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Nepal bebt: Das Land am Himalaya zwischen Katastrophe und Chance
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eBook396 Seiten5 Stunden

Nepal bebt: Das Land am Himalaya zwischen Katastrophe und Chance

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Über dieses E-Book

us Nepal häufen sich die Katastrophenmeldungen. Dem schweren Erdbeben 2015 folgten zwei politische Erschütterungen: Zum einen rührten Regierung und Parlament kaum einen Finger für den Wiederaufbau, zum anderen verabschiedeten sie gegen heftige Einwände eine Verfassung mit so viel Konfliktstoff, dass es fast zum Bürgerkrieg kam. Ein Jahr zuvor hatte der Tod von 16 Sherpas in einer Eislawine auf schreckliche Weise vor Augen geführt, wohin das kommerzialisierte Bergsteigen am Everest führt.
Als "einziges Hindu-Königreich der Erde" galt Nepal lange als ein Hort der Harmonie. Doch in Wahrheit war es, wie Hans Dieter Sauer aufzeigt, eine religiös verbrämte Diktatur. Die aus dieser Zeit überkommenen Denkweisen und Machtstrukturen stehen einem durchgreifenden gesellschaftlichen und politischen Wandel noch immer im Wege.
Trotzdem mangelt es nicht an vernünftigen Vorschlägen, wie den vielfältigen Problemen beizukommen wäre, sei es die Verfassungskrise, das Verhältnis zu Indien, die Sanierung der Wirtschaft und so fort. Sie kommen von Vereinigungen in Nepal und von Auslandsnepali und werden in den Medien lebhaft diskutiert. Soll Nepal eine bessere Zukunft haben, müssen die progressiven Kräften eine breite Reformbewegung
ins Rollen bringen.
SpracheDeutsch
HerausgeberRotpunktverlag
Erscheinungsdatum30. Okt. 2017
ISBN9783858697738
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    Buchvorschau

    Nepal bebt - Hans Dieter Sauer

    Anmerkungen

    Einleitung

    Dieses Buch ist das Ergebnis einer nicht geplanten Entdeckungsreise. Der Auslöser war das Erdbeben vom 25. April 2015 in Nepal. Ein Jahr zuvor hatte ich nach längerer Abwesenheit wieder einmal Nepal besucht und mich dabei auch über das Erdbebenrisiko von Kathmandu informiert. Das Resultat der Recherchen war erschreckend. Es war damit zu rechnen, dass bei einem schweren Erdbeben im Großraum Kathmandu über hunderttausend Menschen ums Leben kommen würden. Ich schrieb dazu einen Artikel, der Anfang Februar 2015 in der Neuen Zürcher Zeitung erschien, ohne zu ahnen, dass das Ereignis, vor dem ich warnte, unmittelbar bevorstand.¹

    Zu meiner Erleichterung wie auch jener der gesamten Fachwelt waren dann die Auswirkungen des Erdbebens weit weniger katastrophal als befürchtet. Doch meine Erleichterung schlug nach einiger Zeit in Fassungslosigkeit um, als ich feststellte, dass sich zwei aufeinanderfolgende Regierungen und das Parlament kaum um die obdachlos gewordenen Menschen in den Bergregionen kümmerten und dann zu allem Überfluss das Land noch in eine politische Katastrophe stürzten. Nach jahrelangen zähen Beratungen boxten sie auf einmal in einem Eilverfahren eine neue Verfassung durch, die so viel Konfliktstoff enthielt, dass es fast zum Bürgerkrieg kam. Die Volksgruppen an der Grenze zu Indien fühlten sich durch die vorgesehene Grenzziehung zwischen den Provinzen so sehr benachteiligt, dass blutige Unruhen ausbrachen und der Warenverkehr mit Indien zum Erliegen kam. Doch anstatt sich um eine Beilegung der Krise zu bemühen, heizte die Zentralregierung in Kathmandu den Konflikt mit antiindischen Parolen weiter an, sodass die Grenzblockade bis Ende Januar 2016 andauerte und Nepal fast so viel materiellen Schaden zufügte wie das Erdbeben.

    Wie konnte die Staatsführung, ja die gesamte politische Klasse derart versagen? Die Antworten, die ich zu hören bekam, liefen im Grunde immer auf das Gleiche hinaus. Die Politiker seien samt und sonders unfähig und korrupt. Doch das befriedigte mich nicht. Die politische Misere konnte nicht allein durch eine kollektive Charakterschwäche der Politiker bedingt sein. Das musste tieferliegende Ursachen haben. Den entscheidenden Hinweis lieferte mir der nepalesische Publizist Kanak Mani Dixit. Er hatte geschrieben: »Die meisten gegenwärtigen politischen Probleme haben ihren Ursprung in der lähmenden zentralistischen Struktur des Panchayat.«²

    Was war das Panchayat? Es war die Staatsverfassung, nach der Nepal von 1960 bis 1990 regiert wurde. Sie beruhte auf gewählten Dorfräten, den Panchas, über denen sich weitere Gremien bis zu einem nationalen Panchayat aufbauten. Darüber stand aber als oberste Instanz in allen Staatsangelegenheiten der mit göttlichen Weihen versehene Hindu-König. Vom Königshaus und den herrschenden Kreisen wurde argumentiert, diese Regierungsform sei für die traditionelle nepalesische Gesellschaft besser geeignet als eine parlamentarische Demokratie, eine Meinung, die auch im Westen weithin geteilt wurde. So gibt es in der deutschsprachigen Literatur aus der Zeit von 1960 bis 1990 keine einzige Veröffentlichung, die sich kritisch mit den politischen Verhältnissen in Nepal auseinandergesetzt hätte. Vielmehr wurde das »einzige Hindu-Königreich der Erde« mit einer gewissen Aura umgeben, einige Autoren stimmten regelrechte Lobeshymnen an. So gelangte Rudolf Högger, der von 1970 bis 1974 die Schweizer Entwicklungshilfe in Nepal koordinierte, aufgrund tiefschürfender Analysen zu der Einsicht, König Birendra lasse sich in seinen Handlungen »ohne Zweifel« von altindischen Lehrtexten leiten und habe stets das Wohl des Volkes im Auge.³

    Dagegen stand nun die andere Sichtweise Dixits. Neugierig geworden, konsultierte ich weitere nepalesische und indische Autoren und stellte fest, dass sie die Panchayat-Herrschaft zum Teil in noch schwärzeren Farben malten als Dixit. Die exotische, vom Westen so wohlwollend beurteilte Monarchie entpuppte sich als nackte Diktatur. König Mahendra, der Vater von Birendra, hatte die Macht mithilfe der Armee an sich gerissen. Er hatte Ministerpräsident Bishweshwar Prasad Koirala, der mit der Partei Nepali Congress 1959 aus den ersten demokratischen Wahlen Nepals als klarer Sieger hervorgegangen war, Ende 1960 mit dem gesamten Kabinett ins Gefängnis geworfen, das Parlament aufgelöst und sich mit allumfassenden Machtbefugnissen ausgestattet.

    Aber wie war Mahendra überhaupt in eine Position gekommen, die es ihm ermöglichte, die verfassungsmäßige Regierung einfach beiseite zu schieben? So arbeitete ich mich immer weiter in die nepalesische Vergangenheit voran. Seit wann gab es das Hindu-Königreich am Himalaya? Wie hatte es seine Unabhängigkeit gegenüber der britischen Kolonialmacht in Indien bewahren können? Welche Zustände hatten in diesem Reich geherrscht?

    Nachdem ich das Wirken der nepalesischen Königsdynastie von ihren Anfängen bis in die Gegenwart verfolgt habe, sehe ich sie jeglichen Glorienscheines entkleidet. Im Gegensatz zu dem Schweizer Entwicklungsexperten Andreas Schild, der es »nicht stoßend fand, dass Nepal von einem König regiert wurde« und sich immer noch als »gemäßigten Royalisten« bezeichnet, halte ich das Hindu-Königtum für das Grundübel Nepals.

    Die Probleme Nepals rühren nicht daher, dass versucht wurde, den politischen und gesellschaftlichen Wandel zu schnell herbeizuführen, sondern dass die autokratische Monarchie ihn über Jahrzehnte blockierte. Der Versuch, das neue Nepal mit dieser anachronistischen Institution aufzubauen, war zum Scheitern verurteilt. Daran hat das Land bis heute zu tragen.

    Bedingt durch seine Entstehungsgeschichte, beginnt das Buch mit einer Schilderung des Erdbebens und seiner Folgen. Dabei erläutere ich auch, wie es dazu kam, dass das Erdbebenrisiko von Kathmandu grotesk überzeichnet wurde, ein Irrtum, dem auch ich aufgesessen bin. Dieser Tatbestand hätte nach dem Beben in Fachkreisen offen angesprochen werden müssen, doch das geschah nicht. Stattdessen wurden pseudowissenschaftliche Argumente vorgebracht, um die gewaltige Diskrepanz zwischen den vorausgesagten und den tatsächlichen Schäden und Todesfällen zu erklären. Es ist aber unbedingt erforderlich, eine realistische Einschätzung des Erdbebenrisikos von Kathmandu vorzunehmen, soll nicht die städtebauliche Entwicklung der Millionenmetropole in eine falsche Richtung gelenkt werden.

    Danach skizziere ich kurz die der Naturkatastrophe folgende politische Katastrophe, bevor ich die Ursachenforschung aufnehme und mich auf die Erkundung durch die nepalesische Geschichte begebe. Entgegen der Recherche, bei der ich mich von der Gegenwart immer weiter in die Vergangenheit vortastete, lasse ich den Gang durch die Geschichte mit der Staatswerdung Nepals vor 250 Jahren beginnen und bewege mich von dort vorwärts in die Gegenwart.

    Einen Schwerpunkt bildet dabei das Ereignis, das in den meisten gängigen Darstellungen mit einigen Sätzen abgetan wird: der erste erfolgversprechende demokratische Aufbruch unter B. P. Koirala und die gewaltsame Beendigung durch den Staatsstreich von König Mahendra im Jahre 1960. Erst 1990 konnte das nepalesische Volk einen zweiten demokratischen Aufbruch erzwingen, der allerdings völlig aus der Bahn geriet und in die Katastrophe des Bürgerkrieges mündete. Dessen einziges positives Ergebnis war die Abschaffung der Monarchie, auch wenn dieser Punkt gar nicht zu den ursprünglichen Zielen der Maoisten gehörte.

    Im Schlusskapitel wage ich es, einen Vorschlag zur Ausrichtung der nepalesischen Politik zu machen, auch wenn das von einem ausländischen Beobachter vermessen ist. Die dringendste Aufgabe für Nepal ist die Schaffung von Arbeitsplätzen, damit sich nicht weiterhin Millionen von Nepalesen unter elenden Bedingungen im Ausland verdingen müssen. Um davon loszukommen, braucht Nepal eine massive Industrialisierung. Sein immenses Wasserkraftpotenzial bietet dafür an sich eine gute Grundlage, doch bislang werden davon kaum zwei Prozent genutzt.

    Dabei hatte der Schweizer Toni Hagen, der in den 1950er-Jahren als Berater für die nepalesische Regierung tätig war, seinerzeit bereits Dutzende von Standorten für Wasserkraftwerke identifiziert. Auf der Grundlage seiner Berichte vereinbarte B. P. Koirala mit Nehru den Bau von Wasserkraftwerken zur Stromversorgung für Nepal und Indien. Doch der Staatsstreich von Mahendra machte die Pläne zunichte, und sie wurden während der Panchayat-Zeit auch nicht mehr aufgenommen, weil das Regime in Kathmandu zu viel Einfluss Indiens und somit – sicher nicht ganz zu Unrecht – eine Unterminierung seiner Herrschaft befürchtete. Aber auch nach Wiedereinführung der Demokratie kam keine gedeihliche Zusammenarbeit mit Indien zustande, weil Vorhaben durch nationalistische Aufwallungen gegen einen »Ausverkauf der Wasserressourcen« an Indien blockiert wurden.

    Diese Einstellung sollte Nepal überwinden und auch an die vitalen Interessen Indiens denken. Alle Flüsse Nepals fließen in den Ganges. Sie tragen übers Jahr gesehen die Hälfte zu seinem Zufluss bei, in der Trockenzeit sind es sogar 70 Prozent. In der Ganges-Ebene lebt die Hälfte der indischen Bevölkerung, für sie ist das Wasser aus Nepal von existenzieller Bedeutung. Nepal seinerseits kann nur dann vollen Nutzen aus seinen Wasserressourcen ziehen, wenn es mit Indien kooperiert und Strom aus Wasserkraft ins Nachbarland exportiert.

    Aber nicht nur auf dem Gebiet der Wassernutzung ist eine enge Kooperation mit Indien angesagt. Nepal sollte den aus der Panchayat-Zeit übernommenen antiindischen Nationalismus hinter sich lassen und gute Nachbarschaft mit Indien pflegen. Das liegt in seinem ureigensten Interesse. Sonst verbaut es sich weiter seine Zukunft.

    Nepal – Land und Leute

    Nepal ist 150 000 Quadratkilometer groß und hat 30 Millionen Einwohner. Damit ist das »kleine« Land am Himalaya in beiden Kategorien knapp viermal so groß wie die Schweiz oder halb so groß wie Italien. Klein ist es nur im Vergleich mit seinen gigantischen Nachbarn Indien und China. Die Bevölkerung lebt je zur Hälfte im Flachland an der Grenze zu Indien sowie im mittleren Bergland, den sogenannten Hills, die sich aber immerhin zu Höhen von 2000 bis 3000 Meter erheben. Die dominierende Stadtregion ist der Ballungsraum der Hauptstadt Kathmandu mit 3,5 Millionen Einwohnern, sonst gibt es keine Millionenstädte. Mit 15 Prozent ist die Verstädterung im Vergleich zu anderen Entwicklungsländern immer noch sehr niedrig.

    Nepal erstreckt sich längs des Himalayas über eine Länge von 800 Kilometer und ist zwischen 150 und 250 Kilometer breit. Es liegt knapp unter dem 30. Breitengrad und damit in etwa auf einer Linie mit Kairo. Von allen Ländern der Erde weist es innerhalb seiner Grenzen die größte Höhendifferenz aus, sie reicht vom niedrigsten Punkt auf 60 Metern bei der Stadt Janakpur bis zum höchsten Punkt der Erde, dem Gipfel des Mount Everest, auf 8848 Metern. Damit treten in Nepal alle Klimazonen der Erde auf, vom tropischen Dschungel bis quasi zur Polarregion. Neben dem Mount Everest befinden sich noch sieben Achttausender auf seinem Territorium.

    Das Klima wird vom Monsun bestimmt. Die Niederschläge variieren von 5500 Millimetern an den Südhängen des Himalaya bis zu 160 Millimetern im nördlichen Regenschatten der Gebirgskette. Die hohen Niederschläge und das starke Gefälle bescheren Nepal ein immenses Potenzial an Wasserkraft. Es wird auf 44 000 Megawatt taxiert, das entspricht der vierzigfachen Leistung des größten Schweizer Atomkraftwerkes Leibstadt. Von dem überaus reichlichen Angebot an Wasserkraft werden bislang allerdings lediglich 750 Megawatt genutzt, das sind gerade einmal 1,5 Prozent. (Zum Vergleich: In der viel kleineren Schweiz ist eine Gesamtleistung von knapp 14 000 Megawatt installiert).

    Ob Regenwasser oder das Schmelzwasser der Gletscher, alles Wasser aus Nepal fließt letztlich in den Ganges. Es steuert damit die Hälfte zu dessen Gesamtdurchfluss bei. Damit ist Nepal als Wasserlieferant für den Ganges ebenso wichtig wie die Schweiz für den Rhein, dessen Jahresdurchfluss zur Hälfte aus den Alpen und dem Schweizer Mittelland stammt. Allerdings sind die Größenordnungen andere. Der Ganges führt übers Jahr gesehen sechsmal so viel Wasser wie der Rhein und in der Ganges-Ebene, einem der am dichtesten besiedelten Gebiete der Erde, leben 400 Millionen Menschen. Ihr Leben hängt vom Wasser aus dem Himalaya ab. Es bewässert ihre Felder, aber wenn die Regengüsse des Monsun zu heftig ausfallen, bringen die Flüsse aus dem Himalaya Tod und Verderben. Obwohl sich bei Bewässerung und Flutkontrolle, aber auch bei der Stromerzeugung eine enge Kooperation zwischen Indien und Nepal geradezu aufdrängt, geschieht das bislang in viel zu geringem Maße. Das liegt nicht an technischen Problemen oder Geldmangel, sondern an der mangelnden Kooperation zwischen Nepal und Indien.

    Nepal wird von über hundert verschiedenen Volksgruppen und Kasten bewohnt, wobei aber nur etwa zehn Prozent, die zusammen etwa zwei Drittel der Gesamtbevölkerung stellen, ins Gewicht fallen. Knapp über 80 Prozent sind Hindus, 9 Prozent Buddhisten, 4 Prozent Muslime und 1,5 Prozent Christen. Des Weiteren existieren animistische Religionsgruppen mit Anleihen beim Buddhismus und Hinduismus.

    Nepals Völkermosaik stellt einen einzigartigen kulturellen Schatz dar, bereitet aber schwerwiegende politische Probleme. Durch eine Verfassunggebende Versammlung hat sich das Land am 20. September 2015 eine föderale Bundesverfassung gegeben, aber gegenwärtig toben nach wie vor heftige Auseinandersetzungen um die Gliederung des Landes und die angemessene Beteiligung der verschiedenen Volksgruppen am politischen Prozess.

    Die bekannteste Volksgruppe sind zweifellos die Sherpas, obwohl sie mit weniger als 0,5 Prozent nur eine winzige Minderheit darstellen. Ihren Ruhm verdanken sie den frühen westlichen Bergsteigern. Deren Expeditionsberichte sind voll des Lobes über die Sherpas; zu Recht, denn ohne deren Hilfsdienste wäre seinerzeit kein westlicher Bergsteiger auf einen der hohen Himalaya-Gipfel gekommen. Heute bereiten die Sherpas im Rahmen von kommerziell organisierten Touren zahlungskräftigen Kunden mit Fixseilen und vorbereiteten Lagerplätzen den Weg zum Gipfel des Everest.

    Die »Expeditionssherpas« stammen fast alle aus der Khumbu-Region am Everest mit gerade einmal 3000 Einwohnern. Von den dortigen Verhältnissen auf das übrige Nepal zu schließen, führt ebenso in die Irre, wie wenn man sich von Zermatt und seinen Bergführern ein Bild von der ganzen Schweiz machen wollte.

    Bis 2008 war Nepal das einzige Hindu-Königreich der Erde, dann erklärte es sich zur Republik und schaffte die Monarchie ab. Der Bruch mit der Vergangenheit machte auch ein neues Staatswappen nötig. Das Wahrzeichen Nepals ist nun der Mount Everest, der sich über den Umrissen des Landes erhebt.

    Damit machten die Schöpfer des Wappens ein »Importprodukt«, zum Wahrzeichen des Landes. Vor der Mitte des 20. Jahrhunderts nahm kaum jemand in Nepal vom Everest Notiz. Er trat erst ins nepalesische Bewusstsein, nachdem den Schweizern 1952 beinahe die Erstersteigung geglückt wäre und im Jahr darauf der Neuseeländer Edmund Hillary und Sherpa Tensing Norgay als Teilnehmer einer britischen Expedition tatsächlich den Gipfel erreichten. Die Nepalesen reklamierten Tensing für sich. Doch er war 1914 in Tibet geboren worden, als Junge mit seinen Eltern ins Khumbu ausgewandert, aber schon nach einigen Jahren mit Altersgenossen zur Arbeitssuche ins indische Darjeeling gegangen, das zeitlebens sein Wohnsitz blieb.

    Offiziell heißt der Everest »Sagarmatha«, was so viel wie »Stirn des Himmels« bedeutet. Das ist aber keine althergebrachte nepalesische Bezeichnung, sondern die Wortschöpfung eines national gesinnten nepalesischen Historikers, die erstmals 1939 auftaucht.

    Vom Khumbu aus verschwindet der Everest fast ganz hinter mächtigen Vorbergen, und seine Spitze ist nur von einigen Punkten aus zu sehen. Deshalb nahmen ihn die Sherpas nicht als eigenständigen Berg wahr und auch sie hatten keinen Namen für ihn. Wenn sie zum Everest gingen, dann mit englischen Expeditionen vom indischen Darjeeling aus über das tibetische Hochland, wo der Berg als Chomolunga, »Göttinmutter der Erde«, mächtig in Erscheinung tritt.

    Namensgeber für den westlichen Taufnamen war der Landvermesser George Everest, unter dessen Leitung Indien zwischen 1830 und 1840 von der Südspitze bis an den Rand des Himalaya vermessen wurde, wobei die Himalaya-Gipfel in Nepal aber nur von der Ganges-Ebene aus angepeilt werden konnten. Aus den dabei gewonnenen Messdaten errechnete der brillante indische Mathmatiker Radhanath Sickdhar, der Rechenmeister des Vermessungsdienstes, im Jahre 1852 die Höhe der Bergspitze Peak XV zu 29002 Fuß, gleich 8840 Meter, was um nur 8 Meter von der mit modernsten Methoden ermittelten Höhe von 8848 Metern abweicht.

    Das Erdbeben und das politische Nachbeben

    Am Samstag, den 25. April 2015, um 11.56 Uhr nepalesische Ortszeit, war es soweit. Unter den Vorbergen des Himalaya, in acht Kilometern Tiefe, nahe dem Städtchen Gorkha, achtzig Kilometer nordwestlich der Hauptstadt Kathmandu, hielten die Gesteinsschichten den gewaltigen Spannungen, die sich über Jahrzehnte aufgebaut hatten, nicht mehr stand. Nepal liegt auf einer Nahtlinie der Erdkruste. Von Magmaströmungen im Erdinneren mitgezogen, wird der indische Subkontinent mit einer Geschwindigkeit von durchschnittlich zwei Zentimeter pro Jahr unter die asiatische Landmasse geschoben und presst so den Himalaya empor. Das ist kein geschmeidig ablaufender Vorgang, sondern die beiden Erdplatten verkeilen sich, bis an einer Stelle die Spannung zu groß wird, und die obere, die gestauchte asiatische Platte sich mit einem Ruck nach vorne schiebt. Beim Gorkha-Beben war ein Segment um fünf Meter nach Süden gerutscht, hatte das nächste östliche Teilstück mitgerissen, und so hatte sich der Prozess innerhalb von 40 Sekunden um 140 Kilometer nach Osten bis zum Mount Everest fortgesetzt.

    Als die ersten Nachrichten über das Beben einliefen, fuhr mir der Schreck in die Glieder. Mit wachsender Beklemmung verfolgte ich, wie die Zahl der gemeldeten Opfer in die Höhe ging. Bald waren es einige Tausend und dabei würde es nicht bleiben. Doch über der Marke von 8000 ebbte der Anstieg ab und kam dann zum Stillstand. Ein starkes Nachbeben am 12. Mai forderte nochmals über hundert Tote, doch damit hörte der Schrecken auf. Am 18. Mai meldete das Innenministerium 8604 Opfer. So schrecklich das war, es war nur ein kleiner Bruchteil dessen, was ich befürchtet hatte.

    Fachleuten wie dem Geologen Jean-Philippe Avouac vom California Institute of Technology (Caltech) ging es nicht anders. Er rechnete sogar mit 300 000 bis 400 000 Toten und hielt die anfangs gemeldeten Opferzahlen für viel zu niedrig.¹ Kollegen äußerten sich ähnlich. Allen war eine große Erleichterung und auch Verwunderung anzumerken, dass es so wenig Tote gegeben hatte.

    Erst mit einiger Verzögerung wurde mir bewusst, dass nie von toten Schulkindern die Rede war, dabei galten sie als besonders gefährdet. Die National Society of Earthquake Technology (NSET) hatte durchgespielt, welche Folge ein Erdbeben während der Unterrichtszeit haben würde. Das Ergebnis ließ einen erschauern. Mehr als hunderttausend Schulkinder würden ums Leben kommen.² Und nun sollte es keine toten Schulkinder gegeben haben? Dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Der 25. April war ein Samstag gewesen, der nepalesische »Sonntag«. Was das für ein Glücksfall war, zeigten die Zahlen über die Schäden an Schulen. Es waren, sage und schreibe, 32 000 Klassenzimmer eingestürzt.³

    Günstig wirkte sich auch aus, dass sich das Erdbeben zur Mittagszeit ereignete, als viele Menschen außer Haus waren. Risikoforscher haben ermittelt, dass zu anderen Tageszeiten drei- bis viermal mehr Menschen ums Leben kommen können; nachts, wenn die Menschen im Schlaf überrascht werden, steigt der Wert sogar auf das Siebenfache.

    Der Zeitpunkt des Bebens rettete einerseits vielen Menschen das Leben, wurde anderen aber gerade zum Verhängnis. Am arbeitsfreien Samstag waren besonders viele Besucher auf dem Dharara-Turm in Kathmandu, der schlank und weiß wie ein Minarett im Zentrum der Stadt 62 Meter in die Höhe ragte. Er brach bis auf einen Stumpf zusammen und begrub nach unterschiedlichen Angaben 50 bis 180 Menschen unter sich. Es war die größte Zahl von Opfern an einem Ort. Durch die Baugeschichte des Turmes bekommt das Unglück noch eine zusätzliche düstere Note. Er war 1832 von Bhimsen Thapa errichtet worden, einem der fähigsten, aber auch gewalttätigsten Herrscher Nepals, der 1806 in einem Machtkampf am Königshof Dutzende seiner Rivalen samt Frauen und Kindern ermorden ließ und so insgesamt 93 Menschen in den Tod schickte. Bei einem schweren Erdbeben im Jahr 1934 brach der Turm bis auf das untere Drittel zusammen, doch der damalige Herrscher ließ das Monument neu errichten – leider, muss man rückblickend sagen. So konnte sich der böse Geist von Bhimsen Thapa neue Opfer suchen.

    Kathmandu hat überlebt

    Ungeachtet allen Schreckens zeichnete sich nach einigen Tagen ab, dass Kathmandu entgegen den Vorhersagen nicht im totalen Chaos versunken war, auch wenn durch die Flut der Bilder von zusammengestürzten Häusern und schwer beschädigten Tempeln dieser Eindruck entstehen konnte. Schon nach 24 Stunden war die Stromversorgung im Großen und Ganzen wieder hergestellt. Die Hotels meldeten auf ihren Internetseiten, dass alle Gäste wohlauf seien. Dass die Stadt nicht paralysiert war, zeigte sich auch daran, dass am Tag nach dem Erdbeben wieder die Zeitungen erschienen. Der Flughafen wurde ein paar Stunden stillgelegt, um die Landebahn auf Schäden zu untersuchen, was zum Glück nicht der Fall war. So landeten bald pausenlos Flugzeuge mit Katastrophenhelfern und Hilfsgütern aus aller Welt. Nach einigen Verzögerungen nahm der Regierungsapparat die Aufgabe in Angriff, die riesige Hilfswelle in geordnete Bahnen zu lenken.

    Viel Beachtung fand, dass internationale Rettungsteams noch nach Tagen Verschüttete bergen konnten. Doch im Endeffekt war die Bilanz ernüchternd; 76 Gruppen mit 4136 Mitgliedern und 118 Suchhunden konnten gerade einmal 19 Menschen retten.⁴ Es ist zwar gut gemeint, wenn sich nach einem Erdbeben Spezialisten zur Verschüttetensuche auf den Weg machen, aber bis sie an Ort und Stelle sind, ist es meistens zu spät. In Erdbebengebieten müssen lokale Kräfte geschult werden und in Bereitschaft stehen.

    Die Bestandsaufnahme

    Meine Erleichterung über die relativ geringe Anzahl von Opfern schlug in ungläubiges Erstaunen um, als ich nach einigen Wochen auf eine geografische Aufschlüsselung der Zahlen stieß.⁵ Im Großraum Kathmandu, Lalitpur und Bhaktapur mit 3,5 Millionen Einwohnern, wo über 100 000 Opfer prognostiziert worden waren, hatten »nur« 1700 Menschen den Tod gefunden, in den sieben Bergdistrikten mit insgesamt 2,1 Millionen Einwohnern hingegen 7000. Im Distrikt Sindhupalchok nordöstlich von Kathmandu waren von den 300 000 Bewohnern 3440 ums Leben gekommen. In Relation zur Bevölkerung waren das zwanzigmal mehr Opfer als in der Metropole.

    Unmittelbar nach dem Erdbeben machten sich neben den Katastrophenhelfern auch Expertengruppen von verschiedenen Institutionen auf den Weg, um die Schäden zu inspizieren. Durch die Begutachtung der frischen Schäden, ehe sie durch Aufräumarbeiten verwischt oder ganz beseitigt werden, lassen sich Schwachstellen in der Struktur von Gebäuden, Brücken, Staumauern und Dämmen identifizieren und so Erkenntnisse gewinnen, wie sie in Zukunft zu vermeiden sind. Die Experten waren durchweg erstaunt, wie wenige Gebäude in Kathmandu eingestürzt waren. In der Regel handelte es sich um ältere Backsteinbauten oder um Gebäude mit eindeutigen konstruktiven Mängeln.

    Eine amerikanische Gruppe nahm besonders die neuen hohen Wohnblocks in den Außenbezirken in Augenschein. An ihnen zeigten sich lediglich Risse im Verputz. Nur ein Komplex wies starke Risse im Mauerwerk auf, die Stahlbetonsäulen als tragende Struktur des Gebäudes hatten aber standgehalten, sodass die Stabilität des Gebäudes nicht in Gefahr geriet.⁶ In den Hochhäusern kam kein Mensch zu Schaden.

    Ein japanisches Team, das im September 2015 eine systematische Bestandsaufnahme der Gebäudeschäden vornahm, kam zu dem Ergebnis, dass in Kathmandu und der unmittelbaren Umgebung weniger als fünf Prozent der Gebäude zusammengestürzt oder irreparabel beschädigt waren.⁷ Ein ganz anderes Bild bot sich in den Bergen. Dort waren manche Dörfer dem Erdboden gleichgemacht. Zu Barpak, dem Dorf, in dessen Untergrund die Initialzündung des Erdbebens erfolgte, ist im Bericht der Geotechnical Extreme Events Reconnaissance Association (GEER) notiert: »Die Mehrheit der Gebäude ist aus Natursteinen gebaut. Nahezu alle brachen komplett zusammen. In starkem Kontrast dazu erlitten Häuser mit einem tragenden Gerüst aus Stahlbeton keine Schäden.«⁸ Dieses Muster wiederholte sich in vielen Dörfern. Damit, so sollte man meinen, war auch geklärt, warum in Kathmandu viel weniger Gebäude eingestürzt und somit viel weniger Menschen zu Tode gekommen waren als in den Bergdörfern. Die Gebäude in Kathmandu waren erdbebenresistenter. Aber das stand in eklatantem Widerspruch zu den Vorhersagen, wonach in Kathmandu bei einem schweren Erdbeben mit Hunderttausenden von Toten zu rechnen war. Wie war die ungeheure Diskrepanz zwischen diesen Zahlen und dem tatsächlichen Ausgang der Katastrophe zu erklären?

    Das Schreckensszenario und der tatsächliche Ausgang des Bebens

    Die Aussagen über das Erdbebenrisiko von Kathmandu beruhten alle auf einer Studie aus dem Jahr 2001. Im Rahmen der Global Earthquake Safety Iniative (GESI) hatte »Geohazard International«, ein Zusammenschluss kalifornischer Erdbebenforscher, im Auftrag der Vereinten Nationen die Erdbebengefährdung von 21 Großstädten verglichen.

    Das Risiko für Kathmandu hatte man in der Weise ermittelt, dass man kalkulierte, was bei einer »Wiederholung« des schweren Erdbebens von 1934 passieren würde. Damals lebten in der Hauptstadt und den beiden Nachbarstädten insgesamt 200 000 Menschen. Ein Viertel aller Häuser war eingestürzt, und dadurch waren 4300 Menschen zu Tode gekommen. Bis zum Zeitpunkt der GESI-Studie war aus den drei Städten eine Agglomeration mit 1,5 Millionen Einwohnern geworden, für die das Risiko infolge dichterer und höherer Bebauung noch höher eingeschätzt wurde als das ihrer Vorfahren. So war am Ende eine Zahl von 70 000 potenziellen Opfern ermittelt worden. Das waren deutlich mehr als in den viel größeren Städten Istanbul, Neu-Delhi, Jakarta oder Tokio. Die ganze Wucht entfaltete die Zahl aber erst, wenn man sie ins Verhältnis zur Einwohnerzahl setzte und diesen Wert mit dem der anderen zwanzig Städte verglich. Dann fiel Kathmandu völlig aus dem Rahmen. Das »potenzielle Todesrisiko« war mit 4,5 Prozent fast zehnmal höher als in Istanbul, der zweitgefährlichsten Stadt, wo es bei 0,5 Prozent lag.

    Seit der GESI-Studie war das Erdebenrisiko von Kathmandu aber nicht mehr unter die Lupe genommen worden, sondern NSET hatte die Zahlen entsprechend der jetzigen Einwohnerzahl von 3,5 Millionen einfach extrapoliert und so war eine Zahl von über 100 000 möglichen Erdbebenopfern zustande gekommen. NSET war zwar nur eine Nichtregierungsorganisation, aber dank kräftiger Unterstützung durch die amerikanische Entwicklungsagentur USAID war sie im Laufe der Jahre auf 80 Mitarbeiter angewachsen und verfügte über einen Etat von 3,2 Millionen Dollar. Sie nahm in der Erdbebenvorsorge quasi den Rang einer Behörde ein und ihre Aussagen wurden nicht weiter hinterfragt. So sah Robert Piper, der Koordinator für Humanitäre Hilfe der Vereinten Nationen, Kathmandu dem Untergang geweiht: »Teile der Stadt werden einfach zusammenfallen. Das wird eine Katastrophe von epischen Ausmaßen sein.«¹⁰ Diese epische Katastrophe, die auch ich mit meinem NZZ-Artikel an die Wand gemalt hatte, war nun aber nicht eingetreten. Wie war das möglich?

    Nach einer Auswertung der Messdaten lieferten die Erdbebenforscher eine Erklärung, die vereinfacht so aussieht. Die von der Bruchzone ausgestrahlten schnellen Bodenvibrationen waren von den mächtigen Seesedimenten unter Kathmandu in langsamere Bodenschwingungen umgewandelt worden, die weniger zerstörerisch auf die Gebäude einwirkten. Das leuchtete ein und so schrieb ich einen zweiten Artikel für die NZZ, dem der Redakteur, einen Wissenschaftler zitierend, den schönen Titel gab: »Kathmandu hat einfach Glück gehabt.«¹¹

    Damit hätte ich die Beschäftigung mit den naturwissenschaftlichen Aspekten des Erdbebens eigentlich abschließen können, aber irgendwie nagten Zweifel an mir. Konnten allein die geschilderten Mechanismen bewirkt haben, dass es anstatt über hunderttausend »nur« 1700 Tote gegeben hatte? Meine Zweifel wurden bestärkt, als ich auf einen Aufsatz von Avouac und dreißig Co-Autoren im Wissenschaftsmagazin Science stieß, in dem sie darlegten, wie es zur »Entschärfung« der Erdbebenwellen unter Kathmandu gekommen war. In der Zusammenfassung des Artikels hieß es: »Da Bodenerschütterungen von hoher Frequenz (>1 Hertz) nur moderat auftraten, blieb der Schaden an normalen Gebäuden begrenzt. Schwankungen mit einer Periode von 4 bis 5 Sekunden bewirkten den Kollaps von hohen Strukturen, einschließlich kultureller Denkmäler.«¹² Der erste Satz gab wieder, was auch andere Geowissenschaftler sagten und worauf ich meinen NZZ-Artikel gestützt hatte. Beim zweiten Satz jedoch stutzte ich.

    In ganz Kathmandu war nur eine »hohe Struktur« zusammengebrochen, und das war der unselige Dharara-Turm. Die hohen Wohnblöcke hatten das Erdbeben überstanden. Abgesehen davon stimmte auch die Begründung für den Zusammenbruch des Dharara-Turms nicht. Das achtzig Jahre alte marode Bauwerk war nicht durch die Bodenschwingungen ins Schwanken geraten und dann auseinandergebrochen, sondern bei der ersten Erschütterung in sich zusammengefallen. Mein Vertrauen in die wissenschaftlichen Erklärungen für den glimpflichen Ausgang des Bebens war angeknackst. Im Prinzip mochten die langsamen Bodenschwankungen weniger zerstörerisch auf die Gebäude eingewirkt haben, um aber fundierte Aussagen machen zu können, hätte man Modellrechnungen anstellen müssen, was Bodenerschütterungen von hoher Frequenz im Gebäudebestand von Kathmandu angerichtet hätten. Das war aber nicht erfolgt, sondern Avouac und Kollegen hatten ihre Erklärungen über den glimpflichen Ausgang des Erdbebens einfach aus dem Ärmel geschüttelt.

    An sich lag die Erklärung für die relativ geringen Gebäudeschäden in Kathmandu auf der Hand. Die Gebäude mussten wesentlich erdbebenresistenter sein als allgemein angenommen. Aber wie war das zu belegen? Schließlich wurde ich fündig. In einer

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