Hier, sieh auf die Karte. In unmittelbarer Nähe dieser Halbinsel am 30. nördlichen Breitengrad befinden sich drei große Pyramiden. Im Inneren ist ein großer Teil unseres Wissens, hier sind unsere Bibliotheken untergebracht, dazu alles Notwendige um eine neue Zivilisation zu begründen. Ebenfalls haben wir dort eine Funkbarke, die einige tausend Jahre zur Funkortung dienen sollte. Wenn ihr auf dem neunundzwanzigsten nördlichen Breitengrad die Erde umrundet, könnt ihr die Pyramiden aus dem Orbit erkennen. Auf der Halbinsel davor gibt es einen Landeplatz. Nicht weit von dort, am 34. nördlichen Breitengrad gibt es die Stadt Ba Al. Auch hier haben wir eine Terrasse für die Landung der kleinen Raumgleiter und Gebäude aus massivem Stein, die schon etliche Naturkatastrophen überstanden haben. Elo Him schaute sich interessiert die Karten an. „Hier an diesem kleinen Meer, Solo Bek zeigte auf die Karte, „befinden wir uns gerade im kleinen Kontrollzentrum. Das große Kontrollzentrum befindet sich am Fuß des Höhlensystems. Nur einige wenige sind eingeweiht und kennen es. Hier ist das gesamte Erbe, auch das unserer Vorväter, zusammengetragen. Du findest alles, um mit deiner Unsterblichkeit eine neue Zivilisation zu entwickeln. Vieles von dem, was wir hier in einem abgesperrten separaten Bereich hinterlegt haben, stammt aus noch älteren Kulturen und kann derzeit nicht genutzt werden. Zum einen fehlen uns dafür die erforderlichen Ressourcen, zum anderen gibt es nur sehr wenige, die diese Informationen entschlüsseln können. Auch ich habe nur einen Bruchteil der Informationen gelesen und muss sagen, dass ich manchmal regelrecht erschrocken darüber bin, was uns von unseren Vorfahren hinterlassen worden ist. Diese alte Abteilung werden wir uns kurz anschauen, wenn ich dir die Kommandozentrale zeige. Du wirst der Einzige sein, der hier Zugang bekommen wird. Die Informationen aus dem allgemeinen Bereich werden dir und deinen Mitstreiter jedoch völlig reichen. Aber bedenke, du könntest dann als ihr Gott gelten. Sei weise und weitsichtig. Du weißt, die Menschen neigen zu Rechthaberei und Streit und nicht selten bezahlen sie dass mit ihrem Leben. Dieser Stützpunkt wird für normale Menschen verschlossen sein. Nur ein paar von euch Raumfahrern werden die Zugangsdaten erhalten, aber nur du wirst auch Zugang zum abgesperrten Bereich haben. Du wirst der Einzige sein, der über alle Zugangscodes verfügen wird. Ich werde dir Geheimnisse anvertrauen, die kein anderer jemals erfahren darf. Hier ist der Stützpunkt, in dem wir alle Typen von Waffen einlagern werden. Und hier", er zeigte auf

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