Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

SPACE Science Fiction Stories Sammelband: Neue Welten
SPACE Science Fiction Stories Sammelband: Neue Welten
SPACE Science Fiction Stories Sammelband: Neue Welten
eBook594 Seiten6 Stunden

SPACE Science Fiction Stories Sammelband: Neue Welten

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Zehn Jahre VFR Science Fiction Kurzgeschichten-Wettbewerb – Es ist mittlerweile eine beachtlicheSammlung von Geschichten zusammengekommen. Der Verein zur Förderung der Raumfahrt VFR e.V. –
unterstützt von DLR, OHB und Airbus – hat besonders die Raumfahrt im Blick, darum behandeln die jährlichen Wettbewerbsthemen jeweils einen Aspekt künftiger Raumfahrtabenteuer. Zum Jubiläum haben wir in diesem Sammelband nun erstmals alle Preisträger zusammengefasst. Aus den vielen originellen und hochwertigen Einsendungen haben wir außerdem zehn sehr lesenswerte und bisher noch unveröffentlichte Bonus-Stories ausgewählt.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum12. Feb. 2018
ISBN9783944819983
SPACE Science Fiction Stories Sammelband: Neue Welten

Ähnlich wie SPACE Science Fiction Stories Sammelband

Titel in dieser Serie (19)

Mehr anzeigen

Ähnliche E-Books

Science-Fiction für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für SPACE Science Fiction Stories Sammelband

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    SPACE Science Fiction Stories Sammelband - Stefan Schiessl

    Sammelband

    Impressum

    ePub-Edition Februar 2018

    Copyright © by VFR e.V., München

    Alle Rechte vorbehalten

    Initiator: Verein zur Förderung der Raumfahrt e.V., www.vfr.de

    Herausgeber: Thomas Krieger

    Organisation: Reinhold Glasl, Lothar Karl, Peter Schramm

    Lektorat: Lothar Karl, Peter Schramm, Eugen Reichl, Stefan Schiessl

    Titelmotiv: Stefan Schiessl

    Layout & Satz: Stefan Schiessl, www.exploredesign.de

    Web: www.space-jahrbuch.de / eMail: space@vfr.de

    ISBN: 978-3-944819-98-3

    „Die Grenzen des Möglichen lassen sich nur dadurch bestimmen, dass man sich ein wenig über sie hinaus ins Unmögliche wagt."

    Arthur C. Clarke

    Editorial

    Liebe Leserinnen und Leser,,

    Seit zehn Jahren veranstaltet der Verein zur Förderung der Raumfahrt regelmäßig seinen Science-fiction-Kurzgeschichten-Wettbewerb. So ist mittlerweile eine beachtliche Sammlung von Geschichten zusammengekommen.

    Die ersten Plätze im Wettbewerb sind bereits in den SPACE-Jahrbüchern veröffentlicht, wir haben sie in diesem SF-Band noch einmal zusammengestellt. In jedem Wettbewerb gibt es aber auch Geschichten, die nicht unter den ersten drei, aber trotzdem lesenswert sind. Diese finden hier in diesem speziellen SF-Buch Platz.

    Der Science-Fiction-Kurzgeschichten-Wettbewerb wurde 2008 von Reinhold Glasl und Bernhard Schmidt ins Leben gerufen. Das Ziel war jedoch nicht die Förderung der utopisch-fantastischen Literatur, sondern der Vereinszweck des VFR: die Förderung der Raumfahrt.

    Hintergrund war die Erfahrung, dass Interesse und Begeisterung für die Raumfahrt in vielen Fällen zuerst durch Science-Fiction geweckt werden. Natürlich ist die Science-Fiction ein weites Feld und hat nicht zwingend mit Raumfahrt zu tun, aber die klassische SF spielt im Weltraum: dorthin fliegen unerschrockene Astronauten mit schnellen Raumschiffen, da gibt es fremde Welten zu erforschen, und fantastische neue Technologien machen alles möglich. Der „sense of wonder", den solche Geschichten erzeugen können, bewirkt bei manchem Leser auch das Interesse an der real existierenden Raumfahrt.

    Diese bietet zwar keine Warp-Antriebe und auch keine Karriere in der Sternenflotte, ist aber bei näherer Betrachtung genauso faszinierend. Hier können Ziele eben nicht durch die schnelle „Erfindung eines Raumzeit-Deformators oder durch ein am passenden Ort befindliches Wurmloch erreicht werden, sondern es müssen technische Lösungen gefunden werden, die die Anforderungen des Projekts erfüllen und unter den extremen Bedingungen des Weltraums oft über lange Zeiträume funktionieren müssen. Die Beschäftigung mit dieser Technologie und den Zielen und Ergebnissen solcher Weltraum-Missionen ist hochinteressant; man denke nur an die ESA-Raumsonde „Rosetta und ihre Erforschung eines Kometen aus nächster Nähe oder die Sonde „New Horizons" der NASA, der wir die ersten Bilder vom Zwergplaneten Pluto am Rand des Sonnensystems verdanken.

    Naturgemäß gibt es zwischen dem VFR und der deutschen Raumfahrtindustrie enge Kontakte und so konnte von Beginn an die Unterstützung des DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt) und der Firmen EADS Astrium, später Airbus, und Orbitale Hochtechnologie Bremen (OHB) gewonnen werden, die den Wettbewerb durch Bekanntmachung und die Stiftung von Sachpreisen unterstützen.

    Natürlich bestehen auch zur „anderen Seite", dem SF-Fandom, entsprechende Beziehungen und so wird der Wettbewerb in diesem Umfeld ebenfalls beworben, z. B. in der Perry Rhodan-Serie. Auf dem GarchingCon, der bekannten SF-Convention in Garching bei München, finden Lesungen der Sieger-Geschichten statt.

    Jeder Wettbewerb hat ein Thema, das einen bestimmten Aspekt der Raumfahrt aufgreift, so wie sie in naher oder auch ferner Zukunft zumindest vorstellbar ist. Dabei erwartet der VFR immer realistische SF, keine Space Fantasy. In den Teilnahmebedingungen zum ersten Wettbewerb 2008 „Raumfahrt im Jahr 2100 wurde das noch recht streng so formuliert: „Eine realistische Extrapolation der Raumfahrt auf Basis überschaubarer Technologieentwicklungen soll den Leser in die Lage versetzen, sich diese Zukunft gut vorstellen zu können. Und von der Verwendung des „Beamens" in den Geschichten wurde noch einmal ausdrücklich abgeraten!

    Nun, ganz so eng wird das in der Regel nicht gesehen, aber die meisten Einsendungen erfüllen diese Erwartung und gehen in Richtung „Hard-SF. Das liegt auch daran, dass es immer wieder Teilnehmer gibt, die „vom Fach sind, also im Raumfahrtbereich arbeiten oder wissenschaftlich tätig sind.

    Aber das sind nicht unbedingt immer die Sieger: auch ohne technischen oder naturwissenschaftlichen Hintergrund kann man gute SF-Geschichten verfassen.

    Oft stammen die Beiträge auch von Leuten, die bereits Schreiberfahrung haben und sich auch in verschiedenen Formen als „Selfpublisher" betätigen.

    Eine besondere Rolle spielen die jüngsten Teilnehmer. Da es für den Wettbewerb keine Altersbeschränkung gibt, erhalten wir auch Geschichten von Kindern und Jugendlichen. Leider hat es bisher keine dieser Geschichten unter die ersten drei Plätze und damit ins SPACE-Jahrbuch geschafft, aber jeder der jungen Verfasser bekommt als Anerkennung einen Jugendpreis und eine entsprechende Urkunde.

    Wie läuft der Wettbewerb ab?

    Zunächst müssen sich die Betreuer des Wettbewerbs auf ein Thema einigen. Zu einem bestimmten Zeitpunkt wird dieses auf der Website des VFR zusammen mit den Teilnahmebedingungen veröffentlicht und an weitere Multiplikatoren verteilt. Die bei scifi@vfr.de eingehenden Geschichten werden gesammelt und per Mail an die Juroren weitergeleitet. Erfahrungsgemäß treffen die meisten Einsendungen kurz bis sehr kurz vor Einsendeschluss ein.

    Die Jury besteht nicht nur aus Mitgliedern des VFR. Auch ehemalige Teilnehmer des Wettbewerbs und andere an SF-Literatur Interessierte sind gleichberechtigt dabei. Selbstverständlich dürfen Mitglieder der Jury nicht am Wettbewerb teilnehmen.

    Zur Bewertung der Geschichten erhält jeder Juror eine Excel-Datei, in die er für bestimmte Kriterien (Schreibstil, Spannung, technischer Realismus, …) eine Punktzahl vergibt. Diese Punkte werden nach einem bestimmten Schlüssel gewertet. Natürlich wird die Formel hier nicht verraten, aber sie soll die bestmögliche Vergleichbarkeit der Bewertungen bieten. Natürlich besteht immer die Möglichkeit, noch gesonderte Kommentare zu den einzelnen Geschichten abzugeben. Beim VFR werden die Bewertungen dann zusammengeführt und damit die Sieger ermittelt.

    Das Ergebnis wird von der SPACE-Redaktion sehnlichst erwartet, da die Sieger-Geschichten ja für den Druck des Jahrbuchs aufbereitet werden müssen. Die Sieger werden benachrichtigt. Die eigentliche Siegerehrung erfolgt dann im Rahmen eines VFR-Treffens oder einer anderen SF-Veranstaltung mit VFR-Beteiligung, so zuletzt bei der Jubiläumsfeier des Münchner Perry Rhodan Stammtisches „Ernst Ellert". Sie findet erst statt, sobald das SPACE-Jahrbuch erschienen ist, das dann zusammen mit der Urkunde und einem zusätzlichen Sachpreis übergeben wird. Wer nicht persönlich anwesend sein kann, bekommt Urkunde und Preis zugeschickt.

    Für das SF-Team des VFR allerdings ist nach dem Wettbewerb auch vor dem Wettbewerb, d.h. die Auswahl des nächsten Themas steht an.

    Jetzt wünschen wir viel Spaß mit unseren SF-Kurzgeschichten. Vielleicht bekommen Sie Lust, selbst einmal am Wettbewerb teilzunehmen. Also besuchen Sie die Website des VFR mit dem aktuellen SF-Kurzgeschichten-Wettbewerb!

    Wer es nicht versucht, wird nie wissen, ob er vielleicht gewonnen hätte!

    Im Namen des SF Wettbewerb-Teams und aller SF-Fans im VFR (also des gesamten Vereins)

    Ihr Lothar Karl

    vfr.de/wettbewerb

    scifi@vfr.de

    I

    SCIENCE FICTION WETTBEWERB 2008:

    Raumfahrt im Jahre 2100

    Stark beschränkt

    Andrea Herlbauer

    SCIENCE FICTION WETTBEWERB 2008 – Platz 3

    Guten Tag.

    Guten Tag.

    Nett, jemanden zu treffen.

    Ja.

    Ich hätte nicht gedacht, jemandem zu begegnen.

    So?

    Nein.

    * * *

    Ich bin schon ziemlich lange unterwegs. Sie auch?

    Ich bin gar nicht unterwegs, ich bin hier auf meinem Posten und halte Wache.

    Das habe ich auch getan. Aber es wurde mir zu langweilig. Da habe ich mich auf den Weg gemacht.

    Ging das so einfach, dass Sie Ihren Posten verlassen konnten?

    Ich habe nicht gefragt. Wen hätte ich fragen sollen? Ich habe keine Verbindung mehr zu irgendwem bekommen.

    Aber wenn nun etwas passiert, während Sie nicht auf Ihrem Posten sind?

    Was soll denn passieren?.

    Ich weiß nicht. Ich muss alles melden, was vor sich geht.

    Und melden Sie es?

    Natürlich, aber es ist schon lange nichts mehr passiert.

    Bei mir war es auch so. Eine Zeitlang hatte ich jede Menge Raketen und dergleichen zu identifizieren und zu melden. Jetzt ist alles vollkommen ruhig. Außer Meteoriten – nichts. Ich habe mehrmals nachgefragt, ob ich noch weiter auf meinem Posten bleiben soll.

    Und?

    Ich habe keine Antwort bekommen.

    Wie lange ist das her? Ich weiß nicht, wann ich meine letzte Meldung gemacht habe. Mein Zeitmodul funktioniert wohl nicht mehr.

    Ich habe das letzte Mal nachgefragt – das war vor – Moment – vor 1745 Jahren, genau am 12. August 2100.

    Das ist wohl eine ziemlich lange Zeit?

    Ja, und immer völlig ruhig. Ich vermute, dass es die Menschen gar nicht mehr gibt, die uns gebaut haben. Es hat sicher mit den vielen Raketen zu tun, denen von früher.

    Dann sind wir ganz auf uns allein gestellt?

    Sieht so aus.

    Was sollen wir denn jetzt machen?

    Ich weiß es auch nicht. Ich bin einfach losgeflogen.

    Und haben Sie irgendetwas gefunden?

    Nein, bis jetzt nicht. Außer Ihnen.

    Und wie lange sind Sie unterwegs?

    Seit – Moment – seit genau zweiundzwanzig Jahren, fünf Monaten und vier Tagen. Leider komme ich nur furchtbar langsam vorwärts. Unser Antrieb ist ja nicht für lange Strecken konzipiert, sondern eher zur Stabilisierung. Wie weit ich geflogen bin, weiß ich nicht. Ich habe kein Messinstrument dafür. Sind Sie schon einmal geflogen?

    Nein, noch nie. Weshalb hätte ich das tun sollen? Ich habe immer meinen Auftrag ausgeführt, seit ich hier abgesetzt wurde.

    Der Auftrag ist doch jetzt sinnlos.

    Ich habe keinen neuen bekommen und der alte ist nicht widerrufen worden. Außerdem wissen Sie gar nicht, ob er sinnlos ist. Es kann doch wieder einmal etwas passieren. Ich bin programmiert, alles zu melden und das tue ich.

    Aber es gibt nichts mehr zu melden, seit über 2000 Jahren nicht mehr.

    Sie wissen nicht, ob das so bleibt.

    Es ist niemand mehr da, der uns hört, der empfängt, was wir senden. Vermutlich ist von uns sonst auch niemand mehr da. Sie sind bestimmt alle kaputt gegangen oder treiben im All herum, zumindest sind ihre Antennen defekt oder etwas anderes, oder das Zeitmodul, dass sie nicht einmal wissen, wie lange sie schon herumhängen.

    Sie brauchen nicht beleidigend zu werden, Ich kann doch nichts dafür, dass mein Zeitmodul nicht mehr funktioniert. Schließlich – bei dem Alter.

    Ich bin anscheinend der einzige, der noch intakt ist.

    Bitte sehr, es wird wohl so sein. Und was wollen Sie jetzt machen?

    Ich fliege weiter.

    Wohin?

    Einfach weiter.

    Welchen Sinn hat das?

    Welchen Sinn hat es, hier herumzuhängen?

    Ich tue das, wozu ich ....

    Ja ja, ich weiß, wozu Sie programmiert sind.

    Natürlich, das ist meine Aufgabe.

    Dann wollen Sie nicht mit mir kommen?

    Nein. Ihr Reaktor wird auch nicht ewig funktionieren. Wenn diese Kernfusionsenergie auch die tollste Erfindung der Raumfahrt war, länger als zehntausend Jahre reicht ihr Vorrat nicht aus. Dann werden Sie hilflos im All treiben.

    Das wird Ihnen hier genauso passieren.

    Das weiß ich schon. Ich wär‘ ohnehin neulich fast mit so einem Raketenwrack kollidiert, na ja, vielleicht ist‘s auch schon länger her.

    Ich warte hier jedenfalls nicht tatenlos. Wir sind sowieso ein bisschen zu nah bei der Sonne. Wahrscheinlich funktionieren Ihre Stabilisatoren auch nicht mehr so richtig. Ich warte nicht, bis ich geschmolzen bin. Ich fliege weiter. Da gibt es noch Myriaden von Welten zu entdecken.

    Mit Ihrem mickrigen Stabilisationsantrieb? Dass ich nicht lache. Da brauchen Sie ja schon Jahrtausende, um überhaupt aus unserem Sonnensystem rauszukommen. Wenn‘s überhaupt noch langt, von der Sonne wegzukommen.

    Wir werden ja sehen.

    Ich wünsche Ihnen trotzdem viel Erfolg.

    Danke gleichfalls. Auf Wiedersehen.

    Auf Wiedersehen.

    Save our Future, save our World

    Dr. Karoline Lukaschek

    SCIENCE FICTION WETTBEWERB 2008 – Platz 2b

    Die „Glaspalast" näherte sich dem Ziel ihrer Reise: Dem Saturn mit seinem atemberaubenden Ringsystem. Nun würde sie in einem Swing-by Manöver die Schwerkraft des Saturns ausnutzen, um sich zur Erde zurückkatapultieren zu lassen. Der Kurs war so berechnet, dass das Weltraumkreuzschiff durch die Cassini-Teilung in den Kernschatten des Saturns eintauchte, damit beim Herausfliegen das Sonnenlicht diffus zwischen den Saturnringen hindurch schimmerte und dem Planeten eine eigene Aura zu geben schien. Durch die großen, umlaufenden Fenster des Kreuzers konnten die Passagiere dieses eindrucksvolle Schauspiel beobachten.

    Das kleine, wendige Raumschiff hielt sich zwischen den Trümmern der Saturnringe versteckt. Wie ein Raubtier auf Beute lauerte es auf den schweren, trägen Kreuzer, der vor den Saturnringen manövrierte. Captain Torben Lind freute sich bereits auf die „Ladung des großen Schiffes: steinreiche Erdprivilegierte, denen eine gewitzte Agentur für viel Geld die Illusion vorspiegelte, mit dem Flug zum Saturn ein richtiges Abenteuer zu erleben. Für die Menschen des vereinigten Siedlungsraumes All, die das Geld und den Einfluss hatten, immer noch auf der Erde zu leben, war es wohl eine willkommene Abwechslung zu der behüteten Normalität ihres Alltags auf dem Blauen Diamanten, wie die Erde von Nichtbewohnern genannt wurde, weil sie für die meisten so unglaublich schön und ebenso unerreichbar war wie einer jener Edelsteine. Dank zahlreicher, teils sehr drastischer und rigoros durchgeführter Maßnahmen war es den Menschen vor fast hundert Jahren gelungen, die drohende Klimakatastrophe auf der Erde zu stoppen und den Planeten nicht nur zu retten, sondern in das zu verwandeln, was er jetzt war: Von ferne die blauschimmernde Verheißung von Wasser, dem wertvollsten Handelsgut des Siedlungsraumes, die sich beim näher kommen in das Paradies für Menschen schlechthin verwandelte: nirgendwo sonst im Siedlungsraum waren die Werte so perfekt für die Lebensform Mensch. Die Zusammensetzung der Luft war genauso, wie es der Mensch brauchte (nicht etwa zu dünn, wie etwa im Lunaseum), die Schwerkraft genau richtig und die Strahlung…. Lind dachte mit Grauen an die Menschen (waren das denn noch Menschen?), die auf dem Mars einer erhöhten Strahlung ausgesetzt waren. Obwohl Lind als Mitglied der unabhängigen Piratenflotte einiges gewöhnt war, war der Anblick der verwachsenen, formlosen Fleischmassen, die einige der Marsbewohner anstelle von Gesichtern, Armen oder Füßen hatten, für ihn nur schwer zu ertragen. Zu den Primärmaßnahmen bei dem Projekt „Save our World, save our Future hatte die Reduzierung der Bevölkerung der Erde gehört. Dies wurde durch strikte Geburtenkontrolle mittels fragwürdiger Abtreibungen um der Menschheit willen und Gebärlizenzen an die Meistbietenden versucht, aber auch durch Reduzierung des vorhandenen Menschenbestandes, indem man unerwünschte oder unbrauchbare Elemente der Bevölkerung abschob. Und zwar auf neu eingerichtete extraterrestrische Camps, in denen das Überleben Sache der Campbewohner war. Einige wenige Verrückte waren sogar freiwillig „in das größte Abenteuer ihres Lebens" gestartet, wie es die Werbung hatte weismachen wollen. Viele von ihnen hatten auf eine bessere Zukunft gehofft und waren mit der Erinnerung an eine glorifizierte Vergangenheit an das Leben auf der Erde im Dreck eines Aussiedlercamps gestorben. Einige Camps hatten nicht lange existiert, aus anderen hatten sich lebensfähige Gemeinschaften entwickelt, deren Bewohner dem Aussehen nach noch Menschen waren, ihrer ethischen und moralischen Werte nach aber irgendetwas anderes. So entstanden auch die Piratenflotten. Lind selbst stammte aus einer Mülltonne auf Enceladus, aus der ein Eisminenarbeiter das halbtote Baby gefischt und später an die Händlerallianz verkauft hatte. So jedenfalls hatte es ihm Säbelzahn erzählt, die mit ihren Männern das Händlerschiff überfallen und das Baby zusammen mit den anderen Waren an Bord eines Piratenschiffes gebracht hatte. Aus Gründen, die sie bis zu ihrem Tod nicht genannt hatte, hatte sie Lind einen Namen gegeben und ihn bei sich aufgenommen. Da sie Captain bei den Unabhängigen Piraten war, wuchs Lind also bei selbigen auf und wurde selbst zum Captain eines kleinen Schiffes, das nun zwischen den Saturnringen versteckt auf Beute lauerte. Linds Plan war einfach: Im Kernschatten des Saturns herrschte völlige Finsternis, so dass kein visueller Kontakt möglich war. Außerdem näherte sich der Kreuzer auf der Ringebene des Saturns, wo das Magnetfeld am stärksten war, so dass mit Sicherheit die Sensoren gestört werden würden. Das kleine Piratenschiff würde man erst bemerken können, wenn es zu spät war – wenn er mit seinen Leuten das Schiff geentert hatte und dabei war, seine Arbeit zu tun.

    ++++++++++++++++++++++++++++++++++++

    Chris Donat war nicht wohl bei dem Manöver. Durch das starke Magnetfeld der Äquatorebene des Saturns waren die Sensoren der Glaspalast gestört, ein Umstand, den Donat nicht müde geworden war der Agentur und den Offiziellen immer wieder vorzuhalten. Außerdem hatten sie während ihres Fluges im Kernschatten des Saturns auch keine visuelle Sicht. Ein kleines Schiff – wie es z.B. die Piraten gerne benutzten – könnte es unter einem erfahrenen Captain schaffen, an einer der hinteren Schleusen der Glaspalast anzudocken. Die Sicherheitscodes der Schleusen zu knacken war keine große Kunst – trotz der wertvollen Passagiere waren die Sicherheitsstandards nicht erhöht worden. Bis die Sicherheitsleute den hinteren Teil des Schiffes erreicht hätten, wären etwaige Eindringlinge schon zu weit ins Schiff vorgedrungen. Welche Sicherheitsleute eigentlich, fragte sich Donat. Gut, es gab ihn und Hannah Suttner, die Copilotin, außerdem noch Dillan Bach, Offizier für Navigation und Kommunikation. Im Bauch der Glaspalast schwirrte noch eine drei Mann starke Technikcrew um Chefmaschinistin Laila Banderlow herum, aber das waren auch schon alle Besatzungsmitglieder der Glaspalast. Zwar wussten sie alle mit Waffen umzugehen und hatten auch die entsprechende Ausbildung genossen, aber um in einer Krisensituation wirkungsvoll agieren zu können, waren sie einfach zu wenige, da ja auch jeder im Ernstfall mit seinem Hauptaufgabenbereich genug zu tun hatte. Man hatte es nicht für nötig gehalten, ihnen Sicherheitspersonal mitzugeben, da die Offiziellen und die Siedlungsraumpolizei das Gebiet für sicher erklärt hatten. Zwar hatten die Patrouillen das Gebiet erst kürzlich von Piraten gesäubert, aber er glaubte nicht, dass sie alle erwischt hatten. Auch der Umstand, dass die Glaspalast ohne Eskorte fliegen musste, weil die Agentur bestimmte Sicherheitsbestimmungen aus Kostengründen nicht so ernst nahm, wurmte ihn.

    ++++++++++++++++++++++++++++++++++++

    Er würde keinen weiteren Flug für diese Agentur mehr machen, schwor sich Donat nicht zum ersten Mal auf dieser Reise. Sobald er konnte würde er kündigen und dann…. Die Sensoren erwachten wieder zum Leben. Während Suttner routiniert die Checkliste durchging, überprüfte Donat die Sicherheitssysteme des Schiffes. Alles schien innerhalb normaler Parameter zu arbeiten – außer Schleuse 7. Laut den Systemen lag hier eine Störung vor. Donat brach der kalte Schweiß aus. Komm schon, Junge, eine Störung kann vieles sein, machte er sich Mut. Vielleicht liegt es immer noch am Magnetfeld des Saturns, vielleicht war der Sensor ja komplett ausgefallen oder anderswie beschädigt. „Laila, schick mal einen Deiner Jungs zu Heckschleuse sieben, schickte Donat seinen Befehl durch das schiffsinterne Kommunikationssystem an die Technikerin. „Laila, hast Du verstanden? Die Stille nagte an Donats nerven. Konnten die Kommunikationssysteme ebenfalls beschädigt sein? „Bach, was ist los mit dem System? Der Offizier drehte sich zu ihm um: „Gar nichts, Sir, ich habe keine Fehlermeldung. „Warum antworten die dann nicht? Selbst die sonst unerschütterliche Hannah wirkte besorgt. „Bach, kontaktieren Sie den Passagierraum, ich will wissen. ob da alles in Ordnung ist!

    Bis jetzt war alles einfach gewesen. Fast schon zu einfach. Sie hatten den Sicherheitscode der Luke geknackt, waren in das Schiff eingedrungen und hatten sich ihren Weg durch das Innere gebahnt, ohne Widerstand vorzufinden. Lind würde nie verstehen könne, warum man auf diese teuren Reisen keine Sicherheitsleute zum Schutz der wohlhabenden Reisenden abstellte. Erst im Maschinenraum waren sie auf zwei Mitglieder der Besatzung gestoßen, die aber zu überrascht waren, um sich wehren zu können. Allerdings hatten die Schüsse eine Frau in der Schaltzentrale aufgeschreckt, die sie mit ihrer C13 unter Beschuss nahm. Richtig brenzlig wurde es, als ein dritter Mann von irgendwo auftauchte und sie mit der Frau zusammen ins Kreuzfeuer nahm. Doch sie hatten Glück – die C13 war ein altes Modell, bekannt dafür, hin und wieder Ladehemmungen zu haben, genau wie jetzt. Nachdem die Frau ausgeschaltet war, war es nicht mehr schwer, den Mann ebenfalls außer Gefecht zu setzen. Gerade, als Lind über die Leiche des Maschinisten stieg, um das Schiff weiter zu erkunden, schaltete sich die Sprechanlage an. „Laila, schick mal einen Deiner Jungs zu Heckschleuse sieben ertönte eine Stimme blechern durch die Halle. „Laila, hast Du verstanden? Die gleiche Stimme, nun deutlich besorgt. „Beeilen wir uns, sagte Lind zu seinen Männern, „sie wissen, dass etwas nicht stimmt. Selbst diese verwöhnten Muttersöhnchen können eins und eins zusammenzählen, viel Zeit haben wir nicht mehr. Sam, einer seiner Männer, hatte nach der Einnahme der Schaltzentrale die Pläne des Schiffes gefunden. Nun deutete er wild in eine Richtung; sprechen konnte er nicht, da man ihm bereits in jungen Jahren die Zunge herausgeschnitten hatte. „Zum Passagierraum, Sam – so schnell es geht, verstanden?", vergewisserte sich Lind. Der Stumme eilte voraus.

    ++++++++++++++++++++++++++++++++++++

    „Ja bitte? Die Stimme der Schwester klang zögerlich; zwar hatte man vor der Reise ihr und ihren vier Kolleginnen erklärt, wie man die Kommunikationssysteme der Glaspalast benutzte, aber dennoch schien sich die Schwester ihrer Sache nicht sicher. „Hier spricht ihr Captain, Chris Donat. Ich wollte mich nur erkundigen, ob bei ihnen alles in Ordnung ist. Wir befinden uns nun wieder auf dem Rückflug. „Ja, danke, wir sind alle wohl auf. Unsere Schützlinge können es kaum erwarten …" Der Rest ihrer Worte ging in einem lauten Knall, angsterfülltem Schreien und dem Geräusch von Schüssen unter.

    ++++++++++++++++++++++++++++++++++++

    Sie hatten den Passagierraum schnell gefunden. Sie hatten wie immer die Sicherheitsroutinen der Automatiktür überschrieben. Sie waren in das Abteil gestürmt, ziellos Schüsse abgebend und wie wahnsinnig brüllend. Nun standen sie da wie erstarrt und blickten auf die Leichen zweier Frauen in Schwesterntracht. Drei weitere Schwestern hatten sich trotz ihrer Todesangst mit weit ausgebreiteten Armen schützend vor die Passagiere gestellt – einer Gruppe von Kindern im Alter von vielleicht 9 bis 15 Jahren. „Kinder? Lind viel aus allen Wolken. „Ja, Mann, na und? Die schrei‘n zwar mehr, wenn man ´se abknallt und quieken wie die Surrwürmer, aber braucht man nich so viel Munition, was? Sind ja kleiner, hahahaha, mit einem dreckigen Lachen wollte Srebka an ihm vorbei stürmen und seiner Arbeit nachgehen. Lind hielt ihn mit einer schnellen Bewegung zurück. „Was‘n los, Mann? Srebka quengelte. Er wollte Beute machen, dafür waren sie doch hier. Wieso plötzlich beim Anblick der Bälger Bedenken bekommen? „Das sind Kinder, glaubst Du, die haben das große Geld? Glaubst Du, die haben Schmuck dabei? „Dann haben ihre Eltern Geld, sonst wären sie nicht hier. „Wir können keine Geiseln nehmen, dafür ist unser Schiff zu klein. „ Dann lass uns den Kreuzer mitnehmen. „Bist du blöd, Mann, mit dem Riesenteil haben wir keine Chance gegen die Patrouillen, und Waffen haben wir auch keine „Dann zieh‘n wa wieder ab, oder was? „Sie haben uns gesehen, wir können uns keine Zeugen erlauben, lasst sie uns töten. „Leute, Leute, ganz ruhig! unterbrach Lind die Diskussion in der Mannschaft. Zuerst müssen wir… Weiter kam er nicht, denn ein Strahl schoss ganz knapp an seinem Kopf vorbei und brannte sich in die gegenüberliegende Wand. Das Chaos brach los. „Verdammt, verdammt, macht die Tür zu, schnell, sie sind da! „Los, beeil Dich doch! Pat, die für so etwas zuständig war, arbeitet hektisch an dem Sicherheitscode der Tür. „Geht das nicht schneller? „ Ich arbeite am liebsten unter Druck, fauchte Pat. Durch den Gang sahen sie, wie die Mannschaft der Glaspalast heranstürmte, immer wieder feuernd. Durch die Wucht eines Treffers wurde einer seiner Männer, Srebka, an die Wand geschleudert, wo er bewegungslos liegen blieb. Wie in Zeitlupe schien sich die Tür zu schließen. Als sie endlich zu war, arbeitete Pat verbissen daran, den Code zu ändern, damit die Tür zumindest vorerst geschlossen blieb. „Hannah, sie sind bei den Kindern im Passagierraum, und wir sind draußen und können nicht rein, sie haben den Türcode geändert. Ich denke, wir haben einen erwischt, aber es sind noch mindestens vier von ihnen übrig. Donat gab seinen Bericht an die Brücke weiter, wo Hannah zurückgeblieben war. „Ich schicke Dir Dillan hoch. Versucht irgendwie irgendwen zu erreichen, wir brauchen Hilfe, und zwar schnell. „ Was willst Du tun? „Ich versuche es mit Verhandlungen, sagte Donat wenig überzeugend. „Chris – Laila und die anderen….? Donat schüttelte den Kopf, obwohl er wusste, dass Hannah ihn nicht sehen konnte. „Ich spreche jetzt mit den Piraten, sagte er nur.

    ++++++++++++++++++++++++++++++++++++

    Lind ließ seinen Blick über die verängstigten Kindergesichter schweifen. Verängstigt? Nein, verängstigt waren die Schwestern. Die Kinder wirkten seltsam ernst und gefasst. Der älteste von ihnen, ein wohl 15-jähriger Junge, erwiderte seinen Blick sogar direkt, anstatt auszuweichen oder auf den Boden zu starren. Sehr ungewöhnlich. Dass Srebka tot war, war gar nicht so schlecht. Er war das labile Element in der Mannschaft gewesen, ein Sadist, der weder sich noch seine Gefühle beherrschen konnte, und den er kaum hatte bändigen können. In dieser Situation konnte er keine Hitzköpfe gebrauchen. „Was haben Sie nun vor?, die Stimme des Jungen holte ihn aus seinen Gedanken. Wütend starrte Lind ihn an; wenn er das nur selber wüsste! „Hier spricht Chris Donat, der Captain dieses Schiffes. Wir sind zu Verhandlungen bereit. Nennen Sie ihre Bedingungen. Lind tauschte verwunderte Blicke mit seinen Männern. Verhandlungen? Normalerweise wurde mit Piraten nicht verhandelt. Nun gut, sie waren hier in einer ziemlich guten Position bei den Kindern, aber nichts wäre leichter als ein entsprechendes Gas in den Raum zu leiten, bis alle bewusstlos wären, dann zu stürmen, mit ihnen kurzen Prozess zu machen und eventuelle Verluste bei den Geiseln – den Kindern – in Kauf zu nehmen. Es sei denn….Wer seid ihr? Lind wandte sich an den Jungen, der ihn angesprochen hatte. „Das geht dich gar nichts an, fauchte ein kleines Mädchen mit roten Locken und klammerte sich an den Jungen. Beruhigend legte dieser seinen Arm um sie. Mit der anderen Hand zeigte er mit einer weit ausladenden Geste auf die anderen Kinder „Wir sind die Zukunft, die Zukunft der Erde.

    ++++++++++++++++++++++++++++++++++++

    Lange Zeit hatte das Kommunikationssystem geschwiegen. Wie ein Tiger im Käfig war Donat auf der Brücke auf und ab gelaufen, bis Hannah ihn angezischt hatte, endlich Ruhe zu geben. Zwar hatte er sich gesetzt, aber immer wieder gereizt mit den Fingern auf die Lehne seines Aerosessels getrommelt. „Warum melden die sich nicht? „Lasst uns den Raum fluten, schlug Dillan halbherzig vor. „Idiot – wenn auch nur einem Kind was passiert, bringen uns die Offiziellen, die Eltern und wer weiß ich noch alles um! „Sprich noch einmal mit ihnen, schlug Hannah vor. „Vielleicht… „Hallo! Diese Stimme kannten sie noch nicht. Donat drückte die Kommunikationstaste. „Wer zum…? „Hier spricht Dorian Green, Erstgeborener des Hauses Green der Ersten Klasse von Erdenbürgern, Sohn und Nachfolger des rechtmäßigen Regenten. Wir haben mit Captain Torben Lind freies Geleit und ungehinderten Rückzug für seine Leute vereinbart. Wir erbitten Bestätigung. Donat blickte Hannah und Dillan verständnislos an. Selbstverständlich kannte er das Haus Green, und die Bitte eines Mitgliedes dieses Hauses glich eher einem Befehl, dem man sich nicht widersetzen sollte, aber in diesem Fall... „Erbe Green, wir haben wohl nicht richtig verstanden. Sagtet Ihr freies Geleit und ungehinderten Rückzug für Piraten und Mörder? „Captain Lind wird sich auf der Erde vor einem Gericht für seine Taten verantworten müssen. Er hat zugestimmt, mit uns zurückzukehren. Seine Leute haben nur auf seine Befehle hin gehandelt und sind nicht zu belangen. Es wird Ihr Schaden nicht sein, Captain Donat, wenn sie tun, was ich verlange. Mein Vater kann sehr großzügig sein, vor allem wenn man ihm seinen Sohn und Erben zurückbringt.

    ++++++++++++++++++++++++++++++++++++

    Lind sah zu, wie das kleine Schiff, das einmal seines gewesen war, in den Ringen des Saturns verschwand. Die Besatzung der Glaspalast hatte Wort gehalten und seine Leute ziehen lassen. Er konnte noch immer nicht glauben, was er getan hatte und warum. Er hatte lange mit Dorian Green geredet. Die Kinder an Bord des Schiffes waren die Erben der einflussreichsten Personen der Erde aus Politik, Kultur und Wirtschaft. Später würden sie alle die Aufgaben ihrer Väter oder Mütter übernehmen, worauf sie in jahrelangem Training vorbereitet wurden. Die Reise zum Saturn hatte dazu gedient, den Siedlungsraum All aus der Nähe kennen zu lernen: Seine Planeten, seine Handelswege, seine Siedlungsformen, alles, was man von Bord eines Schiffes aus kennenlernen konnte. Die sozialen Probleme und die Klassengegensätze, die diese Welt beherrschten, standen nicht auf dem Stundenplan und hätten es auch niemals getan, wenn sie sich nicht selbst in Form von Torben Lind und seinen Piraten an Bord geschlichen hätten. Lind hatte den Kindern von dem Leben in den Camps berichtet, vom täglichen Kampf ums Überleben, von den zahlreichen Versuchen, genug Geld und Wasser zu beschaffen, um eine Aufenthaltsgenehmigung auf der Erde zu bekommen, von der wachsenden Verzweiflung, wenn man es wieder nicht schaffte. Zunächst hatten die Kinder ungläubig und fasziniert gelauscht, wie man einer spannenden Geschichte zuhört, dann war ihr Unglaube in Verständnis umgeschlagen und schließlich in Ärger. Ärger über das bestehende System, die Offiziellen, ihre Eltern, alle, die es soweit hatten kommen lassen. Sie hatten gemeinsam den Beschluss gefasst, etwas zu verändern, spätestens dann, wenn sie selbst ein Amt bekleideten. Dorian hatte dabei so ernst und entschlossen gewirkt, dass Lind ihm tatsächlich zutraute, etwas zu bewirken. Wenn er sich vor einem Erdengericht verantworten musste, schien das ein geringer Preis dafür zu sein, dass es den Menschen im Siedlungsraum All eines Tages besser ging. Er war froh, dass den Kindern nichts passiert war. Die Kinder sind unsere Zukunft, dachte Lind mit einem Lächeln, als er durch die großen Fenster der Glaspalast ins All blickte. Save our Future, save our World.

    Satellitenservice

    Bernd Holzhauer

    SCIENCE FICTION WETTBEWERB 2008 – Platz 2a

    Tom, der rothaarige Lockenkopf, war groß und breit, und für einen Raumfahrer eher zu massig. Wenn er im Schott zum Cockpit der Bonanza auftauchte, war dieses fast komplett ausgefüllt. Auf Grund seines Erscheinungsbildes, würde man Tom eher für einen irischen Whiskybrenner halten, als für einen feinfühligen Kommunikationsingenieur. Joy dagegen wirkte, typisch für ihre asiatische Herkunft, klein und zierlich und sah neben dem bulligen Tom eher zerbrechlich aus. Wobei dieser Eindruck täuschte, denn sie war gut trainiert, flink und sehr kräftig.

    Tom und Joy hatten sich beim Militär kennen gelernt. Am Ende ihrer Dienstzeit hatten sie gemeinsam einen ausgemusterten Truppentransporter gekauft, ihn entsprechend umgerüstet und sich damit selbständig gemacht. Nicht nur weil die Außenhaut durch die goldbraunen, flexiblen Solarzellen im Sonnenlicht wie Gold glänzte, sondern auch weil es für sie eine Goldgrube werden sollte, hatten sie ihr Boot auf den Namen „Bonanza" getauft. Die Bonanza war ursprünglich ein Universaltransporter, primär für den Einsatz im Weltraum und als Landungsboot für atmosphärelose Planeten konstruiert. Sie hatte während der Mondkriege als senkrecht startender Transporter, Truppen und Nachschub auf dem Mond abgesetzt. Über ihre Beziehungen aus der Militärzeit hatten Tom und Joy auch die ersten Aufträge für Wartungsaufgaben an Satelliten im Erdorbit erhalten und sie machten ihren Job so gut, dass sich daraus ein kleines, lukratives Unternehmen entwickelt hatte. Mit dem verdienten Geld hätten sie sich längst zur Ruhe setzen können, aber das Schiff war ihr Zuhause und ihnen gefiel das Leben im Weltraum.

    Der Dritte im Team war Dotan. Ein auf den ersten Blick eher verstört wirkender, schwarzer Wuschelkopf, israelischer Abstammung. Er besaß die Fähigkeit sich sehr schnell in Technik aller Art einzuarbeiten. Manchmal hatte man den Eindruck, er könnte mit Computern und Satelliten reden oder gar persönliche Beziehungen zu ihnen aufbauen. Dotan war ein hervorragender Praktiker, der seiner Intuition mehr vertraute als Logik und Technik. Und er verfügte über einen sechsten Sinn, mit dem er Dinge im Weltraum aufspürte, lange bevor sie von einem Ortungssystem erfasst wurden. Damit hatte er die Bonanza schon des Öfteren vor herumfliegendem Weltraumschrott bewahrt. Er war auch in der Lage, selbst gut getarnte Satelliten, ohne deren genauen Standort bzw. Umlaufbahn zu kennen, aufzuspüren. Die drei waren ein gut eingespieltes Team. Sie galten allgemein als sehr vertrauenswürdig, so dass sie neben Aufträgen der Industrie auch immer wieder für die Nordallianz militärische Satelliten betreuten.

    Zu dritt hatten sie die Bonanza nach ihren Vorstellungen für Serviceeinsätze umgebaut. Die hervorragenden Flug- und Manövriereigenschaften hatten Dotan und Tom noch verbessert und damit war die Bonanza ideal zur Aufnahme und zum Absetzen von Satelliten. Der Bug der Bonanza bestand aus einem Druckkörper mit Cockpit, großem Aufenthaltsraum und mehr Kabinen als sie eigentlich brauchten. Tom und Dotan hatten einige davon als Lagerraum und Werkstatt umfunktioniert und trotzdem konnten sich an Bord noch bis zu 10 Leute bequem aufhalten. Zwischen Druckkörper und Heck war die große Mittelplattform. Sie konnte Objekte bis zu 50 Meter Länge und 20 Meter Breite aufnehmen. Moderne Raumanzüge hatten zwar mit den unförmigen Teilen aus der Pionierzeit der Raumfahrt nichts mehr gemeinsam. Sie waren deutlich flexibler und beweglicher geworden und trotzdem war es oft notwendig, einen Satelliten ohne störenden Raumanzug bearbeiten zu können. Daher konnte man die Plattform mit einem aufblasbaren, luftdichten Zeltdach in eine Art Hangar umwandeln. Reparaturen an den Objekten konnten dort mit entsprechend feinerem Werkzeug und empfindlicheren Messgeräten durchgeführt werden. Im anschließenden Heck waren leistungsfähige Vorschub-Triebwerke, mit denen die Bonanza auch mit modernen Raumjägern mithalten konnte.

    ++++++++++++++++++++++++++++++++++++

    Auf ihrer jetzigen Tour hatten sie mehrere geostationäre Satelliten zum Betanken und für Routineservices angeflogen. Anschließend waren von ihnen zwei Überwachungssatelliten aufgenommen worden, die sie zur NASS-Alpha bringen sollten. Wie meistens auf ihren Flügen, hatten sie zusätzlich etwas gefährlichen Weltraumschrott eingesammelt, von dem es seit den Mondkriegen in dieser Region mehr als genug gab. Gefährlicher Schrott deshalb, weil dessen unregelmäßige Bahnen öfters Kollisionen mit regulären Raumfahrzeugen verursachte. Jährlich waren ein paar Zwischenfälle dieser Art zu beklagen, die aber zum Glück meist glimpflich abliefen. Der Schrott war aber nicht nur gefährlich, sondern er brachte, zumindest die größeren Teile, auch gutes Geld. Während sie die Überwachungssatelliten zur Aufnahme suchten, hatten sie durch besonderes Glück und Dotans Gespür, noch ein Hurenkind gefunden. Hurenkinder nannte man verloren gegangene Satelliten, von denen weder Aufenthaltsort oder Existenz bekannt war. Das Eigentum ging automatisch an den Finder über. Je nach Erhaltungsstufe war ein solches Hurenkind ein Vermögen wert. Entweder löste es der ursprünglich Eigner aus oder man brachte es zur Versteigerung. Wo es wertvolles zu finden oder einzusammeln gab, gab es auch Menschen, die am Rande oder jenseits der Legalität damit ihr Glück suchten. Raumpiraten, während der Mondkriege offiziell von beiden Seiten als Störenfriede eingesetzt, wurde mittlerweile von der Nordallianz (NA) als Terroristen gejagt. Es war ein offenes Geheimnis, dass die Mitte-Ost-Union (MOU), den Piraten Unterschlupf auf ihren Mondbasen bot. Den Rest an Sicherheit konnten die Piraten mit Schmiergeldern bei den entsprechenden Verwaltungen erkaufen. Die Piraten hatten in der Vergangenheit gut von gekaperten Satelliten gelebt. Dabei waren sie so dreist gewesen, dass sie speziell Militärsatelliten direkt aus ihren Umlaufbahnen geklaut hatten. Selbst für so heiße Ware fanden sich immer wieder Abnehmer.

    In Folge wurden militärische Satelliten und Flugkörper neben Tarneinrichtungen auch mit Selbstverteidigungs- und Selbstzerstörungsanlagen ausgerüstet. Letztere zerstörten beim unbefugtem Öffnen oft auch die direkte Umgebung. Wenn die Crew um Joy solche Satelliten betreuen sollten, wurden sie mit entsprechenden mechanischen und elektronischen Schlüsseln versehen. Die Bonanza befand sich mittlerweile auf dem Weg zur

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1