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Earl Dumarest 25: Die Terridae
Earl Dumarest 25: Die Terridae
Earl Dumarest 25: Die Terridae
eBook241 Seiten2 Stunden

Earl Dumarest 25: Die Terridae

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Über dieses E-Book

Ein Schrein mit mysteriöser Symbolik scheint für Earl Dumarest auf seiner Suche nach den galaktischen Koordinaten der Erde den Durchbruch zu bedeuten – doch die Hinweise führen ihn nach Zabul, einer gigantischen Raumstation voller Träumer, die alle auf das wunderbare Ereignis warten, Terra wiederzufinden. Seine Nachforschungen werden behindert – durch die unerbittlichen Cyclan, die seine Spur erneut aufgenommen haben, und die Bewohner Zabuls selbst, die zwischen Traum und Wirklichkeit hin und her gerissen scheinen.
SpracheDeutsch
HerausgeberAtlantis Verlag
Erscheinungsdatum31. Mai 2017
ISBN9783864025129
Earl Dumarest 25: Die Terridae

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    Buchvorschau

    Earl Dumarest 25 - E. C. Tubb

    www.atlantis-verlag.de

    1

    Er war klein, hatte braune Haut, war gekleidet in Violett mit silberfarbenen Säumen, trug eine Zipfelmütze auf einem wilden Gewirr von Locken und gestreifte Schlauchhosen auf schlanken Beinen, ein Junge von etwa zehn Jahren, gefangen in einem Dickicht von Brombeeren, mit einem Fuß verhakt in die gespannten Kiefer einer Pflanzenfalle. An jedem Handgelenk klapperten hell die Glocken, wenn er seine Arme bewegte. Dumarest hatte sie gehört, als er auf der Anhöhe Rast machte, und sie bis zu ihrem Ursprung den Hang hinunter verfolgt. Nun stand er da und verlagerte das Gewicht des Rucksacks auf seinen Schultern.

    »Bist du verletzt?« Dumarest runzelte die Stirn, als der Junge den Kopf schüttelte. »Kannst du nicht sprechen?«

    Wieder das Schütteln des Kopfes, dieses Mal begleitet vom Zeigen eines Fingers in Richtung des geöffneten Mundes. Ein Stummer, gefangen in einem Gefängnis aus Dornen, der nur mit den Glocken nach Hilfe rufen konnte. Aber würde so ein Knabe tatsächlich alleine umherlaufen?

    Dumarest drehte sich; die Augen verengt beobachtete er die Umgebung. Auf allen Seiten fielen die umgebenden Hügel ab und umarmten die einzige Stadt Shards. Glatter Rasen wechselte sich mit hohen Palmwedeln ab, vermischt mit seidigen Blüten und Brombeeren. Wuchernde Pflanzen wuchsen doppelt so hoch wie ein Mann, trugen saftige Beeren und Fallen, dazu ausgelegt, um Insekten und kleine Nagetiere zu fangen. Die Äste und Stämme, etwa so dick wie ein Mann, wurden bedeckt mit gekrümmten und teuflischen Widerhaken.

    »Nicht bewegen!«, rief Dumarest eine Warnung, die Luft zitterte unter dem verzweifelten Gebimmel der Glocken. »Nur ruhig bleiben. Ich hole dich raus.«

    Er studierte den Boden, als der Junge gehorchte, und bemerkte die Struktur der Wurzeln im verfilzten Rasen. Auf der einen Seite war ein stachelbewehrter Zweig gebrochen und Flüssigkeit tropfte aus der Fraktur. Als er sich prüfend niederkniete, hörte er ein leichtes Rascheln und drehte sich um, griff nach dem Messer in seinem Stiefel; Sonnenlicht reflektierte auf den neun Zoll scharfen und zugespitzten Stahls.

    Ein Rascheln, gefolgt von weiteren Geräuschen, als ein Windstoß die Palmwedel bewegte und die schläfrige Luft mit dem betörendem Duft ihres Parfüms füllte.

    Dumarest erhob sich, ließ den Rucksack von seinen Schultern gleiten und bewegte sich in Richtung des eingeschlossenen Jungen. Klein und flink würde der Knabe wenig Mühe haben, um durch die Disteln zu gleiten, Dumarest aber musste sich dreimal einen Weg frei hacken. So erreichte er die liegende Gestalt und bestimmte Dinge wurden klar.

    Die Jacke war aus billigem Material, geflickt, ausgefranst, die silberne Kettelung nichts als Reste von Silberfolie. Die Glocken waren aus Bronze und hingen an Drähten vom Handgelenk. Die Hose war bedeckt mit Flicken und der spitz zulaufende Hut war grob genäht, alles unübersehbare Zeichen der Armut trotz ihrer bunten Show, ergänzt durch die hohlen Wangen und die zu hellen Augen, die schwachen Knochen des Jungen selbst. Ein Korb auf einer Seite erklärt die Anwesenheit des Jungen, ein Gefäß, zur Hälfte mit violetten Beeren gefüllt; eine mit Schmerzen gewonnene Ernte.

    »Ruhig!« Der schmale Knöchel, eingeklemmt in die Falle, war gesprenkelt mit blauen Flecken, Blut war auf der Hose, Beweis von wilden Anstrengungen, das Bein zu befreien. Das Messer blitzte, als Dumarest im Gewirr der Dornen schnitt. »Nicht bewegen!«.

    Obwohl stumm, konnte der Junge hören und verstehen und er blieb ruhig, bis Dumarest die Aufgabe abgeschlossen und sein Messer weggesteckt hatte. Glöckchen klirrten, als er den Jungen anhob und die ausgestreckte Hand sah, Entschlossenheit im kleinen Gesicht.

    »Du willst die Früchte, oder?« Er hob den Korb als der Junge nickte. »Hier. Kannst du laufen?« Er beobachtete, wie der Junge einen vorsichtigen, humpelnden Schritt tat. »Zu langsam. Ich trage dich.«

    Ein Heben und der Junge ritt auf seiner Schulter, den Korb fest in den kleinen Händen. Vorsichtig ging Dumarest den Weg zurück, hielt inne, als er erneut ein leichtes Rascheln vernahm.

    Dieses Mal war es nicht der Wind.

    Ein Busch aus Gras lag seitlich und Dumarest bewegte sich auf ihn zu, warf den Jungen auf den weichen Boden, als das Rascheln nahe kam. Er drehte sich, duckte sich. Ein auf seinen Kopf gerichteter Schlag ging fehl und zischte durch die Luft, der Mann am Ende des Stocks taumelte durch den überraschenden Mangel an Widerstand aus dem Gleichgewicht. Er war schmutzig, hatte ein Rattengesicht und trug fleckige, grün-braune Kleider, Tarnung, die ihn vor den menschlichen Raubtieren schützte, die im Busch lauerten. Er klappte zusammen und würgte, als Dumarest ihm in den Bauch trat, stolperte zurück, bis er sich in stachelbewehrten Zweigen verhedderte.

    »Jarl?« Die Stimme kam von vorne, ungeduldig, missmutig. »Hast du ihn? Hast du ihn, Jarl?«

    Zwei von ihnen und es könnten sogar noch mehr sein. Dumarest zog das Messer aus seinem Stiefel und rutschte seitlich unter die Disteln, fühlte das Ziehen der Dornen an seiner Kleidung, das Zerren und Brennen der Widerhaken an seinem Kopf.

    »Jarl? Antworte mir, verdammt!«

    Ein Rascheln und Dumarest sah einen fleckigen Leib, den Schatten eines großen Körpers, der Glanz des Sonnenlichts reflektiert von verborgenen Augen. Ein Mann stürzte sich nach vorn, einen knorrigen Ast in Händen. Seine Finger öffneten sich unter dem Streich des scharfen Stahls und das Blut spritzte.

    »Du Bastard!« Schmerz und Wut verzerrten das verwüstete Gesicht. »Das kostet dich deine Augen! Du wirst blind durch den Busch wandern! Jarl! Kelly! Holt ihn euch, verdammt!«

    Er wich zurück, seine unverletzte Hand tauchte in eine Tasche, kam mit einer Pistole wieder heraus. Ein großkalibriger Schrotprojektor, der die Luft mit tödlichem Hagel füllen konnte. Als Dumarest ihn entdeckte, warf er sich nach vorn, Klinge vorgestreckt, stieß die Spitze unter dem Brustbein nach oben, erreichte das Herz. Eine genauso sichere Art zu töten wie mit einem Laserschuss durch das Gehirn.

    Als der Mann fiel, hörte er einen wilden Fluch, ein unbeholfenes Laufen an einer Stelle in der Nähe, die Echos eines anderen, wo er seinen Rucksack hingelegt hatte. Als er den Ort erreichte, fand er diesen nicht mehr.

    Das Gebimmel der Glocken erinnerte ihn an den Jungen.

    Er saß, wo er ihn hingeworfen hatte, die Augen ängstlich, das verletzte Bein steif vor sich. Der Knöchel war zu geschwollen für den Knaben, sodass er nicht mehr als nur kriechen konnte. Jarl war verschwunden, Reste von Haut und Kleidung hing an abgebrochenen Dornen, eine Spur des Blutes zeichnete seinen Weg, dem Dumarest leicht folgen könnte, aber nicht, wenn er gleichzeitig den Jungen zu tragen hatte. Und in der Dunkelheit würden andere Raubtiere sich gerne um hilflose Beute kümmern.

    »Hoch!« Dumarest hob den kleinen Körper auf seine Schultern. »Ich bringe dich besser nach Hause.«

    * * *

    Die Stadt ähnelte dem Planeten – klein, düster, nichts anderes als funktional. Das Landefeld war eine Fläche aus holprigem Schmutz, verlassen nun, die Lagerhäuser verfallen und leer. Einmal hatte es hier einen pulsierenden Strom des Handels gegeben, aber die Adern der wertvollen Erze waren erschöpft, der Betrieb stillgelegt, Schuppen und Arbeiter aufgegeben. Unter ihnen war der hiesige Ladenbesitzer.

    »Earl!« Er erhob sich, als Dumarest in seinen Laden kam. »Mann, ist es gut, dich zu sehen!«

    Mel Glover war ein ehemaliger Arbeiter, der bei einem Unfall verletzt wurde und nun einen nutzlosen Fuß nachzog. Ein großer, breiter Mann mit einem robusten Körper und einem Gesicht gezeichnet mit einem ewigen mürrischen Ausdruck. Er führte den Laden, fungierte als Agent und hasste jede Sekunde seiner Arbeit. Er fand Erleichterung im Reden, in Drogen und in exotischen Träumen. Nun runzelte er die Stirn, als Dumarest den Jungen absetzte.

    »Anton! Was zum Teufel ist mit dir passiert?« Er blickte Dumarest an. »Er fand dich, oder was?« Das Stirnrunzeln vertiefte sich, als er die Antwort hörte. »Gefangen in den Brombeeren – noch etwas?«

    Ein Angriff auf sein Leben, Diebstahl, ein Mann tot – aber Dumarest beschloss, nicht ins Detail zu gehen. Er sagte: »Das ist alles. Ich habe ihn gehört, fand ihn und brachte ihn her. Weißt du, wo er lebt?«

    »In der Drell.«

    »Mit seinen Leuten?«

    »Seiner Mutter. Sein Vater starb letztes Jahr.« Glover griff in eine Dose und warf dem Jungen einen Ball verpackter Süßigkeiten zu. »Hier, Junge. Kannst du gehen? Versuche zu hüpfen. Gut. Dann verschwinde.« Als der Junge fortsprang, an seiner Süßigkeit saugend, den Korb über einem Arm, fügte er hinzu: »Ich wette, du wusstest nicht, dass er das tun konnte.«

    »Nein.«

    »Aber du weißt, dass er stumm ist?«

    Dumarest nickte und blickte sich im Laden um. Es war, wie er sich daran erinnerte, vollgestopft mit einer Vielzahl von Produkten, die meisten aus lokaler Herstellung. Körbe aus hiesigem Schilf, gefüllt mit zarten Blüten, lagen neben Töpfen aus von der Sonne gebackenem Ton, vollgestopft mit Gewürzen, Samen und narkotischen Kräutern. Ein Ballen enthielt Pelze, ein anderer die gegerbten Häute wilder Echsen, die Haut schien durchsetzt mit Silber, Jade und Gold. Produkte von geringem Wert, aber immer noch lohnende Ware, die von Schiffen eingesammelt wurde, die sich mit kleinen Gewinnen zufriedengaben. Unter einem Fenster, das auf die Hügel zeigte, stand ein Tisch, darauf lag ein Buch zusammen mit einem leistungsstarken Fernglas.

    »Du hast fast einen Monat da draußen zugebracht«, sagte er. »Ich bekam schon Angst. Glück gehabt?«

    »Nein.« Der Rucksack hatte eine Masse Korbinit enthalten; dreißig Pfund von nahezu reinem Kristall, genug für ein halbes Dutzend Hohe Passagen. Zusammen mit seiner Ausrüstung kostete es fast alles, was er besaß. »Im Drell, sagst du?«

    »Wie bitte? Ach ja, der Junge.« Glover saugte seine Wangen ein, als er nach einer Flasche griff. »Auch einen? Nein? Nun, auf den Erfolg.« Er leerte das Glas in einem Schluck und es roch sehr nach grob destilliertem Schnaps, als es wieder aufgefüllt wurde. »Die Ecke ist das Nächste an einer Unterwelt, was du hier auf Shard findest. Es wurde einmal richtig mies da, aber dann ist die Firma verschwunden und Dinge haben sich etwas ausgeglichen. Die Armen blieben arm, aber die Reichen standen auf und gingen. War also einiges übrig, was man sich greifen konnte.« Er trank wieder. »Wenn mein Fuß nicht kaputt wäre, wäre ich auch schon weg. Ein guter Job«, sagte er bitter. »Das ist es, was sie mir gesagt haben. Eine gute, verantwortungsvolle Position. Hölle, schau es dir an! Sogar ein Hausi könnte in diesem Loch nicht leben!«

    Eine Lüge – aber ein Hausi würde seinen Profit nicht versaufen, seinen Kram nicht durch mangelnde Aufmerksamkeit verrotten lassen oder sich in Selbstmitleid suhlen.

    Dumarest sagte geduldig: »Wo im Drell?«

    »Es geht immer noch um den Jungen?« Glover schüttelte den Kopf. »Ein dummer Junge – was ist er für dich? Trink was und vergiss ihn besser.« Er griff nach der Flasche, hielt in seiner Bewegung inne, als sein Blick Dumarests Augen traf. »Fivelane«, sagte er. »Nummer achtzehn.«

    * * *

    Einst hatte es gut ausgesehen, mit sauberer Farbe und klaren Fenstern, nicht mit Papier und Säcken ausgebessert. Ein Zuhause für Menschen mit Stolz. Nun enthielt es Gestank, Verfall und eine Schlampe, die mit berechnendem Blick auf Dumarest starrte.

    »Anton«, sagte sie. »Was wollen Sie von ihm?« Ihr Gesicht trug jetzt einen spekulativen Ausdruck. »Wenn Sie darüber nachdenken …«

    »Sind Sie seine Mutter?«

    »So ähnlich. Seine wahre Mutter ist krank. Ich kümmere mich um alles.« Sie holte Atem, als Dumarest seine Finger um Ihren Arm schloss. »Alles in Ordnung, mein Herr! Kein Problem! Sie ist oben!«

    Dumarest fand die Frau in einem Zimmer mit einem schmalen Fenster, halb bedeckt mit Tüchern als Schutz vor der Kälte der Nacht. Es gab ein aufklappbares Bett, einen Tisch, einen Stuhl, eine Box, ein Haufen von verschiedenen Stoffen in einer Ecke. Eine Jacke aus scharlachrotem Tuch lag auf dem Schoß einer Frau, die einst jung und schön gewesen war. Sie hustete und sog Luft ein, um wieder verräterisch zu husten.

    »Anton ist ein guter Junge«, sagte sie. »Er tut, was er kann. Er würde auch niemandem schaden.«

    Dumarest war geduldig. »Ich will ihm nichts tun. Ich möchte ihn nur kennenlernen. Er ist stumm geboren?«

    »Ein genetischer Defekt, der aber behoben werden kann. Ein neuer Kehlkopf …« Ihre Hände schlossen sich auf dem verblichenen Stoff der geflickten Jacke. »Alles, was wir brauchen, ist Geld.«

    Die Heilung für so viele Übel. Dumarest bemerkte die Schlankheit der Hände, die Länge der Haare. Sie hatte seine Augen nur bei der ersten Begegnung angesehen, den Blick dann fallen gelassen, als wenn sie sich schämen würde, und tat so, als sei sie aufs Nähen konzentriert. Von unten kamen plötzlich ein Ruf, ein Schlag, ein Schrei.

    »Martia«, sagte sie. »Ihr Mann hat wenig Geduld.«

    »Und Ihrer?«

    »Tot.« Ihre Stimme war so trübe wie ihre Augen. »Vor mehr als einem Jahr jetzt. Ein Unfall.«

    »Bei der Arbeit?«

    »Im Busch. Ein Freund brachte die Nachricht.« Sie wollte nicht darüber reden und Dumarest beobachtete die Bewegungen ihrer Hände auf der Jacke. Ein Ersatz – der Rand war gold- statt silberfarben besetzt. Anton war noch nicht wieder zu Hause. »Was wollen Sie, Mister?«

    »Ich bin auf der Suche nach jemandem. Einem Mann namens Kelly. Er könnte ein Freund von Ihrem Mann gewesen sein. Anton könnte ihn kennen. Tut er das?«

    Sie war einen Moment ruhig, dann schüttelte sie den Kopf. »Denken Sie nach«, forderte Dumarest. »Ihr Mann könnte ihn erwähnt haben. Anton … können Sie mit ihm kommunizieren?« Er fuhr fort, als sie nickte. »Kelly könnte sich mit dem Jungen befreundet haben. Jarl auch. Kennen Sie Jarl?«

    »Nein.«

    Ihre Verneinung kam zu schnell, vielleicht einfach eine automatische Verteidigung. In solchen Orten wie dem Drell waren Fremde immer verdächtig und es wäre nur natürlich, dass sie den Jungen beschützen wollte. »Schade.« Dumarest blieb lässig. »Es ist Geld in der Sache. Ich möchte meine Arbeit tun und abreisen. Hatte Ihr Mann einen Lieblingsplatz? Wer hat Ihnen die Nachricht von seinem Tod gebracht?«

    Es stellte die Frage, ohne den Tonfall zu ändern, und sie antwortete mit gedankenloser Reaktion. »Fenton. Boyle Fenton. Er besitzt das Barracoon. An der Ecke Tenlane und Drei.« Sie fügte hinzu: »Er ist ein guter Mann.«

    Er hatte die schlechte Nachricht für sie leichter gemacht, gab ihr ein bisschen Geld, versprach, Hilfe zu leisten, wenn sie sie brauchte, ein Versprechen, das sie aus Stolz nicht eingefordert haben könnte.

    War der Junge ein Köder gewesen?

    Es war möglich und er passte dafür; jung, schwach, hilflos, konnte nicht mehr tun, als nur die Glocken bimmeln zu lassen, eine Ablenkung, um die Misstrauischen zu verwirren, platziert von den Raubtieren, bereit zu töten für jede Beute, die sie finden konnten. Oder hatten sie nur einen echten Unfall für sich genutzt?

    »Geht Anton oft aus?«

    »Jeden Tag.«

    »In den Busch? Allein?«

    »Er ist es gewohnt. Er sammelt, was er kann, und verkauft es für das, was er bekommt.« Stolz auf ihren Sohn hob den Kopf der Frau, ein Sonnenstrahl berührte ihr Haar und verlieh ihr gleichzeitig eine vorübergehende Schönheit, gespiegelt in den Knochen von Wange und Kiefer, den gewölbten Brauen über den tief liegenden Augen. Das Fieber färbte ihre Wangen und gab ihr einen falschen Schein der Gesundheit. »Er ist ein guter Junge, Mister!«

    Der Junge war klein, schwach und unfähig zu sprechen, kannte sich aber mit den Gefahren des Busches aus. Es handelte sich nicht um einen Unfall, war aber auch nicht ganz seine Schuld gewesen. Die, die ihn benutzt hatten, trugen die Schuld.

    Im Erdgeschoss stand die Frau, die ihn begrüßt hatte, wartend im Türrahmen.

    »Glück, Mister?« Ihre Augen wanderten in Richtung der oberen Stockwerke. Eines war dunkel von einem frischen blauen Fleck. »Wenn Sie wirklich den Jungen wollen, kann ich das arrangieren.«

    Dumarest fragte: »Gibt es hier ein Krankenhaus?«

    »Eine Krankenstation in der Rotunde, aber die verlangen Vorkasse.« Ihr Blick schweifte über sein Gesicht, blieb auf dem getrockneten Blut auf der verletzten Kopfhaut liegen. »Für die da oben oder Sie selbst? Wenn es für die da oben ist, dann vergessen Sie es – sie wird keine Jahreszeit mehr überstehen. Wenn es für Sie ist, dann warum Geld verschwenden? Die Mönche werden Sie kostenlos behandeln.«

    * * *

    Es war ein harter Tag und Bruder Pandion war müde. Er ruhte seine Schultern am sonnenerwärmten Mauerwerk des Gebäudes aus, das als Kirche benutzt wurde, und schaute auf die Schlange, die scheinbar nie endete. Viele der Gesichter waren bekannt, aber alle waren Sünder, gekommen, um den Trost der Beichte zu genießen. Sie würden vor dem Segnungslicht knien, um ihre Schuld zu erleichtern, dann individuell Buße tun und danach das Brot der Vergebung erhalten. Und wenn auch viele nur wegen der Konzentratriegel kamen, war es ein fairer Austausch – denn alle, die auf ihren Knien wie hypnotisiert unter den wirbelnden Schimmern des Lichts knieten, wurden gegen den Drang, einen Mitmenschen zu töten, konditioniert.

    Ein gerechter Tausch, aber wie viele mussten konditioniert werden, ehe man sicher und in Frieden auf den Straßen wandeln konnte? Pandion kannte die Antwort, wie auch alle jene, die im Dienst der Kirche der Universalen Bruderschaft standen, aber es zu wissen, minderte seine Entschlossenheit nicht. Sobald alle auf ihre Mitmenschen sahen und die Wahrheit des Credos erkannten – Hier, in der Gnade

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